Nibelungenlied
Begriffserklärung, Ort und Zeit der Handlung
Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos. Es entstand etwa um 1190/1200 in mittelhochdeutscher Sprache.
Der Verfasser des Nibelungenliedes ist unbekannt, zeigt aber die besten Ortskenntnisse im heute niederbayerisch-österreichischen Raum rund um Passau. Dazu passt die Sprachform, ferner dass der damalige Bischof von Passau Wolfger namentlich genannt wird und dass das Nibelungenlied weitgehend die gleiche Strophenform verwendet wie der frühe Minnesänger "Der von Kürenberg" aus der selben Gegend.
Ein Kernproblem des Nibelungenliedes ist seine Aufzeichnung eines germanisch-heidnischen Stoffes in dieser Zeit und für ein Publikum, das wohl bereits hochhöfische Artusepik kannte (Hartmann von Aue) - eine völlig andersgeartete Elite-Literatur mit verfeinerter christlich-ritterlicher Ethik.
In dieser Hinsicht war das Nibelungenlied von vornherein unzeitgemäß, die strophische Form mit (germanischen) Langzeilen scheidet es ebenfalls von der "modernen" Ritterliteratur eines Hartmann von Aue, Gottfried von Strassburg und Wolfram von Eschenbach.
Den Widersprüchen trotzend höfisiert der Dichter die germanischen Heroen und Walküren und stellt sie in ein christlich-hochadeliges Umfeld. So wird aus dem Drachentöter Siegfried erst mal ein schüchterner Werber, der seine Liebe zu Kriemhild erst dann deutlich bekundet, als er bei den Burgundenkönigen Gunther, Gernot und Giselher ausreichend Freundschaftskredit erworben hat. Einige Situationen, die den Konflikt zwischen Völkerwanderungs-Mythos und Ritter-Ethos auf die Spitze treiben (so etwa die für Gunther schmachvolle Hochzeitsnacht mit Brunhild), sind eventuell nur noch ironisierend zu interpretieren.
Das Ende ist bekanntlich bluttriefend und unversöhnlich und steht damit ebenfalls fernab der "Happy-End"-Notwendigkeit höfischer Epen.
Trotz unausweichlicher Brüche hat der Nibelungenlied-Dichter nicht allein das Verdienst, das Epos um Siegfried und Kriemhild überhaupt überliefert zu haben: In diversen Szenen gelingen ihm dichte Atmosphäre und Figurenpsychologie.
Die bekannte Eingangsstrophe (wohl erst späterer einleitender Zusatz):
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren von grozer arebeit
von freude vnd hochgeziten von weinen vnde klagen
von küener recken striten mvget ir nv wunder horen sagen
Die Handlung
Das Nibelungenlied besteht aus zwei Teilen, in derem ersten Siegfrieds Tod, im zweiten die Rache seiner Gattin Kriemhild im Mittelpunkt steht. Das Umfeld ist die Zeit der Könige von Burgund am Rhein, sowie (im zweiten Teil) Südostdeutschland, wie dem Donaugebiet des heutigen Österreichs und Ungarns.
Erster Teil
Der erste Teil stellt den Helden Siegfried vor, der mit dem unsichtbar machenden Tarnmantel, einer bis auf eine Stelle zwischen den Schulterblättern bestehenden Unverwundbarkeit (Drachenblut) und seinem legendären Nibelungenschatz die Hauptrolle einnimmt.
Doch als er, um Kriemhild zur Gattin zu gewinnen, deren Bruder und Burgundenkönig Gunther bei dessen Werben um Brunhild wie auch in dessen Hochzeitsnacht mit einem Rollentausch behilflich ist, legt er den Grundstein seines Unterganges.
Neid und Eifersucht der Frauen führen zu seiner Ermordung durch Hagen von Tronje. Kernstück ist der Streit zwischen Kriemhild und Brunhild in Worms, als Brunhild offenbart, dass Siegfried als Vasall Gunthers vorgestellt worden ist, Siegfried und sein Königreich demnach Gunther tributpflichtig und untertan seien. (Etwas psychologischer artikuliert: Die Frau Brünhild ahnt den unglaublichen Betrug an ihr als Frau, kann ihr Misstrauen aber nur durch äusserliche Lehensabhängigkeiten begründen.)
Kriemhild kontert, dass nicht Gunther, sondern Siegfried Brunhild in der Hochzeitsnacht zur Frau gemacht habe. Die Beweise - Brunhilds Ring und Gürtel - seien in Siegfrieds Besitz.
Den darauf folgenden Mordkomplott gegen Siegfried vollzieht Hagen von Tronje, der von Kriemhild mit List Siegfrieds verwundbare Stelle zwischen den Schulterblättern hat kennzeichnen lassen.
Zweiter Teil
Im zweiten Teil sinnt die jetzt mit dem Hunnenkönig Etzel verheiratete Kriemhild auf Rache.
Eine Einladung der Burgunden um Hagen zu Etzels Hof bietet ihr die Gelegenheit, eine Schlacht auszulösen, in deren Verlauf beide Seiten große Verluste hinnehmen müssen.
Sie enthauptet eigenhändig Hagen, um dann selbst von Hildebrands Hand umzukommen.
Historischer Hintergrund
Wichtige Personen des Nibelungeliedes
- Blödelin (Bleda, Attilas Bruder)
- Brünhild (B. wird unter dem Schutz der Tarnkappe von Siegfried für Gunther geworben)
- Dankwart (Bruder Hagens)
- Dietrich von Bern (Gefolgsmann Etzels, historisches Vorbild ist wohl der Ostgotenkönig Theoderich der Große)
- Etzel (mit dem historischen Vorbild Attila)
- Gernot (Burgunderkönig, mit Gunther und Giselher, historisch nicht belegt)
- Giselher (Burgunderkönig)
- Gunther (König Gundahar, im Gegensatz zu älteren Quellen wie der Edda kommt Gunther im Nibelungenlied deutlich schlechter weg)
- Hagen von Tronje (Högni, treuer Gefolgsmann Gunthers, in der Nibelungensage Mörder Siegfrieds) (siehe auch: Hagen)
- Hildebrand (Waffenmeister Dietrich von Berns)
- Kriemhild (basiert wohl auf Ildiko, der Frau Attilas)
- Rüdiger von Bechelaren (edler christlich geprägter Gefolgsmann Etzels)
- Siegfried der Drachentöter
- Ute (Mutter Kriemhilds)
- Volker von Alzei (Spielmann und Ritter König Gunthers)
Weitere Informationen
Verwandte Sagen
Hildebrandslied, Atlilied, Edda, Dietrichsage (Thidrekssaga), Siegfriedlied (Lied vom Hürnen Seyfried), Kudrunlied/Gudrunlied, Wälsungenlied, Sigurdlied