Schirin
Schirin († 628) war Großkönigin von Persien.
Der persische Großkönig Chosrau II. († 628) mußte nach dem Tod seines Vaters Hormizd IV. im Frühjahr 590 auf byzantinisches Territorium fliehen, da der General Bahram (VI.) Cobin nach einem Putsch die Macht an sich gerissen hatte. Auf der Flucht wurde er bereits von der Christin Schirin aus Khusistan (Südirak) begleitet, die der Assyrischen Kirche des Ostens angehörte. Chosrau gelang es mit Unterstützung des byzantinischen Kaisers Maurikios, die Herrschaft zurückzugewinnen. Eine in einer ostsyrischen Chronik erwähnte christliche Nebenfrau Maria wurde nach dem Ende des Perserreiches in der romantischen Literatur zur Tochter des Kaisers Maurikios und Rivalin Schirins stilisiert. In den literarischen Bearbeitungen des Schirin-Mythos spielt diese angebliche Kaisertochter eine große Rolle. Es ist jedoch auszuschließen, dass der byzantinische Kaiser eine Tochter in den Harem des persischen Großkönigs gegeben hätte; zudem waren die Kinder des Kaisers bei seiner Ermordung noch im Kindesalter. Nach der Geburt des ersten Kindes von seiner Frau Schirin stiftete Chosrau dem Sergiusheiligtum in Resafa Weihegeschenke. Schirin unterstützte zunächst die ostsyrischen Christen, insbesondere den Patriarchen Sabrisho; nach dessen Tod erreichte sie die Nachfolge ihres Landsmannes Gregor von Phrat. Später wandte sie sich der westsyrischen ("monophysitischden") Kirche zu. Nach dem Sturz des Maurikios begann 602 der Krieg zwischen dem Sassanidenreich und Byzanz von neuem. Im Mai 614 eroberten die Perser Jerusalem; das hl. Kreuz kam als Siegesbeute nach Ktesiphon, wo es im Palast Schirins aufbewahrt wurde. Schirin bemühte sich unter dem Einfluss ihres Leibarztes Gabriel von Singar um eine Vereinigung der ost- und westsyrischen ("monophysitischen") Kirche. Nach der Eroberung Jerusalems durch die Perser erhielt Schirin das erbeutete hl. Kreuz, das sie in ihrem Palast aufstellen ließ. Der armenische Geschichtsschreiber Pseudo-Sebeos berichtet, dass sie die Auslieferung der Reliquien des Propheten Daniel an den byzantinischen Kaiser Maurikios († 602) verhinderte, der Chosrau und Schirin 590 nach dem Tode von Chosraus Vater Hormizd IV. gegen der Usurpator Bahram (VI.) Cobin unterstützt hatte. 628 brach das persische Reich nach dem Sieg des byzantinischen Kaisers Herakleios zusammen. Chosrau II. wurde von seinem Sohn Kavad II. ermordet, der Schirins Sohn Merdanschah - den der Vater als Nachfolger einsetzen wollte - und seine Geschwister ermorden ließ. Nach der Ermordung Chosraus soll Schirin an seinem Grab Selbstmord begangen haben. Schirin lebte jedoch noch bis zum Tod ihres Stiefsohns Shiroe (Kavad), nach dessen Tod sie der Ermordung bezichtigt wurde.
Das Andenken Schirins wird bereits vom persischen Dichter Abu Ali Muhamed Balami (+ 974) erwähnt und bewahrt im persischen Nationalepos "Schahname" von Firdausi (um 1020). Um 1200 verfaßte der Dichter Nizami von Gantzak in Aserbaidschan das Epos "Chosrau und Schirin", das zahlreichen persischen, türkischen und indischen Dichtern als Vorbild diente, wie vor allem dem Inder Amir Chosrau Dihlavi († 1325), der den historisch nicht nachweisbaren Baumeister Ferhad zum Sohn des Kaisers von China macht. In den "Märchen aus 1001 Nacht" erzählt Schehrezad in der 390. Nacht die Geschichte von Chosrau und Schirin und dem Fischer. Der dschagataische (osttürkische) Dichter Ali Schir Navai († 1501) macht Ferhad in seinem Werk "Ferhad und Schirin" zur Hauptfigur. Nach der Wiederentdeckung des Motivs durch den Orientalisten Josef von Hammer-Purgstall setzte sich Johann Wolfgang von Goethe im "Westöstlichen Divan" mit dem Mythos auseinander.
Literatur
Wilhelm Baum: Schirin - Großkönigin von Persien (+ 628), in: Biografisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 19, 2001, 1294-1296
- Wilhelm Baum: Schirin. Christin – Königin – Liebesmythos. Eine spätantike Frauengestalt – historische Realität und literarische Wirkung, Klagenfurt 2003, ISBN 3902005149.
- Wilhelm Baum: Shirin. Christian – Queen – Myth of love. A Woman of late Antiquity: Historical Reality and Literary Effect, tr. f. Miranda Henry, Gorgias Press, Piscataway, N.J., 2004 ISBN 1-59333-282-3
- Rezension von Cornelia Horn, Saint Louis Unmiversity: http://syrcom.cua.edu/Hugoye/Vol7No2/HV7N2PRHorn.html