Benutzer:Benson.by/temp
Datei:Antoine Augustin Cournot.jpeg
Datei:Blaise Pascal.jpeg
Datei:Kiyoshi ito.jpg
Datei:Thomasbayes.jpg
probleme
- stochastik vs statistik
- haupt-input: anfangs glücksspiel, dann finanzen
- w'keit vs theologie
- w'keit vs mathematik
- w'keit vs aufklärung
- paradoxa
epochen
- altertum: glücksspiel, leibrente
- frühe neuzeit: bernoulli, pascal, teilungsproblem, ars coniectandi
- laplace und gleichverteilung
- 18/19. jahrhundert: cournot-prinzip, fra vs. eng vs. ger
- maßtheorie, wiener, einstein, levy und kolmogorov
- post-kolmogorov: finanzmathematik, ito
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Stochastik, die sich mit der mathematischen Analyse von Experimenten mit unsicherem Ausgang befasst, ist in zweierlei Hinsicht ein sehr altes, aber auch ein recht junges Teilgebiet der Mathematik: während viele heute noch gebräuchliche Formeln zu einfachen Zufallsprozessen offenbar bereits im Altertum bekannt waren, hat sich das heute verwendete axiomatische Fundament der Wahrscheinlichkeitstheorie erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts herausgebildet, wobei als das Schlüsselereignis heute im Allgemeinen das Erscheinen von Andrei Kolmogorows Lehrbuch Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Jahr 1933 gilt.
Im Laufe dieser langen Zeit wurde die Stochastik durch eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Anwendungsgebiete beeinflusst: war es zunächst hauptsächlich das Interesse von Griechen undRömern an Glücksspielen, die die Entwicklung von Rechenmodellen vorantrieb, so kamen Anregungen später auch aus der Philosophie, der Rechtswissenschaft und auch recht früh aus dem Versicherungswesen, später aus der Physik und heute in erster Linie aus der Finanzmathematik. Daneben hat die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf dem Umweg über dieStatistik Anwendung in praktisch allen quantitativ arbeitenden Wissenschaften gefunden.
Ausgangslage
Um zu verstehen, wieso sich die Stochastik langsamer und weitaus weniger zielstrebig entwickelte als so manch andere mathematische Disziplin, ist es nötig, die Probleme zu erkennen, mit der sie von anfang an zu kämpfen hatte- und teilweise noch bis heute kämpft. Dies sind zum Einen immanente Probleme, die allgemein mit dem Begriff der Wahrscheinlichkeit und damit verwandten Begriffen zusammenhängen, aber zum Anderen auch Vorbehalte von Seiten anderer Wissenschaften (darunter teils auch die Mathematik als solche), deren Vertreter die Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung oftmals als unseriös empfanden oder aus anderen Gründen ablehnten.
Definition der Wahrscheinlichkeit
Während sich die Mathematik zunächst auf die Erfassung zahlenmäßiger Bestände (Anzahlen von Menschen, Tieren oder Gegenständen) beschränkte und bald auch auf einfach beobachtbare physikalische Größen wie Länge, Masse oder Zeit anwendete, blieb die quantitative Erfassung von Wahrscheinlichkeiten für die Menschheit lange Zeit unzugänglich, und noch heute existiert keine universell anerkannte Definition für den Begriff der Wahrscheinlichkeit. Dafür haben sich im Laufe der Zeit zwei dominierende stochastische Denkschulen herausgebildet, die seit ihrer Entstehung unabhängig voneinander existieren, ohne sich allerdings gegenseitig auszuschließen.
Der Frequentismus entstand im Lichte der Glücksspiele als standardisierte und beliebig oft unter gleichbleibenden Bedingungen wiederholbare Zufallsexperimente und der empirischen Beobachtung, dass die relative Häufigkeit (oder Frequenz) eines gewissen Ausgangs bei einer hinreichend langen Kette solcher Wiederholungen gegen einen festen Wert zu konvergieren scheint. Nach frequentistischer Definition entspricht die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses genau diesem Grenzwert, oder wie der französische Stochastiker Paul Lévy es ausgedrückt hatte: die Wahrscheinlichkeit ist eine physikalische Größe wie die Masse von Gegenständen, und die Häufigkeit ist ein Messinstrument für diese Größe, wie alle physikalischen Messinstrumente mit gewissen unvorhersehbaren Messfehlern behaftet.
