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Nicotin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Strukturformel
Allgemeines
Name Nicotin
Andere Namen

Nicotin, (S)-(L)-3-(1-Methyl- pyrrolidin-2-yl)- pyridin, Destruxol

Summenformel C10H14N2
Kurzbeschreibung

farblose bis bräunliche ölige Flüssigkeit

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 54-11-5
Wikidata Q28086552
Eigenschaften
Molare Masse ?
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,01 g·cm−3

Schmelzpunkt

−80 °C

Siedepunkt

247 °C

Dampfdruck

0,056 hPa [1]

Löslichkeit

Mit Wasser in jedem Verhältnis mischbar

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung{{{GHS-Piktogramme}}}

H- und P-Sätze H: {{{H}}}
EUH: {{{EUH}}}
P: {{{P}}}
MAK

nicht festgelegt [1]

Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Nikotin (Nicotin), benannt nach Jean Nicot, ist ein Alkaloid, das vorwiegend in der Tabakpflanze und in geringerer Konzentration auch in anderen Nachtschattengewächsen vorkommt. Besonders hoch ist seine Konzentration in den Blättern des Tabaks. In der ganzen Pflanze kommt es mit einem Massenanteil von fünf Prozent vor. Nikotin ist ein starkes Nervengift. Die chemische Struktur von Nikotin wurde von Adolf Pinner und Richard Wolffenstein aufgeklärt.

Eigenschaften von Nikotin

Reines Nikotin ist bei Zimmertemperatur eine farblose, ölige Flüssigkeit, die sich an der Luft rasch braun färbt. Es ist eine wasserlösliche Base. Nicotiana, so die lateinische Bezeichnung für die Gattung der Tabakpflanzen, erzeugt das Nikotin in ihren Wurzeln. Wenn die Pflanze reift, wandert der Stoff in die Blätter.

Physiologische Wirkung

Nikotin wirkt stimulierend auf nikotinerge Acetylcholinrezeptoren. Dieser Rezeptortyp befindet sich in parasympathischen Ganglien, sympathischen Ganglien, im Nebennierenmark, Zentralnervensystem und an den motorischen Endplatten. In kleinen Konzentrationen hat Nikotin einen stimulierenden Effekt. Nachdem es in den Blutkreislauf gelangt, fördert es die Ausschüttung des Hormons Adrenalin sowie der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin. Nikotin beschleunigt den Herzschlag und erhöht den Blutdruck. Es kommt u. a. zu einer Abnahme des Hautwiderstandes und einem Absinken der Hauttemperatur. Zu den zentralen Effekten gehören vor allem die Steigerung der psychomotorischen Leistungsfähigkeit sowie der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen. Diese Steigerung ist allerdings nur von kurzer Dauer. Durch die Nikotinzufuhr verringert sich der Appetit. Es kommt zu einer Steigerung der Magensaftproduktion und zu einer erhöhten Darmtätigkeit. Außerdem ist auch eine antidiuretische Wirkung des Nikotin bekannt. Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen oder Ängstlichkeit können bis zu 72 Stunden andauern. In niedrigen Dosen verursacht Nikotin meist eine Stimulierung der sympathischen Ganglien sowie eine Adrenalinausschüttung, was zur Verengung von Blutgefäßen führt. Dadurch wird die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen des ganzen Körpers reduziert.

Es wird diskutiert, dass der beschriebene Mechanismus dazu beiträgt, dass Adern verstopfen können, die Gefahr für Thrombose (eine Gefäßerkrankung, bei der ein Gefäß durch einen Thrombus (Blutgerinnsel) verstopft wird), Herzinfarkt (ein Myokardinfarkt (MI) bzw. Herzinfarkt ist eine Zerstörung von Herzmuskelgewebe aufgrund einer Durchblutungsstörung) und Raucherbein steigt. Die Haut wirkt schlaff und grau, Frauen kommen früher in die Wechseljahre, Männer verlieren ihre Potenz, Wunden und Knochenbrüche heilen langsamer, die Gefahr für eine Maculadegeneration und damit Blindheit steigt. Studien zufolge kann jedoch nicht das Nikotin alleine für diese Effekte des Rauchens verantwortlich gemacht werden, da Zigarettenrauch über 4000 teilweise toxische Substanzen enthält.

Vereinfachte Übersicht über Wirkung von Nikotin

Toxische Wirkung

Nikotin ist sehr giftig für höhere Tiere, da es die Ganglien des vegetativen Nervensystems blockiert. Reines Nikotin wurde früher im Pflanzenschutz als Pestizid gegen saugende oder beißende Insekten (unter anderem Blattläuse) eingesetzt. Für Pflanzen ist der Stoff gut verträglich und zudem biologisch gut abbaubar. Aufgrund der hohen Toxizität besteht für Nikotin jedoch seit den Siebziger Jahren ein Anwendungsverbot. Synthetisch hergestellte Insektizide wie beispielsweise E605 wurden als Ersatz verwendet.

