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Ergotherapie

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Die Ergotherapie (v. griech. Vorlage:Polytonisch, altgr. Aussprache érgon, „Werk“, „Arbeit“ und Vorlage:Polytonisch, altgr. Aussprache therapeía, „Dienst“, „Behandlung“) ist ein medizinisches Heilmittel und wird bei gesundheitlich beeinträchtigten Menschen mit motorisch-funktionellen, sensomotorisch-perzeptiven, neuropsychologischen, neurophysiologischen oder psychosozialen Störungen eingesetzt.

„Das Ziel der Ergotherapie ist es durch den Einsatz von Aktivitäten, Betätigung und Umweltanpassung dem Menschen eine größtmögliche Handlungsfähigkeit im Alltag, Lebensqualität und gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen." (Definition lt. Deutschem Verband der Ergotherapeuten e. V.)

Die ergotherapeutische Behandlung umfasst in der Regel eine Befunderhebung und Diagnostik sowie eine auf den Behandlungsplan aufbauende klientenzentrierte Therapie. Einen elementaren Bereich stellt das Üben von Tätigkeiten (Activities of daily living) dar.

Durch Verbesserung, Wiederherstellung oder Kompensation der beeinträchtigten Fähigkeiten und Funktionen soll dem Patienten eine möglichst große Selbstständigkeit und Handlungsfreiheit im Alltag ermöglicht werden. Neben geeigneten Übungen soll auch der Einsatz von Hilfsmitteln dazu beitragen, dass die verbleibenden Fähigkeiten angepasst werden und so ein Optimum an Rehabilitation erreicht wird.

Moderne Therapieverfahren sind beispielsweise die sensorische Integrationstherapie nach Jean Ayres, die Behandlung nach dem Bobath-Konzept oder die kognitiv-therapeutische Übungsbehandlung nach Prof. Perfetti.

Der Beruf des Ergotherapeuten entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA und wurde von unterschiedlichen Berufsgruppen wie Ärzten, Sozialarbeitern, Krankenschwestern, Künstlern, Handwerkslehrern und Architekten unabhängig von einander entwickelt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland durch britische Krankenschwestern zur Versorgung der an Seele und Körper Verwundeten deutschen Soldaten und Zivilisten erstmals ergotherapeutische Verfahren und Methoden angewendet. In Deutschland wurde 1953 die erste Lehreinrichtung für Ergotherapie in Hannover gegründet.

Ausbildung

Die Ausbildung zum Ergotherapeuten erfolgt in Deutschland an einer staatlich anerkannten Schule für Ergotherapie, dauert in der Regel sechs Semester und schließt mit einem Examen ab. Mittlerweile werden auch Diplom-, Bachelor- und Master- Kurse mit Hochschulabschluss angeboten.

In Österreich erfolgt im Zuge des Bologna-Prozesses die Umstellung von einem Diplom an einer Akademie auf eine Ausbildung an der Hochschule mit akademischem Abschluss. Im Wintersemester 2006 starteten an der FH JOANNEUM und der FH Salzburg die ersten Jahrgänge, die im Sommer 2009 mit dem Bakkalaureat abschließen werden.

Grundlagen der Ergotherapie

Ergotherapie beruht auf medizinischer, sozialwissenschaftlicher und handlungsorientierter Grundlage. Sie kann bei Menschen jeden Alters angewendet werden, bei Bewegungsstörungen, Körperempfindungs- und Nervenleitungsstörungen, psychischen und sozioemotionalen Problemen.

Ziel von Ergotherapie

Ziel von Ergotherapie ist es, Menschen dabei zu helfen, ihren Alltag in Beruf, Schule, Kindergarten, Familie und im Freizeitbereich besser bewältigen zu können. Bei der ergotherapeutischen Betrachtungsweise stehen nicht die oberflächlichen Einschränkungen und Krankheitszeichen im Vordergrund, sondern die zugrundeliegenden Ursachen. Da bei einigen Krankheitsbildern keine Ursachen bekannt sind, werden auch Symptome behandelt. Durch gezielte Verbesserung mit anerkannt erfolgreichen Methoden, soll dem Menschen (wieder) dazu verholfen werden, den Anforderungen in seinem Leben zu seiner Zufriedenheit gerecht zu werden.

