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Colitis ulcerosa

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Die Colitis ulcerosa (engl. ulcerative colitis) gehört zu der Gruppe der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Sie ist durch einen entzündlichen Befall des Mastdarms und Dickdarms gekennzeichnet. Anders als beim Morbus Crohn breitet sich die Entzündung kontinuierlich vom Mastdarm beginnend, d. h. von anal nach oral, aus und ist auf die Darmschleimhaut (Mukosa und Submukosa) beschränkt.

Floride Colitis ulcerosa
Narbenstadium einer Colitis ulcerosa

Häufigkeit

40 bis 80 von 100.000 Einwohnern haben Colitis ulcerosa, wobei es 3 bis 7 Neuerkrankungen pro Jahr unter 100.000 Einwohnern gibt. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Nachdem die Prävalenz in Nordamerika und Europa über Jahrzehnte gestiegen ist, beginnt sie hier zu stagnieren. In Asien, Afrika und Südamerika, wo die Erkrankung früher selten war, ist allerdings ein deutlicher Anstieg der Neuerkrankungen zu bemerken.

Ätiologie/Pathogenese

Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Ähnlich wie beim Morbus Crohn nimmt man eine genetisch prädisponierte, krankhaft gesteigerte Immunreaktion gegen die Darmflora an. In den letzten Jahren konnten mehrere Genmutationen identifiziert werden, die mit dem Auftreten von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Verbindung stehen. Umweltfaktoren wie Hygienestandard spielen allerdings eine ebenso wichtige Rolle. Auch psychosomatische Anteile könnten eine Rolle spielen. Die Ernährung selber gilt nicht als Ursache kann aber wesentlich zum Verlauf beitragen.

Symptome/Beschwerden

Klinisch stehen rezidivierende Diarrhoen (= anhaltende Durchfälle), Darmblutungen und Koliken im Vordergrund. Der Verlauf der Colitis ulcerosa ist nicht vorhersagbar. Häufig ist der Beginn schleichend. Es gibt aber auch akute Phasen und schwerste Verläufe.

Problematisch im Alltag sind oft imperative Stuhlgänge, die körperliche Schwächung an sich, sowie u.U. Begleiterkrankungen und die Nebenwirkung der verabreichten Medikamente.

Akuter Schub

Der akute Schub einer Colitis ulcerosa ist durch die typischen klinischen Beschwerden, das heißt blutige Diarrhoe und gegebenenfalls Tenesmen (beständiger schmerzhafter Harn- Stuhldrang) charakterisiert. Stuhlfrequenzen von etwa 40 mal innerhalb 24 Stunden sind keine Seltenheit.

Fulminanter Schub

Bei einem fulminanten Schub treten häufige blutige Durchfälle (Diarrhoe, Fieber > 38,5°) und ein reduzierter Allgemeinzustand sowie Gewichtsabnahme auf. Zusätzlich kann es zu Herzrasen (Tachykardie) und Blutarmut (Anämie) kommen. Im Labor finden sich in der Regel das Hb < 10 g/dl (6,2 mmol/l), eine Leukozytose, ein CRP > 45 mg/l sowie ein niedriges Albumin (< 30 g/l).

Chronisch aktiver Verlauf

Ein chronisch aktiver Verlauf ist gekennzeichnet durch eine Persistenz der klinischen Symptome trotz einer adäquaten medikamentösen Therapie, die zwar eine Besserung, jedoch keine vollständige und dauerhafte (< 2 Rezidive [frühzeitig, neu auftretende Geschwülste] pro Jahr) Remission bewirkt.

Häufig entwickelt sich bei chronisch aktiven Verläufen eine Abhängigkeit von den Medikamenten. Nach einiger Zeit wirken sie schwächer oder können nicht unter einen bestimmten Wert dosiert werden, ohne das sofort wieder starke Problem auftreten. Man spricht dann von einem refraktären (nicht ansprechenden) Verlauf.

Remission

Von einer Remission der CU wird gesprochen, wenn keine Diarrhoe (nicht > 3 Stühle/d), kein sichtbares Blut im Stuhl sowie keine durch die CU bedingten intestinalen oder extraintestinalen Beschwerden vorliegen.

