Interpretation
Das Wort Interpretation (v. lat.: interpretatio = Auslegung, Übersetzung, Erklärung) bezeichnet die verstehende Aneignung der Welt durch Deutung.
1. Allgemeines
Alles in der Welt Wahrgenommene bedarf der Interpretation. Interpretation ermöglicht Verständigung, Ordnung und Struktur. Interpretation ist der Versuch Herr über etwas zu werden (Friedrich Nietzsche). Interpretationen sind immer Annäherungen an eine Erscheinung und daher vorläufig, ergänz- bzw. ersetzbar.
Zu interpretieren ist z.B.
- subjektiv: das eigene Befinden
- interpersonal: der Gesichtsausdruck eines Gegenübers,
- sozial: die gesellschaftliche Entwicklung
- objektiv: die Beobachtung von Planetenbahnen
Wobei die Zuordnungen bereits wieder auf Interpretation basieren (können).
2. Semiotik
Bei der Interpretation geht es überwiegend um die Entschlüsselung von Zeichen. Diese Aufgabe wird innerhalb der Semiotik adressiert. Grundlegend werden innerhalb der Semiotik drei Dimensionen der Interpretation unterschieden:
- Semantik: Interpretation der Bedeutung von Zeichen zum Bezeichneten.
- Syntax: Interpretation der Struktur von Zeichen.
- Pragmatik: Interpretation innerhalb des Kontextes eines Zeichen.
Hierbei werden nicht nur visuelle, sondern auch akkustische oder taktile, bzw. non-verbale Zeichen mit einbezogen.
3. Literatur / Kunst
Jeder schriftlich fixierte Text bedarf der Interpretation, um ihn sich selbst oder anderen verständlich zu machen. Schriftlich fixiert werden z. B. Gesetze und Vorschriften (Recht, Gesetzesauslegung), Noten (Musik), Theorien (Psychologie, Philosophie, Theologie, Wissenschaften), Formeln (Mathematik, Chemie, Physik), Programme (Informatik, siehe Interpreter) aber auch Phantasien und Gedanken (Literatur, Prosa).
Siehe auch: Erzähltheorie, Hermeneutik, Textanalyse, Semiotik
4. Weiteres
Wer etwas interpretiert, kann dies neutral und an Fakten orientiert tun. Das ist in den Bereichen Mathematik, Chemie, Physik oder Logik möglich. Es gibt aber auch Bereiche, wo dies nicht möglich ist. So sind Theorien, die zum Beispiel psychologische, philosophische und theologische Aussagen zum Inhalt haben, immer auch ein "persönlicher Fingerabdruck" des Menschen, der sie macht. Ein Mensch mit anderen Erfahrungen käme zu anderen Ansichten. Dies führt zu unterschiedlichen Interpretationen und Streitgesprächen über das gleiche Thema.
Ethik der Interpretation: Interpretation an sich erfordert immer ein wohlwollendes Lesen. Dies bedeutet nicht ein kritikloses Lesen, sondern impliziert das Bemühen die Absicht des Autors zu erkennen. Selbst dann, wenn er sich mißverständlich oder widersprüchlich ausdrückt. Sie erfordert von den Protagonisten, vom Fürsprecher, insbesondere vom Kritiker das aufrichtige und intensive Bemühen scheinbare Widersprüche aufzulösen. Keinesfalls darf man an einen Text herangehen um Widersprüche zu konstruieren! Erst danach darf man sich an einer Bewertung versuchen.
Die Interpretation in der Musik ist auf dreierlei Weise möglich. Zum einen interpretiert der Komponist das zugrunde liegende Kompositionsmaterial (Themen, Texte). Der Vortragende (Dirigent, Solist) interpretiert die der Aufführung zugrunde liegenden Noten oder Vorlagen, um eine aus seiner Sicht bestmögliche Wirkung zu erzielen. Schließlich interpretiert der Zuhörer das Vorgetragene nach seinen subjektiven Eindrücken. Jedes Glied dieser Interpretationskette besitzt ein spezifisches Profil an Interpretationsfreiheiten und -vorgaben und läuft in jeder Situation anders ab, da jeder Interpret Details der Vorlage seiner Perspektive entsprechend betont oder abschwächt.
In der Kartographie werden interpretationen über Qualität, Quantität und Stärke in abgeleiten Quellenkarten festgehalten.
Siehe auch: Übersetzung, Hermeneutik, Exegese, Falsifizierung
Literatur
- Gadamer: Wahrheit und Methode
- v.Gelfert: Wie interpretiert man einen Roman?
- v.Gelfert: Wie interpretiert man ein Gedicht?
- v.Gelfert: Wie interpretiert man ein Drama?
- v.Gelfert: Wie interpretiert man eine Novelle und Kurzgeschichte?