Ethen
Strukturformel und Kalottenmodell | |
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Strukturformel des Ethen | ![]() |
Allgemeines | |
Name | Ethen, Ethylen, Äthylen |
Summenformel | C2H4 |
CAS-Nummer | 74-85-1 |
Kurzbeschreibung | farbloses, brennbares Gas |
Eigenschaften | |
Molmasse | 28,05 g/mol |
Aggregatzustand | gasförmig |
Dichte | 1,26 g/l |
Schmelzpunkt | -169 °C |
Siedepunkt | -104 °C |
Dampfdruck | 41000 hPa |
Löslichkeit | 250 ml/l Wasser |
Schmelzwärme | 3,35 kJ/mol |
Verdampfungswärme | 13,9 kJ/mol |
Thermodynamik (gasförmig) | |
Cp | 42,9 J/(mol · K) |
ΔfH0g | 52,47 kJ/mol |
S0 | 219,32 J/(mol · K) |
Sicherheitshinweise | |
R- und S-Sätze | R: 12 S: 9-16-33 |
MAK | nicht festgelegt |
Soweit möglich und gebräuchlich, wurden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Normbedingungen. |
Ethen (früher Ethylen beziehungsweise Äthylen) ist ein farbloses, süßlich riechendes Gas. Es ist das einfachste Alken (ungesättigte Kohlenwasserstoffe mit einer Kohlenstoffdoppelbindung) und in der chemischen Industrie sowie als Phytohormon von großer Wichtigkeit.
Molekülgeometrie und Nomenklatur
Zwischen den beiden Kohlenstoffatomen besteht eine Doppelbindung, die eine Rotation der Atome gegeneinander verhindert. Aufgrund der sp²-Hybridisierung der Kohlenstoffatome ist das Molekül planar, das heißt alle Atome liegen in einer Ebene. Der Winkel zwischen den zwei Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen beträgt 117° und weicht damit nur leicht vom theoretischen Wert der trigonal planaren Form mit 120° ab.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Suffix -en unter der Bedeutung verwandt mit verwendet, so wurde von dem Ethylrest (C2H5) das Gas Ethylen abgeleitet. Dieser Name wurde bis 1852 verwendet. 1866 wurde es nach der Nomenklatur von August von Hofmann in Ethen umbenannt. Diese Nomenklatur war schließlich auch Basis für die IUPAC-Nomenklatur.
Eigenschaften und Gefahren

Auf Grund der reaktiven C=C-Doppelbindung ist die Addition an diese Bindung eine typische Reaktion des Ethens. In Wasser sind bei 0 °C nur 250 ml/l Ethen löslich, in organischen Lösungsmitteln ist Ethen jedoch gut löslich. Ethen hat einen leicht süßlichen, unangenehmen Geruch, die Doppelbindung der Alkene kann der Mensch riechen, die Geruchsschwelle liegt bei 260 ppm (parts per million). Der Heizwert von Ethen beträgt 59955 kJ/Nm³. Ethen verbrennt an der Luft mit leicht rußender, leuchtender Flamme.
Ethen ist hochentzündlich. Ethenbehälter müssen an einem gut belüfteten Ort aufbewahrt werden. Von Zündquellen ist es fernzuhalten, und es müssen Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung getroffen werden. Ab einem Luftvolumenanteil von 3 bis 29 Prozent bildet es explosive Gemische. Einatmen von Ethen führt zu Übelkeit, Schwindeligkeit, Hyperventilation, Bewusstlosigkeit, kurzzeitigem Gedächtniverlust und weiteren eher unspezifischen Symptomen, die eintretten , weil Ethen den Atmungsvorgang nicht unterstützt. Ethen wird nicht in den Körperkreislauf aufgenommen.
Der Flammpunkt liegt bei -136 °C, der Zündpunkt bei 450 °C.
Herstellung und Vorkommen
Deutschland (2,9 Mio Tonnen 1989) ist in Europa der größte Ethenhersteller, gefolgt von Frankreich (2,5 Mio Tonnen) und England (1,9 Mio Tonnen).
