Zum Inhalt springen

Reichspräsident

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. September 2003 um 21:53 Uhr durch Stefan Kühn (Diskussion | Beiträge) (Überschriften un Karl Dönitz). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Reichspräsident war die Bezeichnung für das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches von 1919 bis 1934.

Gemäß Artikel 43 der Weimarer Verfassung wurde der Reichspräsident unmittelbar vom Volk gewählt. Die Amtszeit betrug sieben Jahre, wobei mehrfache Wiederwahl zulässig war. Für das Amt kandidieren konnten deutsche Staatsbürger, die das 35. Lebensjahr vollendet hatten.

Im Gegensatz zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland hatte der Reichspräsident nicht nur repräsentative Aufgaben, sondern konnte durch die Auflösung des Reichstags (Artikel 25) und durch Entlassung und Ernennung des Reichskanzlers (Artikel 53) direkten Einfluss auf die Politik nehmen. Außerdem besaß der Reichspräsident durch Artikel 48 der Verfassung - den so genannten Notstandsparagraphen - im Zweifelsfall eine große Machtfülle ("Diktator auf Zeit").

Das Deutsche Reich besaß zwei Reichspräsidenten: Friedrich Ebert (von 1919 bis 1925) und Paul von Hindenburg (1925 bis 1934).


Friedrich Ebert

Friedrich Ebert (SPD), geboren 1871, wurde 1918 gemeinsam mit Hugo Haase zum Vorsitzenden des Rats der Volksbeauftragten gewählt, der nach der Novemberrevolution die Regierungsgeschäfte übernahm. Nachdem die Nationalversammlung per Gesetz die Wahl eines Reichspräsidenten beschlossen hatte, der bis zur Wahl einer Regierung die Regierungsgeschäfte übernahm, wurde Ebert am 11. Februar 1919 mit 277 zu 379 Stimmen zum Reichspräsidenten gewählt. Am gleichen Tag berief er ein Kabinett aus Vertretern von SPD, DDP und Zentrum unter der Leitung von Philipp Scheidemann. Am 28. Februar 1925 starb Ebert.


Die Reichspräsidentenwahl 1925

Nachdem Ebert gestorben war, wurde die Wahl auf den 29. März 1925 vorgezogen. Insgesamt traten u. a. folgende sieben Kandidaten an: Karl Jarres (DVP), dessen Kandidatur auch von der DNVP unterstützt wird, Otto Braun (SPD), Wilhelm Marx (Zentrum), Ernst Thälmann (KPD), Willy Hellpach (DDP), Heinrich Held (BVP) und Ernst Ludendorff (NSDAP). Der erste Wahlgang brachte keine absolute Mehrheit für einen der Kandidaten: Jarres konnte mit 38,8 Prozent die meisten Stimmen auf sich vereinigen, gefolgt von Braun (29,0 %) und Marx (14,5 %). Somit wurde ein zweiter Wahlgang am 26. April nötig, in dem nun eine relative Mehrheit reichte. Zentrum, SPD und DDP einigten sich auf den Kandidaten Wilhelm Marx, DNVP, DVP, NSDAP und BVP ernannten Paul von Hindenburg, während die KPD an ihrem Kandidaten Thälmann festhielt. Mit 48,3 Prozent der Stimmen wurde Hindenburg - gegenüber 45,3 % für Marx und 6,4 % für Thälmann - zum Reichspräsidenten gewählt.

Paul von Hindenburg

Paul von Hindenburg, geboren 1847, war 1911 als General pensioniert worden, wurde im Ersten Weltkrieg jedoch erneut eingesetzt und errang bei Tannenberg einen entscheidenden Sieg gegen die russische Armee. Mit Ernst Ludendorff bestimmte er die Oberste Heeresleitung. Der militärische Ruhm, der ihm damals zuteil wurde, war mitbestimmend bei seiner Wahl zum Präsidenten.

Die Reichspräsidentenwahl 1932

Die Wahl 1932 stand unter dem Eindruck der politischen Verhältnisse in Deutschland, besonders aber unter dem Eindruck der Kandidatur Adolf Hitlers (NSDAP). Um die Wahl Hitlers zum Präsidenten zu vermeiden, einigten sich Zentrum, SPD und DDP neben DVP und BVP auf von Hindenburg - die demokratischen Parteien waren somit von von Hindenburgs Gegnern zu seinen Unterstützern geworden. Im ersten Wahlgang am 13. März 1932 verfehlte er mit 49,6 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit (vor Hitler mit 30,1 %, Thälmann mit 13,2 % und Theodor Duesterberg (DNVP) mit 6,8 %), setzte sich aber im 2. Wahlgang am 10. April 1932 mit 53,0 Prozent der Stimmen durch, nachdem Teile der DNVP seine Kandidatur unterstützt hatten. Hitler erhielt 36,8 %, Thälmann 10,2 % der Stimmen.

Machtergreifung Hitlers und Tod von Hindenburgs

Von Hindenburg, mittlerweile weit über 80 Jahre alt, verlor den Überblick über die Amtsgeschäfte, so dass sein Beraterkreis, die so genannte Kamarilla, immer größeren Einfluss gewann und in die Politik des Präsidenten bestimmte. Nach der Entlassung von Reichskanzler Heinrich Brünings 1932 und der Ernennung Franz von Papens wurde das parlamentarische System weitgehend außer Kraft gesetzt; Papen wurde bereits nach einem halben Jahr wieder entlassen, ihm folgte Kurt von Schleicher, der ein stark sozialpolitisch geprägtes Programm durchsetzen wollte und daher die Industrie gegen sich aufbrachte. von Hindenburg war bislang ein entschiedener Gegner Hitlers gewesen, sein Widerstand schmolz jedoch umso stärker, als sich seine Berater für Hitler aussprachen. Am 28. Januar 1933 entzog von Hindenburg von Schleicher das Vertrauen. Am 30. Januar 1933 schließlich ernannte von Hindenburg seinen einstigen Konkurrenten Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Am 2. August 1934 starb von Hindenburg; Adolf Hitler übernahm de facto das Amt des Reichspräsidenten als Führer und Reichskanzler.

Karl Dönitz

Hitler ernannte Dönitz testamentarisch zu seinem Nachfolger. Nach Hitlers Selbstmord am 30. April 1945 trat Dönitz am 1. Mai sein Amt als (letzter) Reichspräsident an und bildete in Flensburg seine Regierung. Zunächst strengte er eine stufenweise Kapitulation der deutschen Streitkräfte an, um Armee und Zivilbevölkerung die Flucht aus dem von der Roten Armee überrollten Osten zu ermöglichen. Nachdem die westlichen Alliierten dies ablehnten, verkündete er am 8. Mai die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht.