Timbuktu

Timbuktu [dt. [ ], frz. Tombouctou [ ]) ist eine Oasenstadt im westafrikanischen Staat Mali mit 32.414 Einwohnern.[1]
] (Etymologie
Der Name bedeutet angeblich „Brunnen der Buktu“. Der Sage nach war Buktu (andere Schreibweise Bouctou) eine Sklavin, die mit einer Ziegenherde von den Tuareg hier zur Bewachung eines Brunnens zurückgelassen wurde. Der Name soll „Frau mit einem großen Bauchnabel“ bedeuten, möglicherweise handelt es sich dabei aber um eine Volksetymologie. Der französische Linguist René Basset leitet den Namen von einer altberberischen Wortwurzel ab, die „weit entfernt“ oder „versteckt“ bedeutet. Somit wäre der Name mit „der weit entfernte Brunnen“, d. h. am südlichen Rande der Wüste, zu übersetzen. In jüngeren Untersuchungen ist verschiedentlich geltend gemacht worden, dass der Ort ursprünglich ar nicht Tuareg, sondern von den Songhai des Umlandes gegründet wurde und die vor 150 Jahren von dem Afrikaforscher und Historiker Heinrich Barth vorgetragene Herleitung des Namens aus deren Sprache ebenfalls in Betracht gezogen werden müsse. Nach Barth würde der Name korrekt Tombutu lauten und „Ort in den Dünen“ bedeuten, was ebenfalls Sinn ergäbe.
Die Stadt hatte Jahrhunderte lang den legendären Ruf eines Ortes, der weit weg und nahezu unerreichbar ist. So wird der Name im deutschen, englischen und niederländischen Sprachgebrauch häufig als Platzhaltername für einen weit entfernten Ort im Ausland verwendet, häufig ohne dass der Sprecher weiß, wo sich dieser Ort befindet.
Geographie

Timbuktu liegt am südlichen Rand der Sahara, deren Fortschreiten (Desertifikation) der Stadt die meisten Probleme bereitet. Der Sand breitet sich überall in den Straßen aus. In den letzten zwanzig Jahren soll sich die Wüste um ungefähr 100 Kilometer weiter nach Süden vorgeschoben haben.
Nördlich des Niger-Flusses, der aus südwestlicher Richtung aus der Region Massina in einem großen Bogen fließt und hier am nördlichsten Punkt dann in südöstlicher Richtung in abdreht und später an der mehr als 2.000 km entfernten Küste in den Golf von Guinea mündet. Früher verband ein dreizehn Kilometer langer Kanal, Kabara, den Hafen der Stadt mit dem Niger. Dieser künstliche Nebenarm des Niger ermöglichte es den Bewohnern während der Flutzeiten einen direkten Zugang zum Fluss und somit Segelschiffen und Pirogen Waren in die Stadt zu bringen. Nun ist der Kanal versandet und nur als Graben sichtbar.
Obwohl Timbuktu seit Jahrhunderten ein Schnittpunkt großer Handelsstraßen ist, bereitet es heutzutage immer noch Schwierigkeiten, den Ort zu erreichen. Die Schifffahrt ist nur möglich, wenn der Wasserstand es erlaubt. Die Straßen durch die Savanne vom Süden aus versanden schnell und sind dann zeitweise unpassierbar. Von Norden her, durch die Wüste, ist der Weg zwei Gruppen von Reisenden vorbehalten: den selten gewordenen Salzkarawanen der Tuareg (vor allem aus Taoudenni) und den modernen Abenteurern, die auf den Spuren der Wüstenromantik sind. Die modernste Variante der Anreise erfolgt über den Flughafen Timbuktu, der regelmäßig von der Hauptstadt Bamako angeflogen wird.
Das Klima ist wüstenhaft, es weht stets ein trockenheißer Wind („Harmattan“) aus der Sahara. An spärlicher Vegetation finden sich hier Dornbüsche, Tamarisken, Akazien und Ginster. Aber auch der Afrikanische Affenbrotbaum (Baobab) und Palmen sowie eine Reihe von Nutzbäumen wachsen hier.
Geschichte
Gründung und Frühzeit
Timbuktu wurde nach Auskunft der freilich erst viel später entstandenen Chroniken von Timbuktu (Tarikh as-Sudan und Tarikh al-Fettach) vor dem Jahr 1100 n. Chr. von nomadisierenden Tuareg an einer Wasserstelle in der Nähe des Nigerbogens gegründet. Vermutlich aber gehen die Ursprünge weiter zurück ins 9. oder 10. Jahrhundert, und wahrscheinlich müssen wir schwarzafrikanische Songhai als Gründer des Ortes ansehen. Die archäologischen Untersuchungen vor Ort gestalten sich aber schwierig, so dass eindeutige Ergebnisse erst in einigen Jahren zu erwarten sind. Nach der Jahrtausendwende entwickelte sich der Ort rasch zu einer florierenden Handelsniederlassung an der wichtigen Karawanenstraße von Ägypten über Gao nach Kumbi-Salah im westafrikanischen Reich Gana, hatte aber bei weitem noch nicht die Bedeutung als Knotenpunkt der Handelsstraßen und als Stätte muslimischer Bildung, wie dies heute zuweilen in Büchern und Internetartikeln behauptet wird.
Die Zeit der großen westafrikanischen Reiche
Die Stadt gehörte ab dem 13. Jahrhundert oder frühen 14. Jahrhundert zum Mali-Reich. Ob die Eingliederung durch offene Eroberung stattfand oder sich die Stadt – auch zum Schutz gegen die Tuareg im Norden und die Mossi im Süden – in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Mali begab, ist nicht geklärt. Doch selbst die Oberhoheit Malis konnte einen verheerenden Überfall der Mossi im Jahre 1328 nicht verhindern. Doch schnell entwickelte sich Timbuktu zum Zentrum des Salz- und Goldhandels.

Schon zu dieser Zeit war die Stadt auch in Südeuropa bekannt, denn sie erschien bereits Mitte des 14. Jahrhunderts auf den Portulanen, den katalanischen bzw. mallorquinischen Weltkarten als Residenzstadt „Ciutat de Melli“ des „Rex Melli“, dem König von Melli. Auf der berühmten Karte des Abraham Cresques aus dem Jahre 1375 ist der sagenhafte König mit einem Goldklumpen abgebildet. Damit war Mansa Musa, der schwarze Sultan von Mali gemeint, der 1324 seine legendäre Pilgerfahrt nach Mekka absolvierte. Von dieser Wallfahrt, auf der er mit angeblich 60.000 Bediensteten begleitet worden war, wird berichtet, dass er zwei Tonnen Gold mit sich geführt und großzügig in Ägypten verteilt haben soll. Diese Berichte trugen zur Legendenbildung der maßlos reichen Stadt bei. Nach seiner Rückkehr aus Mekka beauftragte Mussa einen muslimischen Architekten aus Andalusien, der ihn bei seiner Rückkehr begleitete, mit dem Bau der Djinger-ber-Moschee und einer Residenz.
Die Europäer hatten zahlreiche Berichte nordafrikanischer Händler und Karawanenführer erhalten. Außerdem lagen schriftliche Aufzeichnungen zweier Reisender vor, welche die Phantasien in Europa anregten. Der in Tunesien geborene Marokkaner Ibn Battuta (1304–1368) machte im 14. Jahrhundert eine ausgedehnte Reise durch zahlreiche islamische Länder. Die Reise, die ihn über Ostafrika bis nach Indien brachte, führte ihn 1352 auch nach Timbuktu. Leo Africanus (1485–1556 ?), ein Moslem aus Fez, reiste im Auftrag des marokkanischen Sultans durch Nordafrika und kam ca. 1510/1512 in die Stadt. Als er später durch Gefangenschaft nach Italien gelangte, beschrieb er Timbuktu für europäische Leser und zementierte damit den Mythos von der unermesslich reichen Stadt in Afrika.