Um konkrete Zielvorgaben und Behandlungsleitlinien zu entwickeln, dienen zunehmend klientenzentrierte Modelle wie das Canadian Model of Occupational Performance (CMOP) oder das Model of Human Occupation MOHO.

Ergotherapie in der Neurologie

Hier werden vor allem Erkrankungen des Zentralen Nervensystems zum Beispiel Zustand nach Schlaganfall, Schädel-Hirn-Verletzungen, Querschnittlähmungen, Multiple Sklerose oder Parkinson Syndrom behandelt. Diese weisen in der Regel sehr komplexe Störungsbilder auf, die sich vergleichsweise langsam und nur selten vollständig zurückbilden. Eine ergotherapeutische Behandlung in diesem Fachbereich beinhaltet zum Beispiel:

  • Hemmung und Abbau krankhafter Haltungs- und Bewegungsmuster und Erlernen und Üben normaler Bewegungen
  • Verbesserung der Verarbeitung von Sinnesreizen im Sinne einer Normalisierung der Reizempfindung, einer Filterung und Bewertung der empfundenen Reize, einer Normalisierung der Geschwindigkeit der Reizverarbeitung und der Normalisierung der Reizverarbeitung bis zu einer zweckmäßigen motorischen Antwort.
  • sensorische Integration
  • Behandlung von Störungen der Grob- und Feinbewegungen
  • Verbesserung von Gleichgewichtsempfindungen und der Gleichgewichtsreaktionen.
  • Verbesserung von neuropsychologischen Defiziten und Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis oder Lese-Sinn-Verständnis, das Erkennen von Gegenständen oder das Erfassen von. Räumen, Zeit und Personen
  • Erlernen von Ersatzfunktionen
  • Entwicklung und Verbesserung der Fähigkeiten unter anderem in den Bereichen der Gefühlssteuerung, der Affekte oder der Kommunikation
  • Training von Alltagsaktivitäten im Hinblick auf die persönliche, häusliche und berufliche Selbständigkeit
  • Beratung bezüglich geeigneter Hilfsmittel und Änderungen im häuslichen und beruflichen Umfeld, eventuell Anpassung von Hilfsmitteln

Um die oben beschriebenen Ziele zu erreichen, greift die Ergotherapie auf verschiedene Behandlungsansätze zurück, wie zum Beispiel nach Jean Ayres, Bobath, Affolter, Johnstone, PNF, Perfetti, Castillo Morales.

Ergotherapie in der Orthopädie, Traumatologie und Rheumatologie

Wer wird ergotherapeutisch behandelt?

Menschen mit Störungen des Bewegungsapparates, z. B. bei/nach

Welche Ziele verfolgt die Ergotherapie?

  • Das Erreichen größtmöglicher Selbständig­keit im beruflichen, schulischen und häuslichen Alltag
  • Erweiterung des gesamten Bewegungs­ausmaßes aller Gelenke
  • Herstellung und Erprobung von Adaptationen, Hilfsmitteln und Schienen
  • Einüben schmerzarmer und kompensa­torischer Bewegungsabläufe
  • Umtrainieren der Gebrauchshand
  • Wohnraumanpassung

Was beinhaltet die Ergotherapie?

  • motorisch-funktionelle Übungen (Überschneidung mit der Physiotherapie)
  • ADL-Training: Anziehen − Essen − Haushalt − Körperhygiene usw.
  • Stumpfabhärtung und Prothesentraining (Überschneidung mit der Physiotherapie)
  • Schienenherstellung und deren Anpassung (Überschneidung mit der Physiotherapie)
  • Hilfsmittelberatung, ggf. Hilfsmittelherstellung oder -adaptation (Überschneidung mit der Physiotherapie)
  • Beratung und Training zum Gelenkschutz (Überschneidung mit der Physiotherapie)
  • Narbenbehandlung (Überschneidung mit der Physiotherapie)
  • Kognitives Training
  • Wohnraum- und Arbeitsplatzgestalltung / Adaption
  • Belastungserprobungen in der Arbeitstherapie und Rehabilitationskliniken
  • Gruppenprozesse in der Psychiatrie bzw. Forensik zur Besserung von Sozialverhalten
  • Aufzeigen eigener Grenzen z. B. bei dissozialen Jugendlichen

Ergotherapie in der Geriatrie

Wer wird ergotherapeutisch behandelt?

