Ungarische Sprache
Die ungarische Sprache (Ungarisch, Magyar nyelv)
ist die einzige nicht-indoeuropäische Sprache, die im mitteleuropäischen Raum gesprochen wird. Sie gehört zusammen mit Samisch, Estnisch, Finnisch und einer Reihe im europäischen Russland und in Nordsibirien gesprochener Sprachen zu den finno-ugrischen Sprachen.
Zusammen mit den Mansen (4'000 in Russland) und Chanten (12'000 in Russland) bilden die Ungarn (rund 15'000'000 weltweit) die ugrische Untergruppe.
Die finno-ugrischen Sprachen wiederum bilden zusammen mit der kleinen Gruppe der Nenzensprachen die uralische Sprachfamilie.
Auf der Suche nach den Ursprüngen des Ungarischen gab es unterschiedliche Herleitungsversuche. So wurde versucht, Ungarisch der türkischen Sprachgruppe zuzuordnen. Dieser Sprachgruppe gehören neben dem Türkischen auch Sprachen Zentralasiens wie Kasachisch, Turkmenisch oder Kirgisisch an.
Die Europäer hielten die Ungarn beim ersten Kontakt für mit den Türken verwandt. So entstand auch der Name "Ungar" als Ableitung von "Onogur", einem türkischen Stammesführer aus jener Zeit. Die Diskrepanz zur Selbstbezeichnung der Ungarn ("magyar") sticht ins Auge.
Die Theorie der Verwandtschaft zu den Türken erhielt vor allem dadurch Nahrung, weil die Turksprachen ebenfalls agglutinierende Sprachen und vokalharmonisch aufgebaut sind.
Von dieser Theorie hat man jedoch ebenso Abstand genommen wie von der Idee, Ungarisch könne ein entfernter Verwandter des Japanischen sein, da eine Reihe kurzer Worte für allgemeine Landschaftsbezeichnungen auffällige Ähnlichkeiten in beiden Sprachen aufwiesen.
Unter den Ungarn selbst hielt sich etwa seit dem 12.Jahrhundert die Legende, man stamme von den Hunnen ab, was aber nicht der Fall ist. Der Name "Atilla" taucht daher sehr häufig im Ungarischen auf und wird nicht als schändlich empfunden.
Der Language Code ist hu
bzw. hun
(nach
ISO 639).
Besonderes Kennzeichen der Familie der finno-ugrischen Sprachen ist die regelmäßig agglutinierende Wortbildung. Agglutinierende (anklebende) Wortbildung hängt Partikel (also Worte wie z.B. mit, im oder zu) an die Wortstämme an. Beispiel:
kocsi (Wagen), kocsiban (im Wagen), kocsiba (in den Wagen), kocsihoz (zum Wagen), kocsimhoz (zu meinem Wagen)
Dabei bleibt der Wortstamm von den Anhängen stets klar unterscheidbar, die Bildungen sind sehr regelmäßig und es gibt davon fast keine Ausnahmen. Auch für die Verben gibt es ähnliche Verfahren, z.B.:
látni (sehen):
Verbstamm (lát) + hat(können) = láthat (er/sie/es darf sehen)
Verbstamm (lát) + hat(können) + t(Vergangenheit) + (a)m(Personalendung) = láthattam (ich durfe sehen)
Teilweise werden für die Verben aber auch Vorsilben verwendet:
z.B. meglátni = ansehen, erblicken; kilátni = hinaussehen
Die Schrift und die Aussprache Die ungarische Sprache wird mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Für jeden Laut existiert eine Kodifizierung. Eine Ausnahme bildet der j-Laut, der sowohl als "j" als auch als "ly" in Erscheinung tritt. Besondere konsonantische Laute werden teilweise durch Kombination von zwei oder gar drei Zeichen dargestellt.