Diagnostik / Differentialdiagnosen

Die Diagnose Colitis ulcerosa kann nur durch eine Darmspiegelung (Koloskopie) mit Probeentnahmen (Biopsie) und anschließender feingeweblicher (histologischer) Untersuchung gestellt werden. Differentialdiagnostisch sind folgende Erkrankungen mit ähnlichem endoskopischen Befunden abzugrenzen:

  • Morbus Crohn
  • Infektiöse Kolitis
  • Medikamentös bedingte Kolitis
  • Pseudomembranöse Kolitis
  • Ischämische Kolitis
  • Diversions-Kolitis

Pathologie/Morphologie

Feingewebliche Untersuchung: Aktives Stadium der Colitis ulcerosa. HE-Färbung.
Wie obige Abbildung, Querschnitt.
  • Bei einem milden Verlauf kommt es zur ödematösen Schwellung der Darmschleimhaut.
  • Bei mittleren Verlaufsformen kommt es zu leichten Blutungen und Ulzerationen.
  • Bei schweren Verläufen kommt es zu großflächigen Schleimhautulzerationen, die zum Verlust des Reliefs und zur Schleimhautabflachung führen. Durch überschießende Regeneration kommt es zur Bildung von Pseudopolypen. Feingeweblich (histologisch) imponieren Lymphozyten und Histiozyten, während die Zahl der Becherzellen stark vermindert ist. Als typisch, wenn auch nicht beweisend gelten Kryptenabszesse.

Labor

CRP, Blutsenkung, Leukozytose als Zeichen der Entzündung. Eventuell Anämie als Folge der Blutung. Antineutrophile cytoplasmatische Antikörper, dabei perinukleäres Fluoreszenzmuster (p-ANCA, in 60 % der Fälle).

Karzinom-Risiko

Nach längerer Erkrankungszeit und ausgedehntem Krankheitsverlauf (8-10 Jahre bei Befall des gesamten Kolon (Pancolitis), 12-15 Jahre nach linksseitiger Kolitis) besteht ein erhöhtes Risiko für eine maligne (bösartigen) Entartung. Neben der Dauer der Erkrankung stellt die Ausdehnung der Colitis ulcerosa einen eindeutigen Risikofaktor für die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms dar (Präkanzerose).

Endoskopische Tumor-Vorsorge

Bei regelmäßigen koloskopischen Kontrollen mit Stufenbiopsien ist das Kolitis-Karzinom selten (2,1 % nach einer Erkrankungsdauer von 10 Jahren, bei 8,5 % nach 20 Jahren und bei 17,8 % nach 30 Jahren) Es sollte daher eine jährliche Koloskopie mit Stufenbiopsien bei Patienten mit (sub-)totaler Colitis ulcerosa, die mehr als 8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die mehr als 15 Jahre besteht, durchgeführt werden.

Therapie

Grundsätzlich sollte nach den vorhandenen Leitlinien therapiert werden. Medikamente, die normalerweise bei der Behandlung von Colitis Ulcerosa verwendet werden, werden entweder oral oder rektal verabreicht, um die Entzündung zu reduzieren. In besonders schweren Fällen, wenn der Darm die Wirkstoffe nicht oder nicht ausreichend resorbieren kann, können die meisten schnell wirkenden Medikamente intravenös gegeben werden.

Medikamentöse Therapie

Zur Behandlung der Colitis Ulcerosa stehen wie zur Behandlung des Morbus Crohn ein Reihe von Medikamenten zur Verfügung, die jedoch vor allem bei längerer Anwendung mitunter starke oder zumindest unangenehme Nebenwirkungen haben können.

Gemäß den aktuellen Leitlinien zur Behandlung von Colitis Ulcerosa wird Mesalazin oder ein anderes 5- ASA -Präparat zur Dauer-Behandlung empfohlen, da es gleichzeitig zur Entzündungshemmung auch das Darmkrebs - Risiko verringert. Mesalazin gilt als recht nebenwirkungsarm. Bei Mesalazinunverträglichkeit weicht man meist auf Sulfasalazin aus. Wenn das 5-ASA nicht ausreicht, wird zunächst Cortison lokal (rektal (Klysmen, Schaum) oder systemisch (oral, evtl intravenös) für kurze Zeit eingesetzt. Auch Mesalazin kann rektal verabreicht werden (Zäpfchen, Klysmen, Schaum).

