Monotheismus
Der Begriff Monotheismus (von griechisch μόνος monos = einzig und θεός theos = Gott) bezeichnet Religionen bzw. philosophische Lehren, die einen allumfassenden Gott kennen und anerkennen. Damit werden diese in der Religionswissenschaft vom Polytheismus unterschieden, der viele Götter kennt und verehrt. Religionen, die viele Götter kennen, aber einem von diesen den Vorrang (als allein zu verehrenden Gott) einräumen, bezeichnet der Begriff Monolatrie.
Die bekanntesten dem Monotheismus zugeordneten Religionen sind
- das Judentum,
- das Christentum und
- der Islam.
Beispiele und Ausprägungen
Zeitgenössische monotheistische Religionen sind das Judentum, das Christentum, der Islam und die Neuzeitreligion der Bahai. Auch die antike Religion des Zoroastrismus wird gelegentlich als monotheistische Religion angesehen. Allerdings ist der Hauptgott Ahura Mazda nicht alleiniger Schöpfer. Nach einer von mehreren bislang gleichberechtigt nebeneinander stehenden Theorien der Ägyptologen sei der Monotheismus erstmals geschichtlich belegt, seit der ägyptische Pharao Echnaton (Amenophis IV.) Aton als alleinigen Gott Ägyptens bestimmt habe. Dabei ist jedoch nach wie vor unklar, ob Echnaton die Existenz anderer Götter bestritt oder nur Aton besondere Verehrung zukommen lassen wollte. Eine weitere monotheistische Religion ist das Yezidentum.
Aus Sicht von Juden, Muslimen und Unitariern wird zum Teil in Frage gestellt, dass das Christentum eine monotheistische Religion sei. Diese Kritiker behaupten, die Trinität (Vater, Sohn, Heiliger Geist) sei ein Tritheismus, also der Glaube an drei Gottheiten. Im Sohn beteten die Christen zudem Jesus als Gott und als Menschen an, da er beides sei, ohne die menschliche Erbsünde.
Der Monotheismus ist eine Spielart des Theismus.
Entstehung des jüdisch-christlichen Monotheismus
Die moderne Forschung nimmt allgemein an, dass die altisraelitische/judäische Religion ihre monotheistische Lehre erst ab dem 6. Jh. v. Chr. entwickelt habe und vorher ihren Gott (Jahwe) nur als den eigenen Stammesgott (neben Göttern anderer Stämme oder Völker) verstand.
Nach dieser Ansicht dürfte Jahwe ein in Jerusalem verorteter Lokalgott gewesen sein. Mit der steigenden Bedeutung des israelitischen Reiches bzw. der Hauptstadt Jerusalem unter den Königen David und Salomo kamen auch dem Gott Jahwe neue Funktionen zu, bis er zum König eines göttlichen Pantheons wurde (vgl. Jesaja 6). Inschriften aus dieser Zeit belegen jedenfalls, dass Jahwe in einem Atemzug mit anderen Göttern (z.B. Aschera) genannt bzw. angerufen worden ist.
In der Folgezeit schwächte sich die Bedeutung Jersualems ab und fremde Reiche mit deren Religionsvorstellungen beeinflussten die israelitische Religion. Unter König Joschija im 7. Jh. v. Chr. entstand eine Bewegung, die eine monolatrische Verehrung Jahwes einforderte (vgl. 2. Mose 23,13). In dieser Zeit entstand ein erster Kern der heutigen Mose-Bücher.
Die Nachfolger dieser Bewegung fanden vor allem in der Zeit des Babylonischen Exils Gehör: Nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels, in dem Jahwe verehrt worden war, machte sich unter den israelitischen Priestern der Gedanke breit, dass Jahwe der einzige und allmächtige Gott sei. Er selbst habe die Zerstörung herbeigeführt, um die Israeliten für ihre (teilweise) Abwendung von ihm zu bestrafen.
Aus diesem Gedankengut heraus entstanden viele Schriften des heutigen Alten Testaments. Auf dieser Basis entwickelte sich das antike Judentum und später das Christentum. Grundgedanke dieser Religionen - wie auch des Islam - ist die Ansicht, dass bereits der mythische Stammvater Abraham Jahwe verehrt habe.
Typische Kennzeichen klassisch monotheistischer Religionen
Im folgenden wird auf die besonderen Kennzeichen in erster Linie von Judentum, Christentum und Islam eingegangen.
Gottesvorstellung
Die klassisch monotheistischen Religionen bzw. Lehren erkennen nur einen einzigen Gott an. Es ist ein personaler Gott, der als Individuum erscheint und als eine Instanz jenseits von dieser Welt gedacht wird. Er hat den Kosmos erschaffen und kann in das Weltgeschehen eingreifen. Er wird als allwissend, allmächtig und allgegenwärtig angesehen. Des weiteren trägt er Eigenschaften, die in der menschlichen Gesellschaft gemeinhin als positiv erachtet werden, jedoch in absoluter Form: unfehlbare Gerechtigkeit, allumfassende Liebe und Güte.
