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Benutzer:HerbertErwin/Projekt

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Rezeption

Siehe auch: Geschichte des Marxismus

Deutsche Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie

Die deutsche Arbeiterbewegung bezog sich ab 1870 teilweise auf den Marxismus. Zunächst gab es eine Verbindung von Marxschen Anschauungen mit den Lehren Ferdinand Lassalles. Im Anschluss an Friedrich Engels „Anti–Dühring“ (1878), in dem er die Marxsche Theorie schulmäßig ausarbeitete, bildete sich allmählich Begriff des „Marxismus“ heraus und verbreitete sich als eine umfassende Weltanschauung in der Arbeiterschaft und in kleinen Teilen des Bildungsbürgertums.

In der deutschen Sozialdemokratie galt nach dem Tod von Engels (1895) Karl Kautsky (1854–1938) als der führender Theoretiker des Marxismus. Kautsky fasste den von Marx beschriebenen Niedergang der kapitalistischen Gesellschaft als einen quasi naturgesetzlichen Prozess auf, an dessen Ende dem Proletariat und seiner Partei ganz von selbst die Macht zufallen werde. Daher hielt er revolutionäre Anstrengungen zur Erreichung dieses Ziels für nicht erforderlich. Eduard Bernstein (1850–1932) gilt als der Begründer des marxistischen Revisionismus. Er wollte die soziale Revolution durch eine Politik sozialer Reformen ersetzen, bei der dem Staat über die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts eine entscheidende Rolle zugewiesen wurde.

Rosa Luxemburg (1871–1919) lehnte die Schlussfolgerung Bernsteins, man könne ohne Revolution zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung gelangen, als Reformismus ab. Sie vertrat die These vom notwendigen Zusammenbruch des Kapitalismus. Das eigentliche revolutionäre Kampfmittel des Proletariats sei der spontane, nicht organisierte Massenstreik, der erst das für die Revolution notwendige Klassenbewusstsein erzeuge. Neben ihrer Ablehnung jeder Diktatur formulierte sie mit ihrem bekannten Satz: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden" ein klares Bekenntnis zur Meinungsfreiheit.

Sowjetmarxismus

Der Sowjetmarxismus geht auf Lenins (1870–1924) Interpretation und Weiterentwicklung des Marxismus zurück. Die Arbeiterklasse kann nach Lenin aus eigenen Kräften nur ein „gewerkschaftliches“ Bewusstsein entwickeln. Wissenschaftlich begründetes Klassenbewusstsein vermögen danach allein die Intellektuellen ins Proletariat hineinzutragen. Bis Anfang der 20er Jahre war Lenin davon überzeugt, dass die Revolution in rückständigen Ländern nur erfolgreich sein kann, wenn sie zur Initialzündung der Weltrevolution wird, d.h. die Revolution in die kapitalistischen Zentren überspringt. Er entwickelte die Theorie, dass der bürgerliche Staatsapparat zerschlagen und eine revolutionäre Diktatur des Proletariats – unter der Führung der Kommunistischen Partei – errichtet werden müsse. In seiner polemisch geführten Auseinandersetzung mit Karl Kautsky betonte er die Gewaltsamkeit dieses Vorgangs und wies den bereits von Engels vertretenen Gedanken zurück, der Sozialismus könne auch mit parlamentarischen Methoden errichtet werden. Lenin unterschied eine niedere und eine höhere Phase des Kommunismus. In der Letzteren würden alle Menschen in der Lage sein, selbstständig die gesellschaftliche Produktion zu leiten, sodass es staatliche Lenkung und Kontrolle nicht mehr bedürfe.

Stalin vollendete in der Schrift „Über dialektischen und historischen Materialismus“ (1938) die Erstarrung der marxistischen Philosophie zum Dogma. Er entwickelte die „Weltanschauung der marxistisch-leninistischen Partei“ und stellte die Lehre vom „Aufbau des Sozialismus in einem Land“ auf, weil die von Marx, Engels und Lenin erwartete Weltrevolution ausgeblieben war.