Ist eine längerfristige Immunsuppression sinnvoll, sollte zunächst Azathioprin eingesetzt werden. Bei Unverträglichkeit kann auf 6-Mercaptopurin ausgewichen werden. Des Weitern stehen einem sachkundiger Arzt weitere Reservemedikamente zur Therapie zur Verfügung. Diese kommen bei Patienten in Betracht, welche auf Steroide nicht genügend ansprechen oder steroidrefraktär sind und bei denen Azathioprin keine Wirkung zeigt, sowie in sehr schwer verlaufenden Fällen oder auch begleitend zu Therapiebeginn mit Azathioprin:

Methotrexat (MTX), Ciclosporin und Tacrolimus


Neue Studien (ACT 1 und ACT 2) haben auch eine Wirksamkeit des TNFα-Blockers Infliximab (Handelsname: Remicade®) bei Colitis ulcerosa nachgewiesen. Dieses Medikament wird heute auch im klinischen Alltag bei Colitis ulcerosa eingesetzt. Es gilt zu berücksichtigen, dass die medikamentös nicht heilbare Colitis ulcerosa eine Erkrankung ist, die durch eine totale Kolektomie im schulmedizinischen Sinne geheilt werden kann. Als Faustregel kann Infliximab bei Patienten eingesetzt werden, welche einer Operation gegenüber eher ablehnend eingestellt sind, und wenn Ciclosporin kontraindiziert ist. Infliximab sollte wenn möglich mit einer immunsuppressiven Behandlung (z. B. Azathioprin) kombiniert werden. Die Verabreichung ist wie beim Morbus Crohn im Abstand 2 und 4 Wochen, wenn eine Dauertherapie notwendig ist, alle 8 Wochen.

Es befinden sich weiter Medikamente in der Zulassung für Morbus Crohn (und evtl. später für CU), etwa TNFα-Blocker, die verträglicher seinen sollen als Infliximab: Cimzia®, Enbrel®, Humira®, Trudexa®

In der Diskussion als mögliches Medikament befindet sich auch Thalidomid (Contergan®).

Chirurgische Therapie

In schwereren Fällen und Komplikationen kann eine Operation nötig werden. Dies bedeutet in der Regel eine vollständige Entfernung des Dickdarms, gefolgt von einer Operation, die ileoanale Pouch-Operation genannt wird. Dabei wird aus dem Dünndarm eine Art künstlicher Enddarm konstruiert, der die Reservoirfunktion des entfernten Mastdarmes übernimmt. Der Dünndarm wird dann an den Darmausgang angeschlossen, so dass die Patienten eine normale Stuhlentleerung haben. Zu beachten ist, dass die Operation zwar erhebliche Nebenwirkungen haben kann (z. B. Inkontinenz nachts), aber durch sie eine Heilung möglich ist.

Komplementäre Therapien

Durch den ständigen Blutverlust kann es zum Eisenmangel kommen. Der Arzt wird den Eisenhaushalt regelmäßig kontrollieren und bei Bedarf Eisenpräparate verschreiben. Einige Eisenpräparate werden allerdings allgemein schlecht vertragen, da sie die Darmschleimhaut reizen.

Flohsamen: indische Flohsamenschalen wirken ähnlich entzündungshemmend wie Mesalazin, allerdings gibt es hierzu keine gesicherten Studien. Durch Einnahme unmittelbar nach Einrühren in Wasser wirken die Flohsamenschalen durchfallhemmend, da sie im Darm weiter aufquellen und so den Darminhalt verfestigen. Lässt man die Flohsamenschalen dagegen länger stehen wirken sie eher abführend. Von aspartamhaltigen Präparaten ist abzuraten, da dieses abführend wirkt. Neben einigen Präparaten gibt es im Handel auch naturbelassene Flohsamenschalen. Flohsamen selber wirken genauso wie die Schalen, allerdings wesentlich abgeschwächt. Die Kosten für Flohsamenschalenpräparate werden bei diagnostizierter Colitis Ulcerosa von den Krankenkassen übernommen.

