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Himmelsscheibe von Nebra

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Erster Zustand: Links der Vollmond, rechts der zunehmende Mond, oberhalb dazwischen die Plejaden. Vereinfachte Darstellung
Zweiter Zustand: Ergänzung um die Horizontbogen. Links für den Sonnenuntergang (oben Sommer-, unten Wintersonnenwende), rechts für den Sonnenaufgang (Oben Winter-, unten Sommersonnenwende). Einzelne Sterne wurden versetzt oder entfernt. Vereinfachte Darstellung
Dritter Zustand: Ergänzung um das Himmelsschiff. Vereinfachte Darstellung
Heutiger Zustand: Der linke Horizontbogen fehlte schon, als die Scheibe vergraben wurde, die Lochungen am Rand waren bereits vorhanden. Die Einkerbung oben links wurde durch die Ausgräber verursacht. Vereinfachte Darstellung

Die Himmelsscheibe von Nebra ist die älteste bekannte Himmelsdarstellung und eventuell auch die älteste astronomische Sternkarte der Menschheitsgeschichte. Sie wurde auf dem Mittelberg nahe der heutigen Kleinstadt Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden und ist derzeit - nach einer vollständigen Restaurierung - im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) im Rahmen einer Ausstellung zur Bronzezeit zu sehen. Sie wird auch als Mondscheibe bezeichnet.

Fakten und Vermutungen

Die grünlich schimmernde Scheibe hat einen Durchmesser von 32 Zentimetern und ist 2 kg schwer. Sie besteht aus Bronze, einer Legierung aus Kupfer und Zinn, und ist geschmückt mit Gold, das in Einlegetechnik ( = Tauschieren) auf der Bronzescheibe befestigt wurde. Damit beweist der Hersteller bzw. Künstler, dass er die Eigenschaften und das nötige Mischungsverhältnis der Metalle gut kannte. Sie wurde etwa zwischen 1800 v. Chr. und 1600 v. Chr. erschaffen und ist damit heute etwa 3600 Jahre alt.

Gestaltung und Deutung der Scheibe

Eine hochauflösende Darstellung der Himmelsscheibe, mit der Möglichkeit, den Fund mit der "Lupe" zu betrachten, findet sich hier.

Die Herstellung der Himmelsscheibe zog sich vermutlich über mehrere Jahrzehnte hin.

  • Die Bronzescheibe soll ursprünglich eine schwarze Farbe gehabt haben, weshalb man sie als Darstellung des Nachthimmels deutet.
  • Zunächst einmal wurden auf der Bronzescheibe 32 Sterne ( = runde Goldplättchen) befestigt, wovon 7 sehr dicht beieinander angeordnet sind, während die restlichen scheinbar wahllos auf der Scheibe verteilt wurden. Die 7 nah beieinander stehenden Goldplättchen sollen laut ersten Forschungsergebnissen die Sterngruppe der Plejaden darstellen, der Rest wird als neutraler Sternenhimmel gewertet.
  • Die große, runde Goldeinlegearbeit erscheint auf den ersten Blick als Darstellung der Sonne, doch wollen die Archäologen in ihr einen Vollmond erkennen, da sie ja von der Abbildung eines Nachthimmels ausgehen.
  • Ein sichelförmiges Goldornament wird als Mondsichel interpretiert.
  • Zu einem späteren Zeitpunkt wurden zwei als Horizontbögen bezeichnete Goldornamente auf dem oberen und unteren Ende der Scheibe ergänzt, von denen einer mittlerweile verlorenen gegangen ist. Dass diese beiden Teile später auf die Scheibe hinzugefügt wurden, kann man an ehemaligen Vertiefungen für 'Sterne' erkennen, die im Röntgenbild sichtbar werden. Diese beiden Horizontbögen sollen den Lauf der Sonne mit ihren Auf- und Untergangspunkten über das Jahr verteilt in Sachsen-Anhalt anzeigen. Da sie exakt den 82° Winkel der Sonne im Bereich von Sachsen-Anhalt während der frühen Bronzezeit abbilden, sind sie ein wichtiger Hinweis dafür, dass die Himmelsscheibe auch in dieser Gegend entstanden sein müsse.
  • Als letzte Ergänzung kam eine weitere goldene Sichel hinzu, die aufgrund ihrer Gestaltung mit einer Barke gleichgesetzt wird, wie man sie aus ägyptischen oder minoischen Abbildungen her kennt. Ein Indiz für die spätere Ergänzung ist das andere Mischungsverhältnis von Gold und Silber. Man deutet die Darstellung als Sonnenschiff. Dieses solle die Reise der Sonne von West nach Ost in der Nacht symbolisieren. Dafür, dass es sich um die Darstellung eines Schiffes nach ägyptischem oder minoischem Vorbild handelt, spricht, dass deutliche Längsrillen am Schiffsrumpf erkennbar sind, die den Nilbooten mit ihren Lagen aus Schilfbündeln ähneln.
  • In der letzten Phase der Nutzung wurde die Scheibe am Rand vielfach und in recht engem Abstand durchlöchert. Möglicherweise war sie irgendwo angenagelt.
  • Nach Meinung von Prof. Schoppe läßt sich die Bronzescheibe aufgrund seiner Theorie, Atlantis habe im schwarzen Meer gelegen und sei 5510 v. Chr. untergegangen, als Landkarte deuten: Der Vollmond entspricht dem Halle/Saale-Gebiet, der Sichelmond soll die Alpen darstellen. Im Osten findet sich mit den Plejaden Siebenbürgen als Hauptsiedlungsort und kulturelles Zentrum der Nachfahren überlebender Atlanter und im Westen die Sonnenbarke. Die Horizontbögen seien Nord-Ostsee-Gebiet und das Mittelmeer.

