Marxists Internet Archive
Werbung für eine Website, deren Relevanz nicht erkennbar ist. --Eike 10:50, 3. Apr. 2007 (CEST)
Das Marxists Internet Archive (MIA; auch bekannt als marx.org, marxists.org) ist eine auf ehrenamtlichkeit basierende Non-Profit-Organisation die an einem mehrsprachigen Internet-Archiv von Schriften marxistischer Autoren und weiterer politisch linker Strömungen (Sozialisten, Anarchisten, etc.) arbeitet. Das MIA ist das größte Internet-Archiv zum Themengebiet Marxismus. Die Inhalte des Archives sind entweder gemeinfrei oder stehen unter der Creative Commons License.
Geschichte
Die Ursprünge des MIA fallen nach unterschiedlichen Darstellungen in die Jahre 1987 und 1990. „World History Source“, ein Projekt des „Center for History and New Media“ an der George Mason Universität in Fairfax County bezeichnet MIA als eines der ältesten kollaborativen Archiv Projekte des Internets, das 1987 im ARPANET entstand und 1993 in das World Wide Web migrierte.[1] Das MIA selbst[2] legt seinen Ursprung in das Jahr 1990, als eine Person, die nur unter dem Pseudonym „Zodiac“ bekannt ist, mit der digitalen Archivierung der Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels begann. Diese wurden über Newsgroups und das usenet verteilt, bis im Jahre 1993 eine eigene Website des Projektes mit dem Namen „Marx/Engels Virtual Library“ entstand.
„Well, I'm happy to say, those days of chaotic distribution are over. At long last, after wandering the cyber-deserts in exodus, all these Marx/Engels etexts now have one, cozy, communal home.“

In folgender Zeit wurde das Archiv, dass bisher nur Schriften von Marx und Engels fasste, um Schriften weiterer Marxisten ergänzt. Anfang 1995 wurde viele Mirrors des nun „Marx/Engels Archive“ (MEA) heissenden Projekts im universitären Raum geschlossen, was zu einer kurzfristigen Unterbrechung des Betriebes führte. MIA selbst spricht in diesem Zusammenhang von Zensur- bzw. Interventions- Versuchen. Als Reaktion auf diese Ereignisse wurde am 26. Oktober 1996 der Domain „marx.org“ gegründet. Im Zuge dieser Veränderungen wurde das Archiv in „Marx/Engels Internet Archive“ (MEIA) umbenannt. 1997 entwickelten sich interne Auseinandersetzungen über die Ausrichtung und Organisation der MEIA, welche Anfang 1998 dazu führten, dass alle Autoren ausser Marx und Engels aus dem Archiv entfernt wurden.[3] Als Reaktion darauf wurde im Juli 1998 das „Marxists Internet Archive“ mit der Domain „marxists.org“ gegründet, welches wieder sämtliche Inhalte führte. Während im Jänner 1999 noch durchschnittlich 1.800 Seitendarstellungen pro Tag verzeichnet wurden, erhöhte sich diese Zahl ein Jahr später auf durchschnittlich 23.000 Seitendarstellungen pro Tag. Im Jahr 1999 wurde der verbliebene Inhalt der Domain „marx.org“, dessen Betreiber nicht mehr mit dem MIA verbunden waren, entfernt. 2000 wurden unterschiedliche Mirrors des MIA in den USA, Großbritannien und Australien errichtet. Im Jänner 2001 wurde durchschnittlich 52.800[4] Seitendarstellungen pro Tag verzeichnet, im Jänner 2002 wurde dieses Ergebnis mit etwa 55.800[5] Seitendarstellungen nur leicht gesteigert. 2002 konnte der alte Domain „marx.org“ erworben und wieder für das Projekt genutzt werden. Im Jänner 2003 konnte mit 109.500[6] Seitendarstellungen pro Tag das Ergebnis des Vorjahres in etwa verdoppelt werden, ebenso im darauf folgenden Jahr mit 224.700[7] Seitendarstellungen pro Tag. Im Jänner 2005 wurden 236.000[8] Seitendarstellungen pro Tag verzeichnet, diese Zahl erhöhte sich im Jänner 2006 auf 258.900[9], im Mai des selben Jahres erreichte das MIA mit durchschnittlich 315.900[10] Seitendarstellungen pro Tag einen ihrer bisher höchsten Zugriffswerte. Nachdem seit Ende November 2006 vermutlich aus der Volksrepublik China denial of service-Attacken gegen die Website geführt wurden, musste diese nach neuerlichen Angriffen zwischen 13. und 15. Jänner 2007 ihren Betrieb kurzfristig einstellen[11], der Inhalt konnte jedoch großteils über Mirror-Seiten zugänglich gehalten werden. Am 1.April 2007 konnte der Haupt-Server des Projektes wieder online gehen. 2007 stehen dem MIA acht Mirrors zur Verfügung (Drei in den USA, den Hauptserver in Fremont, Kalifornien einberechnet, und je ein weiter Mirror in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und Australien), die der Absicherung der Inhalte und der Bewältigung des Datentransfers des Projektes dienen.
