Magnús Eiríksson
Magnus Eiriksson [isl.: Magnús Eiríksson] (* 22. Juni 1806 in Skinnalón (Thingø Syssel) auf Island; † 3. Juli 1881 in Kopenhagen) war ein isländischer Theologe und kritischer Zeitgenosse Sören Kierkegaards (1813-1855) und Hans Lassen Martensens (1808-1884).
Eiriksson wirkte als theologischer Schriftsteller in Kopenhagen, wo er sich - zumindest in der ersten Phase seines Werkes von 1844 bis 1851 - mit Hans Lassen Martensen überaus kritisch und mitunter auch sehr polemisch auseinandergesetzt hat. Eirikssons eigene theologische Position wird innerhalb der (sehr spärlich vorhandenen) Sekundärliteratur über ihn - in erster Linie wohl aufgrund seiner lebenslangen persönlichen Verbundenheit mit seinem theologischen Lehrer Henrik Nicolai Clausen (1793-1877), der eine Mittelposition zwischen dem theologischen Rationalismus (Theologischer Rationalismus) und Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers (1768-1834) Vermittlungstheologie einnahm - meist pauschal und vorbehaltlos als eine Form des (Neu-)Rationalismus charakterisiert. Hierbei wird jedoch übersehen, dass Eiriksson sich selbst lediglich als ein Schrifttheologe betrachtet hat[1] und sein Vernunftbegriff grundlegend von dem Clausens verschieden ist [2] sowie dass Eiriksson in seinen Ausführungen die Existenz übernatürlicher Offenbarungen Gottes als unbestreitbar vorausgesetzt hat.[3]
Eiriksson wird zudem innerhalb der Sekundärliteratur meist als ein Anhänger Sören Kierkegaards betrachtet, obwohl Eiriksson selbst in Kierkegaard in erster Linie einen Verbündeten in der (beiden gemeinsamen) theologischen Opposition gegen Martensen und dessen theologische Anschauung sah, zumal sich Eirikssons theologische Position von derjenigen Kierkegaards in zentralen Punkten, vor allem im Verständnis des christlichen Glaubens[4], grundlegend unterscheidet.
Leben
Magnús Eiríksson wurde am 22. Juni 1806 als Sohn des isländischen Bauern Eiríkur Grímsson (†1813) und der Pfarrerstochter Thorbjörg Stephánsdóttir (†1841) in Skinnalón (Thingø Syssel) auf Island geboren. Aus der Lateinschule in Bessastaðir als Jahrgangsbester 1829 dimittiert, begann Eiríksson 1831 ein Studium der Theologie an der Universität Kopenhagen, wobei seine Aufmerksamkeit hier in erster Linie der Bibel und ihrer Auslegung galt, was ihm schon bald den Ruf als tüchtiger Exeget einbrachte. In den ersten Jahren nach seinem, wiederum mit Bestnoten bestandenen, theologischen Amtsexamen im April 1837 war Eiríksson von daher ein gefragter Manudukteur (i.e. Helfer bei der Vorbereitung auf die theologische Examensprüfung, siehe Manuduktion) unter den Studierenden, vorrangig für alt- und neutestamentliche Exegese. War es dabei die rationalistische Theologie (Theologischer Rationalismus) und Bibelexegese eines Henrik Nicolai Clausens (1793-1877) gewesen, von der sich Eiríksson schon zur Zeit seines Studiums überaus angesprochen fühlte, so verspürte er von Anfang an eine tiefe Abneigung gegenüber Nikolai Frederik Severin Grundtvig (1783-1872) und dessen Anhängerschaft, die er dabei bloß abfällig als "die katholisierenden Theologen"[5] bezeichnete. In noch höherem Maße galt seine Antipathie jedoch der spekulativen Vermittlungstheologie Hans Lassen Martensens (1808-1884), dessen universitärer Aufstieg in etwa zeitgleich mit dem Beginn von Eiríkssons Wirken als Manudukteur zusammenfiel. Bereits Martensens gegen Ende der 1830er Jahre Aufsehen erregende Dogmatikvorlesungen boten Eiríksson Anlass zu deutlicher Kritik, da ihm hier nicht nur die biblische Fundierung von Martensens Aussagen fehlte, sondern auch die dabei von Martensen an den Tag gelegte Bibelauslegung als völlig willkürlich erschien.
