Zum Inhalt springen

Serbokroatische Sprache

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. Oktober 2004 um 17:18 Uhr durch Groppe (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Serbokroatisch (auch: Kroatoserbisch) ist der Name für eine südslawische Einzelsprache. Sie ist die Muttersprache der meisten Bewohner von Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien und Montenegro.

Das Sprachenkürzel "sh" (nach ISO 639) wird seit dem 18. Februar 2000 als veraltet angesehen; vgl. http://lcweb.loc.gov/standards/iso639-2/codechanges.html

Linguistik vs. Politik

Der Zerfall Jugoslawiens in einzelne Staaten hat dazu geführt, dass die serbokroatische Sprache in ihren jeweiligen Sprecherländern in den Status einer eigenen, dem Landesnamen tragenden Amtssprache erhoben wurde. Daher spricht man heute auch vom Bosnischen, Kroatischen und Serbischen (der Status der Sprache der Montenegriner ist umstritten). Diese politisch gewollte Abgrenzung ist aber nicht linguistisch fundiert. Bosnisch, Kroatisch und Serbisch sind keine Einzelsprachen, sondern höchstens Dialekte. Serbisch und Kroatisch unterscheiden sich beispielsweise weniger voneinander als Bairisch und Hochdeutsch. Teilweise (siehe unten: "Dialekte") sind die dialektalen Unterschiede innerhalb Kroatiens größer als die zwischen Kroatien und den anderen zwei serbokroatisch-sprachigen Ländern.

Während die Kroaten und Bosniaken das lateinische Alphabet verwenden, wird von Serben und Montenegrinern in aller Regel das kyrillische Alphabet benutzt.

Geschichte

Im Staat Jugoslawien wurde bis 1974 versucht, die auf dem Štokavischen basierenden Schriftsprachen der Kroaten, Bosniaken, Montenegriner und Serben möglichst weit aneinander anzugleichen. (Neben dem Serbokroatischen gab es in Jugoslawien auch noch größere Gruppen von Slowenen, Mazedonier, Albaner, Ungarn mit ihren eigenen Muttersprachen. )

1954 wurde im Abkommen von Novi Sad festgelegt, daß die Sprache der Kroaten, Bosnier, Herzegowiner, Serben und Montenegriner dieselbe sei, nämlich Serbokroatisch. Lediglich der Unterschied in der Aussprache zwischen Ijekavisch und der Ekavisch und die Verwendung der zwei verschiedenen Alphabete sollten bestehen bleiben. Das Serbische wurde danach gewöhnlich als östliche Variante, das Kroatische als westliche Variante des Serbokroatischen bezeichnet.

Im Jahr 1974 (nach dem "Kroatischen Frühling") wurde in Kroatien wieder Kroatisch als eigenständige Sprache als Unterrichtsfach in den Schulen eingeführt. In den übrigen Republiken blieb die Bezeichnung Serbokroatisch jedoch im Gebrauch.

Seit dem Zerfall Jugoslawiens werden das Bosnische, Kroatische und Serbische offiziell als eingenständige Sprachen betrachtet, während der Status der Sprache der Montenegriner nach wie vor unmstritten ist. Vor allem in Kroatien werden dabei auch an sprachlichen Eigenheiten, die seit 1918 verpönt, unterdrückt oder in Vergessenheit geraten, wieder verwendet. Das grammatische System und der Grundwortschatz der drei Sprachen sind nach wie vor weitgehend identisch, jedoch dürfte die nicht mehr gemeinsam erfolgende Sprachpflege zu einer künftigen weiteren Auseinanderentwicklung beitragen.

Dialekte

Die serbokroatischen Dialekte lassen sich in vier Dialektgruppen unterteilen, von denen drei nach der jeweiligen Form des Fragewortes was? benannt sind (und die nicht deckungsgleich mit den Sprecherländern sind): Das Štokavische (nach dem Fragewort für was: što) wird in ganz Bosnien und Herzegowina und Montenegro sowie in dem größten Teil Serbiens und Kroatiens gesprochen. Das Kajkavisch (kajkavski; Fragewort kaj anstatt što) ist im nördlichen Kroatien verbreitet und das Čakavische (čakavski; Fragewort größtenteils ča statt što oder kaj) im nördlichen und mittleren Teil der kroatischen Küste. Die Dialekte des südöstlichen Serbiens, die einen Übergang vom Štokavischen zum Mazedonischen und Bulgarischen bilden, werden als Torlakisch bezeichnet.

Das Štokavische lässt sich wiederum in mehrere Untergruppen einteilen. Der auffälligste Unterschied betrifft die verschiedene Wiedergabe des urslawischen Lautes jat. Nach der Wiedergabe dieses Lautes als ije/je (z.B. svijet - Welt; oder cvijet - Blume), e (svet, cvet; mit einem langen e ausgesprochen) oder i (svit, cvit) werden die štokavischen Dialekte in ijekavische (ijekavica), ekavische (ekavica) und ikavische (ikavica) unterschieden. Ijekavische Dialekte werden in Teilen Kroatiens, dem größten Teil Bosnien und Herzegowina, ganz Montenegro sowie in kleineren Teilen Westserbiens gesprochen. Ekavische Dialekte werden im größten Teil Serbiens gesprochen. Ikavische Dialekte kommen in Teilen Dalmatiens, in der westlichen Herzegowina, sowie Teilen Westbosniens und des südlichen Slawoniens vor.

Die Schriftsprache aller vier Nationalitäten baut auf dem Štokavischen auf. Die Kroaten, Bosniaken und Montenegriner verwenden dabei nur das Ijekavische, die Serben in Serbien das Ekavische, in Bosnien und Herzegowina und Kroatien hingegen zum größten Teil das Ijekavische. Daneben gibt es einige seltener vorkommende lautliche Unterschiede im Wortschatz slawischer Herkunft. Des weiteren gibt es Unterschiede bei der Übernahme von Fremdwörtern: falsifikovati vs. falsificirati; okean vs. ocean; hemija - kemija. Grundsätzlich werden Fremdwörter im Kroatischen sparsamer eingesetzt als im Serbischen, während das Bosnische viele Turzismen enthält. Es gibt eine große Anzahl von Regionalismen, deren Verbreitungsgebiet jeodch oft nicht den nationalen Grenzen folgt. Die Unterschiede im Grundwortschatz sind dagegen geringer als etwa zwischen vielen deutschen Dialekten.