Die Glanzzeit erlebte Timbuktu im 15. und 16. Jahrhundert. Sie war damals die größte Stadt der Region und hatte geschätzte 10.000 bis 15.000 Einwohner. Zuweilen in der populärwissenschaftlichen Literatur angeführte Zahlen bis zu 100.000 oder gar 200.000 Bewohnern sind reine Spekulation, denn das Umland von Timbuktu hätte auch zu Zeiten, als die Wüstenbildung noch nicht so weit wie heute vorangeschritten war, keinesfalls eine so große Menschenzahl ernähren können. Die Stadt gehörte in diesem Zeitraum zu dem Reich der Songhai und galt als reiche Stadt. Sie wurde von einem Statthalter (tinbuktu-koi) verwaltet, wobei dieser Gouverneur von ausländischen Reisenden mehrfach für den Beherrscher des gesamten Reiches gehalten wurde. Neben dem Handel mit Salz und Gold – beide Produkte waren damals beinahe gleich wertvoll – gelangten aus dem Norden Metalle, Pferde, Waffen, Seide, Schmuck, Literatur und Datteln nach Timbuktu. Getauscht wurden neben dem begehrten Gold noch Sklaven, Elfenbein, Moschus, Kolanüsse, Pfeffer, Gummi, Lederwaren sowie Hirse aus dem Süden Westafrikas. Darüber hinaus entwickelte sich Timbuktu auch als Mittelpunkt des islamischen Geisteslebens. Neben einer Universität, an der die arabische Sprache, Rhetorik, Astrologie, die Rechtsprechung und die Schriften des Korans gelehrt wurden, gab es 180 Koranschulen. Aus der Songhai-Epoche, die durch die marokkanische Eroberung im Jahre 1591 zu Ende ging, stammen die meisten Moscheen von Timbuktu.
Timbuktu in der frühen Neuzeit
Die Ursachen der Eroberung von Timbuktu durch die Truppen des marokkanischen Sultans Mulai Ahmad al-Mansur (1578-1603) sind vielfältig. Zum einen war der Sultan daran interessiert, den Goldhandel, der sich immer stärker hin zu den europäischen Handelszentren an der westafrikaischen Küste (Senegal und Gold Coast) orientierte, wieder nach Nordafrika umzuleiten. Zum anderen sah der Sultan aus der Dynastie der Saadier, die für sich den Status von Scherifen, also von Nachkommen des Propheten Mohammed, in Anspruch nahmen, im Osmanischen Reich, das sich bis nach Algerien ausgedehnt hatte, einen gefährlichen Rivalen, denn auch der osmanische Sultan betrachtete sich als den Beherrscher aller gläubigen Muslime. Es scheint aber auch, dass al-Mansur in seiner aus spanischen Renegaten bestehenden Elitetruppe eine Gefahr für seine eigene Stellung sah. Deshalb schickte er die etwa 4.000 Mann starke Truppe, die als „Arma“ (span.: „Waffe“) bezeichnet wurde und unter dem Kommando des auf Mallorca geborenen Djuder Pascha stand, auf den verlustreichen Marsch durch die Westsahara.
Der Überlieferung nach wurde das Songhai-Reich am ersten Tag des Jahres 999 nach muslimischer Zeitrechnung besiegt. Die Marokkaner richteten zuerst in Gao, dann auch in Timbuktu Garnisonen ein, konnten sich aber nicht dauerhaft gegen Attacken der Tuareg und der südlich des Nigerknies siedelnden Völker, darunter die Bambara, halten und konzentrierten ihre Aktivitäten auf das unmittelbare Umland der Städte. Den letzten marokkanischen Pascha Uthman Ibn Abu Bakr, der 1828 Timbuktu aufgeben musste, lernte der britische Forschungsreisende Alexander Gordon Laing noch kennen. Die Stadt, die selber nie Hauptstadt eines der westafrikanischen Reiche war, konnte nie mehr ihre alte Blüte entfalten und verlor an Bedeutung. Hinzu kam, dass der atlantische Handel gegenüber dem Transsaharahandel an Bedeutung deutlich gewonnen hatte. Das westafrikanische Gold wurde nun nicht mehr durch die Sahara transportiert, sondern gelangte an die Atlantikküste – daher auch der Name Gold Coast für den heutigen Staat Ghana.
