Berliner Phonogramm-Archiv


Das Berliner Phonogramm-Archiv - heute Teil der Abteilung Musikethnologie im Ethnologischen Museum - ist eine der weltweit bedeutenden Institutionen, in denen Tondokumente traditioneller Musik aus aller Welt gesammelt und aufbewahrt werden.
Besondere Bedeutung haben die einzigartigen historischen Sammlungen (Edisonwalzen und Schellackplatten) aus der Zeit zwischen 1893 und 1954. Die Sammlung der Edisonwalzen des Berliner Phonogramm-Archivs wurde im Sommer 1999 in die UNESCO-Liste „Memory of the World“ aufgenommen.
Die Anfänge des Archivs gehen in das Jahr 1900 zurück, als der Psychologe Carl Stumpf mit dem Edison-Phonographen eine in Berlin gastierende Gruppe thailändischer Theatermusiker aufnahm. Treibende Kraft des Archivs war Erich M. von Hornbostel, der das Berliner Phonogramm-Archiv zu einem der berühmtesten Schallarchive der damaligen Zeit ausbaute.
Organisatorisch war das Phonogramm-Archiv zunächst dem Psychologischen Institut der Universität angeschlossen, 1923 ging es in die Verwaltung der er Musikhochschule in Berlin-Charlottenburg über und wurde 1934 nach der Emigration von Hornbostels an das Museum für Völkerkunde angegliedert. Infolge der Kriegswirren kamen die Walzenbestände zeitweise nach Leningrad, dann zurück in den Ostteil Berlins. 1991 konnten die Sammlungen im Völkerkundemuseum in Berlin-Dahlem wieder vereinigt werden. Im Rahmen eines umfangreichen Projektes, das von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie finanziert wurde, konnte bisher ein Teil der historischen Tondokumente auf digitale Tonträger übertragen werden.
Der historische Bestand des Phonogramm-Archivs beläuft sich auf mehr als 150.000 originale Aufnahmen, die in der Form von Originalen, Walzennegativen (so genannten Galvanos) und Wachskopien vorhanden sind, sowie ca. 2.000 Schellackplatten. Zur Konservierung der sehr empfindlichen Walzen war in Amerika eine eigene Technik entwickelt worden, die auch in Berlin Anwendung fand. Dabei wurden die originalen Wachswalzen galvanisiert, die daraus gewonnenen negativen Walzen aus Kupfer dienten als Matrizen, von denen dann in beliebigen Zahl Kopien aus Hartwachs gegossen werden konnten.
Die Tondokumente wurden zwischen 1893 und 1954 aufgenommen; es sind insgesamt 350 Sammlungen mit Musik aus Afrika (30%), Amerika (20%), Asien (20%), Australien/Ozeanien (12%), Europa (10,4%) sowie überregionale bzw. geographisch nicht einzuordnende Sammlungen (7,4%). Die Zusammenarbeit mit Sammlern aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen (Ethnologen, Kolonialbeamten, Ärzten, Missionaren, Linguisten, Geographen, Archäologen, Musikwissenschaftlern, Forschungsreisenden) und weltweite Kontakte sicherten dem Archiv meist gut dokumentierte Aufnahmen von den verschiedensten Musikkulturen der Welt. Über ihren generellen historischen Wert hinaus erregen besonders solche Aufnahmen internationale Aufmerksamkeit, in denen Musiktraditionen von Kulturen dokumentiert sind, die heute überhaupt nicht mehr existent sind (z.B. Feuerländer) oder sich seitdem stark verändert haben.
Zwei im Museum verteilte Multimedia-Installationen „MusikWeltKarte“ vermitteln dem Besucher einen Höreindruck der historischen Walzenaufnahmen und der damit verbundenen Technik; gleichzeitig geben sie einen Überblick über die verschiedenen Musikkulturen der Welt und die Sammler, denen das Berliner Phonogramm-Archiv die Tonaufnahmen verdankt.
Literatur
Arthur Simon (Hrgs.): Das Berliner Phonogramm-Archiv 1900 - 2000. Sammlungen der traditionellen Musik der Welt. VWB, Berlin 2000, ISBN 3-86135-680-5.