Wehrkirche

Als Wehrkirche werden Kirchen bezeichnet, die augenscheinlich mit wehrhaften Vorrichtungen, wie z. B. Zinnen, Pechnasen oder Schießscharten, versehenen bzw. mit Wehrbauten umgebenen sind. Bei jüngeren archäologischen und baugeschichtlichen Untersuchungen wurde dagegen festgestellt, daß zahlreiche dieser Kirche keine baulichen Elemente besitzen, die für eine echte wehrtechnische Befestigung bzw. eine aktive Verteidigungsfähigkeit sprechen. Oder es wurden Elemente, die mit fortifikatorischen Aufgaben in Verbindung gebracht werden, als nicht zum originalen Baubestand gehörig oder als dafür unbrauchbar erkannt, wie z.B. die angeblichen Gußerker, bei denen es sich zumeist lediglich um Abtrittsöffnungen handelt, oder "Schießscharten", die fast immer nur Schlitzfenster sind.
Häufig wurden Kirchen erst im 15./16. Jahrhundert teilweise befestigt oder sogar nur symbolhaft mit Wehrelementen versehen.
Im Süden Frankreichs und vor allem in Siebenbürgen existieren sogenannte Kirchenburgen mit Kastellen, Wehrgängen, Zwinger und Torturm. In Südfrankreich sind heute noch rund 350 Wehrkirchen aus der Zeit der Religionskriege erhalten. 150 aus dem Kampf gegen den Islam haben sich in Siebenbürgen bewahrt.
In Deutschland erhielten die immer noch diesem Typus verhafteten Kirchen während des Dreißigjährigen Krieges, wie beispielsweise in Solingen, eine letzte Bedeutung als Refugium gegen die marodierende Soldateska. In Mittelfranken haben sich einige dieser Anlagen erhalten (z.B. Kraftshof, Großgründlach, Veitsbronn).
In Skandinavien, Kärnten und der Steiermark findet man noch einige Rundkirchen, die ebenfalls diesem Typus zuzurechnen sind.
Literaturhinweise
- Höhne, Dirk: Bemerkungen zur sogenannten Wehrhaftigkeit mittelalterlicher Landkirchen. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 12 (2003), S. 119-149.
- Schmitt, Reinhard: Zum Westbau des Havelberger Domes: Bergfried, Wehrturm oder Kirchturm? In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 6 (1997), S. 6-40.
- Schmitt, Reinhard: „Wehrhafte Kirchen" und der „befestigte Kirchhof“ von Walldorf, Kreis Schmalkalden-Meiningen. In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt 9 (2000), S. 127-149.
- Zeune, Joachim: Neue Forschungen an fränkischen Kirchenburgen. In: Burgenforschung aus Sachsen 5/6 (1995), S. 226-239.
- Hopf, Udo: Die St. Crucis Kirche zu Espenfeld. Untersuchungen zur Baugeschichte und Befestigung. In: Burgen und Schlösser in Thüringen 1996, S. 85-92.
- Hopf, Udo: Baugeschichtliche Untersuchung der sogenannten Wehrkirche zu Schaala. In: Burgen und Schlösser in Thüringen 1997, S. 110-118;
- Ober, Marek: Wehrbaukostüm und Konnotationen der Wehrhaftigkeit bei den pommerschen und neumärkischen Stadt- und Dorfkirchen. In: Echte Wehrhaftigkeit oder martialische Wirkung. Zur praktischen Funktion und zum Symbolcharakter von Wehrelementen profaner und sakraler Bauten im Deutschordensland Preußen und im Ostseeraum. Kunsthistorische Arbeiten der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 3, Köln 2000, S. 139-149.