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Antoni Henryk Radziwiłł

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Fürst Anton Heinrich (Antoni Henryk) Radziwill, 12. Herzog von Nieswiez und (seit 1813) 11. von Olyka (* 13. Juni 1775 in Wilna, † 7. April 1833 in Berlin), war ein polnischer und preußischer Politiker, Großgrundbesitzer und Komponist, der am Anfang des 19.Jahrhunderts tätig war.

Jugend und Heirat

Abkömmling des reichsten und mächtigsten Aristokratengeschlechts der 1. Polnischen Republik, das zu den neun Familien gehörte, welche schon seit 1569 den Fürstentitel in der sonst titellosen Adelsrepublik führen durften, studierte Anton seit 1792 mit seinen Brüdern in Göttingen und erhielt 1794 eine Einladung an den preußischen Hof Friedrich Wilhelm II. Während des Besuchs des preußischen Königspaares Friedrich Wilhelm II. und Louise auf dem Radziwill-Gut Nieborow unweit von Warschau im Jahre 1795, (nach der 3.Teilung Polens, als Warschau preußisch wurde), lernte Anton die Nichte Friedrich II. und Schwester des später berühmten Prinzen Louis Ferdinand, Prinzessin Luise Friederike von Preußen kennen, verliebte sich in sie und durfte sie nach zähen Verhandlungen mit dem preußischen Hofe am 17. März 1796 heiraten.

Frühe politische Tätigkeit

Sein Leben lang kursierte Anton Radziwill zwischen Berlin, Posen, Warschau, Nieborow und Sankt Petersburg, immer bemüht, die Sache der Wiederaufrichtung Polens zu fördern, allerdings eines Polen in Personalunion mit dem Königreich Preußen, welches in Polen auf wenig Verständnis und Gegenliebe stieß. Solange sogenanntes Südpreußen mit Warschau preußisch blieb, trug er sich mit Plänen, daraus ein neues Königreich Polen unter dem König von Preußen zu schaffen. In den Jahren 1802 bis 1805 stand er dem Prinzen Josef Poniatowski nahe und gewann seine Unterstützung für die polnisch-preußischen Pläne. 1806 schien Friedrich Wilhelm III. entschlossen, Radziwills Konzeption durchzuführen und gab ihm den Auftrag, eine Verfassung für Preußisch-Polen herauszuarbeiten: es sollte zu einem Königreich Polen ausgerufen werden, mit eigener Verwaltung und eigenem Heer, wobei Radziwill selbst als Vizekönig und Tadeusz Kosciuszko als Oberkommandierender des Heeres fungieren sollten. Durch die preußische Niederlage bei Jena-Auerstedt im selben Jahre wurden alle diese Pläne zunichte.

Vermögensfragen

Ab 1812 waren alle Entscheidungen in der polnischen Frage Angelegenheit des Zaren Alexander I.. Für Fürst Radziwill ging es dabei nicht nur um das Schicksal Polens, sondern auch um die riesigen Güter der älteren Linie des Geschlechts in Weißrußland (damals Litauen genannt) und der Ukraine, die Majorat e Nieswiez, Olyka und Mir. Der Eigentümer, sein Vetter Fürst Dominik Radziwill, fiel im Dezember 1813 und dessen Witwe versuchte, die Güter ihrer Tochter Fürstin Stephanie Sayn zu Wittgenstein zugesprochen zu bekommen. Schließlich faßte Alexander I. im Jahre 1814 den Beschluß, die zwei Hauptmajorate dem Fürsten Anton zu übergeben, während die Allodialgüter von Mir in Litauen Eigentum der Fürstin zu Sayn-Wittgenstein verblieben. Die letzte Besitzerin dieser Güter, die etwa 18 000 qkm umfaßten, also größer waren als viele deutsche Teilstaaten, war Stephanies Tochter, Fürstin Marie Hohenlohe, Gemahlin des Reichskanzler s Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Die Fürstin Marie mußte den Besitz gegen Ende des 19.Jahrhunderts liquidieren, da neue russische Gesetze keinen ausländischen Landbesitz in Rußland zuließen, während die Majorate bei den Nachkommen Anton Radziwills bis 1939 verblieben.

Als preußischer und russischer Großgrundbesitzer

Ab 1815 änderte sich die Situation des Fürsten Anton radikal. Er wohnte in Berlin in seinem Rokoko-Palais an der Wilhelmstraße - das später, vom Staat gekauft - Alte Reichskanzlei genannt wurde und 1945 zugrundeging. An Gütern in Preußen hatte er nur wenig, das Majorat Przygodzice mit dem von Karl Friedrich Schinkel in den Jahren 1822 bis 1824 erbauten Jagschloss Antonin unweit Ostrowo in der Provinz Posen, später auch das 1824 eingekaufte Waldgut Ruhberg (heute Teil von Schmiedeberg (Kowary) im Riesengebirge. In Kongreßpolen lagen die Güter Nieborow und Arkadia mit dem prächtigen Schloss Nieborow bei Lowicz, außerdem besaß er das prunkhafte Radziwill-Palais im Zentrum von Warschau. Der größte Teil des Besitzes, die beiden riesigen Majorate, lag im eigentlichen Rußland, oder dem Teil von Polen, der nach der 1. Teilung russisch wurde. Davon war Schloss Nieswiez (etwa 350 Räume) beinahe baufällig und unbewohnbar, es sollte erst von Antons Enkel Friedrich Wilhelm Anton (*1833) wiederaufgebaut werden. Zerstreute Güter lagen in Galizien, also Österreich. Nach dem Wiener Kongreß, an welchem er als Berater des Zaren teilnahm, kehrte er nach Berlin zurück, fest entschlossen, trotz allem preußischer Untertan zu bleiben, obwohl er zwei Jahre früher erwogen hatte, nach Rußland zu übersiedeln. Seine Verwandtschaft mit dem preußischen Königshaus half ihm, die Güter im russischen Herrschaftsgebiet unbeanstandet zu behalten.

