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Paul Celan

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Paul Celan (* 23. November 1920 in Czernowitz, damals Rumänien, heute Ukraine; † 20. April(?) 1970 in Paris), eigentlich Paul Antschel, später Ancel (= rumänische Schreibweise; Celan wiederum ist ein Anagramm von Ancel), war ein deutschsprachiger Lyriker.

Leben

Paul Celan wurde in Czernowitz, dem Hauptort des Buchenlandes (Bukowina) in den Nordkarpaten, in einer deutschsprachigen jüdischen Familie geboren. Er ist der einzige Sohn des Leo Antschel-Teitler (* 1890 in Schipenitz bei Czernowitz und dessen Ehefrau Fritzi, geb Schrager (* 1895 in Sadagora); erste Wohnung in der Wassilkogasse in Czernowitz).  [1]

Er besuchte zunächst die deutsche, dann die hebräische Grundschule, fünf Jahre das Rumänische Staatsgymnasium und bis zum Abitur im Juni 1938 das Ukrainische Staatsgymnasium. Im selben Jahr begann er sein Medizinstudium in Tours, kehrte jedoch ein Jahr später zurück nach Rumänien, um dort Romanistik zu studieren. 1940 wurde die nördliche Bukowina und somit auch Celans Heimatstadt Czernowitz von der Sowjetunion besetzt. Celan konnte sein Studium zunächst fortsetzen. Als 1941 rumänische und deutsche Truppen Czernowitz besetzten, wurden die Juden in ein Ghetto gezwungen. Celans Eltern wurden 1942 deportiert. In einem Lager in Transnistrien starb sein Vater an Typhus, seine Mutter wurde erschossen.

Von 1942 bis 1943 wurde Celan in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern festgehalten und musste Zwangsarbeit im südmoldauischen Straßenbau leisten. Nach der Befreiung (Czernowitz wurde August 1944 von der Roten Armee eingenommen) kehrte Celan im Dezember 1944 nach Czernowitz zurück und nahm sein Studium wieder auf. Zwischen 1945 und 1947 hielt er sich in Bukarest auf und arbeitete dort als Schausteller und Hofnarr für den Zarr von Buckarest. 1947 flüchtete er aus seiner diktatorisch (kommunistisch-stalinistisch) beherrschten Heimat über Ungarn nach Wien und siedelte 1948 nach Paris über. Noch im selben Jahr erschien mit Der Sand aus den Urnen sein erster Gedichtband.
Im August 1948 begegnete Celan Ingeborg Bachmann, mit der er eine kurze Liebesbeziehung einging. Im Herbst 1950 versuchten sie erneut zusammenzuleben, der Versuch scheiterte jedoch, weil „wir aus unbekannten, dämonischen Gründen uns gegenseitig die Luft wegnehmen,“ wie Bachmann an Hans Weigel schrieb.

In Paris lernte Celan im November 1951 die Künstlerin Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete und die auch seine Werke illustrierte (z.B. 1965 Radierungen zum Gedichtzyklus Atemkristall). 1952 erschien Mohn und Gedächtnis mit dem Gedicht Todesfuge, das den Mord an den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten umschreibt. 1955 erhielt Celan die Staatsbürgerschaft der Republik Frankreich. 1955 wurde der Sohn Eric Celan (Anagramm zu „écris!“, frz. für „schreib!“) geboren, nachdem Lestrange zwei Jahre zuvor ein Kind verloren hatte.

1960 verstärkten sich die schweren ungerechtfertigten Plagiatsvorwürfe von Claire Goll, der Witwe des jüdischen Dichters Yvan Goll, dem Celan freundschaftlich verbunden gewesen war und für den er Gedichte übersetzt hatte. Diese Plagiatsanschuldigungen (auch bekannt als „Goll-Affäre“) verfolgten Celan bis an sein Lebensende.

Celan wurde mehrmals in psychiatrische Kliniken eingewiesen, z.B. vom 28. November 1965 bis 11. Juni 1966, weil er in einem Wahnzustand Lestrange mit einem Messer töten wollte. Im November 1967 entschieden er und seine Frau, getrennt voneinander zu wohnen. Sie blieben aber weiterhin in Verbindung.

