Globalisierungskritik
Die Globalisierungskritik ist eine Bezeichnung für die internationale Bewegung, die sich neben kultureller u.a. Formen der 'Globalisierung' in erster Linie gegen die neoliberale Form der wirtschaftlichen Globalisierung wendet.
Seit den 1990er Jahren, in der Folge des Zusammenbruchs des "Ostblocks" und des Endes des "Kalten Krieges", finden in der Weltökonomie verstärkt zahlreiche Veränderungen statt, die eine Intensivierung der globalen Netzwerke der Kommunikation und der Zirkulation von Kapital (ADI), Waren und Dienstleistungen bedeuten. Der Ansatz der Globalisierungskritik ist, dass die Globalisierung in ihrer jetzigen Form nur den Industrieländern zu Gute komme (siehe z.B. die Entwicklung der Terms of Trade, TOT, oder die Positionen der "Dependency Theorists"), die Entwicklungsländer weiter in Abhängigkeit und Armut treibe und ihre Selbstbestimmungsrechte einschränke (siehe Strukturanpassungsprogramme (SAP) und SAP-Konditionen).
Ein anderer Kritikpunkt sind die Folgen der mit der Globalisierung der Märkte einhergehenden verschärften Konkurrenzsituation, in der sich die Volkswirtschaften weltweit befinden. Kritisiert wird, dass Ländern mit weniger ausgebildeten Sozialsystemen nicht geholfen wird, die Situation zu verbessern, sondern - im Gegenteil - die sozialen Errungenschaften (Gesundheits- und Bildungswesen, Arbeitsrecht, Mindestlöhne, Pensionssicherung, Schutz vor Kinderarbeit, Frauenrechte usw.) weltweit mit Argumenten wie "Konkurrenzfähigkeit" oder "Sanierung des Staatshaushalts" reduziert werden.
Auch wird die Frage kontrovers diskutiert, ob und wenn ja in welcher Weise, die gewerkschaftlichen Organisationsformen - welche zwangläufig an den national, mitunter auch regional, ausgerichteten Interessen ihrer Mitglieder und Beitragszahler orientiert sind - in einer international veränderten und sich 'dynamisch' weiter entwickelnden 'globalen' Arbeitsteilung noch zeitgemäß sind.
Die Bewegung plädiert daher für einen internationalen Handlungsrahmen aller Staaten (z.B. eine einheitliche Besteuerung int. Kapitalströme durch eine sog. "Tobin-Steuer", deren Wirksamkeit jedoch unter Volkswirten umstritten ist), der soziale Mindeststandards sichert und die Selbstbestimmungsrechte der Völker garantiert. Insbesondere wirbt sie für eine Veränderung internationaler Handelsabkommen und Institutionen wie Weltbank und IWF zu Gunsten der Entwicklungsländer. Es wird gefordert, dass die kreditgebenden Institute ihre Auflagen zurücknehmen, um den Entwicklungsländern eine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu ermöglichen. Die Abhängigkeit führe zu zwanghafter Betonung des Exports, wodurch eine eigenverantwortliche Wirtschaftspolitik verhindert werde.
Geschichte
Als Geburtsstunde werden oft die Proteste anlässlich der WTO-Ministerkonferenz 1999 in Seattle gesehen, wenngleich sich diese Bewegung bis zu den Protesten gegen das MAI (multilaterales Investitionsabkommen) oder die Dritte Welt- / Eine Welt-Bewegung zurückverfolgen lässt. Andere, unter ihnen autonome und anarchosyndikalistische Gruppen, sehen den Aufstand der Zapatistas im Januar 1994 als Beginn der Bewegung.
Die Bewegung gilt als inhaltlich vielfältig. Die Schwerpunkte liegen auf einer 'sozial gerechten Globalisierung' sowie bei 'Menschenrechten' (insbes. 'Frauenrechten') und ökologischen Themen.
Der Deutsche Bundestag hat am 14. Dezember 1999 die Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft" eingesetzt. Der Abschlussbericht wurde 2002 mit der Bundestagsdrucksache 14/9200 vorgelegt (Link).
Einige Kritiker der Globalisierungskritik sehen durch die Aufspaltung in "gutes" produktives Kapital und "schlechtes" Kapital im Finanzkapital eine Methode den Kapitalismus zu kritisieren, ohne den Kapitalismus an und für sich zu kritisieren. Nicht der Neoliberalismus sei der Auswuchs, sondern der Kapitalismus selbst.
