Ju-Jutsu
Deutsches Ju-Jutsu ist ein modernes, offenes Selbstverteidigungssystem für die Praxis des täglichen Lebens sowie klassische Kampfkunst in einem.
Um ein modernes System zu entwickeln, das alle Aspekte der Selbstverteidigung berücksichtigte und auch den Anforderungen der Polizei gerecht wurde, wurden 1967 Franz-Josef Gresch, Werner Heim, Otto Brief, Richard Unterberger, Klaus Münstermann und weitere hochgraduierte Dan-Träger vom DDK damit beauftragt, Techniken aus Jiu-Jitsu, Judo, Karate, Aikido und anderen Kampfsportarten zu einem neuen Selbstverteidigungssystem zusammenzustellen. Später wurden die bestehenden Konzepte erweitert und optimiert ohne sich an die Einschränkungen bestimmter Stile oder Philosophien zu halten (vgl. hierzu das aus dem Wushu stammende Jeet Kune Do).
Ju-Jutsu war bis vor einigen Jahren als Dienstpflichtfach Ausbildungsinhalt aller deutschen Polizeien, der Justiz (Strafvollzug) sowie des Zolls. Ju-Jutsu hat in diesen Bereichen immer noch eine hohe Verbreitung, da es durch sein offenes Konzept viele Techniken aus diesen anderen Systemen beinhaltet. Durch Erfahrungen aus der Praxis (vorwiegend aus dem Polizei-Alltag) wurde Ju-Jutsu mehrmals überarbeitet und bietet ein System, mit der eine jederzeit angepasste Selbstverteidigung möglich sein soll. In nahezu allen Vereinen sind dem zu Folge entsprechende Amtsträger zu finden. Der deutsche Ju-Jutsu Verband veranstaltet regelmäßig sog. Bundesseminare für Angehörige dieser Berufsgruppen.
Es wird nicht vom Angriff ausgegangen, sondern basiert hauptsächlich auf Selbstverteidigungstechniken. Jede Verteidigungstechnik ist gegen mehrere Angriffsarten anwendbar und durch beständiges Üben werden die Bewegungsabläufe automatisiert. In Kombinationen können die Techniken dann sinnvoll verbunden und in der freien Verteidigung gegen freie Angriffe zur echten Kunst der Selbstverteidigung perfektioniert werden. Bei dieser Methode wird bereits mit einer kleinen Auswahl von Verteidigungstechniken von Anfang an ein größtmöglicher Nutzeffekt durch variable Anwendung erzielt.
Grundsäulen
Die drei ältesten Budosportarten und damit die Grundsäulen im Ju-Jutsu sind: Aikido, Judo und Karate. Aus jeder dieser Kampfkünste wurden die für das System Ju-Jutsu besten Techniken vereint.
Aikido | Hebel- und Wurftechniken |
Judo | Fall-, Wurf- und Bodentechniken |
Karate | Schläge und Tritte |
Durch die Reformierung des Prüfungsprogramms im Jahr 2000 sind über die drei oben genannten Grundsäulen hinaus, effektive Techniken aus Kampfsportarten wie Kick- oder Thaiboxen, Kali-Arnis-Escrima, Wing Chun, Ringen, Jiu-Jitsu usw. aufgenommen worden. Beispielsweise wurde die Messer- und Stockabwehr zum Großteil den philippinischen Kampfkünsten entnommen. Ebenso sollte erwähnt werden, dass seit dem Jahr 2000 zwei Verbände im Streit liegen, wer das bessere JJ-System hat (DJJV gegen DDK), obwohl der Ursprung der gleiche ist. Sowohl im einen als auch im anderen Verband werden jedes Jahr gute Techniken hinzugefügt, ein guter Meister sollte dies tun.
Die Techniken wurden auf die Bedürfnisse des Ju-Jutsu abgestimmt und werden deshalb nicht zwingend genau so ausgeführt wie in der "Original-Budosportart", der sie entstammen.
Elemente
Ju-Jutsu besteht aus folgenden Elementen:
- Bewegungsformen
- Falltechniken
- Bodenkampf
- Abwehrtechniken
- Atemitechniken (Schlag- und Trittechniken)
- Wurftechniken
- Hebeltechniken
- Sicherungstechniken
- Nothilfetechniken
- Waffenabwehr
- Stockabwehr
- Abwehr beweglicher Gegenstände (Rute, Kette)
- Messertechniken
Ju bedeutet nachgeben oder ausweichen oder wörtlich "sanft", Jutsu "Kunst" oder "Kunstgriff". Der Begriff Ju-Jutsu bedeutet somit in etwa "Sanfte Kunst". Ju-Jutsu ist also die Kunst, durch Nachgeben bzw. Ausweichen mit der Kraft des Angreifers zu siegen. Falls erforderlich, kann ein Angriff jedoch auch in direkter Form mit Atemi-Techniken (Schlag-, Tritt- und Blocktechniken) abgewehrt werden. Alle Angriffe können in harter oder weicher Form nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewendet werden.
