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Wilhelm Löhe

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Johann Konrad Wilhelm Löhe (* 21. Februar 1808 in Fürth; † 2. Januar 1872) war ein deutscher evangelischer Theologe des 19. Jahrhunderts. Wegen der Gründung eines Mutterhauses wurde er als "fränkischer Diakonissenvater" bekannt. Durch seine Schriften hat er zur Profilierung der Evangelischen Kirche beigetragen.

Leben

Löhe wurde als Sohn eines Kaufmannes, der früh verstarb, geboren und durch die Mutter im Geist des Pietismus erzogen. Mit der Schulzeit in Nürnberg kam der als einsames Kind beschriebene Löhe erstmals in Kontakt mit dem Gedankengut der Aufklärung. 1826 studierte Löhe Evangelische Theologie in Erlangen, wo ihn vor allem Christian Krafft beeinflusste. Daneben lernte er durch David Hollaz das Luthertum kennen. Die wichtigste Lektüre jener Zeit war für Löhe Thomas von Kempens Von der Nachfolge Christi. Es ist möglich, dass er sich schon damals vom herrschenden Rationalismus abwandte.

1828 studierte Löhe ein Jahr in Berlin und besuchte unter anderem die Vorlesungen von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und Georg Hegel. Beide Denker blieben ihm jedoch fremd, wie er später schreibt. 1829 kehrte er aus familiären Gründen zurück nach Erlangen und bestand dort 1830 sein Examen. Bei der Ordination 1831 empfand er sich bereits als ein bekenntnistreuer Lutheraner.

In den folgenden Jahren wechselte Löhe als Vikar und Pfarrverweser mehrfach die Pfarrstelle. Er beschäftigte sich vor allem mit Fragen des Abendmahls und der Kirchenverfassung und nahm Anteil am Kampf der schlesischen Lutheraner gegen die preußische Union.

Ab 1837 war er Pfarrer in Neuendettelsau, wo er seine spätere Frau Helene Andreae († 1843) kennenlernte. In Neuendettelsau war Löhe im Geiste des Neuluthertums tätig.

Die 1845 erschienenen Drei Bücher von der Kirche  beleben im entstehenden Neuluthertum die Diskussion um das Wesen von Kirche. Schon 1847 veröffentlichte der Erlanger Franz Delitzsch seine Vier Bücher von der Kirche explizit in Bezug auf das Löhe-Werk. Löhe ging es, wie er Delitzsch schreibt, in seinem Buch darum, »[...] in der Zerrissenheit der Kirche denjenigen Fleck aufzuzeigen, wo die Wahrheit ihr völligstes Zeugnis gibt" Und: "[...] in den Bekenntnissen unserer Väter [haben wir] [...] den historischen Boden wieder gefunden [...], auf welchem wir fortschreiten können«. Die lutherische Kirche aber ist dabei die einigende »Mitte der Konfessionen«.

Missverständlich ist - so sein Biograph Friedrich Wilhelm Kantzenbach - , wenn Löhes Anti-Unionismus sich im quantifizierenden Reden von »mehr« Wahrheit und »am meisten« Wahrheit bezüglich der Partikularkirchen ausdrückt: Wer dann »am meisten« Wahrheit habe, sei im Besitz der »vollen« Wahrheit. Bedenklich wurde auch die Renaissance Cyprians in der Forderung, dass »jeder, welcher zur unsichtbaren Kirche zu gehören wünscht, auch zur sichtbaren gehören müsse«, empfunden. Schliesslich geriet Löhe mit seinem Verständnis vom Amt, dass er als begründenden Ausgangspunkt der Gemeinde, nicht ihr Resultat, sah, dann noch mit seinem Konsortialpräsidenten Adolf Harless aneinander - wurde von diesem aber rasch wieder in die Kirche eingebunden. Unaufgelöst blieb lediglich die »Disproportion zwischen lutherischer Kirchlichkeit und lutherischer Rechtfertigung« (H.E.Jäger).

In praktischer Konsequenz versuchte Löhe, die altlutherische Liturgie wiederzubeleben, akzentuierte den Begriff der Kirchenzucht neu und griff selbst (und auch mittels seiner zunehmenden Anhängerschar) oft in das kirchenpolitische Tagesgeschehen ein. So wird auf ihn die ab 1853 bestehende Selbstbezeichnung der evangelischen Kirche Bayerns als »evangelisch-lutherisch« zurückgeführt (Schumann).

Löhe wurde gleichzeitig mit Theodor Fliedner Begründer einer luherischen Mission. Seit 1841 wurden Missionare für die Seelsorge der nach Nordamerika Auswandernden ausgebildet.

1853 wurde die Ausbildung von Frauen in der Diakonie eingeführt, um Frauen in sozial schwieriger Lage eine Möglichkeit zu eröffnen. Durch die Diakonissen konnten personell problematische (vor allem dörfliche) Regionen nun besser versorgt werden.

1854 wurde dem ein Lutherischer Verein für weibliche Diakonie zur Seite gestellt, der vor allem Mädchen und Frauen ansprechen sollte, die den radikalen Schritt zur Diakonisse nicht gehen wollten. Das Neuendettelsauer Mutterhaus entwickelte sich schnell auch zur geistigen Heimat der dort Ausgebildeteten. Die Diakonie Neuendettelsau besteht bis heute.

Löhes Ansätze - Gründung eines Lutherischen Vereins oder der Versuch, eine bischöflich-brüderliche Kirche in (neu-)lutherischem Geist zu begründen - , lassen sich nicht umsetzen; Löhe erwägt zeitweilig das Verlassen der Kirchenorganisation.

