Nanga Parbat
Nanga Parbat | |
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Höhe | 8125 m |
Lage | Kaschmir, Pakistan |
Gebirge | Himalaya |
Koordinaten | |
Erstbesteigung | 3. Juli 1953 durch Hermann Buhl |
Normalweg | Kinshofer-Route durch die Diamirflanke |
Der Nanga Parbat (Nackter Berg) – auch als Diamir (König der Berge) bekannt – ist mit 8125 Metern Höhe der neunthöchste Gipfel der Erde. Er wurde um 1854 von den deutschen Gebrüdern Schlagintweit entdeckt.
Er gilt unter Alpinisten als einer der anspruchsvollsten Achttausender und mithin wohl als einer der am schwierigsten zu besteigenden Berge der Erde. Im Gegensatz zum Mount Everest sind selbst auf der konventionellen, „einfachen“ Normalroute (Kinshofer-Route) extrem lawinen- und steinschlaggefährdete Steilhänge zu durchqueren. Bis heute gab es 186 erfolgreiche Besteigungen, aber auch 61 Todesfälle. Die Wahrscheinlichkeit, am Nanga Parbat ums Leben zu kommen, ist somit rein statistisch rund dreimal höher als am Everest.
Am Nanga Parbat wurde wie an nur wenigen anderen Bergen Alpinismusgeschichte geschrieben. Die nachfolgenden Meilensteine erfolgten alle ohne Zuhilfenahme von künstlichem Sauerstoff:
- 1895 Albert F. Mummery: Beginn des ernsthaften Achttausender-Bergsteigens.
- 1953 Hermann Buhl: Erstbesteigung; erste Solo-Besteigung eines Achttausenders.
- 1970 Reinhold und Günther Messner: Durchsteigung der Rupalwand, der höchsten Wand der Erde; zugleich erste Überschreitung des Nanga Parbat und zweite Achttausender-Überschreitung überhaupt (nach Mount Everest 1963).
- 1978 Reinhold Messner: Erste Solo-Besteigung eines Achttausenders vom Basislager bis zum Gipfel, im Aufstieg wie im Abstieg auf einer neuen Route.
Geographie
Am Ende des westlichen Himalaya gelegen, ist er die größte sichtbare, freistehende Massenerhebung der Erde. Der Höhenunterschied zum 25 km entfernten Industal beträgt etwa 7000 m. Die gegen Süden gelegene Wand (Rupal-Flanke) ist mit 4500 m die höchste Gebirgswand der Erde. Der Berg besteht hauptsächlich aus Graniten und Gneisen. Je nach Wetterbeschaffenheit wird er auch als der Berg der Bläue bezeichnet. Klimatisch ist er in eine thermische Doppelzone eingebettet.
Besteigungsgeschichte
Expeditionen von 1895 bis heute
Den ersten Besteigungsversuch des Berges unternahm 1895 der damals beste Kletterer Großbritanniens, Albert F. Mummery. Mummery war ein erfahrener Bergsteiger und hatte schon einen sehr schwierigen Riss am Grepon (Mummeryriss) erklettert und das Matterhorn als Erster über den Zmuttgrat bestiegen. Er bestieg die Diamirseite des Berges nachweislich bis zu einer Höhe von ca. 6600 Metern und blieb dann verschollen. Er war mithin das erste Opfer des Berges.
