Ulrich von Hutten


Ulrich von Hutten, „ex buchonia“ (* 21. April 1488 auf Burg Steckelberg; † 29. August 1523 auf der Ufenau) war Humanist, wird auch als erster Reichsritter bezeichnet.
Leben
Die frühen Jahre
Obwohl ihm als Erstgeborenem eigentlich das Erbe zustand, wurde er 1499 von seinem Vater Ulrich in das Stift Fulda verfügt, wo er nach Erreichen des entsprechenden Alters Mönch werden sollte. Diese Maßnahme traf die Familie wohl hauptsächlich aus praktischen Erwägungen: Der junge Ulrich schien sich aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht für den Dienst als Ritter zu eignen und sollte daher eine geistliche Laufbahn einschlagen, die Versorgung und zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten versprach.
Hutten wandte sich aber nach Aufnahme eines - zunächst vom Stift finanzierten - Studiums vom Klosterleben endgültig ab. Im Sommer 1506 studierte er an der Universität Erfurt, wo er sich dem Kreis der Humanisten anschloss, dem u.a. der Dichter Eoban Hesse angehörte. Im Winter war er an der Frankfurter Universität Viadrina eingeschrieben. Dann zog er weiter an die Universität Leipzig.
Die ersten literarischen Werke
In Leipzig infizierte sich Hutten offenbar im Jahr 1508 mit der Syphilis; er verließ daraufhin überstürzt die Stadt und reiste ohne bestimmtes Ziel umher. Während der Reise entstand 1509 das Manuskript zu seiner ersten bedeutenden Schrift, dem Nemo, in der er seine Reiseerlebnisse und den ungastlichen Empfang durch seine Verwandten verarbeitete.
1511 verfasste Hutten in Wittenberg eine kleine Schrift über die Verskunst (De Arte Versificandi), die als Lehrbuch rasch Anerkennung fand. Sie begründete zugleich seinen Ruhm bei den Zeitgenossen als lateinischer Schriftsteller. Er reiste nach Wien und weiter nach Italien. 1512 folgte ein Aufenthalt in Venedig und Pavia, dann in Bologna. Dort nahm Hutten ein juristisches Studium auf, sehr wahrscheinlich auf Wunsch des Vaters, der sich davon für seinen Sohn eine Anstellung in fürstlichen Diensten versprochen haben dürfte. Die Auswirkungen der Italienischen Kriege schnitten den jungen Hutten aber von den Zahlungen aus der Heimat ab, so dass er gezwungen war, sein Studium aufzugeben und seine Rückreise nach Deutschland über Söldnerdienste zu finanzieren. Während dieser Zeit verfasste Hutten auch seine ersten national motivierten Mahnschreiben an Kaiser Maximilian und die deutschen Fürsten, den Krieg in Italien fortzusetzen.
Hofdienst
1514 erhielt Hutten, mit Unterstützung seiner beiden Gönner Eitelwolf von Stein und Frowin von Hutten die Aussicht auf eine Anstellung beim neuen Erzbischof von Mainz, Albrecht von Brandenburg. In Mainz traf Hutten auch zum ersten Mal persönlich mit Erasmus von Rotterdam zusammen. Diesem überreichte er zur kritischen Durchsicht das Manuskript der Epistolae obscurorum virorum (Dunkelmännerbriefe), die er in Zusammenarbeit mit anderen Humanisten zur Verteidigung Reuchlins abgefasst hatte. Der darin enthaltene scharfe Spott gegenüber den Anhängern der Scholastik sollte noch große Nachwirkungen zeigen. Auf Wunsch seines Dienstherrn in spe reiste Hutten 1515 erneut nach Italien, um seine Studien fortzusetzen. Nach knapp zwei Jahren aber, im Sommer 1517, verließ er Italien erneut, ohne einen akademischen Grad erlangt zu haben, und kehrte nach Deutschland zurück. Maximilian I., der Hutten wahrscheinlich in sein eigenes Propagandaprogramm integrieren wollte, zeichnete ihn mit der Dichterkrone aus. Hutten trat nun endgültig in die Dienste des Mainzer Erzbischofs, wo ihm aber genug Freiraum gelassen wurde, um sich weiter der Schriftstellerei zu widmen. Im Jahr 1519 beteiligte Hutten sich an einer Familienfehde gegen Herzog Ulrich von Württemberg, an der auch der Schwäbische Bund maßgeblich mitwirkte. Hutten betätigte sich als Propagandist und veröffentlichte in diesem Zusammenhang den Phalarismus, einen in der Unterwelt angesiedelten Dialog zwischen dem antiken Despoten Phalaris und einem deutschen Tyrannen - ungenannt, aber unverkennbar Ulrich von Württemberg.
