Weizenbier

Weizenbier ist ein obergäriges Bier, das in Deutschland mindestens zur Hälfte aus Weizenmalz hergestellt sein muss. Oft nennt man es einfach „Weizen“ oder „Hefe“. Nur in Bayern kommt – mit Ausnahme Frankens, der nördlichen Oberpfalz, nördlich der Donau Niederbayerns und Schwabens – fast ausschließlich der ältere, allgemeine Begriff Weißbier vor. Aus etymologischer Sicht leitet sich „Weizen“ von „weiß“ ab: „Weißbier“ ist sprachgeschichtlich ursprünglicher.
Weizenbier hat in der Regel einen Stammwürzegehalt zwischen 11 und 14 Prozent. Der Alkoholgehalt liegt normalerweise bei 5 bis 6 Volumenprozent (Abkürzung: %vol). Es gibt aber auch Weizenstarkbiere mit einem Stammwürzegehalt bis zu 20 Prozent und einem Alkoholgehalt über acht Volumenprozent. Weizenbier hat - je nach Marke - einen Brennwert von 39 bis 44 kcal. pro 100 ml.
Aromaprofile
Weißbiere lassen sich aufgrund ihrer Ausstattung mit Aromastoffen in vier Typen unterteilen:
1) Durch Ester entsteht eine dominant fruchtige Note. Der hauptsächliche Einfluss wird dabei dem Isoamylacetat (Banane) und dem 2-Methylbutylacetat zugeschrieben. Das apfelartige Aroma des Ethyacetats wird dagegen eher negativ beschrieben.
2) Die Bildung von 4-Vinylgujacol (Gewürznelken) führt zu einem phenolischen Gesamtaroma. Das 4-Viylgujacol entsteht aus dem aus dem Malz stammendem Vorläufer Ferulasäure.
3)Ein hefiges Aroma entsteht durch eine komplexe Kombination verschiedenster Gärungsnebenprodukte.
4)Als neutral werden Weißbiere bezeichnet die keine hohe Aromastoffkonzentration aufweisen, bzw. über keine dominierende Aromakomponente verfügen.
Herstellungsverfahren
Bei Weißbieren unterscheidet man vornehmlich zwischen zwei Herstellungsverfahren:
- Das nach der Gärung durch Filtration von der Hefe und den Schwebstoffen befreite, glanzklare Kristallweizen hieß früher oft auch Champagnerweizen; das ist zur Abgrenzung von der für französischen Schaumwein geschützten EU-Herkunftsbezeichnung Champagner verboten.
- Hefeweizen ist durch in der Flasche befindliche natürliche Schwebstoffe und/oder Hefe trüb und wesentlich vollmundiger, als das eher schlanke, spritzige Kristallweizen. Es gibt hier verschiedene Herstellungsmethoden:
- Die traditionelle Flaschengärung: Weißbier gelangt in der Regel endvergoren in die Reifungsphase. Um den nötigen Extrakt für die Nachgärung bereitzustellen und somit eine genügende Anreicherung des Bieres mit CO2 zu gewährleisten erfolgt eine sogenannte Speisegabe. Dabei werden dem Jungbier Vorder-/Ausschlagwürze oder Kräusen zugesetzt. Der Gehalt der Speise an Ferulasäure kann die Ausprägung einer phenolischen Note (Gewürznelken) unterstützen. Das „Schlauchen“ mit erhöhter Extraktdifferenz wird seltener angewendet. Beim klassischen Flaschengärverfahren erfolgt die Reifung zunächst bei hohen Temperaturen (15-20°C, 1 Woche). Eine wärmere Reifung begünstigt die Esterbildung. Mit steigender Temperatur und Warmlagerdauer steigt allerdings auch die Autolysegefahr. Anschließend folgt eine Kaltlagerphase von ca. zwei Wochen bei 10°C. Die Hefezellzahl zu Beginn der Reifungsphase wird über Separation bzw. Bypass eingestellt. Auch eine Vorklärung und nachträgliche Gabe von Hefe zusammen mit der Speise ist üblich. Obergärige Hefe unterstützt dabei eher die Bildung von Aromastoffen, untergärige Hefe bildet weniger Gärungsnebenprodukte. Zu beachten ist, dass sich beide Hefearten am Schluss der Reifung aufgrund des Drucks in der Flasche am Boden absetzen.
- Hersteller, die auf Flaschennachgärung verzichten, lassen das Bier in großen Lagertanks nachvergären. Die Prozessführung ist dabei ähnlich wie oben beschrieben. Die Kaltlagerphase findet allerdings häufig bei niedrigeren Temperaturen (-1°C) statt. Die Aromabildung ist beim Tankreifungsverfahren generell schwächer audgeprägt.