So einleuchtend diese Definition im Falle von Glücksspielen oder auch in der Physik (wo deterministische Phänomene oftmals als Ergebnisse von sehr vielen Kleinen Zufallsprozessen interpretiert werden können) ist, so unbrauchbar erscheint sie für Prozesse, die nicht wiederholt werden können. Etwa die Wahrscheinlichkeit, dass eine russische Atomrakete ihr Ziel in Washington D.C. trifft, lässt sich Auf diese Weise höchstens in einem Gedankenexperiment nachvollziehen.
Dieses Problem besteht nicht, wenn man die Bayesianische Wahrscheinlichkeitsauffassung heranzieht. Hierbei gilt Wahrscheinlichkeit als Maß dafür, wie sehr man vom Eintreten eines gewisen Ereignisses überzeugt ist. Dabei spielt es formal keine Rolle, ob das Ereignis tatsächlich zufällig ist oder ob der Ausgang lediglich unbekannt ist. Dieser pragmatische Zugang ermöglicht es einem, auf philosophische Vorüberlegung zum Wesen und zur Existenz des Zufalls zu verzichten, was ihm vor allem in der Statistik sehr beliebt macht.
Ein wesentlicher Nachteil entsteht allerdings dadurch, dass der Begriff dadurch etwas subjektives an sichhat, schließlich liegt die angesprochene Gewissheit im Auge des Betrachters. Zusätzlich steht hier im Gegensatz zum Frequentismus keine intuitive Möglichkeit besteht, Wahrscheinlichkeit auf mathematisch sinnvolle Weise auf einer numerischen Skala abzubilden. Dazu wird dann meist ein Gedankenexperiment der Art "wieviel wäre man bereit, auf das eintreffen des Ereignisses zu wetten?" herangezogen, was unvermeidlich zu Problemen im Zusammenhang mit Risikoaversion führt.
Obwohl nicht grundsätzlich unvereinbar, so haben diese beiden ideologisch verschiedenen Ansätze doch lange Zeit verhindert, dass sich eine einheitliche mathematische Theorie und Notation herausbilden konnte.
Skepsis von Seiten anderer Wissenschaften
Über Jahrhunderte zog sich die Wahrscheinlichkeitsrechnung immer wieder die Skepsis anderer wissenschaftlicher Disziplinen zu, was oftmals darauf zurückzuführen war, dass sich die Begriffe Zufall und Wahrscheinlichkeit nur mit Mühe definieren und wissenschaftlich quantifizieren lassen. Andererseits kann auch jeder Versuch, andernfalls nicht oder nur unzureichend prognostizierbare Phänomene (etwa das Wetter, Börsenkurse oder schlicht der Ausgang einesWürfelwurfs) stochastisch zu deuten, als Konkurrenz zu einer anderen Wissenschaft gesehen werden.
Von Seiten der Theologie und der Kirche etwa wurde der Veruch, mit Wahrscheinlichkeitsrechnung den "unergründlicen Wegen des Herrn" näher zu kommen, de man tagtäglich in der Natur beobachten konnte, lange als Blasphemie bezeichnet - zu nahe lagen die Begriffe Zufall und Schicksal beisammen. Zusätzlich störte man sich von Seiten der Kirche daran, dass in frühen Jahren das Hauptanwendungsgebiet im Glücksspiel lag, das von dieser seit jeher abgelehnt wird.
Doch auch die vermeintlich andere Seite, die Naaturwissenschaftler der Aufklärung, begegneten der Stochastik oft mit Skepsis, da sie sie als "Bankrotterklärung" vor der Natur bezeichneten: schließlich seien alle Phänomene durch deterministische Naturgesetze vollständig erklärbar, wenn man nur genau genug messe und alle Gesetze durch Experimente ergründe. Somit gebe es so etwas wie Zufall überhaupt nicht, und also könne es auch keine seriöse Wahrscheinlichkeitsrechnung geben.
Letztlich war selbst innerhalb der Gemeinschaft der Mathematiker die Idee einer Wahrscheinlichkeitstheorie nicht unumstritten: zu offensichtlich schien der Widerspruch zwischen der Stochastik als Wissenschaft unsicherer Ereignisse und dem Anspruch der Mathematik als Lehre der wahren Aussagen, unumstößlichen Schlussfolgerungen und gesicherten Erkenntnis: entweder hat eine Variable den Wert fünf, oder sie hat ihn nicht. Im ersten Fall ist die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis "" gleich 1 oder 100%, ansonsten ist sie 0%, und für Werte dazwischen schien in der Mathematik kein Platz. Es sollte beinahe bis ins zwnazigste Jahrhundert dauern, bis eine exakte axiomatische Begründung der Stochastik diesen Widerspruch auflösen konnte.
Stochastische Paradoxa
Ein zusätzliches Problem bei der Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsrechnung war es auch, dass die Ergebnisse der Berechnungen oftmals scheinbar der menschlichen Intuition zuwiderlaufen. Insbesondere im Zusammenhang mit stochastischer Unabhängigkeit und bedingter Wahrscheinlichkeit treten oftmals Fälle auf die scheinbar widersprüchliche oder widersinnige Ergebnisse zur Folge haben. Solche Phänomene werden gemeinhin als stochastische Paradoxa bezeichnet, obwohl der Begriff des Paradoxon hier nicht immer zutreffend ist.
- Das Ziegenproblem ist heutzutage das bekannteste stochastische Paradoxon: bei einer Spielshow hat ein Kandidat die Wahl zwischen drei verschlossenen Türen, hinter denen sich ein wertvoller Preis und zwei Nieten (im Original: Ziegen) verbergen. Hat sich der Kandidat entschieden, so öffnet der Moderator, der weiß, hinter welcher Türe sich der Preis verbirgt, von den beiden nicht gewählten Türen eine, die eine Niete verbirgt (solch eine Türe gibt es natürlich immer) und bietet dem Kandidaten an, anstatt der gewählten die dritte, noch geschlossene Türe zu öffnen. Die Tatsache, dass der Kandidat durch Annahme dieses Angebot seine Gewinnchancen tatsächlich erhöhen kann, kommt für die meisten Menschen unerwartet, da die Aktion des Moderators die ursprünglich gewählte Türe offenkundig nicht "unwahrscheinlicher" machen kann.
- Das Gefangenenparadoxon beleuchtet dasselbe Phänomen aus einem anderen Blickwinkel: drei Personen (A, B und C) sind zum Tode verurteilt, jedoch wird einer der dreien per Losentscheid begnadigt. Offenbar ist die Wahrscheinlichkeit für A, zu überleben, gleich . Nennt der Gefängniswärter A jedoch den Namen, eines der beiden Mitgefangenen, der nicht begnadigt ist (mindestens eine der beiden anderen Personen wird garantiert hingerichtet), so bleiben nur noch zwei Kandidaten für die Begnadigung übrig und die Überlebenswahrscheinlichkeit für A müsste demnach auf steigen. Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass diese offenkundig irrelevante Information tatsächlich die Chance von A auf eine Begnadigung erhöhen sollte, und in diesem Fall ist es auch tatsächlich nicht so: die überlebenswahrscheinlichkeit beträgt weiterhin .
- Das Kugelparadoxon wurde 1889 in einem Lehrbuch von Joseph Bertrand aufgestellt. Es lautet: wird ein Punkt zugällig gleichverteilt auf der Oberfläche einer Kugel (etwa der Einschlagpunkt eines Meteoriten auf der Erde) ausgewählt, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Punkt von einem vorher fest gewählten Punkt (etwa dem im selben Jahr fertiggestellten Eiffelturm) einen Abstand von weniger als 10 Winkelminuten hat, dass also der Eiffelturm und der Zufallspunkt mit dem Erdmittelpunkt einen Winkel von weniger als Grad einschließt? Eine Möglichkeit, diese Wahrscheinlichkeit zu Berechnen, besteht darin, die Fläche der in Frage kommende Punkte (also die Oberfläche der Kappe um den Eiffelturm mit Radius 10 Winkelminuten) durch Gesamtoberfläche der Kugel zu teilen, was etwa ergibt. Bertrand schlug aber noch eine zweite Lösung vor: da es für den Abstand irrelevant ist, auf welchem Großkreis des Eiffelturms der Punkt liegt, genügt es, exemplarisch einen solchen Großkreis zu betrachten. Dann baträgt die Wahrscheinlichkeit einfach , da von 360 Grad ja genau 20 Bodenmituten oder Grad in Frage kommen. Bertrands Ansicht nach war keine der beiden Antworten falsch, sondern lediglich die Gleichverteilung auf der Mannigfaltigkeit der Kugeloberfläche nicht wohldefiniert.