Zwischen 1823 und 1862 stand die Stadt unter der Oberhoheit des Fulbe-Kalifats von Massina, doch lag die eigentliche Autorität in der Hand des Kunta-Clans der al-Baqqai, die als bedeutendste Korangelehrte des 19. Jahrhunderts galten. Nach der Zerstörung des Reiches im Jahre 1864 gewannen die Tuareg wieder die Macht über Timbuktu, was den endgültigen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt zur Folge hatte. Erst die Eroberung durch die Franzosen in den Jahren 1893-94 beendete die Herrschaft der Wüstennomaden.
Der Wettlauf nach Timbuktu

Der britische Offizier und Schotte Alexander Gordon Laing war der erste Europäer, der 1826 nachweislich Timbuktu erreichte. Da er allerdings auf dem Rückweg von Mauren erschlagen wurde, konnte erst René Caillié, der 1828 als Araber verkleidet nach Timbuktu reiste, in Europa von dieser Stadt berichten. Allerdings entsprach sein Bericht den alten Mythen und den lang gehegten Hoffnungen und Erwartungen der Europäer so wenig, dass es sogar bis heute hartnäckige Zweifler, vor allem in Großbritannien, gibt, die bestreiten, dass er überhaupt jemals in Timbuktu gewesen sei. Allerdings wurden Cailliés Berichte fünfundzwanzig Jahre später durch den deutschen Afrikaforscher Heinrich Barth bestätigt. Barth hielt sich in britischem Auftrag von September 1853 bis April 1854 unter dem Schutz des obersten Korangelehrten der Stadt, Sidi Ahmad al-Baqqai, in Timbuktu auf und handelte mit dem Scheich und den Führern der Tuareg einen Vertrag aus, in dem sich Großbritannien verpflichtete, die Stadt und das Umland vor einem weiteten Zugriff durch die Franzosen zu schützen. Die Unterstützung durch Großbritannien hätte für die politische Führung in Timbuktu auch bedeutet, dass sie sich von der Oberhoheit der Fulbe hätte befreien können. Angesichts der zur selben Zeit erfolgenden Annäherung zwischen Franzosen und Briten wurde dieser Vertrag jedoch zur Enttäuschung al-Baqqais in London nicht ratifiziert. Ein bedeutender Erfolg für die Wissenschaft war jedoch die Tatsache, dass Barth zahlreiche historische Schriften auswerten und damit die Geschichtlichkeit des afrikanischen Kontinents beweisen konnte. Sein Reisebericht wurde zur Grundlage aller späteren Forschungsarbeiten zur Geschichte des Landes am Niger und speziell von Timbuktu. Heute erinnert noch ein Haus an Barths Anwesenheit, obwohl es sich dabei nicht um das Gebäude handelt, in dem der Reisende wohnte, denn dieses stürzte, wie der Afrikaforscher Leo Frobenius schreibt, bereits im August 1908 bei einem Unwetter ein.
Timbuktu im kolonialen und postkolonialen Zeitalter
Anfang 1894 wurde Timbuktu trotz des erbitterten Widerstandes der Tuareg und gegen den Willen der Regierung in Paris endgültig von französischen Kolonialtruppen unter dem Kommando des späteren Marschall Joffre besetzt und der Kolonie „Afrique Occidentale Française“, kurz „AOF“ (Französisch-Westafrika), einverleibt. Um die Zahl französischer Truppen und einheimischer Hilfstruppen möglichst niedrig zu halten und damit Kosten zu sparen, verfolgte die französische Kolonialverwaltung einen konzilianten Kurs gegenüber den Tuareg und sprach eine Amnestie für alle Anführer aus, die 1893 und 1894 Widerstand gegen die Besatzung geleistet hatten. Der Anführer des einheimischen Widerstandes, der Neffe des Scheich Ahmad al-Baqqai, Za'in al-Abidin ibn al-Baqqai, musste sich mit seiner Familie und seiner Bibliothek in Richtung Norden absetzen, zuerst ins Adrar n'Ifoghas und dann ins Tassili n'Ahaggar, wo er 1902 ebenfalls von französischen Truppen vertrieben wurde. Ein Großteil der Familienbibliothek soll bei der Flucht verloren gegangen sein. Noch bis in die 1920er Jahre organisierte Abidin ibn al-Baqqai vom heutigen Mauretanien aus Angriffe auf französische Stellungen in der Sahara und am Niger.