In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts versuchte insbesondere der deutsche Bergsteiger Willy Merkl zunächst 1932 in einer deutsch-amerikanischen Himalaya-Expedition (DAH) den Gipfel zu erreichen, scheiterte jedoch. Beim darauf folgenden, großangelegten Besteigungsversuch, der Deutschen Nanga-Parbat-Expedition im Jahre 1934, bei dem die Teilnehmer Erwin Schneider und Peter Aschenbrenner eine Höhe von 7895 erreichten, starb der Expeditionsteilnehmer Alfred Drexel bereits beim Aufbau der Lager an einem Lungenödem. Später kamen oben genannter Willy Merkl als damaliger Expeditionsleiter, sowie die weiteren, schon vorher einer breiten Öffentlichkeit bekannten deutschen Bergsteiger Willo Welzenbach und Uli Wieland, sowie mehrere einheimische Sherpas am Südostgrat des Berges auf über 7000 m im Schneesturm ums Leben. Diese Tragödie hatte zur Folge, dass der Nanga Parbat, durch die von den Nationalsozialisten gleichgeschaltete Presse, zum „Schicksalsberg der Deutschen“ ausgerufen wurde.[1]
Bis Ende der 30er Jahre war ein Großteil der deutschen Himalaya-Bergsteigerelite dem Berg zum Opfer gefallen. Allein während der großen Expedition von 1937 wurden 16 Menschen (sieben deutsche Bergsteiger und neun Sherpas) unter einer Lawine an der Rakhiotflanke begraben. Die darauf folgende, vorsichtigere Expedition von 1938 erreichte nicht die Höhe von 1934, dafür wurden die Leichen von Willy Merkl und des Sherpas Gay-Lay gefunden. Letzterer war trotz der Möglichkeit abzusteigen bei seinem Sahib Merkl geblieben, was von der NS-Propaganda geschickt als heroische Opferbereitschaft bis in den Tod dargestellt wurde. Im Sommer 1939 erfolgte eine neuerliche deutsche Erkundungsexpedition zur Nordwest-Seite (Diamir-Flanke) des Berges. Da während der Rückreise der Mannschaft der zweite Weltkrieg ausbrach, wurden die Teilnehmer (unter anderem Peter Aufschnaiter und Heinrich Harrer) interniert, da sie sich in Indien und mithin in britischem Territorium befanden. Das folgende Schicksal Harrers und Aufschnaiters wird in Harrers weltberühmt gewordenem Buch „Sieben Jahre in Tibet“ (verfilmt 1997) beschrieben.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm 1953 K. M. Herrligkoffer, der Halbbruder Willy Merkls, die Leitung einer neuen Expedition zum Berg. Nachdem bis dato 31 Menschen ihr Leben am Berg gelassen hatten, gelang am 3. Juli 1953 schließlich dem Tiroler Hermann Buhl bei dieser Expedition in einer herausragenden bergsteigerischen Leistung die Erstbesteigung des Nanga Parbat. Buhl startete vom letzten Lager auf knapp 6900 Metern Höhe seinen Aufstieg zum Gipfel und erreichte diesen ohne künstliche Sauerstoffzufuhr in einem, damals für unmöglich gehaltenen, 41-stündigen Alleingang. Seine Besteigung wurde jedoch innerhalb der damaligen Mannschaft und vor allem vom Expeditionsleiter Karl-Maria Herrligkoffer nur widerwillig gewürdigt, da Buhl sich nicht an die Vorgaben der Expeditionsleitung hielt, sondern im entscheidenden Moment entgegengesetzte, im Nachhinein sich jedoch als richtig herausstellende Entscheidungen traf. Heutzutage werden Buhls Leistungen als Pioniertaten des Extrembergsteigens angemessen gewürdigt.
1962 durchstiegen die Bayern Toni Kinshofer, Siegfried Löw und Anderl Mannhardt erstmals die Diamir-Flanke, was zugleich nach Hermann Buhl erst die zweite Besteigung des Nanga-Parbat darstellte. Löw stürzte beim Abstieg tödlich ab, Kinshofer und Mannhardt zogen sich schwerste Erfrierungen zu. Wiederum leitete Herrligkoffer die Expedition, der zwischen 1953 und 1975 insgesamt 8 Expeditionen zum Berg leitete.
