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Blinder Fleck (Psychologie)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Sehen

Als blinder Fleck wird die Stelle der Netzhaut bezeichnet, an der der Sehnerv (Nervus opticus), gemeinsam mit den Blutgefäßen für die Versorgung der Netzhaut in das Auge eintritt. Diese Stelle, die so genannte Papille, liegt vom gelben Fleck aus gesehen in Richtung der Nase. An dieser Stelle befinden sich keine Lichtrezeptoren, der Fleck ist also wirklich blind.

Normalerweise wird diese Lücke im Gesichtsfeld nicht wahrgenommen, sondern kann in den bildverarbeitenden Hirnregionen ergänzt werden durch die Farben der umgebenden Bereiche und das Bild des anderen Auges (das "Loch im Bild" des linken Auges deckt sich nicht mit dem des rechten).

Der blinde Fleck existiert, da die Fasern des Sehnervern auf der Seite des Augeninneren an den Sehzellen ansetzen, ein Stück weit in Inneren des Auges verlaufen und dann an einer Stelle gemeinsam gebündelt aus dem Auge heraus austreten - eben im blinden Flecken. Diese auf den ersten Blick "unpraktische" Konstruktion beruht auf der Entwicklung des menschlichen Auges im Laufe der Evolution: Die Netzhaut ist entwicklungsgeschichtlich eine direkte Ausstülpung des Gehirns, die Schichten der Nervenzellen ähneln denen in der Großhirnrinde.

Bei manchen anderen Lebewesen haben sich die Augen anders entwickelt, wenn z. B. die lichtempfindlichen Zellen von äußeren Gewebeschichten (Ektoderm) abstammen, haben die Augen, wie zum Beispiel die von Tintenfischen, keinen blinden Flecken, da hier die Fasern des Sehnerven an der lichtabgewandten Seite der Lichtrezeptoren ansetzen und direkt vom Auge weg in das Gehirn verlaufen.


Ein einfacher Versuch ermöglicht es, den blinden Flecken zu "sehen", direkt zum Ausprobieren:


&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbspO&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp&nbspX


Halte das rechte Auge mit der Hand zu und fixiere mit dem linken Auge rechts das X - und das O ist nicht mehr zu sehen!

Umgekehrt, für den blinden Fleck des rechten Auges: Linkes Auge zuhalten, linken Punkt ansehen - der rechte verschwindet.


(Zum Nachmachen: Auf ein quergelegtes normales weißes Blatt Papier werden zwei Punkte im Abstand von ungefähr 11 Zentimetern horizontal nebeneinander gezeichet, wahlweise auch kleine Symbole oder ähnliches (maximal 1 cm groß). Man hält das Blatt in Armlänge vor die Augen, oder legt es vor sich auf den Tisch, weiteres siehe oben...)

Sozialpsychologisch

Blinder Fleck bezeichnet in der Sozialpsychologie die Teile des Selbst oder Ichs, die von einer Persönlichkeit nicht wahrgenommen werden, meist, weil es sich um unangenehme und nicht so akzeptierte Seiten handelt. Der blinde Fleck wird auch im Johari-Fenster dargestellt.

Die psychischen Funktionen, die "blinde Flecke" erzeugen, haben durch die Psychoanalyse einen eigenen Namen erhalten: Abwehrmechanismen (Anna Freud, 1936). Problematisch an der Konzeption der Abwehrmechanismen durch die Psychoanalyse ist, dass sie per definitionem unbewusst sein müssen und keine - sicher vorhandenen - graduellen Grade zulassen.

In der Soziologie und Kriminologie wurden die Abwehrmechanismen "Neutralisationsmechanismen" genannt (Sykes & Matza 1968), die dazu dienen eigene kriminelle Handlungen zu bagatellisieren, zu rationalisieren oder zu leugnen, um die Schuld abzuwälzen ( z.B. es trifft selten einen Falschen; das hätte doch jeder gemacht; es dient doch einem guten Zweck = der Zweck heiligt die Mittel).

In der Sozialpsychologie hat sich vor allem Leon Festinger mit seiner Theorie der kognitiven Dissonanzen (engl. 1957; dt. 1978) des Problems angenommen und die Abwehrmechanismen, die man nach ihm auch Dissonanzmechanismen nennen könnte, auf eine allgemeine und sozialpsychologische Grundlage gestellt.

Alle Menschen sind in der Lage, "blinde Flecke" - möglicherweise situations- und befindlichkeitsabhängig - auszubilden. Nicht zu vergessen ist hierbei, dass die Abwehrmechanismen auch eine wertvolle Schutzfunktion haben können und nicht von vorneherein nur negativ bewertet werden dürfen.

  • Zu den Abwehrmechanismen - [1]
  • Zur Funktion für das Selbstbild - [2]