"Pfaffenkrieg" & Lebensende
Bereits während seiner ersten Italienreise hatte Hutten das weltliche Gepränge des Papsttums erlebt und angeprangert. In den Folgejahren verschärfte sich diese Gegnerschaft: In Huttens Schriften trat an die Stelle einer humanistisch-aufgeklärten Kirchenkritik der Wunsch nach einem radikalen Befreiungsschlag, der die verweltlichte Kirche zur Räson bringen sollte (vgl. die Schriften im Gesprächbüchlin). Hutten verfasste Aufrufe an die deutsche "Nation", sich dem Kampf gegen die so genannte 'Kurtisanen', also die Profiteure der säkularen Herrschaft der Kurie, anzuschließen. Von den Zeitgenossen wurde er deshalb, trotz inhaltlicher Differenzen, an die Seite Luthers gestellt. Die Wendung an eine breitere Öffentlichkeit bedingte auch die Übertragung von Huttens Schriften ins Deutsche - späterhin verfasste er direkt in deutscher Sprache (vgl. z.B. die "Clag und Vormanung").
Hutten fand in Franz von Sickingen einen einflussreichen Gesinnungsgenossen. Der mächtige Ritter und Söldnerführer förderte die reformatorische Bewegung und plante, wenn auch wohl eher politisch motiviert, einen Anschlag auf das Kurfürstentum Trier. Hutten schloss sich Sickingen endgültig 1520 an, als ihm der kirchliche Bann angedrohnt wurde. Während des Wormser Reichstags von 1521 konnten die beiden Ritter noch ruhig gehalten werden. Im Folgejahr aber schlugen sie los: Hutten sagte den "ungeistlichen Geistlichen" die Fehde an und hoffte, durch gewagte Einzelaktionen die Ritterschaft zu bewegen, ihm beizustehen. Sickingen eröffnete derweil den Krieg gegen Trier, wurde aber von einer Fürstenopposition zurückgeschlagen und fiel im Kampf. Dies markiert zugleich das vorzeitige Ende von Huttens "Pfaffenkrieg".
Er floh vor der Exekution der Reichsacht gegen ihn und zog sich schließlich in die Schweiz zurück, wo er von Zwingli aufgenommen wurde. Am 29. August 1523 erlag Ulrich von Hutten auf der Insel Ufenau im Zürichsee den Folgen seiner schweren Syphiliserkrankung.
Nachwirkung
Ulrich von Hutten war seinen Zeitgenossen in erster Linie als lateinischer Dichter bekannt. Den Humanisten galt er als größte Hoffnung auf diesem Gebiet. Umso enttäuschter reagierten sie auf die Hinwendung Huttens zum politischen Geschehen und seine aggressive Agitation gegen die römische Kirche. Dieser Zwiespalt äußert sich am deutlichsten in Huttens letzter (erhaltener) Schrift, der Expostulatio, in der er die Zurückhaltung der Humanisten, insbesondere des Erasmus von Rotterdam, im Kampf gegen die Kurie beklagt.
Als Angehöriger einer ritterschaftlichen Familie sah Hutten im (bewaffneten) Kampf gegen Rom die vornehmste Aufgabe für seine Standesgenossen. Seine Appelle richteten sich zwar an alle Stände des Reiches, doch träumte er tatsächlich von einem starken Kaisertum, gestützt auf die Ritter. Aus diesem Grund glaubt man in ihm den Exponenten einer Bewegung zu erkennen, die schließlich zur Formung der Reichsritterschaft führte.
Größte Nachwirkung aber hatte zweifellos die Begründung eines "Nationalmythos" durch Hutten: In seiner Schrift Arminius - die allerdings erst nach seinem Tod erschien - feierte er den Sieger der Varusschlacht als "ersten unter den Vaterlandsbefreiern", der "das römische Joch" abgeworfen und Germanien von der Fremdherrschaft befreit hatte. Das historische Ereignis erfuhr also eine Umdeutung, die vor allem das national bewegte 19. Jahrhundert begeisterte und schließlich von den Nationalsozialisten aufgegriffen, verfälscht und instrumentalisiert wurde. Ulrich von Hutten wurde dadurch in ein Licht gerückt, das es lange Zeit unmöglich machte, seine literarischen Leistungen, aber auch seine politischen Ziele unvoreingenommen zu beurteilen. Erst in jüngerer Zeit findet sein Leben und Wirken wieder Beachtung, vornehmlich im Bereich der Politikgeschichte und Forschungen zur Entwicklung des Nationalismus.
