Zum Inhalt springen

Grenzkirche

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. April 2007 um 22:22 Uhr durch Decius (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Grenzkirchen waren evangelische Gotteshäuser, die nach dem Dreißigjährigen Krieg in sächsischen und brandenburgischen Orten errichtet wurden, welche in unmittelbarer Nachbarschaft der von der Rekatholisierung betroffenen Länder Schlesien und Böhmen lagen. Dorthin wandten sich evangelische Schlesier und Böhmen, denen in ihrer Heimat die freie Religionsausübung fortan verwehrt war.

Das habsburgische Herrscherhaus beanspruchte für sich in seinen eigenen Ländern das so genannte Reformationsrecht nacht dem Prinzip cuius regio - eius religio, wie es der Augsburger Religionsfrieden 1555 festgelegt hatte. Das heißt der Fürst bestimmte die Konfession der Untertanen. Wer dem Machtspruch nicht folgen wollte, die so genannten Dissidenten, musste auswandern. In den böhmischen Ländern hatten die Habsburger dieses Prinzip vor dem 30jährigen Krieg nicht durchsetzen können, vielmehr hatte Kaiser Rudolf II. den Protestanten Böhmens und Schlesiens in den Majestätsbriefen von 1609 freie Religionsausübung gewähren müssen. Nach der Niederlage der Stände in der Schlacht am Weißen Berg und der Rückeroberung Böhmens fühlte sich Kaiser Ferdinand II. an diese Zusage nicht mehr gebunden und 1621 begann in Böhmen die gewaltsame Durchsetzung der Gegenreformation.

Den evangelischen Bewohnern in den nördlichen Grenzregionen blieb außer Emigration und Konversion als dritte Option der Besuch lutherischer Gottesdienste im angrenzenden Sachsen und in der benachbarten Oberlausitz. Die aufgesuchten Dorfkirchen waren oft zu klein, deshalb ließen die sächsischen Kurfürsten und auch örtliche Grundherren für die Böhmen die Grenzkirchen errichten. Nicht selten war der Gang in die Grenzkirchen eine Vorstufe zur Auswanderung, denn die katholischen Obrigkeiten in Böhmen versuchten das Auslaufen ihrer Untertanen nach Sachsen mit polizeilichen Mitteln zu unterbinden und der Druck auf die Protestanten nahm mit der Zeit immer mehr zu.

Eine ganz ähnliche Entwicklung gab es zwei Jahrzehnte später in Schlesien, als die Habsburger auch dort gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges ihre Macht wieder festigten und mit der Gegenreformation begannen. An den Grenzen Niederschlesiens zur brandenburgischen Neumark und zur sächsischen Oberlausitz zählte man etwa 150 solcher Zufluchts- und Grenzkirchen. Mit dem Aussterben der letzten schlesischen Piasten (1675) gab es innerhalb Schlesiens keine evangelischen Territorien mehr. Außer in den drei evangelischen Friedenskirchen in Schweidnitz, Jauer und Glogau, die auf eine Bestimmung des Westfälischen Friedens zurückggingen, konnten die Protestanten nur mehr im Ausland an Gottesdiensten ihrer Konfession teilnehmen.


Literatur

  • Schirge, Alfred: Grenzkirchen und Zufluchtskirchen des 17. und 18. Jahrhunderts in der Kurmark Brandenburg für Evangelische in Schlesien. In: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 62 (1999), S. 77-81.
  • Eberlein, Gerhard Die schlesischen Grenzkirchen im XVII. Jahrhundert. In: Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte. Jg. 1901, S. 31-64
  • Hutter-Wolandt, Ulrich: Die Grenzkirche in Podrosche. In: Schlesischer Gottesfreund 46 (1995), S. 39-49.
  • Wotschke, Theodor Otto G.: Die Grenzkirche in Weigmannsdorf. Ihre Patrone u. Pastoren. In: Korrespondenzblatt d. Vereins f. Gesch. der ev. Kirche Schlesiens. Jg. 1913, S. 285-315