Als 1916 der Aufstand der Ulliminden-Tuareg entlang des Niger ausbrach, schlossen sich eine Reihe der Tuareg-Gruppen im Umland von Timbuktu an. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurden die Anführer, die sich am Kampf gegen Frankreich beteiligt hatten, abgesetzt und durch loyale Personen ersetzt. Insgesamt wurde durch diese Maßnahme die traditionelle Autorität der Stammesführer systematisch und bewusst unterminiert. Auch die wirtschaftliche Grundlage wurde angetastet, etwa durch die Befreiung der Sklaven, die freilich während der französischen Kolonialzeit nie konsequent durchgeführt wurde.
Durch die willkürliche Grenzziehung zwischen AOF und Algerien quer durch das Tuareg-Gebiet brachen Handelsbeziehungen nach Norden ab, so dass Timbuktu noch weiter an wirtschaftlicher Bedeutung verlor, während die Handelsstädte im Nigerbinnendelta (Djenné, Mopti) wieder aufblühten. Von Bedeutung blieb jedoch der Salzhandel mit dem Norden des heutigen Mali, d. h. mit Taoudeni. Verwaltungstechnisch wurde Timbuktu zu einer Unterkommandantur, die einem Kolonialoffizier im Rang eines Majors unterstand. Die Truppe bestand überwiegend aus einheimischen Kamelreitern ("méharistes") und war im "Fort Bonnier" stationiert, das nach dem Kommandanten benannt war, dessen Kolonne Timbuktu 1893 als erste besetzt hatte. Die Garnison war jedoch wenig effektiv, und so konnten maurische Kriegernomaden aus dem Norden des Landes 1923 nicht nur die Umgebung der Stadt unsicher machen, sondern sogar Timbuktu selbst angreifen und eine Abteilung Kamelreiter niedermachen, bevor Verstärkung für die Garnison aus Mopti eintraf. Nach unbestätigten Berichten agierten die Krieger im Auftrag des vertriebenen Scheichs von Timbuktu, Za'in al-Abidin ibn al-Baqqai.
Nach dem 22. September 1960 war Timbuktu Teil der von Frankreich in die Unabhängigkeit entlassenen Republik Mali. Bereits in den 1950er Jahren war es zu Auseinandersetzungen zwischen den Tuareg und schwarzen Verwaltungsbeamten, die damals noch in französischen Diensten standen, gekommen. Nach der Unabhängigkeit eskalierte der Konflikt zwischen den Wüstennomaden und den Vertretern der Staatsmacht, die bemüht war, die unkontrollierbaren Tuareg sesshaft zu machen. In den 1990ern kam es unter den Tuareg zu einem Aufstand, der das Ziel hatte, einen eigenen Staat auszurufen. Die Rebellion wurde 1996 mit einer symbolischen Waffenverbrennung beendet.
Bevölkerung
Durch die bewegte Geschichte und der Lage am Schnittpunkt großer Handelsstraßen setzt sich die Bevölkerung Timbuktus aus den Angehörigen verschiedenster Volksgruppen zusammen. Darunter Berber, Mauren, Songhai, Mandinka und die Bambara. Zum Teil bewohnen sie ihre eigenen Viertel. In der Stadt und deren Umgebung wird man Vertreter der Tuareg mit ihren Kamelen und den Fulbe mit ihren Viehherden antreffen. Die Bozo leben als Fischer am Niger.
Am meisten wird unter der Bevölkerung die Sprache Songhai, mit dem Dialekt Koyra Chiini gesprochen. Daneben sprechen ein Zehntel Tamascheq oder Arabisch.
Religion
Timbuktu dürfte bereits im hohen Mittelalter islamisch geworden sein, wenngleich die in arabischer Sprache verfassten Dokumente den genauen Zeitpunkt nicht erkennen lassen. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass die Islamisierung noch vor dem 13. Jahrhundert, als Timbuktu unter den Einfluss des Mali-Reiches geriet, weitgehend abgeschlossen war. Dies bedeutet aber in der Praxis, dass in erster Linie die berberische Oberschicht dem neuen Glauben anhing, während die Unterschichten sich zwar zum Islam bekannten, aber weiterhin animistischen Glaubensvorstellungen und Riten anhingen.