Stabilisierung: Danach wird oft Filtriert und beim Abfüllen wieder mit der zwischenzeitlich durch Hitze abgetöteten Gärhefe und den mit ihr zuvor ausgefilterten Trubstoffen versetzt. Auf diese Weise wird ohne Pasteurisation des gesamten Biers eine größtmögliche Haltbarkeit des Produkts bei möglichst konstantem Geschmack erreicht. Beim Einsatz vitaler Hefen, kann auch ohne vorherige Filtration über den Kurzeiterhitzer gefahren werden, ohne dass die Zellen Schaden nehmen.

Die Farbe des Weißbieres ist von der Art des Malzes abhängig. Kristallweizen sind meist von sehr heller, klarer Färbung. Bei den Hefeweißbieren reicht das Spektrum von hellen, goldgelben Sorten über nussbraune Biere bis zu tiefdunkelbraunen schwarzen Weißen, mit vollmundig, malzig-rauchigem Aroma und in der Regel mit einem höheren Alkoholgehalt. Die dunklen Sorten zählen oft zu den Starkbieren.
Daneben werden auch alkoholfreie und „leichte“, das heißt alkoholarme Weißbiere hergestellt.
Bayern hat die längste Geschichte und Tradition im Weißbierbrauen in Deutschland und daher auch die größte Bandbreite an unterschiedlichen Weißbiersorten, die teilweise nur regionale Verbreitung finden. Allerdings gibt es auch in Oberösterreich und Salzburg insgesamt sechs Brauereien, die Weißbier brauen.
Darreichung
Glas
Weißbier wird traditionell in besonders geformten hohen, schlanken Gläsern ausgeschenkt. Die Form der Weißbiergläser wurde so gewählt, weil die Kohlensäureperlen lange durch das Getränk nach oben steigen können und es lange frisch und spritzig bleibt. Übrigens dient der verstärkte Glasboden nicht zuletzt auch dazu, um mit dem Bier traditionsgemäß „unten“ anzustoßen. Die Gläser werden vor dem Befüllen mit kaltem Wasser ausgeschwenkt, um die besonders starke Schaumentwicklung dieser Biersorte unter Kontrolle zu halten. Die lange Tradition hat gerade in Bayern zu verschiedenen Bräuchen im Umgang mit dem Bier geführt. So gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie man korrekt das Glas füllt: vorsichtiges Eingießen oder Umstülpen der Flasche ins Glas (jedoch wird diese Art des Einschenkens oftmals abgelehnt, da so der unter Umständen schmutzige Flaschenhals komplett im Bier liegt).
Temperatur
Weißbier gilt als typisches Sommerbier. Es muss aber unbedingt kühl und stehend gelagert werden. Es wird kühl, aber nicht eiskalt getrunken, damit sich die gerade bei diesem Bier sehr komplexen Fruchtnoten hinreichend entfalten können. Beim spritzigen Kristallweißbier sind 7–8 °C angemessen, beim hellen Hefeweißbier 8–10 °C, was auch für stärkere, bzw. dunkle Sorten gilt.
Beigaben
Verschiedene Ansichten gibt es über das Beigeben von (unbehandelten) Zitronenscheiben – der eine schwört auf den besonders spritzigen Geschmack, der andere ärgert sich über die durch die Frucht schneller zerstörte Schaumkrone. Wie auch bei anderen Getränken wirkt die Zitrone als Geschmacksverstärker. Andererseits neutralisiert die Zitronenscheibe auch die als Schwebstoff enthaltene Hefe. Diese Maßnahme rührt vermutlich noch aus Zeiten als es noch keine Möglichkeit gab diese auszufiltern. Ob mit oder ohne, beides geht in Ordnung - es ist eben persönliche Ansichtssache.
Weite Verbreitung hat auch das Ausschwenken der Resthefe gefunden. Hierbei wird vor dem Einschenken des "letzten Schlucks" noch abgesetzt und dann der Bodensatz durch schwenken der Flasche aufgewirbelt und ins Glas gegeben. Traditionell war dies jedoch nicht üblich und vorallem Kenner mißbilligen den dominaten Hefe-Geschmack, da er das eigentliche Weizen-Aroma überdeckt.
Allgemein als Unsitte anerkannt und nur für Laien ein vermeintliches „Muss“ ist die Beigabe von Reiskörnern. Diese sorgen dafür, dass sich die Kohlensäure schneller entbindet und das Bier schön sprudelt – genau das ist aber dem spritzigen Genuss abträglich und in Wirklichkeit nur ein optischer Kniff im Einschenken ungeübter Wirte.
Mischgetränke
Vielerorts existieren unter den regional unterschiedlichsten Bezeichnungen Mischgetränke, die neben Weizenbier meist Limonade enthalten. Eine Auswahl:
- Neger, Mohren – in einigen Gegenden (Bayern, Salzburger Flachgau und angrenzendes Innviertel) sehr gebräuchliche Bezeichnung für ein Weizenbier mit Cola (Colaweizen).
