Rechtschreibung des Niederländischen
Die Rechtschreibung des Niederländischen beschreibt die korrekte schriftliche Wiedergabe der Niederländischen Sprache. Sie hat offiziellen Charakter in den Niederlanden, Flandern und Surinam. Das Niederländische wurde zum ersten Mal von De Vries en Te Winkel 1863 kodifiziert. Diese Orthographie wurde 1863 in Belgien eingeführt, in den Niederlanden erst 1883. Sie wurde im folgenden einige Male angepasst:
- 1946 in Belgien
- 1947 in den Niederlanden
- 1996 in Flandern und den Niederlanden unter der inzwischen gegründeten Nederlands Taalunie (Niederländische Sprachunion).
- 2006 in Flandern und den Niederlanden
Die festgelegte Orthographie ist wie in Deutschland allein für Regierungsorgane und Schulen verpflichtend, jedoch wird sie von den meisten Niederländern nichtsdestoweniger befolgt. Als Richtlinie hierfür dient die Woordenlijst Nederlandse Taal (Wortliste der Niederländischen Sprache), besser bekannt als das Grüne Büchlein (Groene Boekje).
Um mit der Sprachentwicklung Schritt zu halten, wird die Rechtschreibung alle 10 Jahre angepasst. Die Taalunie begründet dies mit den fortlaufenden Veränderugen die sich im Niederländischen wie in allen anderen Sprachen vollziehen. Neue Worte kommen hinzu und veraltete Worte werden entfernt.
Darstellung der Phoneme
Die Darstellung der Phoneme durch Grapheme ist recht eindeutig im Niederländischen. Schwierigkeiten bestehen insbesondere in der korrekten Darstellung des Auslauts (Auslautverhärtung).
Konsonantische Phoneme
- /b,d,f,s,v,z,h,w,j,m,n,l,r/ werden durch die entsprechenden Grapheme wiedergegeben.
- /p/ wird durch p> dargestellt (im Auslaut auch b>)
- /t/ wird durch <t> dargestellt (im Auslaut auch <d>)
- /k/ wird durch <k> dargestellt (im Auslaut auch <g>). Ausserdem ist auch <c> in Fremdwörtern möglich.
- /x/ wird durch <ch> wiedergegeben.
- /ç/ wird durch <g> wiedergegeben. (In Teilen des Sprachgebiets fallen /x/ und /ç/ zusammen)
- /ʃ/ wird durch <sj> wiedergegeben
- /tʃ/ wird durch <tj> oder <tsj> wiedergegeben
- /ts/ wird durch <ts> wiedergegeben, in Fremdwörtern auch als <t> (Democratie)
Vokalische Phoneme
Die Darstellung vokalischer Morpheme ist weniger einfach. Besonder Aufmerksamkeit erfordert die Darstellung der Vokallänge. Dafür ist die Kenntnis der Silbenstruktur wichtig. Folgende Regeln gelten:
- Langvokale werden in offenen Silben durch einen Vokalbuchstaben dargestellt, in geschlossenen Silben durch zwei. Anders als im Deutschen kann sich die Schreibung eines Stammes durch Beugung verändern(boot Boot, bo-ten Boote).
- Kurzvokale werden durch einen Vokalbuchstaben dargestellt. Kommen sie in einer offenen Silbe vor, wird der folgene Konsonantenbuchstabe verdoppelt. (nat nass, natte broeken nasse Hosen ).
- ein langes /i:/ wird durch <ie> dargestellt. Dies ist in geschlossenen Silben immer der Fall, kommt aber auch in offenen vor (kliniek Klinik, klinieken Kliniken)
- ein langes /e:/ am Wortende wird durch Verdopplung angezeigt (zee, Meer)
- /u:/ wird durch <oe> dargestellt. (Ein entsprechender Kurzvokal existiert nicht.)
- /ö:/ wird durch <eu> dargestellt. (Ein entsprechender Kurzvokal existiert nicht.)
- schwa wird durch <e> oder <ij> dargestellt. (belachelijk lächerlich). In einsilbigen Wörtern kann das Apostroph verwendet werden. (m ' n broek meine Hose )
- /ei/ wir dargestellt durch <ei> (korte ei) oder <ij> (lange ij) (leiden leiten, lijden leiden, Aussprache identisch)
- /au/ wird dargestellt durch <ou> (hout Holz)
- /aü/ wird dargestellt durch <ui> (huid Haut)
Besonderheiten
Treffen in der Schrift zwei Vokale aufeinander, die als Langvokal oder Diphtong gelesen werden könnte, obwohl das nicht beabsichtigt ist, wird der zweite mit einem Trema markiert (Zoölogie, geïdentificeerd).
Generell werden Fremdwörter an die niederländische Orthographie angepasst (kado, von frz. cadeau, Geschenk), jedoch werden Diakritika oft beibehalten (überhaupt, Bühne, enquête, crèche).
Rechtliche Stellung
Niederlande
In den Niederlanden wird die Rechtschreibung durch das Wet voorschriften schrijfwijze Nederlandsche taal (Gesetz zur Vorschrift der Schreibweise der Niederländischen Sprache) vom 14 Februar 1947 geregelt. Im Gesetz von 1947 macht die Regierung den Gebrauch für ihre Organe und die Bildungseinrichtungen verpflichtend. Bildungseinrichtungen, deren Prüfungen nicht der offiziellen Rechtschreibung folgen, können keine durch die Regierung anerkannte Diplome verleihen.
