St. Ulrich und Afra (Augsburg)
Die Basilika St. Ulrich und Afra ist eine katholische Stadtpfarrkirche in Augsburg und mit ihrem Turm weithin sichtbares Wahrzeichen ihrer südlichen Altstadt. In der Kirche werden die Sarkophage mit den Gebeinen der Bistumsheiligen St. Ulrich und St. Afra aufbewahrt.




Geschichte
Die heutige Kirche steht auf einem Gelände, das bereits im 8. bis 12. Jahrhundert mehrere Kirchenbauten aufwies. Diese entstanden aus Wallfahrten zur Verehrung der heiligen Afra († 304). Die anfangs außerhalb der Stadt gelegenen Bauten wurden bei den Ungarn-Einfällen zerstört oder fielen Bränden zum Opfer. Der Augsburger Bischof Ulrich wurde 973 in der Nähe Afras beigesetzt. Seit 1012 wurde die heilige Stätte vom Benediktinerkloster Sankt Ulrich und Afra Augsburg betreut.
Im Jahr 1474 wurde der Bau des Gotteshauses als Backsteinbau begonnen und im Jahr 1500 durch Burkhard Engelberg abgeschlossen. Engelberg hat sich mit der Errichtung des Ulmer Münsterturms ein beeindruckendes Denkmal gesetzt. Kaiser Maximilian I. (HRR) hat im Jahr 1500 den Grundstein für den Chorbau seines „Reichsgotteshauses“ gelegt. 1537 kam es zu einem vorübergehenden Stillstand der Bauarbeiten. Wegen der Glaubensauseinandersetzungen im 16. Jahrhundert kam es erst im Jahr 1603 zum Abschluss dieser Baumaßnahme. Die Kirche gehörte zum gleichnamigen Benediktinerkloster, das von 1643/1644 bis 1802 Reichsabtei war. Kloster und Reichsstift wurden dann im Zuge der Säkularisation aufgehoben und sein Besitz dem bayerischen Staat zugeschlagen. Seit dem 4. Juli 1937 ist die Kirche päpstliche Basilika.
Im Zweiten Weltkrieg beschädigten Luftangriffe 1944 und 1945 die Turmkuppel und die Fenster. Wiederaufbau- und Renovierungsmaßnahmen folgten von 1946 bis 1950. Die Unterkirche mit den Grufträumen der Heiligen wurde 1962 gestaltet.
Architektur
St. Ulrich und Afra ist eine steile dreischiffige Backsteinbasilika mit Querschiff und lang gestrecktem Ostchor. An den älteren Bauteilen wurde für die Portale, Strebepfeiler und Maßwerke Haustein verwendet.
Der Außenbau ist weiß verputzt und wegen der umliegenden Bebauung nur teilweise auf Sicht berechnet. Die schlichte Monumentalität der ehemaligen Klosterkirche wird durch den Verzicht auf ein offenes Strebesystem gesteigert. Die Giebel wurden als Schaufronten mit Eselsbogen und Fialen reicher verziert. Im Norden ist dem Chor die Marienkapelle (unten Sakristei) in der Art eines Nebenchores vorgelagert.
Die Choransicht vom Fuß des Milchberges wird zu den eindrucksvollsten mittelalterlichen Architekturbildern Deutschlands gezählt. Hohe Spitzbogenfenster sitzen zwischen vierkantigen Strebepfeilern. Die Maßwerke sind in der Mitte unterteilt und lassen teilweise bereits Renaissanceformen erahnen. Im nördlichen Chorwinkel steigt der hohe Turm empor, dessen achteckige Obergeschosse von der bekannten Kupferkuppel abgeschlossen werden. Die Gliederung aus Okuli und Ovalfenstern wirkt in den Details bereits eher barock und steht in deutlichem Kontrast zur nüchternen Strenge der Basilika.
Auch die „kahle“ Erscheinung der mächtigen Westfassade weist auf die frühere Funktion als Klosterkirche. Das romanisch wirkende Westportal ist vermauert und wohl unvollendet. Das darüber liegende Rundbogenfenster wurde erst 1873 eingebrochen. Reicher gestaltet sind nur das Maßwerk des großen spätgotischen Mittelfensters und der Schmuckgiebel, die von kräftigen Strebepfeilern eingefasst werden.