Internationalität
War das Projekt zu Beginn vor allem ein englischsprachiges aus dem us-amerikanischen Raum, entwicklete es sich im Laufe der Zeit zu einem globalen Projekt mit ehrenamtlichen Mitarbeitern in der ganzen Welt. Nachdem um die Jahrtausendwende begonnen wurde, ein nicht-englischsprachiges Archiv aufzubauen, stellt das MIA 2007 Schriften in 45 Sprachen zur Verfügung.[12] Die rund fünfzig ehrenamtlichen Mitarbeiter und Administratoren kommen aus über 30 Staaten.[13]
Charta
In der Charta[14] des MIA ist festgehalten, dass das Projekt ein frei zugängliches ist und weiterhin frei zugänglich bleiben soll. Alle Materialien im Marxists Internet Archive stehen daher entweder unter public domain oder der Creative Commons License (cc-by-sa-2.0[15]). Das MIA definiert sich gegenwärtig wie zukünftig als eine Non-Profit-Organisation, dementsprechend ist es in Kalifornien gemeldet.[16] Alles eingebrachte Vermögen, bis auf eine kleine Reserve für Notfälle, wird weiterverteilt, um Studenten und Arbeitern in der ganzen Welt Informationen (wie freie CDs oder Broschüren) zur Verfügung stellen zu können.[17] Das MIA basiert auf demokratischen Entscheidungsprozessen und auf vollständiger Offenlegung ihrer Tätigkeit, darunter fallen Beispielweise das Budget[18], die Satzung[19], die Charta, sowie der Quellcode. Das MIA selbst hebt hervor, dass es ein politisch unabhängiges Projekt ist, dessen Priorität darin liegt, archivarisches Material zur Verfügung zu stellen. In der Charta ist ebenfalls festgehalten, wie die Zuordnung von Autoren in Marxistisches- und Referenz-Archiv funktioniert.[20] Es werden vier Gründe für die Zuordnung unter das Referenzarchiv genannt. Erstens wenn der Autor Marx und Engels prä-datiert. Zweitens wenn in wesentlichen Bestandteilen der Marxismus abgelehnt wird. Drittens wenn die Schriften eines Autors theoretisch oder praktisch unverbunden oder feindlich in der Beziehung zur Arbeiterbewegung stehen. Viertens wenn das Werk idealistisch ist, oder dem Werk an Dialektik mangelt. Zuletzt wird hervorgehoben, dass der präsentierte Inhalt möglichst leicht zugänglich sein soll.
Inhalt
Das MIA besteht aus fünf Kernbereichen, einen Abschnitt zu „Marxistischen Autoren“, einen Abschnitt „Referenz“, ein „Geschichts-Archiv“, ein „Themen-Archiv“ und eine „Enzyklopädie des Marxismus“. Des weiteren findet sich noch ein sogenannte „Students-Section“ als Einführung und eine von MIA getroffene Zusammenstellung einflussreicher Marxisten („Key Marxists“).
