Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen
Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist nach dem deutschen Strafrecht ein Vergehen, das in Vorlage:Zitat de § StGB geregelt ist. Bei diesem Staatsschutzdelikt handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Schutzgüter sind der demokratische Rechtsstaat und der politische Friede.
Tatobjekt
Tatobjekte können Kennzeichen von solchen Parteien oder Vereinigungen sein, die in Vorlage:Zitat de § Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB aufgeführt werden. Als Kennzeichen werden dabei u. a. Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen verstanden (Abs. 2 S. 1).
Kennzeichen verbotener Parteien
§ 86 Abs. 1 Nr. 1 StGB nennt durch das Bundesverfassungsgericht verbotene Parteien sowie Kennzeichen von deren Ersatzorganisationen. Dies betrifft die Symbole der SRP[1] und der KPD[2].
Kennzeichen verbotener Vereinigungen
In § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB werden Vereinigungen genannt, die unanfechtbar verboten sind, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Gleiches gilt für deren Ersatzorganisationen. Die Verbotsbehörde bestimmt sich nach Vorlage:Zitat de § Abs. 2 VereinsG.
Beispiele solcher Vereinigungen sind die Deutsche Alternative, die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei, der Nationaler Block, die Nationalistische Front, die Nationale Liste, die Nationale Offensive, die Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten, die Nationale Sammlung, die Heimattreue Vereinigung, die Wiking-Jugend[3], die Blood and Honour Division Deutschland und die Skinheads Allgäu.
Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen
In § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB geht es um die ehemaligen nationalsozialistischen Organisationen. Zu den Kennzeichen, die von der Strafvorschrift erfasst werden, können neben Symbolen wie dem Hakenkreuz auch Parolen wie „Heil Hitler“[4], „Sieg Heil“[5], „Meine Ehre heißt Treue“ oder „Mit deutschem Gruß“[6] zählen sowie Lieder wie das Horst-Wessel-Lied oder „Es zittern die morschen Knochen“[7].
Keine nationalsozialistischen Kennzeichen sind dagegen die Reichskriegsflagge (in einer Version vor 1935, d.h. ohne Hakenkreuz) oder die erste Strophe des Deutschlandliedes.
Zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen
Durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994 wurden den aufgeführten Kennzeichen solche gleichgestellt, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind (Abs. 2 S. 2). Neonazis waren zunehmend mit leicht abgewandelten Zeichen wie spiegelverkehrten oder invertierten Hakenkreuzen aufgefallen. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "zum Verwechseln ähnlich", dass ein "nicht besonders sachkundiger und nicht genau prüfender" Betrachter die typischen Merkmale eines Originalsymbols erkennt. Dabei ist unerheblich, ob das fragliche Symbol bekannt oder unbekannt ist.
Tathandlung
Verboten ist sowohl das Verbreiten der genannten Kennzeichen als auch das öffentliche Verwenden sowie das Verwenden in einer Versammlung (Abs. 1 Nr. 1). Ebenso sind entsprechende Vorbereitungshandlungen, namentlich das Herstellen, das Vorrätighalten sowie das Ein- und Ausführen strafbar (Abs. 1 Nr. 2).
Ausgenommen hiervon sind Handlungen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlicher Zwecke (Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB).
Rechtsfolgen
Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Das Gericht kann dem Täter nach Maßgabe von Vorlage:Zitat de § StGB die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen. Bei geringer Schuld kann das Gericht gem. § 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 4 StGB von Strafe absehen. Außerdem können die Tatgegenständen gem. Vorlage:Zitat de § S. 1 Nr. 2 StGB eingezogen werden.
Problematik der durchgestrichenen Hakenkreuze
Am 29. September 2006 verurteilte das Landgericht Stuttgart einen Versandhändler von „antifaschistischen Gütern“, d. h. z. B. Aufnäher mit durchgestrichenen Hakenkreuzen, wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a Abs. 1 Nr. 1 und 2, 86 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Geldstrafe von insgesamt 3600 Euro. Danach sei es rechtswidrig, Aufdrucke auf T-Shirts, Postern, Anhängern oder Ähnlichem zu verwenden, welche sich offensichtlich bewusst gegen die auf ihnen dargestellte Symbolik aussprechen – unabhängig davon, unter welchem Slogan sie verfasst und beworben wurden (beispielsweise "Nazis raus!"). Begründet wird dies damit, dass es sich bei § 86a StGB unstreitig um einen abstrakten Gefährdungstatbestand handele und daher die politische Meinung unabhängig von der Erfüllung des Tatbestandes sei. Zudem solle die Symbolik der NS-Zeit gänzlich verbannt werden.
Das Urteil stieß sowohl seitens der Politik als auch vieler Strafrechtler auf große Empörung, weil diese Auslegung nicht vom Gesetzeszweck des § 86 a StGB gedeckt sei – das bewusste Eintreten gegen Rechtsextremismus sei förderungswürdig und nicht zu inkriminieren. Das Urteil des Landgerichts war Diskussionsthema einer Debatte des Bundestages.
Der Bundesgerichtshof hob jedoch in der Revisionsentscheidung – Urteil vom 15. März 2007 – 3 StR 486/06 – das Urteil der Vorinstanz auf und sprach den Angeklagten frei. Der BGH begründete dies damit, dass der Tatbestand zu weit gefasst sei und der Einschränkung bedürfe. Insbesondere erfasse der § 86a StGB dann nicht den Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation, wenn bereits der Inhalt der Darstellung offenkundig und eindeutig die Gegnerschaft zu der Organisation und ihrer Ideologie zum Ausdruck bringe; auch unabhängig davon, ob Artikel mit solcher Symbolik aus kommerziellen Interessen massenhaft vertrieben werden. Es bestehe insofern auch keine Nachahmungsgefahr, weil die Anhänger rechtsextremer Organisationen Darstellungen, in denen solche Kennzeichen in gegnerischer Zielrichtung verwendet werden, als Verhöhnung der ihnen „heiligen“ Symbole empfänden und selbst nicht gebrauchen würden.[8]
Quellen
- ↑ Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1952, Aktenzeichen 1 BvB 1/51; Fundstelle: BVerfGE 2, 1
- ↑ Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. August 1956, Aktenzeichen 1 BvB 2/51; Fundstelle: BVerfGE 5, 85
- ↑ Bekanntmachung vom 10. November 1994, BAnz. S. 11393
- ↑ Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, NJW 1970, 2257
- ↑ Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. September 1990, MDR 1991, 174
- ↑ Entscheidung des Bundesgerichtshofes, Aktenzeichen 3 StR 280/76, BGHSt 27,1
- ↑ Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, NJW 1991, 1498
- ↑ „Durchgestrichenes Hakenkreuz kein verbotenes Kennzeichen“ Pressemitteilung des BGH Nr. 36/2007, vom 15. März 2007 ([1]).