Vermutungen über den Gebrauch der Scheibe im Kontext zu ihrem Fundort

Die Himmelsscheibe wurde in einer bronzezeitlichen Anlage auf dem 252m hohen Mittelberg bei Nebra oberhalb der Unstrut im Jahre 1999 von Raubgräbern in einer Steinkammer entdeckt. Der Fundort wurde mittlerweile von Archäologen genauer untersucht. Man geht davon aus, dass diese Anhöhe bereits seit 5000 v. Chr. von Menschen genutzt wurde. Später wurde die Anlage mit einem kreisförmigen Wall umgeben. Nicht zuletzt aufgrund des Fundes der Himmelsscheibe wird die Anlage als Sternwarte gedeutet. Vom Mittelberg aus hatte man in der Bronzezeit eine gute Sicht zum ca. 80 km entfernt liegenden Brocken im Harz, da man davon ausgeht, dass der Mittelberg in der Bronzezeit unbewaldet war. Mit Hilfe der Himmelsscheibe konnte man von hier aus anhand des Sonnenuntergangs exakt bestimmte Tage im Jahr feststellen. Hält man die Scheibe in westlicher Richtung, also in die Richtung des Brockens, so kann man anhand des linken Randes des oberen Horizontbogens den Tag der Wintersonnenwende, also den 21. Dezember ablesen. Am 21. Juni, dem Tag der Sommersonnenwende, geht die Sonne genau hinter dem Brocken unter, was der rechte Rand des oberen Horizontbogens der Himmelsscheibe markiert. Am 1. Mai geht die Sonne vom Mittelberg aus gesehen hinter dem Kyffhäuser unter. (Siehe dazu auch die beigefügte Skizze)

Aufgrund dieser ersten Deutungen und Erkenntnisse geht man davon aus, dass diese Himmelsscheibe nicht eine einfache Darstellung des Himmels ist, sondern dass sie speziell für astronomische Zwecke, genauer kalendarische, hergestellt wurde. Der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Harald Meller, bezeichnet sie sogar als die "weltweit älteste konkrete Abbildung des Sternenhimmels" (lt. National Geographic Deutschland, Januar 2004).

Die Forschung vermutet, dass die Himmelsscheibe um 1600 v. Chr. vergraben wurde, als einer der goldenen Horizontbögen verloren gegangen war und somit eine kultische und auch astronomisch sinnvolle Nutzung nicht mehr in Frage kam. Die Deutung, dass die Scheibe auch als Kultgegenstand von besonderem Wert zu interpretieren ist, wird dadurch bestärkt, dass sie zusammen mit zwei Zeremonienschwertern, einem Meißel, zwei Beilen und zwei Spiralarmreifen vergraben wurde.