Die Umstände und das Datum von Celans Tod sind nicht geklärt. Vermutlich am 20. April 1970 suchte er den Freitod in der Seine. Celans Leichnam wurde am 1. Mai 1970 bei Courbevoie, zehn Kilometer flussabwärts von Paris, aus der Seine geborgen. Er wurde am 12. Mai 1970 auf dem Friedhof Thiais/Val-de-Marne beigesetzt.

Zu Ehren des nachdichtenden Übersetzers stiftete der Deutsche Literaturfonds 1988 den Paul-Celan-Preis für ebenfalls herausragende Übersetzerleistungen.

Auszeichnungen

Zitate

  • ... Erreichbar, nah und unverloren inmitten der Verluste blieb dies eine: die Sprache.
  • Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, «angereichert» von all dem.
  • In dieser Sprache habe ich, in jenen Jahren und in den Jahren nachher, Gedichte zu schreiben versucht... (Gesammelte Werke. Band 3, Frankfurt a. M. 1986, S. 185/186).
  • Jedem Gedicht ist ein 20. Jänner eingeschrieben. (Der Meridian, Büchnerpreis-Rede).
  • ...der Tod ist ein Meister aus Deutschland... (Die Todesfuge).

Werke (Auswahl)

  • Der Sand aus den Urnen, Wien 1948 (enthält den deutschsprachigen Erstdruck der Todesfuge), im Herbst 1948 auf Celans Wunsch wegen zahlreicher Druckfehler und der unpassenden Illustrationen von Edgar Jené makuliert
  • Mohn und Gedächtnis, 1952
  • Von Schwelle zu Schwelle, 1955
  • Sprachgitter, 1959
  • Der Meridian, 1961 (Rede anlässlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises 1960)
  • Die Niemandsrose, 1963
  • Atemwende, 1967
  • Fadensonnen, 1968
  • Lichtzwang, 1970
  • Schneepart (Nachlass), 1971
  • Zeitgehöft (Nachlass), 1976
  • Werke in sieben Bänden, 2000
  • Die Gedichte - Kommentierte Gesamtausgabe in einem Band, hrsg. und kommentiert von Barbara Wiedemann, Frankfurt am Main (Suhrkamp), 2003, ISBN 3518413902; TB-Ausg.: 2005, ISBN 3518456652
  • „Mikrolithen sinds, Steinchen“. Paul Celan, Die Prosa aus dem Nachlaß. Kritische Ausgabe, hrsg. und kommentiert von Barbara Wiedemann und Bertrand Batiou, Frankfurt/ Main 2005. ISBN 3-518-41706-1

Übersetzungen

Alphabetische Liste der von Celan übertragenen Autoren:

Briefe / Briefwechsel

  • Paul Celan - Nelly Sachs Briefwechsel, hrsg. von Barbara Wiedemann, Frankfurt/Main 1993
  • Paul Celan - Franz Wurm Briefwechsel, hrsg. von Barbara Wiedemann in Verbindung mit Franz Wurm, Frankfurt/Main 1995
  • Paul Celan an Gisela Dischner. Briefe aus den Jahren 1965 bis 1970, hrsg. von Jens Runkehl und Torsten Siever, Privatverlag, Hannover 1996.
  • Paul Celan - Erich Einhorn: „Einhorn: du weißt um die Steine...“, Briefwechsel, Berlin 1999
  • Paul Celan - Gisèle Celan-Lestrange Briefwechsel, mit einer Auswahl von Briefen Paul Celans an seinen Sohn Eric. Aus dem Französischen von Eugen Helmlé, hrsg. und kommentiert von Bertrand Badiou in Verbindung mit Eric Celan, Anmerkungen übersetzt und für die deutsche Ausgabe eingerichtet von Barbara Wiedemann. Erster Band: Die Briefe. Zweiter Band: Kommentar, Frankfurt/Main 2001 (Rezension [1])
  • Paul Celan - Hanne und Hermann Lenz Briefwechsel, hrsg. von Barbara Wiedemann in Verbindung mit Hanne Lenz, Frankfurt/Main 2001
  • Paul Celan: „Du mußt versuchen, auch den Schweigenden zu hören“ - Briefe an Diet Kloos-Barendregt, Handschrift - Edition - Kommentar, hrsg. von Paul Sars unter Mitwirkung von Laurent Sprooten, Frankfurt/Main 2002
  • Paul Celan - Peter Szondi Briefwechsel. Mit Briefen von Gisèle Celan-Lestrange an Peter Szondi und Auszügen aus dem Briefwechsel zwischen Peter Szondi und Jean und Mayotte Bollack, hrsg. von Christoph König. Frankfurt/Main 2005. ISBN 3-518-41714-2