Als Löhe 1872 verstarb, hinterließ er ein umfangreiches Werk sowohl als Publizist wie als Gründer von Institutionen.

Literatur

  • D. Blaufuss, Wilhelm Löhe und die Alten Tröster; in: ZBKG 59 (1990), 149-162
  • G. Bosinski, Wilhelm Löhe; in: K.-H.Neukamm, Wer dienen will, 1985, 193-210
  • J. Deinzer, Löhes Leben; 3 Bde., 1873/1880/1892
  • K. Ganzert, Zucht aus Liebe. Kirchenzucht bei Wilhelm Löhe; 1949
  • Erika Geiger, Wilhelm Löhe, Leben - Werk - Wirkung; Neuendettelsau (Freimund) 2003 (ISBN 3772602444)
  • S. Hebart, Wilhelm Löhes Lehre von der Kirche, ihrem Amt und Regiment; 1939
  • E. H. Heintzen, Wilhelm Löhe and the Missouri Synod; 1964
  • Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Zwischen Erweckung und Retauration; 1964, Kap 4-5
  • ders., Gestalten und Typen des Neuluthertums; 1968
  • ders., Wilhelm Löhe. Anstösse für die Zeit; 1971
  • ders., Die 'befreundeten Gegner'. Ekklesiologische Konzepte rund um Wilhelm Löhe; in: ZBKG 44 (1975), 114-141
  • ders., Klassiker der Theologie; Bd 2, 1983, 174-189
  • ders., Programme der Theologie; 3.Aufl. 1984, 66-71
  • Rud. Keller, Reformatorische Wurzeln der Amtslehre von Wilhelm Löhe; in: Festschrift Hopf, 1980, 106-124
  • ders., Löhe im Spiegel seiner Briefe; in: ZBKG 56 (1987), 261-283
  • ders., Wilhelm Löhe und Carl Eichhorn; in: ZBKG 58 (1989), 199-208
  • ders. in: ThLZ 1992, 774ff.
  • K. F. Korby, Löhes Seelsorge for his Fellow Lutherans in America; in: CHIQ 45 (1972). 53-67
  • ders., The Theology of Pastoral Care in Wilhelm Löhe; Diss. 1976
  • H. Kressel, Wilhelm Löhe als Prediger; 1929
  • ders., Wilhelm Löhe als Liturg und Liturgiker; 1952
  • ders., Wilhelm Löhe als Katechet und Seelsorger; 1955
  • E. Merz, Wilhelm Löhe; Artiekl in: RGG 4, 3.Aufl., 427f.
  • Georg Kuhr, Briefwechsel des Bürgermeisters Johann Merkel mit Wilhelm Löhe 1835-1837; in: ZBKG 41 (1972), 68-121
  • Gerhard Müller, Das neulutherische Amtsverständnis; in: KuD 17 (1971), 46-74
  • ders., Zur Erinnerung an Löhe; in: LuthBl 105, 23 (1971/72), 71-118
  • ders., Löhes Theologie zwischen Erweckungsbewegung und Konfessionalismus; in: NZSTh 15 (1973), 1-37
  • ders., Löhes missionarisch-diakonisches Denken und Wirken; in: FS H.Laag, 1973, 44-52
  • ders., Die Erlanger Theologische Fakult und Wilhelm Löhe im Jahr 1849; in: Festschrift Dietzfelbinger, 1973, 242-254
  • ders., Der Student Wilhelm Löhe und das Amt; in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 34/35 (1975), 593-601
  • ders., Wilhelm Löhe; in: M. Greschat, Gestalten der Kirchengeschichte, Bd 9/2, 1985, 71-86
  • J. L. Schaaf, Wilhelm Löhe's Relation to the American Church; Diss. 1961
  • ders., Wilhelm Löhe and the Ohio Synod; in: Lutheran Hist Conf. Essays and Reports 5 (1974), 85-101
  • T. Schober, Wilhelm Löhe; in: K. Leipziger, Helfen in Gottes Namen, 1986, 45-69
  • G. Schönauer, Kirche lebt vor Ort. Wilhelm Löhes Gemeindeprinzip als Widerspruch gegen kirchliche Grossorganisation; 1990 (dazu R.Keller 1992)
  • F. Schumann, Wilhelm Löhe; Artikel in: BBKL 5, 163-167
  • Anne Stempel-de-Fallois, Das diakonische Wirken Wilhelm Löhes; Stuttgart (Kohlhammer) 2001 (ISBN 3170162667)
  • W. Trillhaas, Wilhelm Löhe. Ein unbürgerlicher Christ; in: ZW 25 (1954), 378-384
  • ders., Wilhelm Löhe; in: ders., Perspektiven und Gestalten des neuzeitlichen Christentums, 1975, 144-150
  • G. F. Vicedom, Die Missionsgedanken Löhes in ihrer Auswirkung auf die Neuguineamission; in: EMZ, NS 6 (1949), Heft 6, 9-19
  • M. Wittenberg, Löhe und die Juden; 1954
  • ders., Wilhelm Löhe und die Lutherische Kirche; in: JMLB 19 (1972), 11-35
  • ders., Geistliches Leben nach M. Luther und Wilhelm Löhe; in: JMLB 24 (1977), 37-81
  • ders., Die Beichte bei Wilhelm Löhe; in: HLC, NF 5/17 (1987/88), 5-43