Da man in etwa 20 km Entfernung von der Fundstelle in Nebra auch das älteste Sonnenobservatorium Europas bei Goseck im Landkreis Weißenfels aus der Zeit um etwa 5000 v. Chr. entdeckt hat, liegt die Vermutung nahe, dass das Wissen auf der Scheibe sogar schon Generationen davor durch Beobachtungen bekannt war.

Nach der Meinung von Prof. Schoppe soll die Bronzescheibe aber lediglich ein Schildbuckel oder ein Schild gewesen sein. Warum die Bronzescheibe flach war, während Schilde und Schildbuckel aus Festigkeitsgründen normalerweise räumlich gekrümmt sind, erklärt Schoppe nicht. Auch die für eine Schutzwaffe unzureichende Materialstärke der Bronzescheibe findet bei Schoppe keine Erklärung. Seine Belege sind die Beifunde (zwei Schwerter und zwei Beile), die Größe und die etwa 40 Löcher am Rand, die der Befestigung mit Riemen gedient haben sollen.

Siehe auch: Sonnenobservatorium von Goseck

Bedeutung des Fundes für die Geschichtswissenschaft

Die Besonderheit der Himmelsscheibe von Nebra ist vor allem in zwei Punkten zu sehen:

  • Zum einen beweisen die Menschen der Bronzezeit aus der Region Sachsen-Anhalt, dass sie bereits vor 1600 v. Chr. die komplizierte Technik, die zur Herstellung dieser Bronzescheibe mit ihren Goldeinlegearbeiten vonnöten ist, beherrschten. Dieses Können hatte man ihnen eher weniger zugetraut.
  • Zum anderen muss bedacht werden, dass es in Europa bisher nur Reste aus dem Bereich der Steinsetzungen (vgl. etwa Stonehenge) gab, die andeuteten, dass auch in Europa astronomisches Wissen vorhanden war.

Damit gewinnt die gesamte Region im Vergleich zu den angesehenen Hochkulturen dieser Epoche, etwa Ägypten, Mesopotamien, die Minoer auf Kreta oder die Mykener in Griechenland, an Gewicht. Es liegt die Vermutung nahe, dass es gar einen regen Fernhandel zwischen all diesen Hochkulturen gegeben hat, mit dem nicht nur Waren in die jeweils anderen Gegenden transportiert wurden, sondern auch Wissen und Kulte.

Entdeckung

Am 23. Februar 2002 wurde von der schweizerischen Polizei die nach ihrem Fundort Nebra benannte Himmelsscheibe während einer fingierten Verkaufsaktion in Basel sichergestellt.

Finder

Henry W. und Mario R. hatten schon am 4. Juli 1999 auf dem 252 m hohen Mittelberg im Ziegelrodaer Forst bei Nebra in einer Wallanlage mit einem Metalldetektor die Scheibe gefunden und später Hehlern für 32.000 DM verkauft. Sie wurden im September 2003 in Naumburg vor Gericht gestellt und erhielten eine viermonatige Bewährungsstrafe bzw. eine zehnmonatige Freiheitsstrafe. Strafmildernd wurden die Geständnisse vom Gericht gewertet.

Hehler

Die Hehler waren die Museumspädagogin Hildegard Burri-Bayer und der Lehrer Reinhold Stieber, die auch am 19. September 2003 vom Amtsgericht Naumburg verurteilt wurden. Burri-Bayer erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung und muss 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Stieber wurde zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und 5.000 Euro Geldstrafe verurteilt.

Forschungsprojekt bis 2010

In einem groß angelegten Forschungsprojekt wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft 3,3 Millionen Euro in die weitere Untersuchung der historischen Hintergründe in der Bronzezeit investieren. Ab September 2004 werden sechs Jahre lang 24 frühbronzezeitliche Bauten untersucht. Dazu gehören zwölf so genannte Kreisgrabenanlagen in Sachsen-Anhalt, unter anderem in Egeln, Belleben und Bad Dürrenberg. Zudem werden zwölf Höhensiedlungen untersucht, zentrale befestigte Orte, die vor 4.000 bis 3.500 Jahren auf Anhöhen errichtet wurden. Dazu gehört auch der Fundort der Himmelsscheibe auf dem 252 Meter hohen Mittelberg bei Nebra.

Literaturhinweise

  • National Geographic Deutschland, Januar 2004, S. 38 - 61.

Pressemeldungen

Beteiligte Institutionen