Ältere Menschen

  • mit akuten und chronischen Erkrankungen aus den Fachgebieten der Neurologie, inneren Medizin, Orthopädie, Chirurgie und Psychiatrie,
  • die aufgrund der oben genannten Störungsbilder und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) in Senioren- und Pflegeheimen leben.

Welche Ziele verfolgt die Ergotherapie?

  • Förderung und Stabilisierung von vorhan­denen und verlorengegangenen geistigen, sozialen und körperlichen Fähigkeiten
  • Vermeidung/Verminderung von Abhängig­keit und Isolation
  • Selbständigkeit im Alltag
  • Erweiterung und Erhaltung des Bewegungsausmaßes aller Gelenke (eigentlich eher Schwerpunkt der Physiotherapie, hier überschneiden sich allerdings die Felder)
  • Verbesserung der Handlungs- und Bewegungsplanung und -durchführung
  • Förderung der Wahrnehmung in allen Sinnesbereichen
  • Nutzung vorhandener Kompetenzen
  • Förderung und Stabilisierung von Gedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit Konzentration und Orientierung
  • Verbesserung und Erhaltung von individuell bestimmter Lebensqualität

Was beinhaltet die Ergotherapie?

  • Training der motorischen und sensorischen Fähigkeiten
  • Training bei neuropsychologischen Störungen / Hirnleistungstraining
  • Training der Selbständigkeit im Alltag
  • Versorgung mit Hilfsmitteln
  • Training sozial-kommunikativer Fähigkeiten

Ergotherapie in der Psychiatrie

Ergotherapie in der Psychiatrie bietet Menschen aller Altersstufen − die zum Beispiel unter Suchterkrankungen, psychotischem Erleben, neurotischen oder psychosomatischen Störungen leiden − die Möglichkeit, ihre eigenen − kreativen − Potenziale (wieder)zu entdecken und durch die Erkrankung verlorengegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen. Zu den Krankheitsbildern, mit denen Ergotherapeuten in der Psychiatrie zu tun haben, gehören psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter, Angststörungen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Depressionen, Schizophrenien, Essstörungen, affektive Störungen, dementielle Syndrome, Störungen bei Alkohol-, Drogen- und Medikamentensucht oder das hirnorganische Psychosyndrom.

Trotz des Anspruches der Ergotherapie, ganzheitlich zu arbeiten und sowohl das Umfeld, als auch die soziale Umwelt der Klienten einzubeziehen, steht die Profession immer noch in den Anfängen, sich der Realisierung dieser Ziele im psychiatrischen Arbeitsfeld anzunähern. In der Pädiatrie oder teilweise auch in der Neurologie arbeitende Ergotherapeuten haben (aus strukturellen Gründen) eher die Möglichkeit, diesem Ideal zu entsprechen (Wolter, D.: Ergotherapie in der Psychiatrie aus der Sicht von Angehörigen (2006). Unveröffentlichte Bachelor-Arbeit. HAWK Hildesheim / Holzminden / Göttingen).

Die grundsätzlichen Ziele der Ergotherapie in der Psychiatrie

sind die Entwicklung, Verbesserung und der Erhalt von

  • Psychischen Grundleistungsfunktionen wie Antrieb, Motivation, Belastbarkeit, Ausdauer, Flexibilität und Selbstständigkeit in der Tagesstrukturierung
  • Körperwahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung
  • Situationsgerechtem Verhalten, sozioemotionalen Kompetenzen und Interaktionsfähigkeit
  • Realitätsbezogenheit von Selbst- und Fremdwahrnehmung
  • Kognitiven Funktionen
  • Psychischer Stabilität und von Selbstvertrauen
  • Eigenständiger Lebensführung und Grundarbeitsfähigkeit

