Kalifat
Kalifat (abgeleitet von chalifat rasal allah, arab. für Nachfolger des Gesandten Gottes)
Mohammeds Lehre basierte auf dem theokratischen Modell: er war sowohl der Führer der religiösen Bewegung, als auch der Herrscher über den Machtbereich, in dem dieser Glaube gelebt wurde. Das Kalifat war somit nicht nur ein Amt, es wurde auch mit dem Machtbereich gleichgesetzt, dem Reich des Kalifen
Geschichte
Die Anfänge
Mohammed hatte keine Regeln und vor allem keinen Nachfolger bestimmt. Nach seinem Tod 632 trafen sich die muslimischen Führer der Gemeinden. Ein Teil von ihnen vertrat die Meinung, Mohammed habe seinen Schwiegersohn Ali, zu seinem Nachfolger auserkoren. Der Großteil der Muslime war davon nicht überzeugt und legte erste Richtlinien für die Nachfolge fest. Demnach musste der Nachfolger Mohammeds ein Araber aus dem Stamm Mohammeds sein, der zum einen für die Einhaltung der Regeln des islamischen Glaubens verantwortlich war, zum anderen die Verbreitung der Bewegung mit allen Mitteln, auch Krieg, vorantreiben sollte (diese Richtlinien hatten jedoch nicht lange Bestand). Die Mehrheit der muslimischen Führer wählte Abu Bakr, den Vater von Mohammeds Lieblingsfrau Aischa, zum Nachfolger der Bewegung. Dieser nahm den Titel chalifat rasul allah an, der Beginn des Kalifats und seine Kalifen. Kurz vor seinem Tod schlug er seinen Vertrauten Omar als Nachfolger vor.
634 wurde Omar zum zweiten Kalifen gewählt. In seiner Amtszeit dehnte er den Machtbereich der islamischen Bewegung auf Ägypten, Syrien, den Irak und Teile Mesopotamiens aus. Oftmals blieb er auch Sieger in Schlachten mit den Persern.
644 wurde Othoman, ein Schwiegersohn Mohammeds, nach dem Tod Omars zum dritten Kalifen gewählt. Er setzte die Expansionen seines Vorgängers fort. Doch mit der Zeit machte er sich Feinde unter den Muslimen der eroberten Gebiete und vor allem ihrer Führer, die ihm eine Bevorzugung der Moslems aus Mekka vorwarfen, woher er stammte. Die Sache spitzte sich zu, als er all die Versionen der Worte Mohammeds verbot, die im Umlauf waren und seine Version zur Allgemeingültigen erklärte (diese Version ist die erste Überlieferung desKorans). 656 wurde er von aufständischen Muslimen aus dem Irak und Ägypten ermordet.
Der Koran Othomans enthielt neben den Worten Mohammeds auch Aussagen und Richtlinien der ersten Kalifen und beschrieb die Regeln des islamischen Lebens, im arabischen Sunnah genannt. Ihre Anhänger gehören der Richtung der Sunniten an. Die bereits erwähnten Gegner waren die Anhänger Alis, die Schiiten (aus dem arab. schiat ali, Partei Alis). Diese und die aufständischen Führer wählten Ali zum Kalifen. Doch der Herrscher von Syrien, Muawija, aus dem Stamm der Omaijadis und ein Verwandter von Othoman, verweigerte die Gefolgschaft und erklärte Ali den Krieg. 657, nach einem langen und unentschieden Krieg, einigte man sich auf Verhandlungen. Eine Gruppe Moslems, die sich später Charidshiten nannte, sah darin eine große Schande und setzte sich ab, nachdem sie sowohl Ali als auch Muawija den Tod geschworen hatten. 661 töten sie Ali. Dessen Sohn Hasan verzichtete auf seinen Anspruch als Nachfolger, nachdem er erkannte, dass die Sunniten den Schiiten zahlenmäßig weit überlegen waren, und Muawija leitete die Ära der Omaijaden-Kalifen ein.
Das Kalifat der Omaijaden
Erste Handlung Muawijas war die Verlegung der Hauptstadt von Medina nach Damaskus. Er schaffte auch die Wahl des Kalifen ab und ersetzte sie durch die Erbfolge, nachdem er seinen Sohn Yazid öffentlich zum Nachfolger erklärt hatte. Der Ältestenrat musste nur noch formal dem neuen Kalifen seine Zustimmung erteilen.
Yazid musste sich nach seiner Übernahme gleich mit Aufständischen befassen. Husain, der zweite Sohn Alis und Enkel Mohammeds, nutzte die Situation, und zog gegen Yazid zu Felde. Er wurde jedoch gestoppt und umgebracht. Dieser Akt besiegelte die endgültige Trennung zwischen Schiiten und Sunniten.