Gürtelgrade
Schülergrade (Kyu-Grade)
- 6. Kyu - Weißgurt (Anfänger)
- 5. Kyu - Gelbgurt (Erwerb durch Prüfung)
- 4. Kyu - Orangegurt (Erwerb durch Prüfung)
- 3. Kyu - Grüngurt (Erwerb durch Prüfung)
- 2. Kyu - Blaugurt (Erwerb durch Prüfung)
- 1. Kyu - Braungurt (Erwerb durch Prüfung)
Prüfungen bis zum 3. Kyu werden meist im Verein durchgeführt. Die Prüfungen zum 2. und 1. Kyu werden in manchen Bundesländern auch noch im Verein, in anderen jedoch auf Landesebene durchgeführt. Grundsätzlich wird bei einer Prüfung zum 2. oder 1. Kyu ein zweiter, vereinsfremder Prüfer hinzugezogen. Häufig werden zwischen zwei Kyu-Graden Abstufungen gemacht, wenn ein Ju-Jutsuka sein 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Es werden dann z.B. Weiß-Gelb-, Gelb-Orange- oder auch Orange-Grüngürtel vergeben. Diese werden ebenfalls durch Prüfungen erworben.
Meistergrade (Dan-Grade)
- 1. Dan - Schwarzgurt (Erwerb nur durch Prüfung / eine Verleihung ist nicht möglich)
- 2. Dan - Schwarzgurt (Erwerb durch Prüfung / eine Verleihung ist möglich)
- 3. Dan - Schwarzgurt (Erwerb durch Prüfung / eine Verleihung ist möglich)
- 4. Dan - Schwarzgurt (Erwerb durch Prüfung / eine Verleihung ist möglich)
- 5. Dan - Schwarzgurt (Erwerb durch Prüfung / eine Verleihung ist möglich)
- 6. Dan - Rot-Weiß-Gurt (Verleihung durch DJJV-Graduierungs-Kommission)
- 7. Dan - Rot-Weiß-Gurt (Verleihung durch DJJV-Graduierungs-Kommission)
- 8. Dan - Rot-Weiß-Gurt (Verleihung durch DJJV-Graduierungs-Kommission)
- 9. Dan - Rotgurt (Verleihung durch DJJV-Graduierungs-Kommission)
- 10. Dan - Rotgurt (Verleihung durch DJJV-Graduierungs-Kommission)
An einem Gürtelende können Streifen zur Unterscheidung der Dan-Grade getragen werden. Dies ist jedoch nicht vorgeschrieben.
Es ist auch möglich, Rot-Schwarz anstatt Rot-Weiß zu tragen.
DJJV-Wettkampfsysteme im Ju-Jutsu
Im (DJJV-) Ju-Jutsu wird zwischen zwei verschiedenen Wettkampfsystemen unterschieden.
Duo-System
Beim Duo-System wird paarweise gekämpft, ein Zweierteam tritt gegen ein anderes Zweierteam an. Dabei wird jedoch nicht gegen den Gegner gekämpft sondern zusammen mit seinem Partner. Es werden jeweils selbstgewählte Abwehrtechniken zu festgelegten Angriffen einer Jury demonstriert und von dieser benotet. Das andere Zweierteam zeigt zu den selben Angriffen ihre Abwehrtechniken, welche ebenfalls benotet werden. Der Sieger ist das Zweierteam, welches die höhere Punktzahl erreicht.
Die Angriffe gliedern sich dabei in vier Kategorien, mit jeweils fünf Angriffen, wobei in einem Kampf jeweils pro Serie nur drei Abwehren fortgeführt werden müssen.
Die vier Angriffskategorien werden wie folgt unterschieden:
- Serie A: Kontaktangriffe
- Serie B: Umklammerungen
- Serie C: Schläge und Tritte
- Serie D: Hieb- und Stichwaffen
Auf folgende Punkte der Abwehr werden durch die Jury bewertet:
- Technische Korrektheit der Angriffe/Abwehren
- Effizienz der Abwehr
- Geschwindigkeit
- Haltung
- Kontrolle des Verteidigers über den Angreifer
Je nach Zusammensetzung werden verschiedene Kategorien unterschieden: Männer, Frauen und Mixed. Zudem wird jeweils jede Kategorie wieder in Kategorien unterteilt, welche vom Alter der Teilnehmer abhängig sind. Diese Kategorien sind jedoch von Land zu Land verschieden (Beispiel für das schweizer System: U-14, U-18, Elite).
