Hans Magnus Enzensberger
Hans Magnus Enzensberger (* 11. November 1929 in Kaufbeuren) ist ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Übersetzer und Redakteur, auch bekannt unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr. Außerdem schrieb er unter den Namen Linda Quilt, Elisabeth Ambras sowie Serenus M. Brezengang. Enzensberger lebt heute in München-Schwabing.
Leben
Enzensberger hat drei jüngere Brüder, darunter den Anglisten Christian Enzensberger und das ehemalige Mitglied der Kommune 1 Ulrich Enzensberger. Er wuchs in einer bürgerlichen Familie auf. Sein Vater war Ingenieur und Telekommunikationsspezialist. Die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs erlebte er als Volkssturm-Angehöriger.
Er studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Erlangen, Freiburg im Breisgau, Hamburg und an der Sorbonne in Paris. Während seines Studiums war er Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. 1955 hat er mit einer Arbeit über Clemens Brentanos Poetik promoviert. Bis 1957 arbeitete er daraufhin als Hörfunkredakteur in Stuttgart. Er nahm an diversen Tagungen der Gruppe 47 teil.
Von 1965 bis 1975 gab Enzensberger die Zeitschrift Kursbuch heraus. Enzensberger hatte insbesondere mit dem Kursbuch, aber auch mit seinen Werken großen Einfluss auf die Studentenbewegung. 1968 äußerte er in Vorträgen in Kalifornien, dass das Recht auf Kritik ein bloßer amerikanischer Luxus sei, wie Konsumgüter. Seit 1985 gibt er die Buchreihe Die Andere Bibliothek heraus.
Besonders mit seinem Text Baukasten zu einer Theorie der Medien (1970), der 1999 in einem Band mit Bertolt Brecht und Jean Baudrillard erschienen ist, setzt sich Enzensberger mit dem Fernsehen und den Medien auseinander. Er bezeichnet die elektronischen Medien als Hauptantrieb der „Bewusstseins-Industrie“ und schreibt ihr weitgehende Steuerungs- und Kontrollfunktionen über die spätindustrielle Gesellschaft und deren Entwicklung zu. Enzensbergers Ziel ist eine sozialistische Theorie der Medien. Sorgen bereitete ihm der ängstliche Umgang der Sozialisten mit den Medien. Er forderte von ihnen einen emanzipatorischen Umgang mit den Medien, der ihnen inne ist. Probleme sah er im bis heute „repressiven Mediengebrauch“, wie er ihn nennt: ein zentral gesteuertes Programm mit einem Sender und vielen Empfängern, der die Konsumenten passivisiert und entpolitisiert. Spezialisten produzieren den Inhalt und werden durch Eigentümer oder Bürokratie kontrolliert. Enzensberger sieht aber weit größere Möglichkeiten der elektronischen Medien und pocht auf sie. Ein „emanzipatorischer Mediengebrauch“ würde jeden Empfänger auch zum Sender machen. Technische Barrieren seien künstlich geschaffen. Durch die Aufhebung dieser Barrieren würden die Massen mobilisiert und politisch eingebunden. Die gesellschaftliche Kontrolle würde nicht von einer Instanz wahrgenommen, sondern durch eine selbstorganisierte Gesellschaft.
Im Jahre 1987 verwendete er die Begriffe Ossie und Wessie in dem Prosaband Ach, Europa! Wahrnehmungen aus sieben Ländern. In einem fiktiven Reisebericht durch das Europa im Jahre 2006 beschreibt er in einem Kapitel ein friedlich wiedervereinigtes Deutschland, in dem sich aber Ossies und Wessies spinnefeind sind.
In seinen 1988 veröffentlichten Gesammelten Zerstreuungen bezeichnete Enzensberger das Fernsehen als „Nullmedium“.
Enzensberger arbeitete gemeinsam mit dem Filmemacher Peter Sehr an einer Verfilmung des Lebens von Georg Christoph Lichtenberg.
In seinem Buch Schreckens Männer widmet er sich dem islamistischen Terror. Er beschreibt darin islamistische Selbstmordattentäter, die sich auf der Siegerseite wähnen, aber in Wirklichkeit radikale Verlierer sind. Er beschreibt die arabische Welt eine Zivilisation, die im 12., 13. Jahrhundert den Europäern weit überlegen war, als eine heute relativ unproduktive Zivilisation. Daraus ergeben sich Minderwertigkeitskomplexe, die Wut erzeugen und eine Schuldfrage stellen. Die Ursache der Schuld würden aber die arabischen von minderwertigkeitskomplexen geplagten Schreckens Männer nicht bei sich, sondern im Westen, Amerika, bei den Juden oder in Verschwörungstheorien suchen.[1]
Enzensberger und die Mathematik
Unter Mathematikern ist Enzensberger sehr bekannt, und meistens beliebt, durch seine Werke zur Mathematik. Mit seiner Sprache hat er es oft geschafft, zu schreiben was Mathematiker fühlen, selbst aber nur schwer ausdrücken können. Er beschreibt die Einfachheit und Klarheit einerseits, und die Faszination der Mathematik andererseits (insbesondere Der Zahlenteufel). So kam es, dass er im August 1998 an der TU Berlin zum fünzigsten Internationalen Mathematiker-Kongreß eine Rede zur Situation der Mathematik in der Gesellschaft hielt, die heute noch gern gelesen und zitiert wird.
