Feinstofflichkeit
Als feinstofflich wird in vielen okkulten und esoterischen Werken eine mit den körperlichen Sinnen nicht wahrnehmbare, „feinere“ Form von Materie bezeichnet, die die Grundlage fast aller esoterischen Lehren ist.
Das Konzept der Feinstofflichkeit ist allgemein in der Esoterik die Basis für die Erklärung von Bewusstsein, spiritueller und religiöser Begriffe wie Heiligenschein, Aura, Seele, Schutzengel, Dämonen, Himmel und Hölle aber auch speziellerer esoterischer Begriffe. Die Zusammensetzung der Wörter fein und Stoff soll ausdrücken, dass Feinstoffliches zwar eine andere Qualität besitzt („feiner“) aber den gleichen Ursprung hat, wie die bekannte, materielle (stoffliche) Welt. In der Philosophie nennt man diese Haltung Monismus.
Auch wenn der Begriff Feinstofflichkeit in der esoterischen Literatur viele, nicht immer deckungsgleiche, Synonyme und verschiedene Formulierungen kennt, bildet seine monistische Grundbedeutung den breitesten Konsens innerhalb der Esoterik. Denn das erste, der in esoterischen Lehren oft akzeptierten "hermetische Gesetze" (im Wortlaut: "Wie oben, so unten") drückt aus, dass alles Unterscheidbare auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführbar ist (und sich deswegen nach den gleichen Gesetzen verhält).
Esoteriker formulieren das oft als: "Alles besteht aus Energie, die lediglich in verschiedenen Mustern und Frequenzen schwingt." Körperlich Wahrnehmbares sowie elektromagnetische Wellen werden im untersten Teil dieses Frequenzspektrums eingeordnet (Q5.1, W1). „Feinstoffliches“, das die höher schwingenden Frequenzbereiche bezeichnet, umfasst hier Intuition, sexualle Empfindungen, Gedanken, Gefühle, und verschiedene übersinnliche Wahrnehmungen, die mit den jeweils zugeordeten, feinstofflichen Körpern oder Ebenen empfunden werden.
Synonyme
Feinstoffliches und "grobstoffliches" wird unterschiedlich benannt.
Für "grobstofflich" sind Bezeichnungen wie physisch, materiell, grobstofflich, dicht (in der Zusammensetzung "dichter Körper) oder "sinnenfällig" verwendet. Für "feinstofflich" sind u.a. Bezeichnungen wie nichtmateriell, feinkörperlich, überphysisch, höher (da die Aura eines Lebewesens über die Grenzen des materiellen Körpers hinausreiche), nichtsinnlich, übersinnlich und verborgen üblich. Feinstofflichkeit wird jedoch mit sehr unterschiedlichen Interpretationen benutzt, sodass im Spektrum der Esoterik sehr viele unterschiedliche Konzepte und Hypothesen als feinstofflich bezeichnet werden, denen nicht notwendigerweise gleichartige Inhalte zugrundeliegen.
Der scientologische Begriff Mest (Kunstwort aus den Anfangsbuchstaben von matter, energy, space, time) kann sowohl grobstoffliche als auch feinstoffliche Anteile bezeichnen, die der physischen Welt und der Empfindungswelt angehören.
Begriffsgeschichte
Der Begriff "feinstofflich" wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Anthroposophie geprägt. Ältere Autoren wie Dion Fortune, Szepes, Heindel haben kein Wort, das sie einem feststehenden Begriff zuordnen, der dem heutigen "feinstofflich" entspricht, sondern benutzen mehrere Wörter, die jeweils nur einen Teil dieses Begriffes abdecken. Steiner und Besant benutzen zwar Formulierungen wie: "Der Ätherkörper ist aus feinerem Stoff aufgebaut, als ihn unsere fünf Sinne wahrnehmen können" (Q3, S. 15) oder "in feinen Materien" (Q11a, S.55) als Beschreibungen für das Feinstoffliche, sie benutzen es aber noch nicht als festgefügten Begriff, der inzwischen fest in den esoterischen Sprachgebrauch übergegangen ist.
