Zum Inhalt springen

Morgenländisches Schisma

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. September 2003 um 16:23 Uhr durch Mr94 (Diskussion | Beiträge) (Link auf römisch-katholische Kirche repariert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Großes Schisma (von griechisch: σχισμα s-chísma Trennung, Spaltung) wird die Trennung zwischen den östlich-orthodoxe Kirchen und der römisch-katholischen Kirche bezeichnet.

Oft wird als Datum dafür der 16. Juli 1054 angegeben, als sich Papst und Patriarch von Konstantinopel gegenseitig exkommunizierten, aber tatsächlich handelte es sich um einen Prozess, der sich etwa vom 5. bis ins 15. Jahrhundert hinzog und zu dem neben theologischen auch politische und kulturelle Aspekte viel beigetragen haben.

Kultur

Am Anfang stand der profane Umstand, dass es im Lauf der ersten Jahrhunderte in Rom und allgemein im Westen weniger und weniger üblich wurde, die griechische Sprache zu beherrschen, die jahrhundertelang um das ganze Mittelmeer lingua franca gewesen war. Das führte natürlicherweise auch in der Kirche zu geringerem theologischen Austausch. Bereits im vierten Jahrhundert gibt es nur noch vereinzelte Kirchenväter, die griechisch können (Ambrosius von Mailand, Hieronymus) - der führende lateinische Kirchenlehrer Augustinus gehört nicht zu ihnen.

Ein weiterer Aspekt sind kulturbedingte Unterschiede bei Bildung und beruflichem Hintergrund der Kirchenväter:

  • Viele führende Theologen des Westens hatten die in der römischen Kultur übliche juristisch-politische Bildung: Tertullian, Ambrosius von Mailand, Augustinus. Von daher waren ihnen auch in der Theologie die juristischen Aspekte (Rechtfertigunglehre) und die organisatorischen Aspekte (Ekklesiologie) besonders wichtig.
  • Im Osten dagegen überwog die klassische Bildung einschließlich klassischer Philosophie, Rhetorik, Naturwissenschaften. (Origenes, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz). Von daher ging es auch in der Theologie eher um grundlegende philosophische Fragen wie Christologie.

Interessanterweise geht es auch bei den Häresien, die am meisten Probleme bereiten, um parallele Fragen: beim Donatismus im Westen primär um Kirchenrecht, bei Arianismus, Monophytismus um christologische Fragen und das Verhältnis zur weltlichen Philosophie.

Im Osten gab es traditionell zahlreiche gebildete Laien, die sich aktiv am Kirchenleben und an der Theologie beteiligten, und von denen es manche (z.B. Photius) bis zum Patriarchen brachten. Im Westen kam es durch die politischen Entwicklung dazu, dass die Kirche ein Bildungsmonopol hatte - alle zukünftigen Kleriker konnten ihre Ausbildung nur innerhalb der Kirche bekommen.


Politische Entwicklung

Durch die Verlegung der Hauptstadt des römischen Reichs von Rom nach Konstantinopel und insbesondere durch den Fall des weströmischen Reichs kam es zu sehr unterschiedlichen Konstellationen: Im Osten gab es den Kaiser als politisches Machtzentrum und in der Kirche mehrere Patriarchen in gleichem Rang von denen keiner Autorität über die andern hatte.

Im Westen gab es während Jahrhunderten keine zentrale politische Macht mehr, sondern nur streitende Lokalfürsten, und einen Patriarchen, der als Einziger Stabilität und Kontinuität gewährleisten konnte und dadurch zu einer zentralen Autorität wurde - und der sich aus dieser Situation heraus auch gegenüber den Lokalfürsten politisch engagieren musste.

Das politische Element im Amtsverständnis verstärkte sich noch, als der Papst durch Pippin zum weltlichen Grundherrn des Kirchenstaats gemacht wurde und sich dadurch mehr und mehr auch in der Rolle eines weltlichen Monarchen sah.

Als Pippins Sohn Karl der Große 800 im Westen von Leo III. zum Kaiser gekrönt wurde, weil beide während der Regentschaft von Irene von Athen den byzantinischen Kaiserthron als vakant ansahen, war das ein weiterer Bruch mit dem Osten.


Theologie

Die Theologie hatte auf beiden Seiten schon bald unterschiedliche Schwerpunkte entwickelt, die sich zuerst gegenseitig befruchteten, dann aber durch den geringeren Austausch zu einer Auseinanderentwicklung führten.

Bei der Dreifaltigkeit betonte der Osten mehr die drei Personen - einschließlich dem Heiligen Geist - während der Westen mehr die Einheit betonte und den Heiligen Geist eher in den zweiten Rang einordnete.