Preise
- 1963 Georg-Büchner-Preis
- 1985 Heinrich-Böll-Preis
- 1993 Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis
- 1998 Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
- 2002 Preis Prinz von Asturien
- 2006 Premio d’Annunzio [1] für sein Gesamtwerk
- 2006 Medienpreis 2006 durch die Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Verleihung des Enzensberger-Stern
Werke
- Verteidigung der Wölfe, Gedichte, 1957
- Bildzeitung, Gedicht, 1957
- Clemens Brentano: Gedichte, Erzählungen, Briefe (als Hrsg.), 1958
- Museum der modernen Poesie (als Hrsg.), 1960
- landessprache, Gedichte, 1960
- An alle Fernsprechteilnehmer, Gedicht, 1960
- Brentanos Poetik, 1961 (Druckfassung der Diss. Erlangen 1955)
- Allerleirauh. Viele schöne Kinderreime (als Hrsg.) 1961
- Einzelheiten, Essays, 1962
- Gedichte. Die Entstehung eines Gedichts, 1962
- Politik und Verbrechen, Essays, 1964
- blindenschrift, Gedichte, 1964
- Georg Büchner, Ludwig Weidig: Der Hessische Landbote. Texte, Briefe, Prozeßakten (als Hrsg.), 1965
- Bartolomé de las Casas: Kurzgefaßter Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder (als Hrsg.), 1966
- Deutschland, Deutschland unter anderm. Äußerungen zur Politik, 1967
- Staatsgefährdende Umtriebe, Rede zur Verleihung des Nürnberger Literaturpreises, 1968
- Freisprüche. Revolutionäre vor Gericht, 1970
- Das Verhör von Habana, Prosa, 1970
- Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura Durrutis Leben und Tod, Roman, 1972
- Klassenbuch. Ein Lesebuch zu den Klassenkämpfen in Deutschland (als Mithrsg.), 1972
- Gespräche mit Marx und Engels, 1973
- Palaver. Politische Überlegungen 1967-1973, Essays, 1974
- Mausoleum. 37 Balladen aus der Geschichte des Fortschritts, 1975
- Der Weg ins Freie. Fünf Lebensläufe, 1975
- Der Untergang der Titanic. Eine Komödie, Versepos, 1978
- Unsere Landessprache und ihre Leibwächter, 1979
- Die Furie des Verschwindens. Gedichte, 1980
- Politische Brosamen, Essays, 1982
- Das Wasserzeichen der Poesie oder Die Kunst und das Vergnügen, Gedichte zu lesen (Unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr), 1985
- Auferstanden über alles. Fünf Untersuchungen, 1986
- Ach, Europa! Wahrnehmungen aus sieben Ländern, Prosa, 1987
- Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen, 1988
- Der Fliegende Robert. Gedichte, Szenen, Essays, 1989
- Diderot und das dunkle Ei. Ein Interview, 1990
- Zukunftsmusik, Gedichte, 1991
- Die Tochter der Luft, Drama, 1992
- Die Große Wanderung, Essays, 1992
- Aussichten auf den Bürgerkrieg, 1993
- Das Brot und die Schrift, 1993
- Diderots Schatten. Unterhaltungen, Szenen, Essays, 1994
- Kiosk. Neue Gedichte, 1995
- Voltaires Neffe. Eine Fälschung in Diderots Manier, 1996
- Zickzack, Aufsätze, 1997
- Der Zahlenteufel. Ein Kopfkissenbuch für alle, die Angst vor der Mathematik haben, 1997
- Wo warst du, Robert?, Roman, 1998
- Drawbridge Up: Mathematics - A Cultural Anathema / Zugbrücke außer Betrieb: Die Mathematik im Jenseits der Kultur (dt., engl.) Natick, Mass. : Peters, 1999
- Leichter als Luft. Moralische Gedichte, Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1999
- Die Elixiere der Wissenschaft. Seitenblicke in Poesie und Prosa, 2002
- Die Geschichte der Wolken. 99 Meditationen, 2003
- Nomaden im Regal. Essays, 2003
- Lyrik nervt! Erste Hilfe für gestresste Leser, 2004 (unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr)
- Dialoge zwischen Unsterblichen, Lebendigen und Toten, 2004
- Heraus mit der Sprache. Ein bisschen Deutsch für Deutsche, Österreicher, Schweizer und andere Aus- und Inländer, 2005 (unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr)
- Schauderhafte Wunderkinder, 2006 (unter dem Pseudonym Linda Quilt)
- Schreckens Männer - Versuch über den radikalen Verlierer", 2006 Suhrkamp Verlag
Zeitungsartikel
- Im Irrgarten der Intelligenz. Über den getesteten Verstand und den Unverstand des Testens, in der Neue Zürcher Zeitung vom 11. November 2006
Literatur
- Jörg Lau: Hans Magnus Enzensberger. Ein öffentliches Leben. Fest, Berlin 1999, ISBN 3-8286-0049-2
Quellen
- ↑ Hessischer Rundfunk: Hans Magnus Enzensberger "Schreckens Männer" 6. September 2006
Weblinks
- Linksammlung bei der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
- Biographie beim Suhrkamp-Verlag
- http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft-aktiv/Vorlesungen/hermeneutik/enzensberger.htm
- Hans-Magnus-Enzensberger-Projekt (RWTH Aachen)
- Eichborn
- Who's Who
- Justus-Liebig-Universität Gießen
- Verweis auf einen Abstract zu Enzensbergers Aufsatz Baukasten zu einer Theorie der Medien
- [2] Rede zur Situation der Mathematik in der Gesellschaft, 1998
Rezensionen
- Büchernachlese zu 1997b, 1998, 2004b
- Institut für Germanistik der RWTH Aachen zu 1968
Personendaten | |
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NAME | Enzensberger, Hans Magnus |
ALTERNATIVNAMEN | Andreas Thalmayr [Pseudonym] |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Dichter, Schriftsteller und Redakteur |
GEBURTSDATUM | 11. November 1929 |
GEBURTSORT | Kaufbeuren |