Verwendung
Innerhalb esoterischer Schulen, Traditionen und Lehrsysteme gibt es eine große Anzahl Begriffe, die sich auf die gesamte Feinstofflichkeit oder nur auf Teilbereiche beziehen. Diese Vielfalt entsteht teilweise dadurch, das von der Esoterik fast der gesamte Wortschatz der meisten mystischen, spirituellen und religiösen Traditionen aufgenommen wird. Manche (z.B. christliche) Gemeinschaften, distanzieren sich von dieser synkretischen Haltung der Esoterik, andere Gemeinschaften erkennen eine geistige Nähe an, wie zum Beispiel Schamanen oder tibetische Buddhisten die teilweise selber Mitglied in theosophischen Gesellschaften sind.
- Im Theosophischen Kontext wird der Astralkörper, der als Muster des psychischen Körpers gelten soll, sowie das Prana, welches als „Lebenskraft“ des Menschen gedacht wird, mit dem Begriff „feinstofflich“ oder als „feine Stofflichkeit“ beschrieben. Dabei wird die „feine Stofflichkeit“ als eine Zwischenstufe zwischen gasförmig und geistig gedacht. [1]
- Im esoterischen Verständnis der Traditionellen Chinesischen Medizin wird Feinstofflichkeit auch als Synonym für Jing verwendet, in dem man Jing als eine Art Energie versteht, die sich nicht nachweisen lässt. [2]
- In heutigen Darstellungen der Homöopathie versteht man unter Feinstoffichkeit die von Samuel Hahnemann angenommene „Lebenskraft“, welche Hahnemann selber wiederum auf den von Aristoteles begründeten Vitalismus zurückführt.
- Im Zusammenhang mit Huna bezeichnet die Feinstofflichkeit eine angenommene „Aka-Substanz“, welche ein Abbild von der realen Welt sein soll, sowie die Mana genannte „Lebenskraft“ in dieser „Aka-Substanz“.
- Im alchemistischen Kontext versteht man unter „feinstofflicher Substanz“ die verdünnte und vergeistigte Prima materia.
Aufteilung des Feinstofflichen in mehrere "Ebenen" oder "Welten"
Das Feinstoffliche wird in der esoterischen Literatur in unterschiedlich viele Ebenen aufgeteilt, die in unterschiedlichem Ausmaß "feinstofflich" seien. Die feinstofflicheren Ebenen werden auch als "höher" oder "subtiler" bezeichnet. Die weniger feinstofflichen Ebenen werden als "materieller" oder "dichter" bezeichnet. Brennan, Heindel, Steiner und Bardon verwenden eine Aufteilung in zwei bis sieben Welten, die jeweils in mehrere Ebenen aufgeteilt sind. Zur materiellen Welt gehören in diesen Aufteilungen zwei bis höchstens vier feinstoffliche Ebenen. Heindel spricht zudem von sieben kosmischen Ebenen, von denen jede sieben Welten enthält.
Kritik
Die uneinheitliche Nomenklatur und die oft parallel verwendeten, widersprüchlichen Systeme zur Einteilung der Feinstofflichkeit sind für Kritiker Belege für die Konzeptlosigkeit, mangelhafte Theorienbildung und Pseudowissenschaftlichkeit esoterischer Lehren.
Quellen
- ↑ Rudolf Steiner: Aus der Akasha Chronik, Rudolf Steiner Verlag (1990) ISBN 3727461616 Volltext
- ↑ Helmut Mangel: Überlegungen zu Yang Ming, der schließenden Yang-Schicht - Fachartikel auf der Internetpräsenz der Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V. Volltext
- Max Retschlag's Die Alchemie und ihr Grosses Meisterwerk, Kapitel "das Astral des Menschen und seine Aura" - die Verwendung des Begriffes "feinstofflich" in der Alchemie