Im ausgehenden Mittelalter und vor allem im 16. Jahrhundert war Timbuktu ein Zentrum islamischer Gelehrsamkeit, aber im Gegensatz zu vielen Mythen keine heilige Stadt wie Mekka, Medina und Jerusalem. Islamwissenschaftler nehmen an, dass die Eroberung der Stadt durch die Marokkaner im Jahre 1591 auch Auswirkungen auf die Gläubigkeit der Bewohner von Timbuktu hatte, da angesichts der allmählichen Verarmung der Stadt auch die Bildungszentren litten, was zu einer Verwässerung des Islam und zum Erstarken alter, vorislamischer Glaubensvorstellungen führte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts geriet Timbuktu in den Strudel der islamischen Erneuerung - auch als Fulbe-Dschihad bezeichnet - und erlebte einen Aufschwung der religiösen Bildung. Seit dem frühen 19. Jahrhundert dominierten die maurischen Kunta – zwischen 1830 und 1895 unter dem Clan der al-Baqqai – das religiöse Leben der Stadt. Ihre Scheichs, vor allem Sidi Ahmad al-Baqqai, galten als große Gelehrte, die eine friedliche Durchsetzung der strengen Lehre verfolgten, gleichzeitig aber die bewaffnete Verbreitung des Glaubens strikt ablehnten - im Gegensatz zu den Fulbe von Massina, die sich als Oberherren von Timbuktu etablierten.
Die Bevölkerung von Timbuktu und des Umlandes sind heute ausschließlich Muslime. Allerdings waren bei den Songhai bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nachweislich prä-islamische Glaubensvorstellungen und Praktiken üblich (H. Miner). Auch bei den Tuareg finden sich magische Vorstellungen, die mit dem Islam nicht in Einklang zu bringen sind und von den Korangelehrten heftig kritisiert wurden bzw. werden.
Timbuktu wurde in der Literatur häufig als "verbotene Stadt" bezeichnet und galt als Hort fanatischer Muslime. Diese Auffassung ist nicht länger zu halten. Als Handelsstadt war Timbuktu eher offen, und der in Westafrika praktizierte Islam war bis zum Fulbe-Dschihad (frühes 19. Jahrhundert) sehr tolerant. Auch die in Timbuktu maßgeblichen Murabatin aus dem Clan der al-Baqqai werden einhellig als weltoffen und keineswegs fremdenfeindlich geschildert. Was europäische Reisende als islamischen Fanatismus empfanden, entpuppt sich bei genauer Lektüre als Ausdruck einer unreflektierten Fremdenangst, wie sie in allen Kulturen anzutreffen ist. Auch die Abneigung gegen potentielle Konkurrenten beim harten und entbehrungsreichen Transsaharahandel muss bei der Interpretation dieses Phänomens in Betracht gezogen werden. Diese nicht religiös motivierte Fremdenfeindlichkeit vermischte sich leicht mit religiösen Vorurteilen, da der „Fremde“ kein Muslim war. Heinrich Barth hat dieses Phänomen an verschiedenen Stellen seines Reisewerkes nachvollziehbar beschrieben. Zum anderen gelangten einzelne Reisende zu einer Zeit des politischen Umbruches nach Timbuktu, so etwa Alexander Gordon Laing im Jahre 1826 oder Heinrich Barth im Jahre 1853. Die in Timbuktu herrschenden Kunta standen im offenen Konflikt mit den Tukulor (Fulbe) von Massina, den nominellen Oberherren der Stadt, die eine radikalere und damit auch fremdenfeindlichere Position innerhalb der islamischen Theologie vertraten. Die rivalisierenden politischen Gruppen sahen in den Fremden eine Marionette, die sie im Kampf um die Vorherrschaft einsetzen konnten. Nicht zu vergessen ist, dass die Epoche der großen Sahara-Expeditionen mit der kolonialen Expansion Frankreichs in Nordwestafrika zeitlich zusammenfiel und die Christen als Spione und Agenten einer potentiellen europäischen Besatzungsmacht gesehen werden konnten. Im Zeitalter des Kolonialismus erwies sich der angeblich religiös motivierte Christenhass als ein perfektes Argument für die europäische Seite, um die Besetzung einer "Hochburg des Fanatismus", wie Timbuktu von Saharaforschern wie Gerhard Rohlfs, Henri Duveyrier und Oskar Lenz bezeichnet wurde, zu rechtfertigen.