Statthalter in Posen

Durch Beschlüsse des Wiener Kongresses kam das Posener Gebiet an Preußen als Großherzogtum Posen, wo die polnische Mehrheit der Einwohner weitgehende Freiheiten besaß. Im Frühjahr 1815 wurde Fürst Anton zum preußischen Generalleutnant und Statthalter des neuen Großherzogtums und später zum Mitglied des preußischen Staatsrat s ernannt. Er wurde auch Ritter des Schwarzer Adler Orden s. Am 20. Juli 1815 kam er nach Posen und bezog seine amtliche Residenz im ehemaligen Jesuitenkollegium, einem imposanten Barockbau. Am 3.August desselben Jahres nahm er die Huldigung von 700 Vertretern des Adels, der Geistlichkeit, der Beamten und der Bauern entgegen. Als seine Aufgabe sah er vor allem, die Polen (worunter er natürlich den Adel verstand) mit Preußen zu versöhnen und an die Dynastie zu binden, während die Posener Polen vor allem Selbstverwaltung erstrebten.

Als Statthalter hatte er eigentlich nur repräsentative und beratende Funktionen: er durfte als Vorsitzender bei den Zusammenkünften der beiden Regierungen Posen und Bromberg agieren und ein Veto gegen alle Beschlüsse, die Untertanen polnischer Nationalität betrafen, einlegen, wobei der endgültige Beschluß beim König von Preußen lag. Seine Beziehungen zum ersten Oberpräsident en der Provinz, Zerboni di Sposetti, gestalteten sich gut, total verfeindet war er dagegen mit dem General von Roeder, dem die preußischen Truppen im Großherzogtum unterstanden. Für die Polen tat er viel: er intervenierte stets bei den Ernennungen der höheren Beamten und Geistlichen, unterstützte die Petitionen des Posener Landtags an den König und half finanziell den aufstrebenden Talenten der polnischen Gemeinschaft. Er wurde überall für seine hohe Kultur, Höflichkeit und Menschenbehandlung geschätzt. Auch seine Frau, Fürstin Luise, war den Polen wohlgeneigt und in der Wohltätigkeit engagiert. Sie half oft durch ihre Kontakte zum Berliner Hof und zum Kanzler vom Stein,mit dem sie jahrelang korrespondierte, antipolnische Maßnahmen der preußischen Beamtenschaft rückgängig zu machen.

Die politische Karriere Anton Radziwills (schon früher untergraben durch die erfolglosen Verhandlungen über die Heirat seiner Tochter Elisa Radziwill mit dem Prinzen Wilhelm (Wilhelm I.) in den Jahren 1822 -1824) wurde 1830 durch den Ausbruch des Novemberaufstandes in Kongreßpolen endgültig beendet, u.a. durch die Rolle seines Bruders Michal, der letzter Oberbefehlshaber der aufständischen polnischen Truppen wurde. Im Februar 1831 wurde die Posener Statthalterschaft von König Friedrich Wilhelm III. suspendiert. Zwei Jahre später, am 27.Januar 1833, wurde Radziwill aus dem Staatsdienst entlassen. Sein letzten Lebensjahre verbrachte er in Teplitz in Böhmen, auf seinem Waldgut Ruhberg und in Berlin. Anton Radziwill starb 1833 in Berlin und wurde im Dom zu Posen begraben. Seine Gemahlin folgte ihm drei Jahre später. Nach seinem Tode wurden die Majorate unter den Söhnen aufgeteilt, so daß nun zwei Hauptlinien des Geschlechts existierten, die Herzöge von Nieswiez (heuteNjeswisch, Weißrußland) und die von Olyka in der heutigen Ukraine. Erst um 1960 wurden beide Titel de iure in der Person von Antons Nachkommen in der 6.Generation, des Warschauer Arztes Fürst Ferdinand Radziwill (*1935, †1992) wieder vereinigt, der aber nur die Titel und keine Güter mehr besaß.

Anton Radziwill als Komponist

Radziwill war ein guter Sänger, ausgezeichneter Cellovirtuose und schuf einige Kompositionen, die hohe Beachtung der Fachkreise fanden. Seine bedeutendste Komposition war die Vertonung von Goethe s Faust (1811 - 1830), zu der er von Carl Friedrich Zelter angeregt wurde. Fürst Anton trat in Verbindung mit Goethe, der ihm seine Wünsche und Vorstellungen mitteilte. Die erste Aufführung der fertigen Szenen fand am 50.Geburtstag seiner Gattin Luise am 24. Mai 1820 im Berliner Palais der Familie statt; es folgte noch eine zwei Wochen später im Berliner Lustschloss Monbijou. Das Werk wurde erst drei Jahre vor seinem Tode fertig und noch bis um 1860 alljährlich von der Berliner Singakademie aufgeführt. Bis heute überlebten die Arien Willkommen süßer Dämmerschein und Meine Ruh ist hin. Radziwill schuf auch viele Lieder zu französischen, polnischen und deutschen Texten und einige Klavierkompositionen.

Literatur

  • Almanach de Gotha, Gotha 1840 und 1887
  • Holm, I.: Industrialismens scen, Stockholm 1975
  • von Hutten-Czapski, B.Graf: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, I -II, Berlin 1936
  • Konarski, S.: Armorial de la noblesse polonaise titrée, Paris 1958
  • Nowakowski, T.: Die Radziwills. Die Geschichte einer großen europäischen Familie., München 1967
  • Schober, Th.: Unter fünf Königen und drei Kaisern, Glogau 1891