Im Bereich „Marxistische Autoren“ sind derzeit Schriften von über 125 Autoren verzeichnet. Für jeden Autor wir ein eigenes Archiv angelegt, das neben dessen Schriften oftmals auch biographische Daten und Bildmaterial enthält. Das Archiv der Schriften Marx und Engels umfasst beispielweise ca. 40.000 Seiten der gesammelten Werke,[21] der chinesischsprachige Teil des Archivs das gesamte Werk Marx, Engels und Lenins.
Unter dem Abschnitt „Referenz“ finden sich neben Personen wie Mao oder Stalin auch Schriften zur Philosophie und den Naturwissenschaften, wie Schriften anarchistischer oder sozialistischer Autoren. Folgend eine schematisch dargestellte Auswahl der Themengebiete in diesem Bereich:
- Wissenschaft & Philosophie: Politische Ökonomie (Z.B. Adam Smith); Klassiker der Philosophie (Z.B. Hegel); Klassiker der Politischen Theorie (Z.B. de Tocqueville); Ethik; Antike Dialektik; Naturwissenschaften
- Sozialismus & Anarchismus: Utopischer Sozialismus (Z.B. Thomas Morus); Anarchismus (Z.B. Bakunin); Reformismus; Kommunismus (Z.B. Helen Keller); Die Komintern; Maoismus; Nationale Befreiungsbewegungen; Schwarze Befreiungsbewegung
Im „Geschichts-Archiv“ finden sich Materialien nach historisch-geographischer Themenordnung (Z.B.: Internationale Arbeiterorganisationen ab 1847 oder die Sowjetunion). Im „Themen-Archiv“ werden Materialien zu unterschiedlichen Themenbereichen aufbereitet, wie beispielsweise das philosophischen Konzept der Entfremdung, die Politischen Ökonomie, die Herkunft unterschiedlicher Strömungen des Kommunismus, die revolutionären Entwicklungen in unterschiedlichen Staaten, oder Materialien über andere politische Strömungen wie dem Faschismus, Anarchismus oder utopischen Sozialismus. In der „Enzyklopädie des Marxismus“ findet sich ein Glossar, Biografien, Ereignisse und Organisationen.
DVD / Dezentrale Archivierung
Neben den in unterschiedlichen Ländern gehosteten Webauftritt ist eine weitere Zielsetzung des MIA die Inhalte des Archives an möglichst viele Einzelpersonen zu verteilen, damit diese die Inhalte selbst weiterverbreiten können und es so verunmöglicht wird, die Distribution der veröffentlichten Inhalte zur Gänze zu unterbinden. In diesem Sinne ist es möglich das ganze Archiv mit rsync oder ähnlichen Anwendungen herunterzuladen und beispielsweise einen neuen Mirror zu erstellen.[22] Ebenso gibt es die Möglichkeit das Archiv als DVD zu erwerben.[23]
„If the Archive is shut down by a publishing conglomerate or the government, having this information widely dispersed around the world, essentially untraceable, with the content entirely intact, is a great thing.“
Einen weiteren Beweggrund des DVD-Vertriebes stellt auch die fehlende Verbindung zum Internet in weiten Teilen der Welt dar. Während Personen aus Nord-Amerika, Westeuropa, Australien, Hong Kong, Israel, Japan, Neuseeland, Singapur, Südkorea und Taiwan einen festgelegten Preis bezahlen müssen um die DVD zu erwerben, steht es Personen aus anderen Ländern frei, kostenlos eine DVD zu beantragen. Diese Möglichkeit wird durch die Einnahmen aus den DVD-Verkauf gedeckt, die ebenfalls zur Finanzierung des Internetauftrittes verwendet werden. Zusätzlich gibt es lokale Vertreiber in Indien, Pakistan oder Sri Lanka, um die Kosten des Versands zu senken und die Zugänglichkeit zum Archiv allgemein zu verbessern.