Diese von Anfang an scharfe, im Laufe der Jahre sich immer mehr bis ins Unerbittliche steigernde Opposition gegen Martensens Theologie war es nun gewesen, die Anlass fast sämtlicher Veröffentlichungen Eiríkssons in den Jahren 1844 bis 1850 werden sollte. Dass mit der Intensität dieser Auseinandersetzung zugleich auch deren Polemik immer mehr zunehmen sollte, ist wohl in erster Linie auf das von Martensen seinerseits an den Tag gelegte Verhalten zurückzuführen, anstelle einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Eiríkssons Vorwürfen lediglich mit vornehmen Schweigen darauf zu reagieren. Ihren Kulminationspunkt fand Eiríkssons Polemik schließlich am Ende der Schrift Dr. Martensens trykte moralske Paragrapher (1846) in der unverhohlenen Drohung einer öffentlichen Anklage Martensens, die Eiríksson im Jahr darauf dann auch in die Tat umsetzte. Als er sich hierzu im Juni 1847 auch mit einem Brief an König Christian VIII. persönlich wandte, worin er sich darüber hinaus auch „über die Prinzipien und das Verhalten der Regierung in vielen anderen Angelegenheiten beschwerte, die am ehesten oder alleine zum Politischen gehören“ [6], führte dies zur Anklage Eiríkssons wegen Majestätsbeleidigung durch den obersten Ankläger der Staatsmacht (sog. Generalfiskalsag). Aufgrund des unmittelbar nach der Thronbesteigung König Frederik VII.s erlassenen Amnestiedekrets vom 20. Januar 1848 wurde die Anklage gegen Eiríksson jedoch schon bald danach wieder fallen gelassen.
Die unerbittliche Opposition gegen Martensen ließ Eiríkssons vormaliges Ansehen und damit auch die Nachfrage nach Manuduktion bei ihm nach und nach sinken, was zunehmend finanzielle Probleme mit sich brachte, zumal Eiríksson auch die meisten seiner Schriften auf eigene Kosten veröffentlichen musste. Die bisweilen prekäre finanzielle Lage sowie die damit einhergehenden Entbehrungen und Nöte sollten von Mitte der 1840er Jahre an ständiger Begleiter von Eiríkssons Leben sein. In seiner Not bat Eiríksson mehrmals auch Sören Kierkegaard um finanzielle Unterstützung, was dieser ihm jedoch abschlug. Eiríksson wäre sicherlich auch an seinem Lebensabend großer finanzieller Not ausgesetzt gewesen, hätten ihm seine Freunde nicht eine bescheidene Lebensrente ermöglicht. Nach seinem Tod am 3. Juli 1881 im Frederiks Hospital in Kopenhagen errichteten Eiríkssons Freunde zudem eine Büste auf seinem Grab am Holmens Kirkegaard.
Eiríkssons Schriften lassen sich in zwei Phasen einteilen: die Zeit seiner Auseinandersetzung mit Martensen (1844-1851) sowie die Zeit seiner immer schärfer werdenden Kritik an der Bibel und den kirchlichen Dogmen (1863-1873), vor allem am Dogma von der Göttlichkeit Jesu Christi. Die zwölf dazwischen liegenden Jahre können als Zeit eines "literarischen Schweigens" charakterisiert werden, da Eiríksson hier nur vereinzelt Artikel in Zeitschriften und Zeitungen sowie zwei kleinere pseudonyme Schriften veröffentlicht hat.
Hauptwerke
- Om Baptister og Barnedaab, samt flere Momenter af den kirkelige og speculative Christendom, Kopenhagen 1844.
- Tro, Overtro og Vantro, i deres Forhold til Fornuft og Forstand, samt til hinanden indbyrdes, Kopenhagen: H.G. Klein 1846.
- Dr. Martensens trykte moralske Paragrapher, eller det saakaldte "Grundrids til Moralphilosophiens System af Dr. Hans Martensen", i dets forvirrede, idealistisk-metaphysiske og phantastisk-speculative, Religion og Christendom undergravende, fatalistiske, pantheistiske og selvforguderiske Væsen, Kopenhagen: H.G. Klein 1846.
- Speculativ Rettroenhed, fremstillet efter Dr. Martensens ”christelige Dogmatik” og geistlig Retfærdighed, belyst ved en Biskops Deeltagelse i en Generalfiskal-Sag, Kopenhagen 1849.
- [unter dem Pseudonym Theophilus Nicolaus] Er Troen et Paradox og "i Kraft af det Absurde"? : et Spørgsmaal foranlediget ved "Frygt og Bæven, af Johannes de silentio", besvaret ved Hjelp af en Troes-Ridders fortrolige Meddelelser, til fælles Opbyggelse for Jøder, Christne og Muhamedanere, af bemeldte Troes-Ridders Broder, Kopenhagen: Chr. Steen & Søn 1850.
- Den nydanske Theologies Cardinaldyder belyste ved Hjelp af Dr. Martensens Skrifter samt Modskrifterne, tilligemed 75 theologiske Spørgsmaal, rettede til Dr. H. Martensen, Kopenhagen: Steen 1850.
