William Harvey
William Harvey, (* 1. April 1578 in Folkestone (Grafschaft Kent; England , † 3. Juni 1657 in Hampstead (Camden; England) war ein englischer Arzt und Anatom und mit der Entdeckung des Blutkreislaufs der Wegbereiter der modernen Physiologie.
William Harvey wurde als Son eines Kaufmanns geboren, lernte in seiner Schulzeit in Canterbury klassische Sprachen und schloss 1597 das Studium an der Universität von Cambridge mit einem Bachelor of Arts ab. In der Folge studierte er bis 1602 Medizin an der Universität von Padua in Italien, der renommiertesten medizinischen Fakultät jener Zeit. Dort hatte der angesehene Chirurg und Anatom Hieronymus Fabricius zwar die Venenklappen entdeckt, ihre Bedeutung jedoch noch nicht verstanden, da die damals gültigen Auffassungen Galens einen Kreislauf des Blutes nicht erlaubten.
Zurück in England eröffnete Harvey eine Praxis und heiratete Elizabeth Browne, die Tochter des Leibarztes von Königin Elisabeth I.. 1607 wurde Harvey Mitglied des "Royal College of Physicians", 1608 an den Hof von König James I. berufen und nach dessen Tod 1625 auch Leibarzt dessen Nachfolgers Charles I., der seine Forschungen großzügig unterstützte. 1628 veröffentlichte er sein 72seitiges Werk "Exercitatio Anatomica de Motu Cordis et Sanguinis in Animalibus" oder kurz "De Motu Cordis" (Anatomische Studien über die Bewegung des Herzens und des Blutes), was ihm zu Ansehen in ganz Europa verhalf, ihm andererseits auch harte Kritik der Anhänger Galens einbrachte, auf die er 1649 mit der Veröffentlichung seiner detaillierten Antworten reagierte. Das große Rätsel, wie das Blut aus den Arterien in die Venen komme, konnte allerdings erst nach der Erfindung des Mikroskops der italienische Anatom Marcellus Malpighi mit seiner Entdeckung der Kapillaren lösen.
Gut 200 Jahre bevor die erste Eizelle eines Säugetiers entdeckt wurde vertrat Harvey die Ansicht, der Mensch entstehe aus deren Befruchtung durch eine Samenzelle. 1651 formulierte er in "Exercitationes de Generatione Animalium" die grundlegenden Theorien der Epigenese. Darin vertrat er die Meinung, spezialisierte Organe entwickelten sich aus undifferenzierten Strukturen, und widersprach damit der bis dahin allseits anerkannten Präformationstheorie. Die Bestätigung dieser Ansicht lieferte schließlich 1796 der deutsche Anatom Kaspar Friedrich Wolff.
Was William Harvey von seinen forschenden Zeitgenossen unterschied war seine klare Trennung von Hypothesen und Fakten. Ergebnisse seiner Forschungen akzeptierte er erst, wenn sie auch in Kontrollversuchen bestätigt wurden. Er war somit der erste, der wissenschaftliche Methoden auf dem Gebiet der Biologie und Medizin einführte und kann somit als der Begründer der neuzeitlichen Medizin und Physiologie betrachtet werden. Seine Berechnung der Pumpleistung des Herzens ist die erste bedeutende Anwendung der Mathematik auf die Biologie. Harveys neue Erkenntnisse eröffneten auch den philosophischen Kampf zwischen Vitalisten und Mechanisten, der sich bis in die heutige Zeit zieht.
siehe auch: Geschichte der Medizin - Blutkreislauf (Geschichte)