Ursprünglich wurde Ethen durch Dehydratisierung von Ethanol oder durch Isolierung aus Kokereigas gewonnen, diese Verfahren werden trotz Nachteilen gegenüber anderen Verfahren in vielen Entwicklungsländern Südamerikas, Asiens und Afrikas immer noch angewendet. Heutzutage wird es in den Industrieländern durch Cracken von Erdgas, Erdöl, Ethan, oder höheren Kohlenwasserstoffen gewonnen, auch kann es aus Gasfraktionen, die bei Erdöldestillation anfallen, isoliert werden. Die Ausbeute bei diesen Verfahren ist wesentlich höher. Im Labor wird es durch Eliminierung von Dichlorethan und Zink gewonnen. Bei vielen petrochemischen Prozessen fällt Ethen in großen Mengen an, es ist daher billig.
Ethen wird zum Beispiel aus Holz frei gesetzt (Holzgas), wenn dieses unter Sauerstoffabschluss erhitzt wird. In Pflanzen wird es ausgehend von der Aminosäure Methionin gebildet, und als Pflanzenhormon verwendet. Manchmal, ortsabhängig, meist in Amerika, kommt Ethen auch, sogar bis zu 20 Prozent, im Erdgas vor.
Ethen-Pipelinesystem
In Deutschland wird derzeit ein Ethen-Pipelinesystem zum Transport zwischen den einzelnen Chemiestandorten aufgebaut, von Rotterdam über Antwerpen in den Raum Köln und weiter in den Emscher-Lippe-Raum. Die Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein unterstützten die Ethen-Pipeline vom Ruhrgebiet an die deutsche Küste.
Gleichzeitig soll die nördlich und südlich der Elbe gelegenen Industriestandorte Brunsbüttel und Stade mit einer 54 Kilometer langen Chemie- und Gas-Pipeline verbunden werden. Schleswig-Holstein und Niedersachsen wollen mit der Pipeline die Rohstoffversorgung der Chemieunternehmen an der Küste und damit die Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte im deutschen und europäischen Raum verbessern. Die geplante Verbindung ist zugleich ein Element im Chem-Coast-Projekt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). In Stade besteht Anschluss an eine Ethen-Pipeline nach Böhlen in Sachsen. Darüber hinaus ist eine weitere Verbindung von Stade über Wilhelmshaven nach Gelsenkirchen vorgesehen, wo jeweils große chemische Fabriken bestehen.
Verwendung
Ethen ist Ausgangsstoff zur Herstellung zahlreicher organischer Verbindungen wie Anthracen, 2-Chlorethanol, Chlorethan, Propanal, Ethanal, Isopren, Vinylacetat, Propansäure, Buten, Styrol, Ethandiol und weitereren Stoffen. Kleine Mengen Ethen werden für die Herstellung von Stoffen wie Ethylenoxid und Ethanol verwendet. Früher wurde Ethen als Betäubungsmittel eingesetzt, wird heute aber nicht mehr als solches verwendet, da es brennbar ist und unangenehm riecht, außerdem ist die Narkosewirkung des Ethens im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln nicht sehr gut. Auch zum Reifen unreifer Früchte wie der Ananas, Bananen und Tomaten wird es benutzt (siehe Biologische Wirkung). Ethen ist des Weiteren ein Brenngas und wird für Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen verwendet. Ethen ist in der chemischen Industrie Ausgangstoff für die Synthese von über 30 Prozent aller Petrochemikalien, es hat das Ethin nach dem Zweiten Weltkrieg weitesgehend verdrängt, weil Ethin teurer herzustellen ist, während Ethen bei industriellen Prozeßen in Massen anfällt, seitdem Erdöl in großen Massen zu verfügung steht.
Es wird zudem zur Herstellung vieler Kunststoffe wie dem Polyethen (große Mengen), Polyvinylether, Polyvinylchlorid (PVC), Polyester,dem Copolymer Ethylenvinylacetat (E/VA) oder nur Polyvenylacetat und Polystyrol (über Ethylbenzol) benötigt. Außerdem wird es zur Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und chemischer Waffen wie dem Senfgas ( 2,2-Dichlordiethylsulfid) verwendet. In der Nachkriegszeit wurde das Ethen, das bei der Verbrennung von Holz unter Luftabschluss entsteht (Holzgas) wegen Treibstoffmangels auch zum Antrieb von Lastkraftwagen verwendet.