Die Südtiroler Brüder Günther und Reinhold Messner durchkletterten 1970 zum ersten Mal die äußerst schwierige Rupal-Wand (Südwand), die höchste Wand der Erde. Beim ungeplanten Abstieg über die Diamirwand kam Günther Messner - vermutlich in einer Lawine - ums Leben.[2] Einen Tag später durchstiegen der Tiroler Felix Kuen und der Bayer Peter Scholz ebenfalls die Rupal-Wand. Anders als Reinhold Messner, der beim Abstieg den Weg über die Diamir-Flanke vorgezogen hatte, stiegen sie auch über die Rupal-Wand wieder ab. Kuen zweifelte im Nachhinein die Gipfelbesteigung der Messner-Brüder an und versuchte, sich selbst zum Helden und Erstbegeher der Rupalwand hochzustilisieren. Die Gipfelbesteigung durch die Messner-Brüder wurde jedoch anerkannt, wodurch Kuen wie schon oft zuvor in den Alpen nur "Zweiter Sieger" hinter Reinhold Messner war; 1974 verkraftete er seine Außenseiterrolle nicht mehr und erhängte sich.[3]
1978 schaffte es Reinhold Messner mit der erneuten Besteigung des Nanga Parbat, als erster Mensch einen Achttausender von der Basis bis zum Gipfel im Alleingang zu bezwingen. Er nutze dafür die Diamirflanke und wählte sowohl zum An- als auch zum Abstieg eine neue Route. Im Basislager hatte er nur die Unterstützung einer Ärztin und eines Begleitoffiziers.
Einer erneuten Herrligkoffer-Expedition gelang 1982 die komplette Durchsteigung des Südostpfeilers. Der Schweizer Ueli Bühler erreichte als erster Mensch den Südgipfel (8042 m), an dem die beiden Seilschaften von 1970 vorbeikletterten, stieg aber dann nicht weiter bis zum Hauptgipfel empor.
Der Nanga Parbat als „Deutscher Schicksalsberg“
Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation im Deutschen Reich der 1930er-Jahre suchten Politik und Propaganda nach Wegen aus dieser Schmach. Als Land mit langer Geschichte im alpinen Bergsport sahen die Machthaber im Deutschen Reich eine Möglichkeit im weit entfernten Himalaya, wo der höchste Berg der Welt, der Mount Everest, noch immer unbezwungen war. Da das Gebiet des Himalaya jedoch unter britischer Hoheit war konnten die britischen Behörden den deutschen Expeditionen den Zugang verwehren. Das Ziel der deutschen Anstrengungen wurde daraufhin der am Westlichsten gelegene Achttausender - der Nanga Parbat, der um 1854 von den deutschen Gebrüdern Schlagintweit entdeckt wurde. Der Nanga Parbat galt somit als „Deutscher“ Gipfel im Himalaya, neben dem „Englischen“ Mount Everest und der „Französischen“ Annapurna.
Nach dem Misserfolg des zweiten Besteigungsversuches nach 1932 und dem Tod von sechs Expeditionsteilnehmern wurde der Nanga Parbat jedoch zum „Deutschen Schicksalsberg“ hochstilisiert. Das deutsche Expeditionsbergsteigen fiel nach dieser Katastrophe in eine Krise, von der es sich erst 1937 erholte und den nächsten Versuch startete. Insgesamt fanden von 1932 bis 1939 (Peter Aufschnaiter und Heinrich Harrer) sechs deutsche Expeditionen statt, allesamt erfolglos.
Routen
Rakhiotseite
Die „Buhlroute“, die bei der Erstbesteigung benutzt wurde, von Norden her. Wohl die längste und auch flacheste. Hier wird zuerst am Rakhiotgletscher (das Basislager befand sich 1953 auf 3967 m) unterhalb der Nordostwand entlang gegangen, dann über den eisigen Rakhiot Peak (7070 m), den Mohrenkopf und den Ostgrat hinauf zum Silbersattel (7400 m). Von dort geht es über das sehr flache Silberplateau schließlich zum Nordgipfel und dann durch die Bazhinscharte (7812 m) auf die Gipfelpyramide hinauf.
Diamirflanke
Die Westseite des Nanga wurde durch die oben genannte Expedition 1962 (Basislager auf ungefähr 4100 m) erstmals über die Kinshofer-Route (heutiger Normalweg) nicht direkt, sondern auf der linken Seite der Wand durchstiegen. Messner nutzte 1978 eine direktere Route und sowohl im An- als auch im Abstieg jeweils eine andere. Gegen Ende kreuzt sich Weg an der Bazhinscharte mit anderen Routen. Die Diamirwand ist stark von Hängegletschern mit riesigen Séracs durchsetzt und insgesamt extrem lawinengefährdet. Die sogenannten Mummery-Rippen liegen im zentralen Wandteil und bieten teilweise Schutz vor Lawinen, sind aber aufgrund ihrer extremen Steilheit kaum zu bezwingen.
