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Onlineberatung

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Der Begriff Onlineberatung (auch: Internetberatung oder Online-Beratung) bezeichnet eine computergestützte Beratung, die über das Internet medial vermittelt und interaktiv stattfindet. Unter dem Sammelbegriff Onlineberatung werden sehr verschiedene Interaktionsprozesse zusammengefasst. Konkrete Kommunikationsformen sind: E-Mail-Beratung, Chatberatung, Beratung in Foren.

Inhaltlich unterscheidet sich Onlineberatung in Zielgruppenausrichtung, Themenfeld (rechtlich, psychologisch, pädagogisch) und Beratungskonzepten (Fachberatung oder Prozessberatung). Der Begriff Online stammt aus der Computertechnik und bedeutet auf deutsch so viel wie "verbunden mit einem Computernetzwerk". Begriffsgeschichtlich wurde Onlineberatung zeitweise mit Chatberatung - in Abgrenzung zu Mailberatung - gleichgesetz. Dieser Begriffsgebrauch hat sich jedoch gewandelt, so dass der Begriff Onlineberatung heute weiter gefasst wird und nicht nur zeitgleiche Kommunikation wie den "Chat" umfasst, sondern auch zeitversetzte Beratung per E-Mail.

Abzugrenzen von Onlineberatung sind ein reines Informationsangebot und durch Computertechnik automatisierte Antworten. Beratung setzt eine wechselseitge Bezugnahme zwischen Berater und Ratsuchendem (Klienten, Kunden, Mandanten, Patienten usw.) voraus. Von Onlineberatung kann nur gesprochen werden, wenn die Beratung darüber hinaus im Internet selbst interaktiv stattfindet. Dies kann als eigenständiger Beratungsprozess geschehen, es kann aber auch sein, dass es temporär vor Beginn einer unmittelbaren Beratung von "Angesicht zu Angesicht" geschieht (Kontaktanbahnung) oder zwischen solchen persönlichen Beratungssitzungen.

Das Internet eröffnet als interaktive Kommunikationsplattform auch für Beratung neue Möglichkeiten. Beratungseinrichtungen vor allem aus dem kirchlichen und sozialen Bereich sowie Freiberufler bieten Onlineberatung an. Vereinzelt wird diese Möglichkeit auch bereits von Behörden im Rahmen des sich entwickelnden E-Governments genutzt.

Psychosoziale und kirchliche Angebote

Initiativen und Einrichtungen des psychosozialen Bereichs einschließlich Kirchen bieten zum Teil bereits seit Mitte der 90er Jahre Beratungsangebote in Form von Onlineberatung an. So hat die ökumenische Telefonseelsorge, die schon seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit medialer Beratungsarbeit vertraut ist, Pionierarbeit in diesem Bereich geleistet. Landeskirchen, Diözesen, kirchliche Beratungsstellen sowie die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, AWO, DPWV, Diakonie und Caritas entwickeln in den letzten Jahren auch immer häufiger Angebote der interaktiven Kommunikation im Netz. Als Beispiele können hier genannt werden: Der Kinderschutzbund, das berliner Beratungsnetz, Pro Familia und die Schwangerschaftsberatung des skf.

Erfahrungen aus der Praxis: Nähe durch Distanz

Studien und Erfahrungen aus der Praxis von Onlineberatung zeigen, dass entgegen der zunächst vermuteten Erwartungen, die Beratungskontakte im Internet emonotional sehr intensiv sind. Ratsuchende beschreiben häufig, dass sie über Probleme schreiben, die sie selbst am Telefon niemanden anvertrauen würden. Gerade diese Form eines niederschwelligen Angebots und die Möglichkeit der Anonymität bewirken dass Onlineberatung sehr intensiv werden kann. Dabei entsteht die paradoxe Situation einer Nähe durch Distanz, die bei der Telefonseelsorge seit Beginn dieser ebenfalls medial vermittelten Seelsorge beschrieben wird. Diese Distanz bewirkt, dass sogar gesellschaftlich tabuisierte Themen angesprochen werden: Sexualität, Umgang mit Gewalt, Sterben, Tod und selbstverletzendes Verhalten. Ratsuchende bei Onlineberatungsanbietern erleben das Chat- und Mailkommunikation noch niederschwelliger als das Telefongespräch, da sie im Internet auch ihre Stimme nicht gebrauchen müssen.