Nikotin wird im Körper schnell abgebaut, eine chronische Nikotinvergiftung kann also nicht auf einer Kumulation des Wirkstoffes beruhen. Nikotinkonsum ist deshalb nicht unmittelbar schädlich, weil sich das Gift so schnell im Körper verteilt und es schnell wieder abgebaut wird. Für ein Kleinkind kann aber bereits das Verschlucken einer Zigarette tödlich sein. Falls ein Kind eine Zigarette verschluckt, sollte sofort Erbrechen herbeigeführt, und es sollte ins Krankenhaus gebracht werden. Eine Zigarette enthält etwa 12 Milligramm Nikotin, also deutlich mehr als auf der Verpackung angegeben, denn die dortigen Angaben beziehen sich die Menge Nikotin im Rauch einer Zigarette. Die tödliche Dosis für einen erwachsenen Menschen liegt bei circa einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, damit ist Nikotin giftiger als Arsen oder Zyankali.[2]

Karzinogene Wirkung

Karzinogene Wirkung wurde bisher (Stand 2004) nur für Ratten sicher bestätigt, wird aber allgemein eher abgelehnt. Im US-Fachblatt „Journal of Clinical Investigation“ wurde berichtet, dass Nikotin im Rahmen einer Chemotherapie die Fähigkeit des Körpers blockiert, Zellen mit beschädigtem Erbmaterial zu zerstören. Derartige Zellen müssen aber gerade bei einer solchen Therapie vom Körper möglichst schnell abgebaut werden, weil sich sonst die bereits im Körper befindlichen Krebsgeschwulste weitervermehren. In gesunden Zellen aktiviert Nikotin die Proteinkinase B, die den Metabolismus, das Wachstum und das Absterben von Zellen kontrolliert. Dadurch wird die Überlebensfähigkeit der Zellen erhöht, was schädlich ist, falls diese später einmal zu Krebszellen mutieren.

Darüber hinaus wurde im Fachblatt „Nature Medicine“ berichtet, dass Nikotin die Bildung neuer Blutgefäße in Krebsgeschwulsten fördert, wodurch diese besser mit Nährstoffen versorgt werden und schneller wachsen können.

Sonstige Wirkung

Entgegen früherer Untersuchungen wirkt sich Nikotin keineswegs positiv in Bezug auf Alzheimer aus. Es hat weder einen positiven noch einen negativen Einfluss auf die Entstehung der für diese Krankheit typischen Amyloid-Plaques. Jedoch fördert Nikotin die Entstehung schädlicher Ablagerungen im Inneren der Nervenzellen.

Suchtpotenzial

Hauptartikel: Nikotinsucht

Nikotin gehört zu den Substanzen mit dem höchsten Suchtpotential, auch gemessen an illegalen Drogen wie z. B. Kokain, und ist neben einem Lerneffekt mit verantwortlich für die Abhängigkeit nach Tabakerzeugnissen.

Vor allem ist von Bedeutung, dass Nikotin unterschwellig das Verlangen nach einer Zigarette erzeugt und durch das immer kürzer werdende gewöhnungsbedingte Reiz-Reaktions-Intervall eine immer stärker ausgeprägte Sucht in Form von erhöhtem Tabakkonsum entsteht.

Man weiß heute, dass bereits nach drei Wochen Abstinenz keine messbare Veränderung der Acetylcholinrezeptoren mehr vorhanden ist – sie sich also wieder auf Normal-Niveau eingestellt haben. Während dieser Zeit kann es zu Unruhe und Gereiztheit bis hin zu Aggressivität sowie zu Depressionen kommen. Das Nikotin selbst ist zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr im Gehirn nachweisbar (bis max. drei Tage nach Beendigung des Nikotinkonsums).

Folglich kann man nach differenzierter Betrachtung des Wirkungsspektrums dieser Substanz sehr wohl ein sehr hohes Suchtpotential konstatieren, welches aber eher unbewusst, d. h. im unreflektierten Alltag, seine stärkste Ausprägung findet und in Entzugsphasen dadurch zum Vorschein tritt, dass vormals unbewusste verhaltensbedingte Veränderungen der menschlichen Kognition durch Lernen nun bewusst durch den Entziehenden verarbeitet werden müssen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass weniger die suchterzeugene Wirkung nach der eigentlichen Substanz Nikotin während des Entzugs von Bedeutung ist, was viele gescheiterte Therapien mit Nikotinsubstituten zeigen, sondern vielmehr der durch die nicotinerge Stimulation des nucleus accumbens induzierte Lernprozess. In geeigneter Weise kann dieser Lernprozess aber nur durch stärkste Selbstmotivation (sog. eiserner Wille) oder professionelle Verhaltens- und Gesprächstherapien beeinflusst bzw. umgekehrt werden. Nikotinersatz oder Medikamente können den Entzug unterstützen, aber niemand sollte hoffen, durch diese Hilfsmittel ohne eigenes intensives Zutun in einen Nichtraucher „verzaubert“ zu werden.