Therapiemethoden

Im wesentlichen sind dabei drei Therapiemethoden von Bedeutung

kompetenzzentrierte Methode

  • Einsatz ausgewählter handwerklicher Techniken
  • Übungen aus dem lebenspraktischen- und Freizeitbereich
  • Erwerb verlorengegangener oder nicht vorhandener Fähigkeiten
  • Training von Fertigkeiten

ausdruckzentrierte Methode

  • Verwendung von Therapiemitteln in kreativ − gestalterischer Form als Ausdrucksmittel, Mittel zur Darstellung, Kommunikationsmittel
  • Themen frei und gefühlsbetont ermöglichen Personennähe
  • Therapiemittel: Musik, Materialien

interaktionelle Methode

  • Gruppendynamischer Prozess (Auseinandersetzung in der Gruppe, Miteinander in der Gruppe)
  • Die Teilnehmer können verschiedene Positionen innerhalb der Gruppe einnehmen


Es ist jedoch schwierig, diese drei Behandlungsformen rigoros voneinander zu trennen, so dass oftmals eine Verknüpfung verschiedener Ansätze in die Behandlung einfliesst.

Therapieansätze vor allem im Bereich Pädiatrie sind u.a. z.B. (- und auch sie werden je nach Anwendungsbedarf gemischt):

  • Spieltherapie
  • Verhaltenstherapeutischer Ansatz (Ausbildung z.B. VT für Ergotherapeuten in Bad Dürkheim)
  • Videoanalyse mit Elternberatung und Verhaltensanleitung im Bereich Pädiatrie

Literatur

  • Marotzki, Ulrike / Reichel, Kathrin (Hrsg.): Psychiatrische Ergotherapie heute, Psychiatrie-Verlag, Bonn 2006. ISBN 978-3-88414-412-1
  • Clara Scheepers, Ute Steding-Albrecht, Peter Jehn: Ergotherapie. Vom Behandeln zum Handeln. Lehrbuch für Ausbildung und Praxis. Thieme, Stuttgart. 3. Aufl. 2006. 617 S., 189 Abb. ISBN 3131143436
  • Ortrud Eggers: Ergotherapie bei Hemiplegie. ISBN
  • Carola Habermann, Friederike Kolster: Ergotherapie im Arbeitsfeld Neurologie. Thieme, Stuttgart. 573 Seiten. 2002. ISBN 3131256214
  • Beate Kubny-Lüke: Ergotherapie im Arbeitsfeld Psychiatrie. Thieme, Stuttgart (2003). ISBN
  • Gudrun Schaade: Ergotherapie bei Demenzerkrankungen. Ein Förderprogramm. ISBN
  • wissenschaftliche Fachzeitschrift: ergoscience. Erscheinen vier Mal jährlich. 1. Jg. 2006 ISSN

Eine Behandlungsmethode als Beispiel: Sensorische Integrationstherapie

Was ist „Sensorische Integration“?

Sensorische Integration ist die Aufnahme von Sinnesinformationen, ihre Weiterleitung im Nervensystem und ihre Deutung im Gehirn zum Handlungsgebrauch. Dieser Wachstumsvorgang beginnt lange vor der Geburt, ist im frühen Kindesalter besonders rasch, setzt sich aber lebenslang fort. Er ist die Grundlage von Bewegung, Sprache und Lernen und der Schlüssel zu sinnvoller Handlung. Dieser Prozess der sensorischen Integration kann gestört sein. Das äußert sich sehr verschieden und zeigt dann die unterschiedlichsten Probleme.

Welche Anzeichen können ein Hinweis auf Sensorische lntegrationsstörungen sein?

Welche ärztlichen Diagnosen sind eine Indikation für die Sensorische lntegrationstherapie?

Was beinhaltet die Sensorische Integrationstherapie?

  • Eine genaue Beobachtung der Sinnesaufnahme und einen Befund der Hyper- und Hyposensibilitäten
  • Eine differenzierte Diagnostik der Sinnesverarbeitung
  • Den gezielten Einsatz von Handlungs- und Bewegungsangeboten durch spezielle Geräte (z. B. besondere Schaukeln) oder bestimmte Materialien, die auf die besonderen Bedürfnisse der Kinder abgestimmt sind. Damit werden die Basissinne (Gleichgewicht, Tast- und Tiefensensibilität) zur Verbesserung der Wahrnehmungsverarbeitung angesprochen.

Ziel ist die Verbesserung der Handlungskompetenzen. Diese Behandlungsform wird vorwiegend bei Kindern angewandt nimmt aber bei Jugendlichen und Er­wachsenen zu.