Kritik
Das MIA ist nur unter Einschränkungen zur wissenschaftlichen Arbeit zu gebrauchen. Während die bibilographische Informationen zur Textedition im Normalfall angegeben sind, fehlen oftmals, ähnlich dem Projekt Gutenberg-DE, die Seitenzahlen und verhindern daher eine wissenschaftliche Zitation. Ebenfalls basieren manche Schriften auf keinen gängigen oder autorisierten Übersetzungen, diese Informationen sind jedoch wie erwähnt angegeben. Das MIA kann daher in erster Linie als Anlaufstelle für die Suche nach Literatur dienen, aus dem MIA zu zitieren ist hingegen problematisch und nur in seltenen Fällen möglich.
Die Kategorisierung der Autoren ist normativ geladen. So finden sich beispielsweise Personen wie Stalin oder Mao nur in dem Referenz-Archiv. Mit dieser Haltung bezieht das MIA im theoretischen und praktischen Sinne klare Positionen in inner-marxistischen Diskursen. Kritisiert werden könnte, dass diese aktive Haltung nicht dem Sinn eines Archives entspricht.
Ebenso fanden die unheitliche Darstellung der Inhalte wie die Suchfunktion Kritik.
Die Auswahl und der Inhalt der zur Verfügung gestellten Materialien, zum Beispiel in Themenarchiven oder der Enzyklopädie des Marxismus, wurden ebenfalls als einseitig kritisiert. Es muss jedoch bedacht werden, dass es sich um eine auf ehrenamtlichkeit basierende Non-Profit-Organisation handelt, und die Archivierung bestimmter Materialien prinzipiell jedem der sich beteiligt offen steht, sofern sie den Regeln des MIA entsprechen.
Quellen und Anmerkungen
- ↑ Vgl. Rezension auf „WorldHistorySources“, Mills Kelly, 2003 - Center for History and New Media an der George Mason Universität in Fairfax County (USA)
- ↑ a b Vgl. Geschichte des MIA (Eigendarstellung)
- ↑ Für eine genauere Darstellung siehe Geschichte der MIA (Eigendarstellung)
- ↑ Vgl. Serverstatistik Jänner 2001 (gerundet)
- ↑ Vgl. Serverstatistik Jänner 2002 (gerundet)
- ↑ Vgl. Serverstatistik Jänner 2003 (gerundet)
- ↑ Vgl. Serverstatistik Jänner 2004 (gerundet)
- ↑ Vgl. Serverstatistik Jänner 2005 (gerundet)
- ↑ Vgl. Serverstatistik Jänner 2006 (gerundet)
- ↑ Vgl. Serverstatistik Mai 2006 (gerundet)
- ↑ Vgl. Stellungnahme des MIA zur „denial of service-Attacke“
- ↑ Cross-Language-Section im MIA
- ↑ Liste der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Administratoren im MIA
- ↑ Vgl. Charta des Marxists Internet Archive
- ↑ Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen; Version 2.0
- ↑ Unterlagen zum non-profit Status des MIA
- ↑ Siehe den Abschnitt DVD / Dezentrale Archivierung
- ↑ MIA-Budget
- ↑ MIA Bürokratie
- ↑ Liste der Autoren, die vom MIA als Marxisten kategorisiert sind
- ↑ Vgl. Institut für Geschichte an der Universität Wien
- ↑ Vgl. MIA: Howto set up a mirror of marxists.org
- ↑ Vgl. MIA-DVD
- ↑ Vgl. MIA: Why do we sell this DVD?
Weblinks
- Commons: Mediendateien aus dem Marxists Internet Archive – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
- Marxists Internet Archive - Startseite über den deutschen Mirror
- Marxists Internet Archive (deutsch) - Startseite über den deutschen Mirror
- Rezensionen
- Rezension auf „WorldHistorySources“, Mills Kelly, 2003 - Center for History and New Media an der George Mason Universität in Fairfax County (USA)
- Rezension auf „H-Soz-u-Kult“, Ingo Grabowsky, 2004 - Institut für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin