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Kameradschaft (Studentenorganisation)

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Kameradschaft hieß die von den Nationalsozialisten während der Weimarer Republik und im Dritten Reich angestrebte und im Laufe der Zeit auch durchgesetzte einheitliche Organisationsform der Studenten an deutschen Universitäten. Den Rahmen bildete der im Jahre 1926 gegründete Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB), später auch die Deutsche Studentenschaft.

Struktur und Tagesablauf

Dazu richtete der NSDStB ab 1933 eigene Kameradschaftshäuser in den Universitätsstädten ein, in denen die Mitglieder wie in einer Kaserne wohnten. In diesen Kameradschaften herrschte das Führerprinzip, das heißt, dass jede Kameradschaft einen Führer hatte, der für die bedingungslose Umsetzung der Parteibefehle verantwortlich war.

Das Alltagsleben in den Kameradschaften wurde - abgesehen vom Besuch der universitären Veranstaltungen - von nationalsozialistischen Schulungen und Wehrsportübungen bestimmt. Dazu gab es einen militärisch anmutenden Tagesplan, der mit dem Wecken und Frühsport begann, die Abende einschloss und sich auch auf die Wochenenden erstreckte.

Kameradschaften gab es nur für männliche Studenten, den Frauen war im Dritten Reich das Studium verwehrt.

Kameradschaften versus Studentenverbindungen

Die Kameradschaften betrachteten sich als die zeitgemäße Organisationsform der Studentenschaft und standen damit im Gegensatz zu den traditionellen Studentenverbindungen, die wiederum in zahlreichen Dachverbänden organisiert waren. Während auf der politischen Ebene von 1933 bis ungefähr 1936 mit den studentischen Verbänden diskutiert wurde, wie die einzelnen Verbindungen die Anweisungen der nationalsozialistischen Machthaber zum Zwecke der Gleichschaltung umzusetzen haben, machten die Mitglieder der Kameradschaften Druck "von der Straße". Dabei kam es nicht nur zu Rempeleien und Schlägereien, sondern teilweise zu richtigen Straßenschlachten zwischen Verbindungsstudenten und nationalsozialistischen Kameradschaftsangehörigen.

Auch die traditionellen Verbindungen mussten einige Veränderungen hinnehmen. Von ihnen wurde verlangt, dass sie von ihren Mitgliedern ebenfalls einen militärischen Tagesablauf vorschreiben und sie zu den Schulungen und Wehrsportübungen schickten. Zwischen 1933 und 1936 nahmen die Forderungen der Machthaber so lange weiter zu, bis sich die Verbindungen nicht mehr in der Lage sahen, die Forderungen zu erfüllen, ohne alle ihre Prinzipien aufzugeben. Die Folge war, dass die Verbindungen sich zwischen 1934 und 1936 auflösten oder zwangsaufgelöst wurden.

Pflichtmitgliedschaft

Die Mitglieder der aufgelösten Verbindungen wurden in neugegründete Kameradschaften eingegliedert, die Verbindungshäuser zu Kameradschaftshäusern gemacht. Die Mitgliedschaft in einer Kameradschaft wurde zur Pflicht. Um die materielle Basis der Kameradschaften zu sichern, wurde den Alten Herren der Verbindungen angeboten, in den "NS-Altherrenbund" einzutreten und die Kameradschaften zu unterstützen.

Viele Alte Herren nahmen dieses Angebot an, um den Kontakt zur akademischen Jugend nicht zu verlieren - mit der heimlichen Hoffnung, die alten Werte des Verbindungsstudententums noch weiter vermitteln zu können und zu verhindern, dass die jungen Leute ausschließlich den nationalsozialistischen Ideen ausgeliefert waren.

Erfolgreiche Unterwanderung

Diese Hoffnung trog nicht, denn spätestens mit Kriegsbeginn ließ die Überwachung der Universitäten durch den Parteiapparat nach. Es mussten ständig Befehle der Studentenführung ergehen, die immer wieder aufkeimenden Sitten und Gebräuche des Verbindungsstudententums endlich einzustellen. An einigen wenigen Universitäten (zum Beispiel Leipzig, Würzburg, Bonn etc.) wurde sogar heimlich wieder Couleur eingeführt und es wurden gar Mensuren gefochten. Strafandrohungen seitens der Behörden konnten nicht ungesetzt werden, es fehlten konkrete Hinweise. Mindestens in Würzburg und Leipzig kam es gegen Kriegsende dann doch zu Verfahren der Gestapo wegen Hochverrats, die aber im Chaos der letzten Kriegsmonate nicht zu Ende geführt werden konnten.

Viele heutige Verbindungen sehen die Kameradschaften als "Tarnorganisationen" an, mit deren Hilfe sie ihre Traditionen und Werte über die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft haben retten können. Einige Verbindungen haben bei der Wiederbegründung nach Kriegsende Kameradschaftsangehörige als Alte Herren in ihren Altherrenverband aufgenommen, besonders wenn diese in Kriegszeiten trotz der strengen Verbote reguläre Mensuren gefochten hatten.