Während ihrer Regierung vergrößerten die Omaijaden das Reich bis an die Grenzen Indiens und Chinas im Osten und im Westen, über Nordafrika, bis nach Spanien und Sizilien. Beim Versuch, Frankreich zu erobern, wurden sie 732 von Karl Martell, dem karolingischen Herrscher aufgehalten und nach Spanien zurückgedrängt.
Seit 718 hatten sich unterdessen schiitische, persische und andere moslemische Gruppen um die Abbasiden gescharrt, den Nachfahren von Mohammeds Onkel Abbas. Diesen gelang es, das Kalifat zu unterwandern und 747 mit einer großen Anhängerschar den Aufstand einzuleiten. Bis 750 hatten sie das Reich erobert und alle Omaijaden getötet oder vertrieben. Mit Abu al-Abbas übernahmen sie das Kalifat.
Das Kalifat der Abbasiden
Die Verlegung der Hauptstadt nach [[Bagdad leitete einerseits den Niedergang Medinas als bedeutende Hochburg des islamischen Glaubens ein. Zugleich wurde Bagdad zu dem, wie es in den Geschichten Scheherazades in dem Buch 1000 und eine Nacht beschrieben wurde: eine vor Prunk und Reichtum strotzende Stadt und ein Zentrum der geistigen und Naturwissenschaften. Anders als bei den Omaijaden wurde die Einhaltung des Korans deutlich strenger überwacht. Im 9. Jahrhundert hatte das Kalifat seine Blütezeit erreicht. Doch die Ausdehnung und die Bürokratie verlangten ihren Preis: Mehr und mehr gaben die Kalifen die politische Macht an Staatsminister und mittlere Beamte ab.
Anfang des 10. Jahrhunderts nahmen die Aufstände zu. In Nordafrika und Spanien kam es zu Gründung unabhängiger Kalifate. Mitte des Jahrhunderts waren die Kalifen von Bagdad nur noch Herrscher von Gnaden, die wirkliche Macht lag bei den Militärbefehlshabern und Staatsministern. Einzig die Glaubensbewahrung oblag ihnen noch. 1258 zerbrach das Kalifat von Bagdad mit der Eroberung der Stadt durch die Mongolen. Einigen Abbasiden gelang die Flucht nach Ägypten. 1261 wurde einer von Ihnen vom ägyptischen Sultan zum Kalifen von Kairo ernannt. Seine Macht bestand aber nur in der Durchführung des Glaubens. Schon der Nächste verlor auch diese Macht und von da an bis 1517 füllten die Kalifen von Kairo nur noch einen inhaltsloses Titel aus.
Das Kalifat der Fatimiden und Omaijaden
Die Fatimiden, Nachfahren von Ali und dessen Frau Fatima (daher der Name), der Lieblingstochter Mohammeds, gründeten ihr eigenes Kalifat 909 in Tunesien und dehnten ihren Machtbereich von Algerien bis Ägypten, Syrien und Sizilien aus. Die Hauptstadt war Kairo. 1171 wurden sie vom ägyptischen Sultan Saladin gestürzt.
Omaijaden, die den Massenmord an ihrer Familie in den Jahren 747 bis 750 durch die Abbasiden überlebt hatten, wanderten nach Spanien aus. Dort gründeten ihre Nachfahren 929 das Kalifat von Spanien. Ihre Hauptstadt war Cordoba. 1031 zerfiel es in Einzelreiche.
Das Kalifat bis 1924
Ab dem 13. Jahrhundert wurde der nun machtlose Titel Kalif immer wieder von moslemischen Herrschern angeeignet, besonders von den osmanischen Sultanen. Erst im 19. Jahrhundert, als mehr und mehr Christen in die moslemischen Gebiete eindrangen, pochten die Sultane auf den Titel als geistiges Oberhaupt, um dadurch die Unterstützung der Moslems außerhalb ihres Machtbereiches zu erlangen. Nach dem 1. Weltkrieg wurde der osmanische Sultan entmachtet. Die türkische Regierung schaffte das Kalifat 1924 endgültig ab. Dies erregte die Gemüter der moslemischen Welt. 1925 erhob König Hussein ibn Ali von Hedschas, heute in Saudi-Arabien, seinen Anspruch auf den Titel, da er von Ali abstamme und zudem über Medina und Mekka herrsche. Dieser Anspruch erlosch mit der Eroberung seines Reiches durch König Abd al-Asis ibn Saud von Najd.
1926 versuchte man, auf einem muslimischen Kongress in Kairo einen neuen Kalifen zu wählen. Doch auch dieser Versuch, das Kalifat neu zu beleben, scheiterte. Nach Ansicht von Experten gab es seither keine ernsthaften Bemühungen, sieht man von den seltsamen Versuchen eines Metin Kaplan und seines Kalifats von Köln einmal ab.