- Russ, Weizenradler – Weizenbier mit Zitronenlimonade
- Bananenweizen – Weizenbier mit Bananensaft
- Kirschweizen - Weizenbier mit Kirschsaft
- Goaß - Weizenbier mit Cola und Kirschrum
Mittlerweile werden auch zunehmend fertige Weizenbiermischgetränke angeboten.
Geschichte
Die Herstellung von Bier mit Weizen erfolgte bereits vor Jahrtausenden in Babylon und Ägypten.
In Europa gelangte die Technik der Weizenbierherstellung im 16. Jahrhundert von Böhmen nach Bayern.
Bereits 1520 soll ein niederbayerischer Brauer Weißbier hergestellt haben.
1548 erhielt der Graf von Degenberg das Privileg zugesprochen, nördlich der Donau Weißbier zu sieden. Im übrigen Bayern war Weißbier verboten, da es angeblich gesundheitsschädlich sei. Deshalb musste der Graf von Degenberg als Gegenleistung für das Privileg jährlich Ausgleichszahlungen leisten.
1567 wurde das Brauen von Weißbier in Bayern wie schon öfter vorher und nachher verboten. Weißbier wurde als „unnützes Getränk“ betrachtet, es war leicht verderblich, außerdem wurde Weizen für die Brotherstellung benötigt.
Als 1602 das Geschlecht der Grafen von Degenberg im Mannesstamm ausstarb, fiel das Privileg zum Weißbierbrauen an den bayerischen Herzog Maximilian I. zurück. Er brachte gegen den Widerstand des Kaisers die drei degenbergischen Braustätten Linden, Zwiesel und vor allem Schwarzach (Niederbayern) an sich und wäre sogar bereit gewesen, dem Kaiser die restliche Grafschaft zu überlassen, wenn er nur die Brauhäuser bekommen sollte. Privileg und Verbot begründeten das „Wittelsbacher Weißbiermonopol“, das eine sichere Einnahmequelle für den bayerischen Staat bedeutete: Zeitweise kamen bis zu 50 % der bayerischen Staatseinnahmen aus dem Weißbiermonopol. Nur auf diese Weise gelang es Herzog (Kurfürst) Maximilian I., die Schulden seines Vaters zu tilgen und seinem Sohn Ferdinand Maria einen geordneten Staatshaushalt zu hinterlassen.
Münchner Wirte wurden vertraglich verpflichtet, das hoch besteuerte Weißbier auszuschenken, in anderen Landesteilen entstanden gegen „Lizenzgebühr“ Weißbierbrauereien.
1617/1618 erscheint erstmalig in einer Jahresrechnung das Brauen des Weißbieres. Dies geschah in Arnstadt unter dem Bürgermeister Niclas Fischer welcher gleichzeitig Gastwirt „Zur goldenen Gans“ war. 22 Eimer mit je 72,13 Liter machten nun Arnstadt zum offiziell ersten deutschen Weizenbierstandort, obwohl die Bayern es schon vorher brauten. Die Bezeichnung „erster deutscher Weizenbierstandort“ ist also völlig unverständlich, da im Bayerischen Wald Weizenbier nachweislich seit etwa 1520 hergestellt wird.
Im 18. Jahrhundert ging der Marktanteil des Weißbieres stetig zurück, 1798 hob der bayerische Kurfürst Karl Theodor das Monopol auf. König Ludwig II. verkaufte 1872 das Königliche Weiße Bräuhaus München mit dem darauf liegenden Weißbierbraurecht an seinen bisherigen Pächter Georg Schneider.
Literatur
- Heinrich Letzing: Die Geschichte des Bierbrauwesens der Wittelsbacher: die Gründung des Hofbräuhauses München und die Entstehung des herzoglichen Weißbiermonopoles in der Auseinandersetzung mit den Landständen bis zum Landtag von 1612 sowie die Grundlagen des Bierzwanges; Studien zum Staatshaushalt, zur Verwaltungspraxis, zur Wirtschafts-, Sozial- und Agrargeschichte des alten Bayern, Augsburg 1995
- Heinrich Letzing: Die Rechnungsbücher des Weißen Bräuhauses Kelheim der Jahre 1612 und 1613, (Quellentexte zur bayerischen Braugeschichte 1) Kelheim 1995
- Heinrich Letzing, Margareta Schneider, Umberta Andrea Simonis: Weißbierlust. Das erste Weißbierbuch der Welt. 125 Jahre Brauerei G. Schneider & Sohn. Mit dem Weißbierlexikon, Augsburg 1998
- Back, W. (Hrsg.):Ausgewählte Kapitel der Brauereitechnologie, Fachverlag Hanns Carl, Nürnberg, 2006, S.237-254
Siehe auch
Weblinks
- Wissenswertes zum Weißbier
- „Jetzt weiz ich alles!“, Tagesspiegel, 6. August 2006