Unterschiede im psychosozialen Bereich

Es gibt konzeptionell erhebliche Unterschiede bei dieser Beratungsform: Viele Onlineberater/innen geben sich als Person zu erkennen, indem sie ein Kurzprofil ihrer Person - zum Teil mit Foto - auf ihre Internetseite setzen. Es gibt im Gegensatz dazu aber auch das Konzept, dass Berater und Ratsuchende anonym bleiben. Dieses Onlineberatungskonzept praktiziert die Telefonseelsorge analog zu ihren Grundsätzen am Telefon. Die Anonymität der Berater/innen bewirkt zum Teil, dass sich auch Menschen mit schweren Traumata melden, die es nach eigenen Angaben kaum aushalten sich einem Gegenüber mit einem meist schambesetzten Thema zu offenbaren. Die Anonymität auf Beraterseite bewirkt somit also eine zusätzliche Niederschwelligkeit. Demgegnüber gibt es aber auch RAtsuchende, die sich gezielt eine/n Berater/in per Foto und Kurzprofil auswählen. Onlineberatung unterscheidet sich somit auch im psychosozialen Bereich in vielerlei hinsicht: konzeptionell, hinsichtlich Präsentation, bezüglich des Mediums, hinsichtlich der Zielgruppe und in Bezug auf den Anbieter.

Beratung durch Angehörige der Freien Berufe

Seit einigen Jahren bieten auch Freiberufler Beratung per Internet an. Dies stellt eine logische Erweiterung des eigenen Angebots dar, weil bei vielen Freien Berufen individuelle Beratung eine Kernaufgabe ist. Dies betrifft unter anderem Anwälte, Ärzte, Notare, Psychologen, Therapeuten, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer usw. Die Unsicherheit des Netzes stellt für die Freien Berufe, bezogen auf das Vertrauensverhältnis mit ihrer Klientel ein erhebliches Problem dar. Einige dieser Berufsgruppen sind schließlich sorgar per Strafgesetzbuch zu Verschwiegenheit verpflichtet sind. Eine Veröffentlichung der Onlinekommunikation durch unverschlüsselte Internetkommunikation stellt jedoch einen Widerspruch zum vertraulichen Gespräch dar.

Gefahren bei Onlineberatung

Die Beratung im Internet bringt neue Probleme mit sich. Die scheinbare Anonymität des Netzes verführt Menschen dazu, Dinge preis zu geben, die sie sonst in der Öffentlichkeit niemals benennen würden. Sie wissen meist nicht, dass das "Belauschen" der Kommunikation im Internet sehr leicht möglich ist. Die Inhalte der Beratung sind faktisch in der Öffentlichkeit, wenn sie beim Transfer im Internet nicht verschlüsselt werden. Die Schweigepflicht macht so gar keinen Sinn mehr, wenn ohnehin die Beratung öffentlich ist. Abhilfe kann dabei allerdings ein umfassendes Sicherheitskonzept leisten, das den unterschiedlichsten Bedrohungen aktiv entgegenwirkt. Zusätzlich zu den Sicherheitsfragen ist jedoch auch wichtig zu klären wie die Organisation selbst mit den Inhalten der Beratung umgeht. Dabei wird Datenschutz gerade in solch sensiblen Bereichen immer wichtiger, da die Organisation dafür verantwortlich ist, was mit den Daten der Ratsuchenden genau gesschieht.