Deutsche Weltmeister im Duo-System sind unter anderem Raik Tietze und Andreas Richter, Joachim Thumfart und Sascha Vetter, Hubert Erjawetz und Silvia Heissenhuber sowie Corina Endele und Matthias Huber.
Fighting-System
Im Fighting-System treten jeweils zwei Kontrahenten gegeneinander an. Dabei wird nach einem strengen Regelwerk ein Kampf ausgetragen. Der Sieger eines Kampfes ist jener Kämpfer, welcher im Kampf mehr Punkte erreicht hat. Dabei gibt jede erfolgreiche Kampfhandlung ein oder mehrere Punkte, welche durch drei Mattenrichter vergeben werden. Das Fighting-System ist keine Vollkontakt-Wettkampfform wie dies z. B. beim Kickboxen möglich ist, sondern es wird im Semikontakt gekämpft. Dabei werden Schläge kurz vor dem Treffen des Zieles abgebremst, sodass sie den Gegner nur berühren und nicht hart Treffen. Somit wird die Überlegenheit eines Kämpfers demonstriert, ohne dass der Gegner größeren Schaden erleidet.
Ein Kampf wird in drei Parts (Teile) unterschieden, wobei der Übergang zwischen den Teilen fließend ist.
- Part 1: Schläge und Tritte
- Part 2: Werfen und zu Boden bringen des Gegners sowie Hebel und Würger
- Part 3: Kontrollieren des Gegners am Boden sowie Hebel und Würger
Ein Kampf dauert zwei Minuten, dann eine Minute Pause und noch einmal zwei Minuten. Der Trend geht jedoch zu einer Kampfzeit von einmalig 3 Minuten ohne Pause. Der Kampf kann jedoch auch frühzeitig durch einen Kämpfer beendet werden, indem dieser in jedem Part einen Ippon (Höchstwertung) erreicht oder der Gegner aufgibt/nicht antritt.
Im Fighting-System werden die Kategorien nach Gewicht unterschieden:
- Bei Männern: –62 kg / –69 kg / –77 kg / –85 kg / –94 kg / +94 kg
- Bei Frauen: –55 kg / –62 kg / –70 kg / +70 kg
Regeländerungen zum 1. Januar 2006
Zum 1. Januar 2006 wurden die Regeln sowohl für das Fighting- als auch das Duo-System auf internationaler Ebene zum Teil sehr deutlich verändert. Diese Regeländerungen sind auf Grund von Personalproblemen beim DJJV auf nationaler Ebene noch nicht ausreichend kommuniziert. Dadurch wurde und wird vermutlich weiterhin bei vielen nationalen Turnieren (z. B. Gruppeneinzelmeisterschaften und Deutsche Meisterschaften 2006) nach teilweise veränderten Regeln (meist nur neue Kampfzeit) gekämpft. Künftig ist für Ju-Jutsu-Allkämpfer eine gleichzeitige Teilnahme an Ju-Jutsu-Allkampf-Turnieren und die Zugehörigkeit zu Bundes-oder Landeskadern ausgeschlossen. Hintergrund ist der Bestandsschutz des Fighting-Systems aus politischen Gründen. Im Ju-Jutsu-Allkampf sind Ju-Jutsu-Fighting-Kämpfer jedoch nach wie vor willkommen und werden keinesfalls ausgeschlossen. Die wichtigsten Regeländerungen werden nachfolgend kurz aufgeführt:
Allgemeine Regeländerungen:
- Anstelle von bisher roten und weißen Gürteln tragen die Kämpfer rote und blaue Gürtel. Die Hand- und Fuß-/Schienbeinschützer müssen der Farbe des Gürtels entsprechen.
Spezielle Regeländerugen für das Duo-System:
- Die angesagten Angriffe müssen durch eine vorbereitende Aktion (Atemi, Schubsen, Ziehen) vorbereitet werden.
Spezielle Regeländerungen für das Fighting-System:
- Kampf- und Erholungszeit:
- Die Kampfzeit beträgt einmalig 3 Minuten.
- Sollte nach 3 Minuten kein Gewinner feststehen (Punktegleichstand Wazaari und Ippon), so wird nach einer Pause von einer Minuten eine zweite Kampfzeit von 3 Minuten gekämpft.
- Die minimale Erholungszeit zwischen 2 Kämpfen wird von 10 auf 5 Minuten verkürzt.
- Zwischen den 3 Parts kann beliebig gewechselt werden.