E-Coli Nissle 1917-Bakterien: Diese Bakterien sind unter dem Namen Mutaflor in der Apotheke erhältlich und haben sich bei der Remissionserhaltung laut mehrerer Studien als wirksamer Ersatz von 5ASA-Präparaten erwiesen. Mutaflor muss bei Mesalazinunverträglichkeit von den Krankenkassen übernommen werden. Bei Selbstzahlern ist auf eine zuverlässige Quelle zu achten, da das Präparat ständig, auch beim Transport, gekühlt werden muss und nur einige Monate haltbar ist.

Weihrauch: Indischer Weihrauch hat eine entzündungshemmende Wirkung. Daher wirkt er einer Colitis entgegen. Die Studien zur Weihrauchbehandlung bei Colitis laufen an einigen Kliniken, aber es gilt nicht als anerkannte Therapie und wird nicht von der Krankenkasse bezahlt. Theoretisch wirkt auch reiner Weihrauch (etwa aus der Apotheke). Allerdings werden die Weihrauchstückchen sehr schlecht verdaut. Selbst gemahlener und in Kapseln gefüllter Weihrauch verklummt häufig bevor er vom Körper aufgenommen werden kann und wird wieder ausgeschieden.

Lecithin: Gesunde Darmschleimhaut im Dickdarm enthält Lecithin und dieses Lecithin spielt eine wichtige Rolle für die Barrierefunktion des Darms (d. h. die Möglichkeit der Abgrenzung gegen Bakterien und Schadstoffe sowie diese ohne Immunreaktion zu tolerieren). In Studien wurde gezeigt, dass die Darmschleimhaut von Colitis Ulcerosa-Betroffenen signifikant weniger Lecithin enthält, als die von gesunden. Da Lecithin jedoch durch Enzyme der Bauchspeicheldrüse für die Verdauung aufgespalten wird, erreicht normal verabreichtes Lecithin den betroffenen Dickdarm nicht. Um intaktes Lecithin oral bis zum Dickdarm transportieren zu können, wird ein Lecithin-Granulat für diesen Therapieansatz mit dem Polymerharz Eudragit 100 magensaftresistent microverkapselt, so dass das Lecithin erst im unterem Dünndarm und im Dickdarm freigesetzt wird. Diese Therapie befindet sich momentan im Stadium der Dosisfindung und weiteren Erforschung. Sie ist noch keine anerkannte Therapie. [1]

Entzündungshemmende Nahrungsmittel wie Omega 3 Fettsäuren und anthocyanhaltige Beeren, insbesondere Blaubeeren können auch etwas helfen. Mehr erfährt man beim Besuch der Ernährungsberatung. Entsprechend wird empfohlen, den Genuss von aggressiven, entzündungsfördernden Nahrungsmitteln einzuschränken.

THC-Produkte: Während eines akuten Schubs, führt die Einnahme von THC-Produkten, in leichter Dosierung, zur Krampflösung. Ärzte und Krankenhäuser wissen schon seit längerem von dieser Wirkung, dürfen wegen der in Deutschland geltenden Gesetzeslage jedoch keine Präparate verschreiben.


Begleitende Therapiemöglichkeiten

  • Psychotherapie: in den meisten Fällen bietet die Psychotherapie eine große Hilfe bei der Stressbewältigung und trägt damit zur Verminderung der psychosomatischen Einflussfaktoren bei. Ebenso sind Entspannungsübungen, z. B. nach Feldenkrais, progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training ratsam. Gute Erfolge lassen sich außerdem mit Shiatsu (Körper-/Energietherapie) erzielen.
  • Hypnose: Da der chronisch aktive Verlauf, bzw. ein Schub der Colitis Ulcerosa in vielen Fällen psychosomatisch bedingt sein könnte (aber nicht muß), kann eine hypnotische Intervention Linderung der Symptome bringen. Die Therapie ist individuell und sollte daher ausschließlich von erfahrenen Psychologen durchgeführt werden.

Extraintestinale Manifestation

Siehe auch

Durchfall

Quellen

  1. http://www.gastroenterologie.uni-hd.de/darm/lecithin.php