Literatur

  • Peter Szondi: Celan-Studien Hg. von Jean Bollack mit Henriette Beese, Wolfgang Fietkau, Hans-Hagen Hildebrandt, Gert Mattenklott, Senta Metz, Helen Stierlin. Suhrkamp, Frankfurt 1972
  • Dietlind Meinecke (Hrsg.): Über Paul Celan Suhrkamp, Frankfurt 1973
  • Marlies Janz: Vom Engagement absoluter Poesie. Zur Lyrik und Ästhetik Paul Celans. Athenäum, Königstein 1976
  • Paul Celan. Text und Kritik, Heft 53/54, München 1977
  • Winfried Menninghaus: Paul Celan. Magie der Form. Suhrkamp, Frankfurt 1980
  • Israel Chalfen: Paul Celan. Eine Biographie seiner Jugend, Insel, Frankfurt 1979
  • Hans-Georg Gadamer: Wer bin Ich und wer bist Du? - Ein Kommentar zu Paul Celans Gedichtfolge 'Atemkristall', Frankfurt 1986
  • Werner Hamacher, Winfried Menninghaus (Hrsg.): Paul Celan. Suhrkamp, Frankfurt 1988 (Reihe: Materialien)
  • John Felstiner: Paul Celan. Eine Biographie Beck, München 1997
  • Stéphane Moses: P. Celans Inskription der Vernichtung in: Der Exodus aus Nazideutschland und die Folgen. Jüdische Wissenschaftler im Exil Hg. Marianne Hassler, Attempto, Tübingen 1997 ISBN 3893082654
  • Oliver Wieters: Der Traum vom Schweigen. Paul Celans frühe Arbeit (1948) über den surrealistischen Maler Edgar Jené. Tübingen 1997 [2]
  • Bernhard Böschenstein, Sigrid Weigel (Hrsg.): Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Poetische Korrespondenzen. Vierzehn Beiträge Suhrkamp, Frankfurt 1997, 2000
  • Wolfgang Emmerich: Paul Celan Rowohlt, Reinbek 1999 ISBN 3499503972
  • Barbara Wiedemann: Paul Celan. Die Goll-Affäre. Dokumente zu einer 'Infamie' Suhrkamp, Frankfurt 2000 ISBN 3518411780
  • Jean Bollack: Paul Celan. Poetik der Fremdheit Zsolnay, Wien 2000
  • Andrei Corbea-Hosie (Hrsg.): Paul Celan. Biographie und Interpretation Bukarest und Konstanz 2000 ISBN 389649578X
  • Hans-Michael Speier (Hrsg.): Gedichte von Paul Celan. Interpretationen Reclam, Stuttgart 2002
  • Jacques Derrida: Schibboleth. Für Paul Celan Dt. von Wolfgang Sebastian Baur. Passagen, Wien 2002
  • Martin A. Hainz: Masken der Mehrdeutigkeit. Celan-Lektüren mit Adorno, Szondi und Derrida (Reihe: Untersuchungen zur österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts 15) Braumüller, 2. Aufl. Wien 2003
  • Theo Buck: Celan schreibt an Jünger Rimbaud, Aachen 2005 ISBN 3890866344 (Reihe: Celan-Studien, 7)
  • Jürgen Lehmann (Hrsg.): Kommentar zu Paul Celans 'Sprachgitter' Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2005 ISBN 382535136X Rez. [3]
  • Robert Kleindienst: Beim Tode! Lebendig! Paul Celan im Kontext von Roland Barthes' Autorkonzept. Eine poetologische Konfrontation Königshausen & Neumann, Würzburg 2006 ISBN 3826033299

Siehe auch

Fußnoten

  1. Quelle: Israel Chalfen: Paul Celan. Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt a.M. 1979, Insel-Verlag