- Lösen des Griffes im Part 2 führt zum Übergang in den Part 1
- Aufstehen aus Part 3 führt bei Griff zum Übergang in den Part 2, ohne Griff in den Part 1
- Bestrafungen durch die Mattenrichter:
- Passivität in allen Parts (auch Part 3 in einer Festhalte) wird mit Shido bestraft
- Bestrafungen mit Shido ergeben einen Wazaari für den Nicht-Bestraften, haben ansonsten keine Auswirkungen
- Hansoku-make kann nicht durch die Summierung von Shido erreicht werden, nur durch 2 Chui oder einen Hansoku-make
Ju-Jutsu-Allkampf
Information: Der Ju-Jutsu-Allkampf und das Regelwerk ist ein Wettkampfsystem, welches außerhalb des Deutschen Ju-Jutsu-Verbandes stattfindet. Das Allkampf-System hat sich grundsätzlich zum Ziel gemacht weitgehend realistische Bedingungen im Rahmen einer kämpferischen Auseinandersetzung zu schaffen, politische Aktivitäten größerer Verbände auszuschließen, freundschaftliche Atmosphäre unter den Kämpfern zu schaffen, faire und sportliche saubere Kämpfe und Bedingungen und allen fairen Kampfsportlern eine faire und harte Plattform für deren Aktivitäten zu bieten.
Im Ju-Jutsu-Allkampf gibt es folgende Punktwertung. Es werden nur gezielte und kontrolliert ausgeführte Techniken bewertet.
- Atemitechniken:
- Treffer mit Hand oder Fuß = 1 Punkt
- Kopftreffer mit dem Fuß = 2 Punkte
- Wurftechniken:
- Klar erkennbare und sauber ausgeführte Wurftechnik = 2 Punkte
- Zu Boden bringen ohne erkennbare Technik = 1 Punkt
- Bodentechniken
- Erlaubte Atemitechniken zum Kopf oder Körper = 1 Punkt
- Haltetechnik in der Bodenlage 15 Sec. = 2 Punkte
Haltetechniken in der Bodenlage werden nur bewertet, wenn der Gegner seinerseits keine gezielten Atemitechniken anbringen kann, z. B. durch Kontrolle der Arme.
Die Gewichtsklassen werden vom Ausrichter nach Bedarf festgelegt. Sie können abweichend von der Ausschreibung ggf. auch noch nach dem Wiegen und Feststellung der Beteiligung zusammengelegt beziehungsweise geändert werden. Eine Einteilung in folgende Gewichtsklassen wird empfohlen:
- Weiblich: –50 kg / –55 kg / –60 kg / –65 kg / –70 kg / +70 kg
- Männlich: –60 kg / -65 kg / –70 kg / -75 kg / –80 kg / -85 kg / –90 kg / +90 kg
Ein Kampf dauert zwei Minuten, eine Minute Pause und noch einmal zwei Minuten (zwei Runden). Der Kampf kann jedoch frühzeitig durch einen Kämpfer beendet werden, indem dieser seinen Gegner zur Aufgabe zwingt (z. B. durch Anwendung von Hebel- oder Würgetechniken), durch technische Überlegenheit besiegt (zwölf Punkte Vorsprung) oder durch Auszählen des Gegners siegt (KO).
Deutsche Meister im Ju-Jutsu-Allkampf sind unter anderem Christian Viola (Hamburg), Oliver Brumme (Berlin) und Jörg Schulze (Köln).
Formenwettkampf
Eine weitere, jedoch rein deutsche Art des Technikvergleichs ist der "Formenwettkampf". Hier gilt es, die beste Ju-Jutsu-Demonstration (Show) zu prämieren.
Die Teams, die aus zwei bis fünf Teilnehmern bestehen, studieren eine selbsterdachte Vorführung von drei bis sechs Minuten Dauer - mit oder ohne Musik bzw. Lichteffekten - ein, in der das Ju-Jutsu optimal dargestellt werden soll.
Der Formenwettkampf ist ein offizielles System, welches im Deutschen Ju-Jutsu Verband legitimiert ist und ebenso unter Bestandsschutz steht. Weitere Informationen und Bilder siehe DJJV-Homepage.
Literatur
- Deutscher Ju-Jutsu-Verband e.V.: Ju-Jutsu 1x1. Satzung, Ordnungen, Prüfungs- und Verfahrensordnungen, Wettkampfregeln, Kaderordnung, Anschriftenverzeichnis
- Herbert Velte: Ju-Jutsu Wörterbuch. 2001
Weblinks
- Deutscher Ju-Jutsu-Verband e.V.
- Die Jugend im Deutschen Ju-Jutsu-Verband
- Ju-Jitsu International Federation
- Homepage des Bundeskader
Video
- DJJV Trailer - 7,7MB
- Google Video : Ju-Jutsu Full-Contact (internationales Ju-Jitsu)
- YouTube Video : Ju-Jutsu Duo (internationales Ju-Jitsu)