Während die beiden Oberen Paradoxa noch mit relativ einfachen stochastischen Hilfsmitteln auflösbar sind, beweist das dritte Problem, dass die Wahrscheinlichkeitstheorie auch zum Ende des 20. Jahrhunderts noch nicht weit genug entwickelt war, um Zufallsphänomene auf einem Kontinuum zweifelsfrei wiederzugeben.
Doch nicht nur die bedingte Wahrscheinlichkeit, die in der ein oder anderen Form in all den erwähnten Paradoxa eine Rolle spielt, verleitet oft zu Trugschlüssen; auch der Begriff der stochastischen Unabhängigkeit läuft der Intuition oft zuwider. Als beispiel sei folgendes einfaches Spiel genannt: ein gewöhnlicher sechsseitiger Würfel wird zweimal hintereinander geworfen und die Augenzahlen addiert. das Spiel ist gewonnen, falls die Summe der Augen gerade ist, andernfalls verliert der Spieler. nun sind der Ausgang des Spiels (also ob das das Ereignis "Spiel gewonnen" Eintritt oder nicht) vom Ausgang des zweiten Wurfs unabhängig. Obwohl sich dieses Ergebnis an Hand der Definitin der stochastischen Unabhängigkeit leicht nachrechnen lässt, ist es insofern verblüffend, als dass der zweite Wurf das Spiel ja endgültig entscheidet.
Diese Probleme mögen heute eher wie mathematische Spielereien erscheinen, darf dabei nicht vernachlässigt werden, dass heute bereits eine voll entwickelte und widerspruchsfreie Wahrscheinlichkeitstheorie zur Verfügung steht. Dort mussten jedoch begriffe wie Unabhängigkeit und bedinge Wahrscheinlichkeit erst definiert werden, was schwer fällt, wenn die aus heutiger Sicht einzigen sinnvollen Definitionen zu Trugschlüssen wie den oben erwähnten führen. Dies mag mit als Erklärung dafür dienen, dass sich eine konsistente mathematische Wahrscheinlichkeitstheorie nicht früher entwickelt hat.
Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Antike
Ein Interesse am Zufall lässt sich bis in die früheste Menschheitsgeschichte zurückverfolgen: archäologische Funde zeigen an mehreren Stellen auf der ganzen Welt eine auffällige Häufung an Sprunggelenksknochen von Schafen und anderen ähnlich geformten Knochen. Von diesen, auf Latein Astragali genannten Knochen ist bekannt, dass sie im römischen Reich als Spielwürfel verwendet wurden - zum Glücksspiel um Geld, aber auch zu rituellen Zwecken, um Auskunft über die Laune der Götter zu erhalten. Solche und ähnliche Orakel, die sich natürlicher (etwa bei der Vogelschau) oder eben künstlicher Zufallsereignisse bedienen, lassen sich weltweit beobachten.
Auffällig ist dabei, dass bereits früh auch Würfel in der heute üblichen Kubusform oder als Tetraeder hergestellt wurden - einer der frühesten Funde im heutigen Iran datiert etwa auf 3000 v. Chr. Dies bedeutet, dass bereits früh versucht wurde, Wahrscheinlchkeiten gezielt zu beeinflussen, um twa faire und damit besonders interessante Spiele zu entwerfen. So gesehen kann man den Versuch, ideale Würfel (also solche, bei denen alle Seiten die selbe Wahrscheinlichkeit aufweisen) zu schaffen, als Frühform stochastischen Kalküls bezeichnen.
Obwohl das Glücksspiel auch mit idealen Würfeln offenbar im gesamten hellenischen Raum bekannt und verbreitet war und die mathematischen Grundkenntnisse zu Zeiten Euklids oder Pythagoras dies durchaus ermöglicht hätten, fand man jedoch bisher keine überlieferten Hinweise auf konkrete stochastische Berechnungen aus dieser Zeit. Dies mag zum einen daran liegen, dass der Wahrscheinlichkeitsbegriff damals noch nicht so weit entwickelt war, als dass es damals möglich gewesen wäre, Wahrscheinlichkeit auf einer numerischen Skala einzuordnen, wie es heute üblich ist und im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird. Es mag aber auch eine große Rolle gespielt haben, dass die antike Wissenschaftsphilosophie dem Empirismus stark abgeneigt war: wahre Erkenntnis könne man nicht aus Experimenten, sondern lediglich aus logischer Argumentation gewinnen. Wahrscheinlichkeit lässt sich hingegen nur im Experiment erfahren und eindeutige Vorhersagen ermöglicht die Stochastik nur im Zusammenhang mit unendlich oft unabhängig wiederholten Vorgängen (etwa beim Gesetz der großen Zahlen), was aber wiederum einen frequentistischen Zugang zum Wahrscheinlichkeitsbegriff voraussetzt.