- [unter dem Pseudonym Theodor Immanuel] Breve til Clara Raphael, Kopenhagen: Reitzel 1851.
- Hvem har Ret: Grundtvigianerne eller deres Modstandere? og Hvad har Christus befalet om Daaben? Nogle orienterende Bemærkninger, Kopenhagen 1863.
- Er Johannes-Evangeliet et apostolisk og ægte Evangelium og er dets Lære om Guds Menneskevorden en sand og christelig Lære? En religiøs-dogmatisk, historisk-kritisk Undersøgelse, Kopenhagen 1863.
- Gud og Reformatoren. En religiøs Idee. Samt nogle Bemærkninger om de kirkelige Tilstande, Dr. S. Kierkegaard og Forfatteren, Kopenhagen: Schubothe 1866.
- Om Bønnens Virkning og dens Forhold til Guds Uforanderlighed : Nogle Oplysninger og Bemærkninger, nærmest byggede paa aandelig Erfaring og et umiddelbart Gudsforhold, Kopenhagen 1870.
- Kunne vi elske Næsten som os selv? Nogle tildeels nye Tanker om Kjærligheden samt flere derhen hørende Skriftsteder, Kopenhagen 1870.
- Paulus og Christus eller Pauli Lære om Retfærdiggjørelsen sammenlignet med Christi Lære om Syndsforladelsen tilligemed nogle Bemærkninger om andre paulinske Lærdomme, Kopenhagen 1871.
- Jøder og Christne eller Hvorledes blev Jesus af Nazareth betragtet i den ældste Kirke og hvorledes blev han senere betragtet? En populær, historisk-kritisk Undersøgelse, tilegnet de Sandhedskjærlige, Kopenhagen 1873.
Literatur
- H. Schwanenflügel, "Magnus Eiriksson", in: Det nittende Aarhundrede. Maanedsskrift for Literatur og Kritik, hg. von Georg Brandes und Edvard Brandes, Bd. 2, Copenhagen 1877, pp. 266-294.
- H. Pjetursson, "Magnús Eiríksson", in: Tímarit hins íslenzka bókmenntafélags, Reykjavík 1887, Bd. 8, pp. 1-33.
- E. Albertsson, Magnús Eiríksson. Guðfræði hans og trúarlíf (Disputats), Reykjavík: Kostnað Höfundar 1938.
- Theunissen, M. / Greve, W. (ed.), Materialien zur Philosophie Søren Kierkegaards, Frankfurt: Suhrkamp 1979, pp. 147-167 und pp. 171-174 (enthält ins Deutsche übersetzte Auszüge aus Er Troen et Paradox og "i Kraft af det Absurde"? (1850)).
- C. H. Koch, Den danske idealisme. 1880-1880, Kopenhagen: Gyldendal 2004, pp. 292-298.
- G. Schreiber, Art.: "Eiríksson, Magnús", in: BBKL Bd. XXVIII (erscheint vorauss. Ende 2007).
Weblinks
- http://runeberg.org/dbl/4/0481.html – Artikel über Eiriksson im Dansk Biographisk Lexikon, Bd. 4 (1890) (Dänisch) von Heinrich Schwanenflügel.
- http://www.bautz.de/bbkl/e/eiriksson_m.shtml – kurzer biographischer Abriss sowie eine ausführliche Bibliographie von und über Eiríkssons Werke im BBKL (Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon) von Gerhard Schreiber.
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. hierzu Eiríkssons eigener Rückblick auf sein Werk, den er unter dem Titel Min Forfattervirksomhed in Flyvende Blade for Literatur, Kunst og Samfundsspørgsmaal, 3 Bde., hg. von V. Møller, Kopenhagen: Peter Bjørnbaks Forlag 1875-1876, Bd. 3, Nr. 11 (12.6.), pp. 81-83, Nr. 12 (19.6.), pp. 90-93 sowie Nr. 13 (26.6.1875), pp. 100-104 veröffentlicht hat.
- ↑ Vgl. hierzu vor allem Tro, Overtro og Vantro, pp. 55-78.
- ↑ Vgl. z.B. Er Troen et Paradox og "i Kraft af det Absurde"?, p. 45.
- ↑ Dies aufzuzeigen war gerade eine der Hauptintentionen der Schrift Er Troen et Paradox og "i Kraft af det Absurde"?
- ↑ Om Baptister og Barnedaab,p. VI.
- ↑ Speculativ Rettroenhed, p. II.
Personendaten | |
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NAME | Eiriksson, Magnus |
ALTERNATIVNAMEN | Eiríksson, Magnús |
KURZBESCHREIBUNG | isländischer Theologe |
GEBURTSDATUM | 22. Juni 1806 |
GEBURTSORT | Skinnalón |
STERBEDATUM | 3. Juli 1881 |
STERBEORT | Kopenhagen |