Rupalwand
4500 m hoch und nach Süden hin gerichtet, an der rechten Seite vom mächtigen Südostpfeiler begrenzt. 1970 erstbestiegen über die sogenannte Direttissima, die extrem steil in der Falllinie des Gipfels liegt und im oberen Teil Schwierigkeiten wie die Merkl-Rinne (7350 m) oder das Welzenbach-Eisfeld besitzt. Ein anderer Weg, der 1976 von einer Kleinstexpedition (4 Bergsteiger und ein Arzt) von Hanns Schell auf der linken Wandseite begangen wurde, führt auf den Südwestgrat und über die Mazenoscharte schließlich auf den Gipfel. Diese „Schellroute“ gilt als relativ einfach.
Südostpfeiler
Rechts der Direttissima gelegen und erst 1982 erstbegangen.
Diama-Gletscher
Noch nicht durchstiegen. Nordwestroute auf der linken Seite der Diamirflanke. Erstmals 1990 richtig versucht und auch von Messner erfolglos im Jahr 2000 angegangen.
Gipfel des Nanga Parbat
Nanga Parbat | 8125 m |
Nanga Parbat, Schulter | 8070 m |
Nanga Parbat Südgipfel | 8042 m |
Nanga Parbat Nordostgipfel | 7910 m |
Nanga Parbat Nordgipfel | 7815 m |
Nanga Parbat Nordgipfel II | 7785 m |
Nanga Parbat Silberzacken | 7597 m |
Nanga Parbat Ostgipfel | 7530 m |
Rakhiot Peak | 7070 m |
Literatur
- Bauer, Paul: Das Ringen um den Nanga Parbat. 1856–1953. München 1955.
- Herrligkoffer, Karl M.: Der letzte Schritt zum Gipfel (Kampf und Sieg im Himalaya). Reutlingen 1958.
- Höfler Horst/ Messner, Reinhold: Nanga Parbat. Expeditionen zum „Schicksalsberg der Deutschen“ 1934–1962. Zürich 2002.
- Kienlin, Max v.: Die Überschreitung. München 2003.
- Märtin, Ralf-Peter: Nanga Parbat. Wahrheit und Wahn des Alpinismus. Berlin 2002.
- Messner, Reinhold: Alleingang Nanga Parbat. München 1979.
- Messner, Reinhold: Der nackte Berg. Nanga Parbat – Bruder, Tod und Einsamkeit. München 2002.
- Saler, Hans: Zwischen Licht und Schatten. München 2003.
- Weyer, Helfried/ Dyhrenfurth, Norman G.: Nanga Parbat, der Schicksalsberg der Deutschen. Karlsruhe 1980.
- Zebhauser, Helmuth: Alpinismus im Hitlerstaat. Gedanken, Erinnerungen, Dokumente. München 1998.
Weblinks
- Broad Peak 8047m Erstbesteigung 1957 Website des OEAV zur Expedition 1957
- Umfassende Darstellung des Nanga Parbat in deutscher Sprache
- Informationen des Alpinclub Sachsen
- „50 Jahre Nanga Parbat“ Sonderausgabe der Österreichischen Alpenzeitung zum 50-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung
- BBC online zum Nanga Parbat
- Diashow zum Nanga Parbat
- „Der letzte Berg“ Online-Beitrag der Zeitschrift Die Zeit (Ausgabe 27/2000)
- „Zwischen Himmel und Hölle“ Online-Beitrag auf der Website des ORF
Referenzen
- ↑ Kronthaler, Welt der Berge Besteigungsgeschichte Nanga Parbat
- ↑ Wikipedia: Reinhold Messner, Tod des Bruders am Nanga Parbat
- ↑ Ralf-Peter Märtin: Nanga Parbat. Wahrheit und Wahn des Alpinismus, Berlin 2002, S. 337f.