Vom römischen Kaiser Claudius (10 v. Chr. - 54 n. Chr. ist bekannt, dass er ein Freund des Spiels Duodecim Scripta, einem Vorgänger de heutigen Backgammon war und darüber auch ein Buche verfasste. Da dieses jedoch heute nicht mehr erhalten ist, ist unklar, ob es sich dabei zumindest teilweise um eine stochastische Analyse des Spiels handelt. Es wäre die früheste bekannte Abhandlung dieser Art.
Neben dem Glücksspiel bot aber auch das Verischerungswesen ein frühes Betätigungsfeld für Wahrscheinlichkeitsabschätzungen: Versicherungsverträge insbesondere für Handelsreisen auf See lassen sich in Babylon und China mindestens bis ins zweite Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen, solche Kontrakte werden Beispielsweise im Codex Hammurapi (etwa 1760 v. Chr.) erwähnt. Im Römischen Reich gab es bereits eine Form von Leibrenten, bei denen ein Vertragspartner gegen eine einmalige feste Einzahlung bis zu seinem Lebensende regelmäßige Auszahlungen erhielt. Verschiedene Formen von Krediten und Zinsen lassen sich sogar noch früher feststellen (Codex Ur-Nammu, 3. Jahrtausend v. Chr. und es kann davon ausgegangen werden, dass solche mit Unsicherheiten behaftete Verträge ähnlich alt sind wie der Handel mit Gütern selbst.
Es ist jedoch unvorstellbar, dass derartige Versicherungskontrakte zustande gekommen wären, hätten nicht beide Seiten zumindest rudimentäre probabilistische Überlegungen bezüglich der aus dem Vertrag entstehenden Profiten und Verpflichtungen angestellt und damit ansatzweise die Wahrscheinlichkeit gewisser zukünftiger Ereignisse (etwa der Schiffbruch eines Handlungsreisenden, der frühe Tod eines Leibrentners oder der Ausfall eines Gläubigers) geschätzt. Von dieser frühen Form des Risikomanagements sind jedoch kaum Zeugnisse erhalten, was kaum verwunderlich ist, da Kaufleute zu allen Zeiten darauf bedacht waren, ihre Rechenmodelle geheim zu halten.
Neuzeit
Cardanos Liber
In der christlichen Gesellschaft des Mittelalters waren Orakel und Glücksspiel, obwohl weiterhin verbreitet, doch öffentlich verpönt, sodass Forschung über den Zufall zumindest offiziell nicht stattfand. So dauerte es bis ins 16. Jahrhundert, ehe die erste nachweisbare stochastische Publikation entstand: Gerolamo Cardano (1501-1576), italienischer Universalgelehrter und einer der einflussreichsten Mathematiker seiner Zeit, legt in seinem ab 1524 entstandenen Werk Liber de Ludo Aleae (das Buch vom Würfelspiel) den Grundstein der Theorie diskreter Zufallsprozesse: Spiele mit bis zu drei Würfeln werden hier (wie zu dieser Zeit üblich fast vollständig in Prosa) beinahe Vollständig durchdiskutiert, daneben finden sich aber auch philosophische Gedanken zu Glück (Kapitel XX: De fortuna in Ludo, über das Glück im Spiel), Risikofreude und -Scheue (Kapitel XXI: De timore in iactu, über die Furcht vor dem Wurf), Spielsucht (Kapitel IV: Utilitas ludi, & damna, Nutzen und Schaden des Spiels) sowie auch ein eigenes Kapitel über effektive Wege des Betrugs (Kap. XVII: De dolis in huiusmodi Ludis, über die List in so gearteten Spielen). Daneben werden auch Kartenspiele diskutiert, die in Europa ab dem 15. Jahrhundert immer beliebter geworden waren, die aber Cardanos Aufmerksamkeit offensichtlich weitaus weniger erregten als das Hazard, ein wahrscheinlich von Kreuzrittern aus dem Orient importiertes Würfelspiel.