Im Westen entwickelte Augustinus das Dogma der Erbsünde, wonach jeder Mensch von der Zeugung an durch die Schuld Adams angesteckt und juristisch schuldig ist (was in der Folge die unbefleckte Empfängnis Marias nötig macht) - der Osten sieht die Erbsünde in den Konsequenzen der Schuld Adams: Tod, Begierde und die menschlichen Neigung zur Sünde.

Daraus folgert auch eine unterschiedliche Sicht der Erlösung: im Westen geht es primär um den juristischen Freispruch, den Jesus bewirkt hat, indem er die Strafe für die menschliche Sünde auf sich nahm - im Osten bewirken Tod und Auferstehung Jesu Christi die Freiheit von Tod und Sünde, durch die der Mensch wieder gottähnlich werden und in Ewigkeit mit Gott leben kann. Die westliche Kirche sah Christus als das Opfer, die östliche Kirche sah Christus als den Sieger.

Das nicäische Glaubensbekenntnis bekam in der westlichen Kirche den Filioque-Zusatz, in der östlichen Kirche blieb es in der Originalform. Das war ein konkreter Konflikt, der sich nicht als gegenseitige Ergänzung interpretieren ließ.

Bedeutung des Bischofsamts: Im Osten gab es viele lokale Kirchen, die sich auf die Gründung durch einen Apostel berufen konnten - von daher wurden alle Bischöfe prinzipiell als gleichberechtigt angesehen. Allgemein gültige Entscheide konnten nur durch ein ökumenisches Konzil getroffen werden. Im Westen dagegen konnte sich nur die römische Kirche auf Apostel berufen, und dadurch hatte der Bischof von Rom eine monarchische Sonderstellung. Die östlichen Kirchen, die dem Bischof von Rom schon immer traditionell den Ehrenvortritt gegeben hatten, hatten mit dieser monarchischen Haltung kein Problem, solange sie sich auf den Westen, also auf das römische Patriarchat, beschränkte. Der Bischof von Rom kam jedoch mehr und mehr zur Ansicht, dass seine absolute Autorität sich nicht nur auf den Westen, sondern auf die gesamte Kirche erstreckte - und als die Bischöfe des Ostens sich auf einmal in der Rolle der Befehlsempfänger von Rom sahen, fragten sie zurück, welches Konzil das entschieden habe. Auch hier war es zu einer Entwicklung gekommen, wo die Ansichten sich gegenseitig ausschlossen.

Daneben war es auch bei weniger wesentlichen Dingen zu unterschiedlichen Entwicklungen gekommen: Im Osten konnten Priester heiraten, der Westen bestand auf dem Zölibat, es gab unterschiedliche Regelungen bezüglich Fasten, im Westen wurde ungesäuertes Brot für die Eucharistie verwendet, im Osten normales Brot.


Bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts waren die östliche und die westliche Kirche trotz aller dieser Unterschiede in voller Kommunion miteinander.


Um das Jahr 1000 erfolgte eine Aufspaltung der christlichen Kirchen auf dem ehem. ost- und weströmischen Gebiet. Als Datum, das die Trennung besiegelte, wird der 16. Juli 1054 gesehen, an dem der Papst dem byzantinischen Patriarchen Michal in Konstantinopel die Exkommunikationsbulle vorlegte. Allerdings hatten sich beide Teilkirchen aufgrund der politischen und kulturellen Aufspaltung des römischen Reiches schon vorher auseinanderentwickelt. Als weitere Ursache der Spaltungen werden auch oft Differenzen über die Kirchensprache - im Westen Latein, im Osten auf Initiative der Slawenapostel Kyrill und Methodius die Volkssprachen - sowie Auseinandersetzungen um eine Textpassage des Glaubensbekenntnisses - bekannt unter dem Stichwort filioque - genannt. Daneben haben auch Fragen der bildlichen Darstellungen (Ikonoklasmus) eine Rolle gespielt.

Die westliche Kirche unterstand dem Papst in Rom und nannte sich römisch-katholisch. Die östlichen Kirchen werden orthodoxe Kirchen oder Ostkirchen genannt. Sie organisieren sich nicht unter einem Oberhaupt, sondern bilden in den Staaten, in denen sie vertreten sind, eine einem Patriarchen unterstellte Staatskirche (etwa die Griechisch-Orthodoxe Kirche oder die Russisch-Orthodoxe Kirche). Die Patriarchen der verschiedenen Kirchen sind untereinander gleichberechtigt. Der ökumenische Patriarch von Konstantinopel gilt als primus inter pares. Theoretisch sind Konzilien vorgesehen, bei denen aktuelle Fragen des Glaubens geklärt werden. Allerdings scheiterten Bemühungen zur Einsetzung eines solchen Konzils bisher an nationalen und innerkirchlichen Konflikten.

Im Laufe der Zeit haben sich in beiden Kirchen spezifische Gottesdienst-Formen, so genannte Riten entwickelt.