Biologische Wirkung
Phytohormon
Ethen ist ein Phytohormon (Pflanzenhormon). Es wird von Pflanzen ausgehend von der Aminosäure Methionin synthetisiert, teilwese stimuliert durch das Phytohormon Auxin. Als Hormon beeinflusst es das Keimwachstum und die Alterung der Pflanze. Es bewirkt die Fruchtreifung, die Entwicklung der Blüten, den Abwurf der Blätter im Herbst sowie das Absterben von Pflanzenteilen. Als gasförmigen Stoff findet man Ethen dabei vor allen in den Räumen zwischen den Zellen, den Interzellularen.
Bereits 1901 zeigte Dimitry Neljubow, dass Ethen bei Pflanzen die so genannte Tripelresponse auslöst. Diese tritt bei keimenden Wurzeln auf, die mit Ethen begast werden. Aufgefallen war der Effekt bei Pflanzen an defekten Stadtgasleitungen, die ein ungewöhnliches Wachstum zeigten. Es handelt sich dabei um eine Hemmung des Längenwachstums in Zusammenwirken mit einer Verdickung des Stengels und eine Deaktivierung des Gravitropismus, also des Wachstums in Richtung der Erdanziehungskraft. Diese Wirkung kommt zustande durch eine Umorientierung der Microtubuli, die als Skelettstrukturen die Wachstumsrichtung (Anlagerung von Zellulosefasern) des Keimes vorgeben. Sie werden von einer vertikalen in eine horizontale Orientation gebracht. Als biologischer Sinn wird die Überwindung von Hindernissen angenommen: Ethen wird während des gesamten Wachstums gebildet und staut sich vor Hindernissen, an diesen kommt es zum Dickenwachstum und somit zu einer größeren Kraftentfaltung durch die Wurzelspitze.
Die zweite Funktion des Ethen bezieht sich auf verschiedene Alterungsprozesse der Pflanze. Dazu gehören sowohl die Reifung von Früchten und die Entwicklung von Blüten als auch der Abwurf von Blättern (Abszission) oder das Absterben von Pflanzenteilen (Seneszenz). Wichtig für diese Funktionen ist die lawinenartige Steigerung der verfügbaren Ethenmenge, die dadurch zustande kommt, dass die Synthese von Ethen durch die Präsenz desselben aktiviert wird. Auf diese Weise reift etwa eine Frucht an allen Stellen zugleich. Die Wirkung bei der Reifung von Früchten wird in der Landwirtschaft ausgenutzt, um unreif geerntete Früchte nachträglich zu Stoffwechselvorgängen zu veranlassen, die die Früchte reifen lassen.
Seit Mitte der 1990er Jahre werden durch gezielte Genveränderung Tomaten hergestellt, die besonders haltbar sind (Flavour-Saver-Tomaten). Das für die Herstellung des Ethens zuständige Gen wird dabei ausgeschaltet. Diese Tomaten können dann nach Bedarf mit Ethen begast werden und dadurch reif gemacht werden. Häufig werden Früchte beabsichtigt nicht zum Reifen gebracht, dann transportiert, und erst am Zielort mit Hilfe von Ethen gereift. Auch können unreife Tomaten reif gemacht werden, indem man einige reife Tomaten dazulegt. Diese sondern Ethen ab und bringen die unreifen Tomaten so zum Reifen.
Ebenfalls essentiell ist Ethen als „Alarmstoff“ bei Schädlingsbefall an der Pflanze sowie bei Verwundungen. Gemeinsam mit anderen Stoffen wie der Salicylsäure und Jasmonat bewirkt das Ethen eine Abgrenzung des betroffenen Bereiches sowie die Bereitstellung von pflanzlichen Giften. Als Gas wirkt Ethen dabei auch auf benachbarte Pflanzenteile oder Pflanzen und setzt auch dort die Alarmkaskade in Gang.
Der Wirkmechanismus des Ethen ist wie bei anderen Phytohormonen noch sehr wenig erforscht. Man nimmt an, dass Ethen auf spezifische Rezeptormoleküle (Ethenrezeptor ETR) an den Zellmembranen wirkt, die innerhalb der Zelle eine Wirkkaskade in Gang setzen. Konkret handelt es sich dabei um die Aktivierung der Serotonin-Threonin-Kinase CTR1. Das Signal wird weitergegeben an verschiedene Zellkern-Proteine (EIN3/EIL-Proteine), die als Transkriptionsfaktoren bei der Genexpression wirken und somit bestimmte Gene aktivieren. Das erste bekannte Zielgen dieser Proteine wurde als Ethen-Response-Faktor 1 (ERF1) beschrieben. Dieser Faktor steuert wiederum mehrere Gene, sodass bei der Wirkung von Ethen auf dieses System immer eine ganze Reihe von genetischen Aktivitäten ausgelöst werden. Bei der Fruchtreifung müssen etwa verschiedene Enzyme zur Erweichung der Zellwand gebildet werden, bei der Seneszenz chitin- und zelluloseabbauende Enzyme (Chitinasen, Zellulasen). Sehr umfangreich ist das Repertoire beim Pflanzenstreß, also der durch Ethen ausgelösten Reaktion auf Schädlinge und Verwundungen. Produziert werden in dieser Situation unter anderen Chitinasen (als Giftstoffe für Insekten), Glucanasen, Proteinase-Inhibitoren (Hemmstoffe für proteinabbauende Enzyme, gegen Pilze) und sehr viele weitere Abwehrstoffe.