Ein ungewöhnliches Motiv sind die dreikantigen, stabwerkbesetzten Strebepfeiler am Obergaden des Langhauses, zwischen denen die kurzen, breiten Maßwerkfenster sitzen. Das heutige Erscheinungsbild geht allerdings auf die Restaurierung um 1970 zurück, als die Hausteinteile der Kirche vollständig erneuert wurden.
Das Innere wird vollständig von reichen Netz- und Sterngewölben überspannt. In den Seitenschiffen finden sich komplizierte Figurationen. Besonders malerisch wirkt das Südschiff mit der angefügten Kapellenreihe und dem vorspringenden Baldachin der Simpertuskapelle.
Das Mittelschiff umfasst sieben rechteckige Joche mit Sternnetzgewölben. Wegen der hochgeführten Dächer über den Seitenschiffen setzen die Fenster des Obergadens erst weit oben an, sind aber nischenartig nach unten weitergeführt und mit Maßwerk verblendet. Die drei Gewölbejoche des Chores werden von fünf Seiten des Achtecks abgeschlossen und von zentralisierenden Sternnetzgewölben überdeckt.
Die Sterngewölbe der Vierung und der Querarme sind nachgotisch. Das Gewölbe der Vierung wird von einem rechtwinkeligen Rippenmuster durchdrungen. Die unter dem Fußboden liegende Unterkirche ist modern und beherbergt die Grabkapellen der Kirchenpatrone St. Ulrich und Afra. Die Ulrichskapelle entstand bereits 1762/65, wurde aber 1962 rechtwinklig versetzt.
Gebäudeinneres
Das Langhaus ist 93,50 m lang und 27,50 m breit. Die Kirche wurde von den Bilderstürmen im 16. Jahrhundert nicht verschont. Der Großteil der Einrichtung wurde danach neu in den hohen und lichten Raum eingebracht. Im 30 m hohen Mittelschiff fällt der Blick unwillkürlich auf die von Hans Reichle modellierte und von Wolfgang Neidhardt gegossene Kreuzigungsgruppe. Die bronzene Szene mit Christus am Kreuz, Maria Magdalena, Maria und dem Apostel Johannes am Fuß des Kreuzes wurde 1605 aufgestellt. Kanzel und Choraltäre stammen vom Weilheimer Holzschnitzer Johannes Degler. Die 1604 bis 1607 entstandenen Altäre haben das Pfingstwunder, Christi Geburt und Christi Auferstehung als Motiv und erinnern somit an die drei höchsten christlichen Festtage.
An der Westseite des Mittelschiffes befindet sich die Orgel, deren Gehäuse aus dem Jahr 1608 stammt. Ihr Werk wurde mehrmals erneuert.
An den Wänden der etwa 15 m hohen Seitenschiffe befinden sich beeindruckende Kreuzwegstationen, von Januarius Zick 1788 angefertigte Ölgemälde. Die reich verzierten Beichtstühle sind ebenso wie ein prächtiges Eichenholzgitter, dessen geschmiedete Eisenteile optisch Laubengänge vortäuschen, 1712 aus den Händen von Ehrgott Bernhard Bendel entstanden.
An der nördlichen Querhauswand befinden sich zwei um 1455 entstandene Gemälde mit Szenen aus der Ulrichslegende, dazwischen ein spätgotisches Madonnenbild. Die von Anton Fugger 1589 erworbene Bartholomäuskapelle an der Nordostecke ließ Philipp Eduard Fugger von 1596 bis 1602 als Grablege für sich und seine Frau ausgestalten. Eine Muttergottesstatue am nordwestlichen Vierungspfeiler wird auf das Jahr 1495 geschätzt und Gregor Erhart zugerechnet.
Weitere Fugger-Grabmale sind im südlichen Seitenschiff anzutreffen. In der Simpertuskapelle mit einem Maßwerkbogen von 1496 stehen auf den Arkadenschranken vom Florentiner Carlo Pallago 1582 geformte Terrakottastatuen Christi und der Apostel. Die Gebeine des Heiligen Simpert werden in einem Schrein im Altar aufbewahrt. Die Marienkapelle aus dem Jahr 1600 beherbergt den früheren Hochaltar, eine 1570 entstandene Schnitzerei im Stile posthumer Gotik.
Auf der Südseite befindet sich auch der Eingang zur Heiltumskammer mit ihren bemerkenswerten Kirchenschätzen.