1996 wurde der Spellingsbesluit (Rechtschreibbeschluss) genommen, der die niederländische und die belgische Orthographie unter gemeinsame Ägide stellt.
Flandern
Die Rechtsgrundlage für die Rechtschreibung in Flandern bildet der Spellingsbesluit von Prinzregent Karl von Belgien vom 9. März 1946. Er legt fest, dass die offizielle Rechtschreibung für Regierungsorgane und Bildungseinrichtungen verpflichtend ist. Bei Nichtbeachtung ist jedoch keine Strafe vorgesehen.
1996 wurde der Spellingsbesluit (Rechtschreibbeschluss) genommen, der die niederländische und die belgische Orthographie unter gemeinsame Ägide stellt.
Dokumente
Folgende Dokumente haben durch den Spellingsbesluit in beiden Ländern Rechtskraft:
- Der Leidraad Nederlandse Spelling (Beilage 1 der Beschlüsse beider Länder von 1996)
- Eine Wortliste von ungefähr 16.000 Wörtern (Beilage 2)
Die obenerwähnte Woordenlijst Nederlandse taal ist eine Erweiterung dieser Beilagen. Die heisst, dass nicht alle Wörter im Grünen Büchlein offiziellen Status geniessen: Ein Wort des Grünen Büchleins, welches weder in Beilage 2 aufgenommen ist, noch unter eine der in Beilage 1 erwähnten Regeln fällt, hat keinen offiziellen Status.
Abweichende Orthographien
In einer Anzahl Wörterbücher und anderen Referenzmaterialien wich nach 1995 die Rechtschreibung in einigen Punkten vom Grünen Büchlein ab. Dies betraf vor allem die Wörterbücher von Van Dale, Het Spectrum und das Weisse Büchlein (s.u). Seit 2005 folgen alle diese Werke wieder der offiziellen Rechtschreibung.
Da diese Nachschlagewerke zu gleicher Zeit anhand interpretationsfähiger Regeln geschaffen wurden, finden sich in ihnen eine Anzahl unterschiedlicher Handhabungen. Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
- actievoeren (Groene Boekje, GB), actie voeren (Van Dale, VD)
- handenvol werk (GB), handen vol werk (VD)
- een Onzevader (GB), een onzevader (VD)
- Qatar (GB), Katar (VD)
Weiterhin hat Genootschap Onze Taal einen eigenen Rechtschreibführer zusammengestellt, worin ein bewusst von der offiziellen Regelgebung abweichendes System benutzt wird: das Witte Boekje (Weisses Büchlein). Das Weisse Büchlein strebt ein grösseres Vertrauen ins eigene Sprachgefühl des Sprechers an und präsentiert daher nach eigener Aussage leichter verständliche Regeln. Bemerkenswert am Weissen Büchlein ist, dass jedes Wort in ihm einen Verweis zu den es betreffenden Rechtschreibregeln trägt. Das Weisse Büchlein behält weiterhin einige mit der Reform von 1995 veraltete Regeln bei, so z.B. die Regel dass Temporalnomina wie Middeleeuwen Mittelalter oder Quartair Quartär mit Grossbuchstaben beginnen.
Reform von 1996
Der grösste Stein des Anstosses war das sogenannte Zwischen-N, wie in panne(n)koek Pfannkuchen. Dieses war in der alten Rechtschreibung nicht vorhanden, und wird auch nicht ausgesprochen. Jedoch wurde seine Anwesenheit allgemein als wünschenwert angesehen, da das Wort wie auch im Deutschen ein Kompositum aus pannen (Pfannen) und koek (Kuchen) ist. Da das -n in pannen auch nicht gesprochen wird, bot es sich an, pannenkoek zu schreiben. Dies wurde von der Reform auch so geändert, jedoch unterblieb eine analoge Änderung von paarde(n)bloem (Löwenzahn, eigentlich Pferdeblume). Dieser Mangel an Konsequenz führte zu Verwirrung.
Des weiteren führte die Abschaffung von empfohlenen Alternativen und die Ersetzung des Tremas zur Vokaltrennung bei Komposita durch einen Bindestrich (zeeëend -> zee-eend, See-Ente) zu Unmut.
Anpassung von 2005
Diese Anpassung brachte wenig Neues. Lediglich einige in der Praxis untaugliche Regeln, die auf der Reform von 1996 beruhten, wurden angepasst. Dies betraf u.a. die obenerwähnte paardenbloem und einige Fälle von Gross- und Kleinschreibung, Abkürzungen und Akzentsetzung. Auch wird die Beugung von englischen Lehnwörtern geregelt. Insgesamt umfasst das Grüne Büchlein mittlerweile 102.000 Einträge. Davon sind ungefähr 1000 verändert worden, und neue wie z.B i-bankieren und tsunami wurden hinzugefügt.
Trotz der geringen Anzahl an Änderungen teilten im Dezember 2005 eine Anzahl niederländischer Medien mit, die neue Rechtschreibung zu boykottieren. Dies waren u.a. Volkskrant, NRC Handelsblad, Trouw, Elsevier, Vrij Nederland, HP/De Tijd, De Groene Amsterdammer, de NOS en Planet Internet. Schriftsteller wie Connie Palmen, Maarten 't Hart, A.F.Th. van der Heijden, Tom Lanoye, René Appel en Nicolaas Matsier schlossen sich dem Boykott, festgelegt im Weissen Büchlein, an.
In Flandern wurde dieser Boykott nie wirklich ernstgenommen, und mit wenigen Ausnahmen werden die offiziellen Regeln der taalunie weiterhin befolgt.