Austromarxismus

Die 1903 entstandene und bis in die 1930er Jahre bestehende österreichische Schule des Austromarxismus hielt zwar im Gegensatz zum Revisionismus am historischen Materialismus fest, betonte jedoch die Notwendigkeit, die soziale Revolution und die Errichtung der Diktatur des Proletariats mit dem Prinzip der Mehrheitsherrschaft im Rahmen parlamentarisch–demokratischen Institutionen zu verbinden (Dritter Weg). Gemeinsamer Ausgangspunkt der Austromarxisten – Otto Bauer (1881–1938), Max Adler (1837-1937), Friedrich Adler (1879-1960),Rudolf Hilferding (1877–1941),Karl Renner (1870–1950) – war die Rezeption der marxistischen Theorie auf dem Hintergrund der kritischen Philosophie Immanuel Kants.

Neomarxismus

DerNeomarxismus ist nach dem Ersten Weltkrieg als Kritik auf sozialdemokratische und sowjetkommunistische Interpretationen des Marxismus entstanden.

  • Deutschland

George Lukács (1885–1971) vertrat in „Geschichte und Klassenbewußtsein“ (1923) die Auffassung, dass das historisch notwendige Heraufkommen des Sozialismus eine dialektische Bewegung der „Selbstverneinung“ des Kapitalismus sei. Die kapitalistische Produktionsweise bewirke, dass die Beziehungen zwischen Menschen als Verhältnis von Sachen („Verdinglichung“) erscheinen; die Ware werde zur gesamtgesellschaftlichen „Universalkategorie“. Dieser Prozess schlägt jedoch beim Proletariat in revolutionäres Klassenbewusstsein um, wobei die verdinglichende Struktur des Kapitalismus im revolutionären Handeln durchbrochen werden kann.

Einen großen Einfluss auf den philosophischen Diskurs übten die Philosophen der Frankfurter Schule mit der von ihnen entwickelten kritischen Theorie der Gesellschaft aus: Max Horkheimer (1895–1973), Theodor W. Adorno (1903–1969), Erich Fromm (1900–1980), Herbert Marcuse (1898–1979). In ihrem zentralen Werk „Dialektik der Aufklärung“ (1947) legen Horkheimer und Adorno eine marxistisch–dialektische Analyse der Widersprüche nach dem Zweiten Weltkrieg vor. Geprägt durch die Erfahrungen von Nationalsozialismus und Stalinismus unterliege die kapitalistische Gesellschaft der Gegenwart technologischen und bürokratischen Zwängen. Kennzeichnend für den zeitgenössischen Kapitalismus sei die Vorherrschaft der „instrumentellen Vernunft“, des rein technisch–zweckrationalen Denkens. Die meisten Vertreter der Frankfurter Schule übertrugen diese Kritik auch auf die Gesellschaft der UdSSR, weshalb sie Theorie und Praxis des Sowjetmarxismus ablehnten.

Jürgen Habermas (1929) will die Theorie der Frankfurter Schule im Sinne einer kritischen Theorie der Gesellschaft fortführen. Er weiß sich dem marxistischen Grundanliegen einer fortschreitenden Emanzipation des Menschen aus den Zwängen von Natur und Gesellschaft verpflichtet und unternimmt den Versuch, auf der Basis der Sozialwissenschaften, die bisher ungeklärten normativen Grundlagen gesellschaftlicher Prozesse herauszuarbeiten.

Wilhelm Reich (1897–1957) versuchte in seiner Schrift „Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse“ (1929) Marxismus und Psychoanalyse miteinander zu verbinden. Diese Richtung, als Freudomarxismus bekannt, wurde besonders in der 68er-Bewegung populär. Die Kritische Psychologie, maßgeblich von Klaus Holzkamp (1927–1995) entwickelt, sah sich als Individualwissenschaft des Marxismus und knüpfte an die Kulturhistorische Schule Lew Semjonowitsch Wygotskis (1896–1934) an.