An einer Veröffentlichung seiner Ergebnisse war Cardano offenbar lange Zeit nicht gelegen, nutzte er doch einen Informationsvorsprung, um regelmäßig mehr zu gewinnen als er einsetzte und dadurch zum Teil auch sein Studium zu finanzieren. Doch der notorische Spieler fiel der Spielsucht an Heim und verspielte in seinem späteren Leben das meiste deines Vermögens und seines guten Rufes. Sein Liber wurde erst 1663 posthum veröffentlicht, als unlängst andere Gelehrte auf die Wahrsceinlichkeitstheorie aufmerksam geworden waren.
Das Teilungsproblem
Es sollte bis weit ins 17. Jahrhundert dauern, ehe sich wieder Mathematiker erfolgreich mit dem Zufall beschäftigten, und wie in vielen Wissenschaften hatte sich das Epizentrum mittlerweile von Italien nach Frankreich verlegt: Blaise Pascal, einer der einflussreichsten Mathematiker und Naturphilosophen seiner Zeit, beschreibt am 29. Juli 1654 in einem Brief an seinen Kollegen Pierre de Fermat zwei Probleme, die ihm sein Freund Antoine Gomband, Chevalier de Méré zugetragen hatte und die seither als De-Méré- oder Würfelproblem (frz. problème des dés) und Teilungsproblem (prpblème de partis) bekannt sind:
- Das Würfelproblem beschäftigt sich mit einem einfachen Glücksspiel: die Wahrscheinlichkeit, mit einem Würfel in vier versuchen mindestens eine Sechs zu werfen, beträgt mit 671/1296 knapp mehr als 50%. Versucht man hingegen, mit zwei würfeln eine Doppelsechs zu erzielen (wofür die Wahrscheinlchkeit jeweils 1/36, also nur ein sechstel des ein-Würfel-Falls beträgt) und gibt sich dafür entsprechend sechs mal so viele, also 24 Würfe, so liegt die Siegchance knapp unter 50%. Nach de Méré hätte aber die gleiche Wahrscheinlichkeit wie zuvor herauskommen müssen, sodass er einen Rechenfehler vermutete.
- Das Teilungsproblem behandelt ein fiktives Spiel, bei dem der Spieler, der zuerst eine festgesetzte Anzahl von fairen Runden für sich entscheidet, (bei denen jeder Spieler also je eine Siegchance von 50% besitzt, unabhängig vom ausgang der vorangegangenen Runden) einen Geldpreis gewinnt. Das spiel wird aber durch höhere gewalt vor der entscheidung abgebrochen, so dass der Betrag nun abhängig vom derzeitigen Spielstand gerecht geteil werden soll.
Während sich die Partner des Briefwechsels beim ersten Problem schnell einig Waren, dass de Mérés "Proportionalitätsansatz" (sechs aml niedrigere Wahrscheinlichkeit, also sechs mal so viele Versuche) naheliegend, aber fals seien und demnach keine Widerspruch bestünde, bereitete das zweite größere Probleme, da hier die Frage der Gerechtigkeit vage gestellt war und erst sinnvoll mathematisch umformuliert werden musste. Letztendlich kamen sie zu dem Entschluss, dass der Einsatz gemäß der Gewinnwahrscheinlichkeiten aufgeteilt werden müsse, und Pascal zeigte auf, wie diese mit Hilfe der Kombinatorik und speziell dem von ihm unlängst entwickelten Pascalschen Dreieck berechnet werden könne: die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler von n ausstehenden Spielen genau k gewinnt, beträgt demnach , wobei der Binomialkoeffizient dem Dreieck zu entnehmen sei.
Das Teilungsproblem war allerdings bereits schon vor de Méré bekannt und kann inzwischen bis 1380 zurückverfolgt werden, und auch bereits Cardano sowie seine Zeitgenossen Niccolo Fontana Tartaglia und Luca Pacioli hatten bereits Lösungen angeboten, die sich von Pascals und Vermats Vorschlag teilweise stark unterschieden und eher wie de Méré mit Proportionen denn kombinatorisch argumentierten. Da Pascal und Fermat von diesen aber nichts gewuss haben dürften, spätere Publikationen aber stets auf diesen aufbauten, gilt der Briefwechsel von 1654 als Geburtsstunde der Stochastik.