- sz = stimmloses s
- z = stimmhaftes s
- s = stimmloser sch-Laut
- zs = stimmhafter sch-Laut
- cs = stimmloser tsch-Laut
- dzs = stimmhafter tsch-Laut
- c = z
- dz = stimmhaftes ds
- gy = entspricht einem "dj"
- ny = entspricht einem "nj"
- ty = entspricht einem "tj"
- v = w
Das r wird mit der Zungenspitze gebildet. Verdoppelte Konsonanten werden entsprechend länger ausgesprochen, vorangehende Vokale niemals verkürzt. Lange Vokale werden konsequent durch Akzente gekennzeichnet, also nicht verdoppelt. Die Darstellung des Doppelakzents für die Buchstaben Ő und Ű bereitet auf Internetseiten oft Probleme, so dass meistens auf einen Zirkumflex (^) oder Tilde (~) ausgewichen wird. Schrift und Aussprache gehen mit ganz wenigen Ausnahmen Hand-in-Hand. Betont wird ausnahmslos stets die erste Silbe der Wörter. Konjugation der Verben Das Ungarische erscheint zunächst als sehr schwer erlernbar. Das hat den Ungarn, die in ihrer Geschichte auch mehrere Fremdherrschaften erlebt haben, stets ein gewisses Maß an kultureller Autonomie gesichert. Es gibt nicht allzu viele Wortähnlichkeiten mit indoeuropäischen Sprachen; Personalpronomen werden nur benutzt, um die Person als solche hervorzuheben. Ansonsten wird nur das konjugierte Verb benutzt, da aus der entsprechenden Endung die Person eindeutig hervorgeht; z.B.: ülni = sitzen, ülök = ich sitze, ül =er/sie/es sitzt, ülünk = wir sitzen. oder látni (sehen): látok = ich sehe (etwas), látsz = du siehst (etwas), látunk = wir sehen (etwas) Man bezeichnet diese als unbestimmte Konjugation. Daneben gibt es noch die bestimmte. Diese wird benutzt, wenn das Objekt im Satz (eindeutig) bestimmten Charakter hat, kann aber nur bei zielenden (transitiven) Verben gebildet werden. "ülni" ist intransitiv; z.B.: látni (sehen): látom = ich sehe es, látod = du siehst es, látjuk = wir sehen es
Anhäufung von Suffixen
Aus einer anderen Sprache kommend, neigt man dazu, überall dort neue Worte zu sehen, wo das Ungarische lediglich seine überragende Kombinationstechnik einsetzt. Anstatt vor dieser Flut von Milliarden vermeintlicher Worte zu kapitulieren, muss das Wort auf seine Endungen und seinen Stamm hin analysiert werden; z.B.:
tehetetlenségével = mit seiner Unfähigkeit
von:
- tehetetlen = unfähig (< tehet(er kann tun) + (e)tlen(Negativpartikel), < ten(ni)(tun) + het(dürfen, können))
- tehetetlenség = die Unfähigkeit
- tehetetlensége = seine Unfähigkeit
igazságtalanságunkkal = mit unserer Ungerechtigkeit
von:
- igaz = wahr
- igazság = die Wahrheit
- igazságtalan = ungerecht
- igazságtalanság = die Ungerechtigkeit
- igazságtalanságunk = unsere Ungerechtigkeit
Aus diesen beiden Beispielen geht noch eine andere Eigenschaft des Ungarischen hervor: die Vokalharmonie. Die Suffixe und sonstige Endungen, die dem Stammwort angefügt werden, passen sich also dem hohen oder tiefen Klang des Stammwortes an.
Die Bildung der Mehrzahl Diese ist im Ungarischen recht einfach. An das entsprechende Substantiv wird das Suffix -k angefügt. Schwieriger ist dabei schon eher, den oftmals der Aussprache halber notwendigen richtigen Bindevokal zu finden, der sich aus der Vokalharmonie ergibt: könyv - könyvek (das Buch - die Bücher) gyerek - gyerekek (das Kind - die Kinder) asztal - aztalok (der Tisch - die Tische) madár - madarak (der Vogel - die Vögel)
Die Artikel
Es gibt sowohl bestimmte als auch unbestimmte Artikel.
Bei den bestimmten Artikeln unterscheidet man zwischen a und az. a kommt zum Einsatz, wenn das Folgewort mit einem Konsonanten beginnt, az wird verwendet bei vokalischem Anlaut des Folgewortes.
Der unbestimmte Artikel lautet egy.
Im Gegensatz zum Deutschen wird er wesentlich seltener verwendet, in der Regel nur, um den entsprechenden Gegenstand oder Sachverhalt hervorzuheben.
Die Artikel sind unveränderlich. Sie geben auch keinerlei Geschlechter an, da es in der ungarischen Sprache keine grammatikalischen Geschlechter gibt.
Der große Sprachwissenschaftler Jacob Grimm hat das Studium des Ungarischen allen empfohlen, die neue einfach zu erlernende Plansprachen schaffen wollen. Tatsächlich wäre es möglich, Ungarisch ähnlich darzustellen wie eine Programmiersprache, in der der Stamm den Befehl und die agglutinierten Endungen die Optionen darstellen würden. Möglicherweise liegt in dieser fast mathematischen Sprachmethodik auch einer der Gründe, warum Ungarn so viele hervorragende Mathematiker, Logiker und Computerwissenschaftler hervorgebracht hat, wie z.B. John von Neumann, Paul Erdös uvm.
Textsammlungen
Beim Free Translation Project liegen zahlreiche Übersetzungen (Englisch-Ungarisch) aus dem Bereich freier Software vor: http://www.iro.umontreal.ca/contrib/po/HTML/team-hu.html
Siehe auch: Sprache