Ernst Bloch (1885–1977) entwickelte auf dem Boden des dialektischen Materialismus – anknüpfend an Aristoteles, Hegel und die jüdisch–christliche Eschatologie – eine Philosophie der Hoffnung. Hoffnungen beziehen sich als Reflexion des je „Noch-nicht-Bewussten“ auf das „Noch-nicht-Seiende“, auf die in der Welt verborgen liegenden Möglichkeiten zu einem besseren, humaneren Leben.

  • Frankreich

In Frankreich prägten v.a. Henri Lefèbvre (1901–1991) und Roger Garaudy (1913) durch ihre Kritik des parteioffiziellen Marxismus die Diskussion, die auch von Seiten der Phänomenologie (Maurice Merleau-Ponty, 1908–1961) und des Existenzialismus (Jean-Paul Sartre, 1905–1980) beeinflusst wurde. Louis Althusser unterzog die Texte von Marx einer strukturalistischen Analyse.

  • Italien

Der herausragende Vertreter des Neomarxismus in Italien war Antonio Gramsci (1891–1937). Für ihn ist Marxismus eine „Philosophie der Praxis“. Philosophie ist „ein Ausdruck gesellschaftlicher Widersprüche“, deren Veränderung sie aber zugleich herbeiführt; sie ist das „Bewusstsein, in dem der Philosoph […] sich selbst als Element zum Prinzip der Erkenntnis und somit des Handelns erhebt“. Gramscis Philosophie der Praxis zielt auf die Verknüpfung „der allgemeinen Begriffe der Geschichte, Politik und Ökonomie in organischer Einheit“. [1]
Galvano della Volpe (1895–1968) und Cesare Luporini (1909–1993) untersuchten v.a. das Problem der logischen Eigenschaften einer „materialistischen Dialektik“, die sie gegen die Dialektik Hegels abgrenzten.

  • Osteuropa

Als weitere neomarxistische Denker können in der Tschechoslowakei Karel Kosík (1926–2003) , in Jugoslawien die Praxis-Gruppe um die 1974/75 verbotene Zeitschrift „Praxis“, Gajo Petrovic (1927), Mihailo Markovic (1923) und in Polen Leszek Kolakowski (1927) genannt werden.

Die Budapester Schule um Ágnes Heller versucht, die philosophischen Aspekte des Marxismus in kritischer Perspektive zu den „Gesellschaften sowjetischen Typs“ weiterzuentwickeln.

Maoismus

In China entwickelte Mao Zedong (1893–1976) eine eigene Theorie der Revolution, die für die unterentwickelten Gesellschaften der Dritten Welt als Träger der proletarischen Revolution das ländliche Proletariat anstelle der dort meist fehlenden Arbeiterschaft vorsieht. Im Gegensatz zum Marxismus–Leninismus sowjetischer Prägung nimmt der Maoismus an, dass nach Errichtung der Diktatur des Proletariats in der sich entfaltenden sozialistischen Gesellschaft der Klassenkampf zeitweilig noch verschärft werden müsse, bis nicht nur die Produktionsverhältnisse, sondern auch das Bewusstsein der Menschen im kommunistischen Sinn verändert seien. In ständiger revolutionärer Bereitschaft (permanente Revolution) sollen die Volksmassen die Bildung neuer Klassen und Klassengegensätze unter Führung der Partei verhindern. In seiner Schrift „Über den Widerspruch“ legt er seine Auslegung des Dialektischen Materialismus vor.

Der Maoismus übte große Anziehungskraft auf die kommunistischen Parteien und die Befreiungsbewegungen der Dritten Welt, aber auch auf Teile der Studentenbewegung der 1960er/1970er Jahre in den westlichen Industriestaaten aus.


  1. Vgl. Antonio Gramsci: Philosophie der Praxis. Fischer, Frankfurt am Main 1967, S. 197 u. 215.