Globalisierungskritische Gruppen
- Attac - Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte
- BUKO - Bundeskoodination Internationalismus
- Peoples' Global Action
- Yes men
- und viele andere Gruppen, die sich in den Sozialforen treffen
Bekannte Globalisierungskritiker
- Maude Barlow - kanadische Schriftstellerin
- Walden Bello - Soziologe an der Universität der Philippinen, Focus on the Global South
- José Bové - französischer Biobauer und Vorkämpfer
- Alex Callinicos - Prof. für Politische Wissenschaft an der Uni York, Aktivist der weltweiten Sozialforumsbewegung
- Noam Chomsky - Sprachwissenschaftler und Bürgerrechtler
- Martin Khor - Ökonom in Malaysia und UNO-Berater, IFG, Third World Network, South Center
- Naomi Klein - kanadische Schriftstellerin (Anti-Marken-Bewegung, Buch: No Logo!)
- Maria Mies - Soziologin und Ökofeministin
- Klaus Werner - Journalist, Aktivist und Bestsellerautor (Schwarzbuch Markenfirmen)
- Michael Moore - US-amerikanischer Dokumentarfilmer und Bestsellerautor
- Arundhati Roy - indische Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin
- Vandana Shiva - indische Ökofeministin und Bürgerrechtlerin
- Joseph E. Stiglitz - Nobelpreisträger für Ökonomie (2001), war Chefökonom der Weltbank
- Lori Wallach - Mitorganisatorin der Anti-WTO-Proteste von Seattle, Global Trade Watch, IFG
- Jean Ziegler - Schweizer Schriftsteller, Soziologe, Politiker, UN-Botschafter
Siehe auch
McJobs, Ich-AG, Globalisierungsgegner, Internationaler Währungsfonds (IWF), Trickle-Down-Effect, Kapitalismuskritik, Sozialforumsbewegung, Turbokapitalismus, Exportproduktionszone, Sweatshop, Schwarzbuch
Literatur
Einstieg in die Volkswirtschaftslehre
- N. Gregory Mankiw: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2001 ISBN 3-7910-1853-1 (868 Seiten)
- Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2000 ISBN 3-540-41003-1 (314 Seiten)
Literatur speziell zur Globalisierungskritik
- Maude Barlow und Tony Clarke: Blaues Gold - Das globale Geschäft mit dem Wasser. Kunstmann, 2003, ISBN 3888973279
- Tobias ten Brink: VordenkerInnen in der globalisierungskritischen Bewegung. Pierre Bourdieu, Susan George, Antonio Negri. Neuer ISP Verlag 2004, ISBN 3-89900-020-X
- Alex Callinicos: Ein Anti-Kapitalistisches Manifest. VSA, Hamburg 2004, ISBN 3-89965-066-2
- Noam Chomsky: Profit Over People. Neoliberalismus und globale Weltordnung. Europa Verlag, 2000, ISBN 320376010X
- Viviane Forrester: Der Terror der Ökonomie. Goldmann, 1998, ISBN 3-442-12799-8
- Susan George: Der Lugano-Report. Oder: Ist der Kapitalismus noch zu retten? Rowohlt, 2001, ISBN 3-498-02489-2
- Naomi Klein: No Logo!. Riemann, 2001, ISBN 3-570-50028-4
- Edward Luttwak: Turbokapitalismus. Gewinner und Verlierer der Globalisierung. Europa Verlag, Hamburg Wien 1999. ISBN 3-203-79549-3
- Jerry Mander, Edward Goldsmith: Schwarzbuch Globalisierung. Riemann, 2002, ISBN 3-570-50025-X
- Hans-Peter Martin and Harald Schumann: Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand. Rowohlt, 1996, ISBN 3498043811
- Antonio Negri, Michael Hardt: Empire - die neue Weltordnung. Campus, Frankfurt a.M. 2002, ISBN 3593372304
- Vandana Shiva: Der Kampf um das Blaue Gold. Rotpunktverlag, 2003, ISBN 3858692514
- Joseph E. Stiglitz: Die Schatten der Globalisierung. Goldmann, 2002, ISBN 3442152844
- Klaus Werner, Hans Weiss: Das neue Schwarzbuch Markenfirmen. Deuticke, 2003, ISBN 3-216-30715-8
- Jean Ziegler: Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher, Bertelsmann, München 2003, ISBN 3570006794
Weblinks
- HUMONDE - Für eine humane Welt und Wirtschaft
- Peoples' Global Action
- Berichterstattung von Indymedia zu Aktionen der Globalisierungskritiker
- Abschlussbericht der Enquete-Kommission
- http://userpage.fu-berlin.de/~hkwmred/hkwm/leseproben/texte/globalisierungskritik.htm - im Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus
- Artikel auf Znet zu Globalisierung
- FR-Dokumentation: Der Rückzug des Staates ist keine Lösung (21.06.2004)