Nikotin in Genussmitteln

Der Nikotingehalt des Rauches einer Zigarette betrug lange Zeit etwa 0,9 Milligramm. Inzwischen liegen die Werte bei (fast) allen Marken deutlich niedriger als noch im Jahre 2000. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Angabe der Nikotinmenge pro Zigarette nur eine äußerst eingeschränkte Informationsqualität besitzt, da der Gehalt an aufgenommenem Nikotin je nach Art der Inhalation und der Konstruktion der Zigarette variiert. Des Weiteren ist von wesentlicher Bedeutung, dass ein Raucher durch die Umstellung auf nikotinreduzierte Zigaretten nicht zwingend weniger Nikotin pro Tag zu sich nimmt, da viele Raucher diese stärker und langandauernder ziehen. Dieses – zumeist unbewusst stattfindende – Verhalten führt dazu, dass die durch den Hauptstromrauch aufgenommenen Schadstoffe noch tiefer in die Lunge eindringen und sich dadurch in den sensiblen und weit verzweigten Lungenalveolen noch mehr der über 3000 im Tabakrauch enthaltenen Schadstoffe anreichern. Studien belegen, dass hierdurch u. a. noch schwerere Lungenkrebsformen wie das Adenokarzinom auftreten. Sog. „Light“-Marken, welche heute in der EU und in den USA nicht mehr als solche gekennzeichnet werden dürfen, sind für Raucher somit noch schädlicher. Siehe hierzu auch: Zigarettenfilter (Lippenstudie).

Die Zigarette selbst enthält wesentlich mehr Nikotin, das beim Rauchen jedoch größtenteils einfach verbrennt, bevor es eingeatmet wird. Ein typisches Nikotinpflaster enthält 8,3 bis 52,5 Milligramm Nikotin, das bei bestimmungsgemäßer Benutzung über 16 oder 24 Stunden abgegeben wird.

Nikotin als „Selbstmedikation“

Da Nikotin direkt auf Dopamin- und Serotoninhaushalt wirkt, vermuten einige Neurologen, dass AD(H)S-Betroffene, deren Störung ja auf einem veränderten Neurotransmitter-Stoffwechsel im Gehirn beruht (Striatofrontale Dysfunktion), einen beträchtlichen, wenn nicht den Löwenanteil der Abhängigen ausmachen. Menschen mit AD(H)S scheinen aus diesem Grund anfälliger für die Nikotinsucht, da Nikotin, wie eine Reihe anderer Stimulanzien auch, bei AD(H)S meist konzentrationssteigernd wirkt (z. B. Methylphenidat).

Dagegen spricht jedoch, dass Nikotin aufgrund seiner dosisabhängigen Wirkungsweise keinen therapeutischen Nutzen haben kann, weil es in geringen Dosen aktivierend und in größeren Dosen beruhigend wirkt. Der Logik folgend, hätte ein ADHS-Patient nur dann einen Nutzen, wenn er sehr geringe Mengen Nikotin aufnimmt. Methylphenidat als Wirkstoff ist schließlich auch ein Sympathomimetikum, was Nikotin nur dann ist, wenn man es in geringen Dosen konsumiert.

Der derzeitige Stand der Wissenschaft lautet daher:

„Nikotin kann aufgrund seiner Wirkung auf das zentrale Nervensystem, welche sich in einer Aktivierung des Sympathicus und des Parasympaticus (dosisabhängig) äußert, therapeutisch nicht verwendet werden.“

Medizinisches Nikotin wird in der Raucherentwöhnungstherapie in Form von Pflastern, Sprays oder Kaugummis verwendet. Das zugeführte „reine“ Nikotin soll dabei die Entzugssymptome bei Rauchverzicht mildern. Die Langzeit-Effektivität dieser Therapien ist jedoch umstritten, sie kann jedoch durch parallel laufende Maßnahmen wie Beratung oder Verhaltenstraining deutlich erhöht werden.

Quellen

  1. a b c BGIA GESTIS Stoffdatenbank: http://www.hvbg.de/d/bia/gestis/stoffdb/index.html. 29. Jan. 2007
  2. Zeit online - Wissen - Stimmt's? Gefährliche Mahlzeit

Siehe auch