Inwieweit es über längere Zeit eine jüdische Minderheit gegeben hat und ob oder wann diese zum Islam übertrat oder zum Übertritt gezwungen wurde, ist z. Z. noch umstritten. Der Versuch des katholischen Missionsordens „Weiße Väter“, in den Jahren unmittelbar nach der Eroberung der Stadt (zwischen 1895 und 1900) unter den Sklaven und den Bozo zu missionieren, scheiterte. Der Missionar Augustin Hacquard musste Timbuktu verlassen und verfasste lediglich eine ethnologische Schrift über die Stadt, die als historisches Dokument noch von erheblichem Wert ist (siehe Bibliografie).
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Weltkulturerbe

Das historische Stadtbild zählt wegen der charakteristischen Lehmbauweise und zahlreicher Moscheen des 13. bis 15. Jahrhunderts seit 1988 zum Weltkulturerbe der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO). Die drei Moscheen die das Stadtbild prägen, die Djinger-ber-Moschee, die Sankóre-Moschee und die Sidi Yahia-Moschee waren 1996 in der Liste der gefährdeten Denkmäler aufgenommen worden. Sie stammen aus dem 14. Jahrhundert und wurden im Laufe der Zeit schon mehrmals renoviert. Mit Hilfe der UNESCO wurde ein Programm zur Konservierung aufgelegt, so dass die Stätten 2005 wieder von der roten Liste gestrichen werden konnten. Drei weitere Moscheen aus dieser Zeit, die El-Hena-Moschee, die Kalidi-Moschee und die Algourdour-Djingareye-Moschee sind leider zerstört.
Mit den drei erhaltenden Moscheen zählen auch 16 Friedhöfe und Mausoleen zu dem Weltkulturerbe. Das bekannteste Mausoleum ist das des Scheichs Abul Kassim Attouaty, der 1529 verstarb. Daneben sind noch die Gräber des Gelehrten Sidi Mahmoudou und des Restaurators der Moscheen, des Qadi Al Aqib, die 1548 bzw. 1583 verstarben, zu nennen.
Bildung
Im 15. Jahrhundert war die Stadt mit der Universität Sankóre, die nach unbestätigten Überlieferungen schon im Jahr 989 erbaut wurde, in der islamischen Welt ein Zentrum der Bildung. Der Ruf der Universität, die angeblich bis zu 25.000 Studenten unterrichtete, drang bis in andalusische Granada. Es wird berichtet, dass schon im 14. Jahrhundert hier am Auge operiert und dem etymologischen Ursprung der Wörter nachgegangen wurde.
Zahlreiche Dokumente der Bibliothek von Sankóre sind noch erhalten, die teilweise während einer Auslagerung durch die United States Library of Congress auf Mikrofilm aufgezeichnet wurden.
Wirtschaft
Heute ist Timbuktu eine arme Stadt, die historische Innenstadt ist von wenigen Ausnahmen abgesehen in einem schlechten Zustand. Sand und Dreck findet sich überall in den Straßen. Vom Glanz alter Tage ist heute nichts mehr übrig geblieben, die Bevölkerung ist arm und zum großen Teil arbeitslos. Timbuktu wirkt noch karger als andere Städte in der Sahelzone.
Ein wenig Einkommen erhält die Stadt durch den Tourismus, vor allem amerikanische Touristen besuchen die Stadt und wollen den Mythos des sagenhaften Ortes erkunden. Meist bleiben sie aber nur einen Tag und sind oft vom Besuch enttäuscht.
Partnerstädte
Seit 1968 unterhält Timbuktu eine Städtepartnerschaft mit Chemnitz.