Unterkirche
Zur linken Hand hat der spätantike Steinsarkophag mit den Gebeinen der heiligen Afra in der Grabkapelle Platz gefunden. Gegenüber liegt die Grabkapelle des heiligen Ulrich, welche 1762 im Rokokostil gestaltet wurde.
Gebäudeäußeres
An der Nordseite des Gotteshauses befindet sich das Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Angehörigen des 4. Bayerischen Chevauleger-Regiments „König“.
An der Nordostseite der Kirche grenzt das Pfarrhaus der katholischen Gemeinde an. An der Südostseite befindet sich eine öffentlich nicht zugängliche Grünfläche mit Resten der Kapelle St. Godehard aus Merowinger- und vorromanischer Zeit. An der Südseite der Basilika grenzen die modernen Baulichkeiten der Tagungs- und Fortbildungsstätte Haus St. Ulrich an. Auch die Westseite der Kirche ist von Gebäuden umgeben.

Außerhalb des Langhauses ist das Ensemble mit der evangelischen Kirche St. Ulrich und Afra beeindruckend, ein gerne gewähltes Fotomotiv, das auch die Augsburger Parität symbolisiert. Die evangelische Kirche mit ihrem niedrigen Giebelbau war vor der Reformation Eingang und auch Sakristei der katholischen Stadtpfarrkirche. Sie entstand aus einem 1457 erbauten Predigtsaal, welcher 1710 den Protestanten zur Verfügung gestellt wurde.
Seit 1594 grüßt der 93 m hohe Zwiebelturm der katholischen Basilika ins schwäbische Land. Nur dieser - auch Afraturm genannte - Bau auf der Nordseite des Langhauses wurde Realität. Ein auf der Südseite geplanter Turm wurde wegen Geldmangels nie ausgeführt.
Glocken
Das imposante Geläute der Basilika besteht seit dem Jahr 2002 aus insgesamt 10 Glocken in der Tonfolge as° - b° - c' - es' - f' - as' - b' - des'' - f'' - b''. Zu den vorhandenen 7 Glocken, darunter der b''-Glocke aus dem 12. Jahrhundert, wurden drei neue von der Gießerei Perner gegossen. Die größte der 10 Glocken wiegt 4,4 t. Damit besitzt die Basilika nun das glockenreichste Geläute in der Diözese Augsburg.
Papstbesuche
- Am 4. Mai 1782 feierte Papst Pius VI. in der Basilika eine Messe.
- Papst Johannes Paul II. kehrte am 4. Mai 1987 in das Gotteshaus ein.
Bedeutung
Die Basilika St. Ulrich und Afra zählt zu den letzten großen spätgotischen Kirchenbauten in Schwaben. Die Turmkuppel wurde zum Vorbild für barocke Kirchen in Bayern. Die Kirche erfüllte und erfüllt hervorragend verschiedene Funktionen: Wallfahrtskirche für die Augsburger Bistumsheiligen St. Ulrich, Afra und Simpert, Abteikirche für ein Benediktinerkloster, Münster eines bedeutenden Reichsstiftes, Garnisonskirche für das 4. Bayerische Chevaulegers-Regiment, Glaubensdenkmal für das Augsburger Großbürgertum.
Siehe auch
Literatur
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bayern III: Schwaben (Bearb. von Bruno Bushart und Georg Paula). München, 1989
- Bernt von Hagen, Angelika Wegener-Hüssen: Denkmäler in Bayern, Band 83 : 7, Schwaben, Landkreise und kreisfreie Städte. Stadt Augsburg (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). München, 1994. ISBN 3-87490-572-1
- Norbert Lieb: Augsburg St. Ulrich und Afra, (Schnell & Steiner Kunstführer, 183) Regensburg, 24 Aufl., 2003; ISBN 3-7954-4171-4
- Barnabas Schroeder: Die Aufhebung des Benediktiner-Reichsstiftes St. Ulrich und Afra in Augsburg 1802 - 1806 ; ein Beitrag zur Säkularisationsgeschichte im Kurfürstentum Bayern. München, 1929
- Monika Soffner Loibl, Franz Wolf: Augsburg, Basilika St. Ulrich und Afra (Peda-Kunstführer, 569). Passau, 2004. ISBN 3-89643-569-8
- Joachim Werner, Aladar Radnóti: Die Ausgrabungen in St. Ulrich und Afra in Augsburg 1961-1968 (Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte). 2 Bde. München 1977