Die Ethen-Synthese in der Pflanze geht von der Aminosäure Methionin aus. Dabei entsteht in einem ersten Schritt durch die Kopplung an Adenosin das S-Adenosylmethionin (SAM). Aus dem Folgeprodukt 1-Aminocyclopropancarbonsäure (ACC) wird durch die ACC-Oxidase Ethen freigesetzt. Die Bildung der Oxidase wird durch Ethen selbst stimuliert (siehe oben), wodurch wie bei einer Kettenreaktion in benachbarten Zellen die Ethenbildung vorrangetrieben wird.
Narkotikum
Ethen wirkt in Gemischen mit Sauerstoff narkotisch und muskelentspannend. Als Narkosemittel kann es allerdings nicht verwendet werden, denn um eine ausreichende Narkosetiefe zu erreichen, müsste der Sauerstoffanteil so niedrig gehalten werden, dass keine Atmung mehr möglich wäre. Ethen war als Betäubungsmittel neben Lachgas bis vor wenigen Jahren vor allem bei schwachen Betäubungen in Gebrauch. Heute wird Ethen wegen seines unangenehmen Geruchs und seiner Entzündlichkeit nicht mehr verwendet, außerdem ist die Narkosewirkung nich stark genug.
Reaktionen
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- Ethen verbrennt bei optimaler Sauerstoffzufuhr zu Wasser und Kohlendioxid
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- Bei Hitze und unter Luftabschluß zerfällt Ethen zu Methan und Kohlenstoff.
Ethen geht, weil es aufgrund der Kohlenstoffdoppelbindung ungesättigt ist, gerne Additionsreaktionen mit Wasserstoff, Wasser und Halogenen ein.
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- Ethen reagiert mit Wasser zu Ethanol, allerdings ist die Reaktionsgeschwindigkeit ohne geeigneten Katalysator sehr gering.
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- Ethen reagiert mit Chlor zu Chlorethan und Wasserstoff.
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- Ethenmoleküle polymerisieren zu Polyethen. Als Startstoff der Reaktion wird Dibenzoylperoxid benötigt.
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- Unter Energieaufwand zerfällt Ethen zu Wasserstoff und Ethin.
Nachweis
Zum Nachweis (besonders zur Unterscheidung von Ethan) wird Ethen in das braune Bromwasser eingeleitet. Die Ethen-Moleküle addieren an jedem C-Atom der C=C-Doppelbindung nach dem Reaktionsmechanismus der elektrophilen Addition ein Brom-Atom; als Reaktionsprodukt bildet sich das Halogenalkan 1,2-Dibromethan. Das Bromwasser entfärbt sich aufgrund dieser Reaktion, eingeleitetes Ethan würde das Bromwasser nicht entfärben. Ethen entfärbt auch aufgrund desselben Reaktionsmechanismus eine angesäuerte, violette Kaliumpermanganat-Lösung (Baeyersche Probe).
Ein weiteres Merkmal zur Unterscheidung des Ethens von Ethan oder Ethin ist, dass Ethen süßlich riecht, während Ethan und Ethin geruchslos sind.
Literatur
- Christoph Richter: Transport von Ethen durch Polyelektrolytgele mit Silberionen als Carriern. Shaker Verlag (2. Januar 1995).
- Thomas Heidermann: Rußbildung in vorgemischten Ethen-Luft-Flammen bei hohem Druck. Cuvillier (15. Oktober 1995).
- Sven Rudolph: Synthese, Eigenschaften und Blends von Ethen/1-Hexen-Copolymeren. Tectum Verlag (2000).