Südtiroler Mundart
Sie ist jener Teil der Tiroler Mundart, der in dem nach dem 1. Weltkrieg von Österreich abgetrennten Teil Tirols gesprochen wird. Wissenschaftlich gesehen gehört sie somit zu der südbairischen Dialektgruppe, wenngleich sich die Südtiroler gleich wie die Nordtiroler überhaupt nicht als Baiern fühlen. Sie stellt aber keinen eigenen Zweig des Tiroler Dialektes dar, zumal die Mundart mancher Gebiete Südtirols jener von benachbarten Orten jenseits der Staatsgrenze ähnlicher ist als jener von anderen Südtiroler Gebieten.
Nach dem ersten Weltkrieg war die deutschsprachige Minderheit in Italien einer von Rom betriebenen Italianisierungspolitik ausgesetzt, die auch das Verbot der deutschen Schulen beinhaltete. Trotzdem konnte die Sprache mündlich weitergegeben werden. Nach dem 2. Weltkrieg gab es wieder Schulen mit deutscher Unterrichtssprache. Ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts nahmen die kulturellen Kontakte zum deutschsprachigen Ausland zu; sie waren und sind zu einem guten Teil durch den Tourismus und die Medien bedingt.
Rezente Beeinflussungen durch die italienische Sprache machen sich besonders im Wortschatz bemerkbar, und zwar meist nur im mündlichen Sprachgebrauch. Als typisches Beispiel kann die Bezeichnung "Targa" gelten, die für das Nummernschild eines Fahrzeuges verwendet wird. In diesem besonderen Fall stammt die italienische Wurzel aus dem altfränkischen "targa" (Schild), also aus dem germanischen Bereich. Die Bezeichnung "Hydrauliker" für den Installateur wird teilweise auch schriftlich verwendet. Eigentümliche romanische Einflüsse hat es schon vor dem 20. Jahrhundert gegeben. So wird die Preiselbeere vielerorts als "Grant" bezeichnet, was an das ladinische "granëita" (Preiselbeere) und an dessen Wurzel, das lateinische "granum" (Korn) erinnert.
Im (Süd)tiroler Dialekt haben sich einige althochdeutsche Wurzeln erhalten, die andernorts weitgehend ausgestorben sind, wie zum Beispiel "Fåk" (Schwein) - von althochdeutsch "farh". Gruamet oder Groamet (Zweite Heuernte) gehört zu den Wörtern, deren Wurzel im Mittelhochdeutschen belegt ist (gruonmāt). Im Falle von Lahn (Steinlawine, Wildbach) ist althochdeutsch leina / levina die Wurzel, stammt aber ihrerseits von lateinisch "lavina".
Bei der Südtiroler Mundart sind viele lokale Varianten unterscheidbar. Diese sind Teil von größeren Dialektgruppen, die nach den Tälern oder Abschnitten von Tälern benannt werden (z. B. Pustrerisch, Vinschgerisch, Sarnerisch, Unterlandlerisch ...). Im Osten des Landes ist das althochdeutsche uo (z. B. muoter, also Mutter) zu ui (Muito) geworden, in anderen Teilen des Landes zu ue oder ua (Muetr, Muatr). Das althochdeutsche ei (stein) erscheint im Osten als langes a (Staan), andernorts als ue oder oa (Stuen, Stoan).
In der Gegenwart wird bei der Benutzung des Hilfszeitwortes "sein" zunehmend der Imperfekt an Stelle des Perfekts verwendet. Sonst wird Vergangenes weitgehend im Perfekt ausgedrückt.
Literatur
- Josef Schatz: Wörterbuch der Tiroler Mundarten. Schlern - Schriften Nr. 119, 120.
- Josef Tscholl: Die Südtiroler Mundart. Verlag A. Weger 1999.