Trivia
Das Motto der Stanford University von 1891 „Die Luft der Freiheit weht“ stammt von Hutten.
Siehe auch
Werke
in Auswahl:
- Nemo, 1510/1518.
- Epistolae obscurorum virorum, 1514/1516 (Mitwirkung).
- Phalarismus, 1517.
- Aula, 1518.
- Epistola suae vitae rationem exponens (vgl. den Artikel Lehnsmann), 1518.
- Arminius, 1519/1529 (posthum veröffentlicht).
- Clag und Vormanung gegen den übermäßigen unchristlichen Gewalt des Bapsts zu Rom, 1520.
- Gesprächbüchlin (eigenhändige Übers. von: Febris I & II, Vadiscus, Inspicientes), 1521.
- Ain new lied her Ulrichs von Hutten, 1521.
- Expostulatio, 1523.
Literatur
Werkausgaben & -übersetzungen
- Martin Treu (Hg.): Ulrich von Hutten. Die Schule des Tyrannen. Lateinische Schriften. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-534-13315-3.
- Peter Ukena (Hg.): Ulrich von Hutten. Deutsche Schriften. Winkler, München 1970.
Sekundärliteratur
- Hajo Holborn: Ulrich von Hutten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1968 (2. Aufl.).
- Peter Laub/Ludwig Steinfeld (Bearb.): Ulrich von Hutten. Ritter - Humanist - Publizist (1488-1523). Katalog zur Ausstellung des Landes Hessen anläßlich des 500. Geburtstages. Kassel 1988.
- Johannes Schilling/Ernst Giese (Hgg.): Ulrich von Hutten in seiner Zeit. Evang. Presseverband, Kassel 1988.
- Volker Preß: Ulrich von Hutten. Ein deutscher Held oder gescheiterter Außenseiter?. Hessischer Rundfunk, Frankfurt/M. 1988.
- Günter Scholz (Hg.): Ulrich von Hutten (1448-1523). Glanzvoller Humanist, gescheiterter Reichsreformer. Stadtarchiv, Böblingen 1989 (Ausstellungskatalog).
Belletristik
- Rudolf Gottschall: Ulrich von Hutten. Ein Drama. Theile Verlag, Königsberg 1843.
- Kurt Eggers: Der junge Hutten. Weisse, Berlin 1938.
- Kurt Eggers: Hutten. Roman eines Deutschen.Volkschaft-Verlag, Dortmund 1943.
- Conrad Ferdinand Meyer: Huttens letzte Tage. Reclam, Stuttgart 1988, ISBN 3-15-006942-4.
- Franz Rueb : Der hinkende Schmiedegott Vulkan, Ulrich von Hutten 1488-1523. Ammann Verlag 1988, ISBN 3-250-10104-4.
- Gerd Salmen: Ulrich von Hutten. Ein dramatisches Gedicht. Thalia-Theater-Verlag, Brandenburg/Havel 1997.
Weblinks
- Vorlage:PND
- Ulrich von Hutten. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 464.
- Ulrich von Hutten. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Ulrich von Hutten (1488-1523) Ritter, Humanist und Rebell aus der Rhön
- Motto der Stanford Universität
- Pointierte Kurzbiografie des Bezirksamts Mitte von Berlin
- Nachweise zu lateinischen Werken im Internet
- Huttens Ars versificatoria, Paris 1528 (Digitalisat)
- Huttens Kurtzer auszug wie böslich die Bepste gegen den Deudschen Keysern jemals gehandelt..., Wittenberg um 1535 (Digitalisat)
Personendaten | |
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NAME | Hutten, Ulrich von |
KURZBESCHREIBUNG | Reichsritter und Humanist |
GEBURTSDATUM | 21. April 1488 |
GEBURTSORT | auf Burg Steckelberg,Deutschland |
STERBEDATUM | 29. August 1523 |
STERBEORT | Ufenau/Schweiz |