Söhne und Töchter der Stadt
- Sidi Ahmad al-Baqqai (1803-1865), bedeutender islamischer Gelehrter und Politiker
- Ali Farka Touré (1939–2006), Musiker
- Seidnaly Sidhamed (Alphadi) *1957, Designer
Trivia
- Bekanntheitsgrad unter Comiclesern erlangte die Stadt durch die Donald-Duck-Comics von Carl Barks. Drohte Donald Duck Ärger in seiner Heimatstadt, so machte er sich auf, um an einen möglichst weit entfernten, abgeschiedenen Ort zu gelangen. Im letzten Bild solcher Comics sieht man ihn meist gen Horizont rennen, ein Schild weist in die Richtung mit der Aufschrift „Timbuktu“.
- In Walt Disneys Aristocats wird der böse Butler Edgar am Schluss in einem Koffer nach Timbuktu verfrachtet.
Siehe auch
Literatur
- Michel Abitbol: Tombouctou et les Arma : de la conquête marocaine du Soudan nigérien en 1591 à l'hégémonie de l'Empire Peulh du Macina en 1833. Paris 1979 ISBN 2-7068-0770-9
- Heinrich Barth: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Centralafrika in den Jahren 1849 bis 1855. Gotha 1857-58, bes. Bd. 4 u. 5.
- Tor A. Benjaminsen u. Gunnvor Berge: Une histoire de Tombouctou. Arles 2004 ISBN 2-7427-4908-X
- Sékéné Mody Cissoko, Tombouctou et l'empire Songhay: Épanouissement du Soudan nigérien aux XVe - XVIe siècles. Paris 1996. ISBN 2-7384-4384-2
- Robert Davoine: Tombouctou : fascination et malédiction d'une ville mythique. Paris 2003 ISBN 2-7475-3939-3
- Felix Dubois: Tombouctou la mystérieuse. Paris 1897.
- Augustin Hacquard: Monographie de Tombouctou. Paris 1900.
- John Hunwick: Timbuktu. In: Encyclopédie de l'Islam. Nouvelle édition. Leiden 2002, Bd. 10, S. 544-546 (Artikel von einem führenden Kenner der Geschichte des Sudan, allerdings in französischer Sprache)
- Joseph Joffre: My March to Timbuctoo. London 1915.
- Friedrich Kunstmann: Die Handelsverbindungen der Portugiesen mit Timbuktu im 15. Jahrhundert. München 1850.
- Horace Miner: The Primitive City of Timbuctu. Princeton 1953 (verb. Aufl. New York 1965)
- Regula Renschler: Am Schnittpunkt großer Handelsstraßen. Leben in der Wüste – am Beispiel Timbuktu. In: Katja Böhler u. Jürgen Hoeren (Hgg.): Afrika. Freiburg im Breisgau – Wien 2003, S. 96-103. ISBN 3-89331-502-0 (eher journalistisch, ursprünglich aus einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung)
- Elias N. Saad: Social History of Timbuctu: The Role of Muslim Scholars and Notables, 1400-1900. Cambridge 1983.
- Anthony Sattin: The Gates of Africa: Death, Discovery, and the Search for Timbuktu. New York 2003 (über die ersten Forschungsreisen nach Timbuktu, vor allem Mungo Park, Alexander Gordon Laing und René Caillié) ISBN 0-312-33643-8.
- John Spencer Trimingham: A History of Islam in Western Africa. London - Oxford - New York 1962.
Weblinks
- Bibliografie zur Geschichte Timbuktus von Prof. John O. Hunwick; Literatur bis ca. 2000
- Bibliografie zur Geschichte Timbuktus und der Tuareg am Nigerbogen
- Textauszug aus Barths Reisewerk u. Abbildung
- UNESCO-Seite von Timbuktu
- Artikel über die islamischen Handschriften in Timbuktu
- Das Weltkulturerbe
- Unterwegs nach Timbuktu (Reisebericht eines dpa-Korrespondenten)
- Bilder und Reiseinformationen (englisch)
- Fotos von 1906
- Haus, in dem Barth in Timbuktu lebte
- Heinrich Barth und Timbuktu
- Timbuktu-Webseite der Universität von Oslo mit wertvollen Links
Quellen
- ↑ http://www.bevoelkerungsstatistik.de Stand 1. Januar 2006