Professionalisierung der Onlineberatung

Die Pionierzeit der Onlineberatung, die im deutschsprachigen Raum bald 10 Jahre alt wird, geht zu Ende. Sowohl die technischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen als auch die fachlichen Qualifikationen der Onlineberater/innen werden professionalisiert. Berufsverbände, Dach-, Fach-, Wohlfahrtsverbände und Kammern aber auch Kostenträger entwickeln inzwischen Mindeststandards für technisch vertretbare und fachlich qualifizierte Onlineberatung. Über die genannten Fragestellungen von Datenschutz und Datensicherheit hinaus, geht es insgesamt darum die Qualität der Onlineberatung auch inhaltlich sicherzustellen: Unmittelbare Beratung von Person zu Person ist etwas völlig anderes als eine Beratung, die per Internet vermittelt stattfindet. So können beispielsweise neue Formen der Kommunikationsstörungen hinzutreten, die den Berater/innen oft nicht bewusst sind. Die Erfahrungen der ersten Studien zu Onlineberatung und die Evaluationen der Pioniereinrichtungen aufzugreifen und weiterzuentwickeln stellt im Bereich der Onlienberatung eine wichtige Aufgabe dar. Erst wenige berufsständische Kammern und Verbände haben Qualitätsstandards für Onlineberatung bereits verbindlich eingeführt. Die Telefonseelsorge Deutschland und der Berufsverband der Psychologinnen und Psychologen (BDP) haben als erste Organisationen bereits Richtlinien für Onlineberatung verabschiedet.

Weiterbildung

In die Beraterausbildungen der verschiedenen Berufsgruppen und Beratungsverbände hat Onlineberatung bislang noch kaum Einzug gehalten. Dies hängt zum einen mit der zu Ende gehenden Pioniersituation zusammen aber zum anderen auch damit, dass bislang meist nur einzelne Berater/innen mit dieser Form der Beratung vertraut sind. Außerdem gehen viele Berater/innen davon aus, dass man sich entscheiden könnne, ob man Onlineberatung oder ausschließlich persönliche Beratung von Angesicht zu Angesicht praktiziert. Die Praxis zeigt jedoch, dass Onlineberatung vielfach geschieht, wo dies zunächst nicht angeboten wurde bzw. vorgesehen war: Beratungsstellen und Freiberufler erhalten Anfragen über das Internet und können an diesem Punkt nicht mehr zurück: Sie können nicht nicht kommunizieren (Paul Watzlawick). Außerdem Fragen Ratsuchende immer häufiger per Internet an und "tasten ab", ob sie eine Beratung in einer speziellen Einrichtung machen wollen. Die Kontaktanbahnung geschieht also immer häufiger per Internet (Homepage / E-Mail) ohne dass dies konzeptionell erfaßt wäre. Aus diesen und weiteren Gründen zeichnet sich ab, dass die Grundkompetenz "Onlineberatung" in die Beraterausbildung generell gehört und dafür entsprechende Aus- und Weiterbildungsmodule notwendig sind.

Siehe auch

Literatur

  • Birgit Knatz / Bernard Dodier. Hilfe aus dem Netz. Theorie und Praxis der Beratung per E-Mail. Stuttgart 2003. Klett-Cotta-Verlag. ISBN 3-608-89720-8
  • Frank van Well: Psychologische Beratung im Internet. Bergisch Gladbach 2000: E. Ferger-Verlag.
  • Joachim Wenzel: Telefonseelsorge. In: Helmut Bäumler, Astrid Breinlinger, Hans-Hermann Schrader (Hrsg.): Datenschutz von A - Z. Neuwied / Kriftel 1999 (Grundwerk). Stand: Juni 2003. (7. Lfg.). Gruppe T 350. S. 1-4.
  • Joachim Wenzel: Vertraulichkeit und Anonymität im Internet. Problematik von Datensicherheit und Datenschutz mit Lösungsansätzen. In: Elmar Etzersdorfer, Georg Fiedler, Michael Witte (Hg.): Neue Medien und Suizidalität - Gefahren und Interventionsmöglichkeiten. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2003. S. 56-70. ISBN 3-525-46175-5