Bereitschaftsdienst
Bereitschaftsdienst (in der Schweiz auch Pikettdienst genannt) ist die Zeitspanne, während deren der Arbeitnehmer, ohne dass er unmittelbar am Arbeitsplatz anwesend sein müsste, sich für Zwecke des Betriebes an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit sofort oder zeitnah aufnehmen kann [1].
Um diese Art von Bereitschaftsdienst von der Rufbereitschaft abzugrenzen, spricht man auch von Anwesenheitsbereitschaft.
Rechtliche Dimensionen
Das Thema Bereitschaftsdienst berührt unterschiedliche Rechtsgebiete, wobei unterschiedliche Fragen aufgeworfen werden:
- beim öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz die Frage, wie die Bereitschaftszeit bei der Berechnung von Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten zu berücksichtigen ist,
- beim Individualarbeitsrecht die Fragen,
- ob der Arbeitnehmer überhaupt verpflichtet ist, Bereitschaftsdienst zu leisten und
- ob bzw. in welcher Höhe die Bereitschaftszeit zu vergüten ist,
- beim Betriebsverfassungsrecht die Frage, welche Beteiligungsrechte der Betriebsrat hat.
Öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutz
In dem viel beachteten Grundsatzurteil vom 3. Oktober 2000 („Simap-Entscheidung“) hat der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Bereitschaftsdienst spanischer Ärzte entschieden, dass die Bereitschaftszeit in Form der Anwesenheitsbereitschaft Arbeitszeit im Sinne des europäischen Arbeitszeitrechts [2] ist. Danach ist die Bereitschaftszeit bei der Berechnung der zulässigen Höchstarbeitszeit voll zu berücksichtigen. Die Bereitschaftszeit ist insoweit keine Ruhezeit. Dagegen sind Zeiten, in denen lediglich Rufbereitschaft geleistet wird, nicht als Arbeitszeit in dem genannten Sinne anzusehen.
Inzwischen wurde das zuvor insoweit europarechtswidrige [3] deutsche Arbeitszeitgesetz geändert. Auch in Deutschland gelten seit dem 1. Januar 2004 Bereitschaftszeiten als Arbeitszeiten [4].
Zur Zeit wird eine Novellierung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie diskutiert. Dabei wird darüber gestritten, ob die inaktiven Bereitschaftsdienstzeiten im Unterschied zu den aktiven Zeiten nicht mehr als Arbeitszeit gelten sollen [5].
Individualarbeitsrecht
Ein Arbeitnehmer kann aufgrund des Arbeitsvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages verpflichtet sein, Bereitschaftsdienst zu leisten. Die Verpflichtung kann sich auch aus der Eigenart des Arbeitsverhältnisses ergeben, wenn danach Bereitschaftsdienste üblich sind, zum Beispiel bei Ärzten und Fernfahrern. Eine generelle Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst gibt es jedoch nicht.
Ist der Arbeitnehmer zum Bereitschaftsdienst verpflichtet, richtet sich die Vergütung der inaktiven bzw. der aktiven Zeiten nach individueller oder kollektiver Vereinbarung. Eine Pauschalierung ist zulässig. Aus dem Umstand, dass die Bereitschaft arbeitsschutzrechtlich als Arbeitszeit anzusehen ist, folgt allein noch kein Vergütungsanspruch [6]. Bereitschaftszeiten müssen nicht zwingend wie Vollarbeitszeiten vergütet werden [7]. Eine Vereinbarung, dass Bereitschaft unentgeltlich zu leisten ist, kann aber wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Fehlt es an einer Vergütungsvereinbarung, so ist eine Vergütung zu zahlen, wenn die Bereitschaft den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist [8]. Das dürfte in der Regel zu bejahen sein. Die Höhe ist in diesem Falle nach einer gegebenen Taxe oder dem Üblichen zu bestimmen[9].
Kollektives Arbeitsrecht
Beabsichtigt der Arbeitgeber Bereitschaftsdienste einzuführen, hat er nach deutschem Recht den Betriebsrat darüber zu unterrichten und sich mit ihm über die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer zu beraten[10]. Der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass die zum Schutz der Arbeitnehmern geltenden Rechtsvorschriften beachtet und eingehalten werden.
Darüber hinaus unterliegen betriebliche Regelungen zu Bereitschaftsdiensten der Mitbestimmung des Betriebsrates, soweit sie Fragen der Ordnung im Betrieb, den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage oder eine vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit betreffen [11].
Fußnoten
- ↑ BAG, Beschluss vom 18. Februar 2003 - 1 ABR 2/02 - m.w.N.
- ↑ Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18), inzwischen abgelöst von der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, (ABl. L 299 vom 18. November 2003, S. 9–19), die bezüglich der hier interessierenden Fragen keine Änderungen enthält
- ↑ EuGH, Urteil vom 9. September 2003 C -151/02 Jaeger
- ↑ Artikel 4b des Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I, 3002, 3005 f
- ↑ zum Stand der Diskussion: Vergl. Pressemitteilung des Ministerrats vom 3. Juni 2005, S. 13 f [1]
- ↑ BAG, Urteil 5. Juni 2003 - 6 AZR 114/02 -
- ↑ BAG, Urteil vom 28. Januar 2004, 5 AZR 530/02
- ↑ Vorlage:Zitat de § Abs. 1 BGB
- ↑ Vorlage:Zitat de § Abs. 2 BGB
- ↑ Vorlage:Zitat de § BetrVG
- ↑ Vorlage:Zitat de § Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3 Betriebsverfassungsgesetz