Es werden ihm traditionell Bezeichnungen männlichen Geschlechts zugeschrieben, wie beispielsweise „Herr“, „Vater“.
Gottesabbildungen sind verboten (Bilderverbot), weil bzw. insofern die Gefahr besteht, dass der Mensch Dinge anbetet, die er von eigener Hand geschaffen hat (Götzendienst). Daraus folgt nämlich, dass er seine Eigenschaften oder auch nur einige davon in das Gottesbild projiziert und sich anschließend diesem Götzen unterwerfen muss, um seine projizierten Eigenschaften zurückzuerlangen. Er wird also in seiner Freiheit eingeschränkt und kann nicht mehr ohne den Götzen leben. Der Monotheismus zeichnet sich laut Erich Fromm eben dadurch aus, dass der Mensch nicht sein eigenes Werk anbetet, sondern einen unsichtbaren Gott.
Die Gläubigen können im Gebet mit ihrem Gott in Verbindung treten. Es gibt rituelle Gebetstexte, aber auch individuelle Gebete, die der Gläubige selbst gestaltet.
Menschenbild
Geist und Körper
In den abrahamitischen Religionen besteht der Mensch aus einem physischen Körper und einer geistigen Seele (dem Geist). Im Christentum wird teilweise noch einmal unterschieden zwischen Seele und Geist. Die Seele 'besteht' aus dem Verstand und den Gefühlen. Der menschliche Geist ist durch die Annahme von Jesus Christus (Erweckung) mit dem Geist Gottes verbunden. Die Seele, bzw. der Geist wird dabei höher geschätzt als der Körper, da sie im Gegensatz zum Fleisch unsterblich sind und auch nach dem Tod des Körpers weiter bestehen. Auch wurden Körperlichkeit und Sexualität (im Christentum) tendenziell als sündhaft gesehen und in asketischem Anspruch zu überwinden versucht. Jedoch steht nach dem Tod der Mensch nach paulinischer Vorstellung auch körperlich auf (vgl. 1. Kor. 15)
Tod und Sünde
Die Vorstellung von einer unsterblichen Seele des Menschen entstammt dem griechischen Weltbild und wurde erst spät in die Vorstellung der jüdischen Religion aufgenommen. Da mit der Vorstellung von der unsterblichen Seele auch jene von Hölle und Himmel übernommen wurde, stellte sich die Frage, wie der eine, gute Gott in seiner Schöpfung Sünde und Hölle zulassen konnte. Die letzte Antwort darauf wird i.a. in der menschlichen Willensfreiheit gesehen.
Nach der Vorstellung von Judentum, Christentum und Islam hat jeder Mensch nur ein einziges Leben. Hier liegt eine lineare Zeitvorstellung zugrunde, im Gegensatz beispielsweise zur Reinkarnationslehre, derzufolge der Mensch in endlos ablaufenden Zyklen wiedergeboren wird.
Weltbild
In der klassisch monotheistischen Vorstellung beginnt die Welt mit ihrer Erschaffung durch Gott (vgl. creatio ex nihilo und Natürliche Theologie) und endet mit dem Tag des Jüngsten Gerichts. Die Welt wurde von Gott erschaffen und hat deshalb in gewisser Weise Teil an seinem göttlichen Wesen.
Offenbarung
Gott kann sich durch Propheten offenbaren.
Es gibt sogenannte heilige Schriften, die als Gottes Wort gelten und deshalb einen großen Stellenwert einnehmen.
- Im Judentum ist es der Tanach.
- Das Christentum erkennt zusätzlich zum Tanach, der hier Altes Testament genannt wird, das Neue Testament als Gottes Wort an. Die Testamente werden in der Bibel zusammengefasst.
- Im Mormonismus, einer eigenständigen Ausprägung des Christentums, sind für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zusätzlich zur Bibel das Buch Mormon, Lehre und Bündnisse und die Köstliche Perle maßgebend. Die Kirche Christi mit der Elias-Botschaft verwendet neben dem Bericht der Nephiten (eigene Ausgabe des Buches Mormon) noch 117 Botschaften mit dem Titel "Das Wort des Herrn" als weitere gleichwertige göttliche Offenbarungsquelle.
- Der Islam erkennt die jüdisch-christlichen Traditionen z.T. als von Gott geoffenbart an. Die vollkommenste Offenbarung, in der die Lehre Gottes endgültig dargelegt ist, ist für Muslime jedoch der Qur'an (Koran).
- Bei den Bahai ist es u.a. der Kitab-i-Aqdas. Die Bibel und der Koran, aber auch die Schriften anderer Religionen (wie die Lehrgespräche Buddhas) werden als heilige Schriften verehrt und neben den umfangreichen Schriften Baha'u'llahs (siehe: Liste Heiliger Schriften) in den Häusern der Andacht rezitiert.
Abgrenzungen
In der Praxis ist die Unterscheidung zwischen Monotheismus und Polytheismus nicht immer einfach. Anhänger polytheistischer Religionen sind oft de facto Monotheisten, da sie nur einen der Götter ihres Glaubenssystems verehren. Man spricht in diesem Falle von Henotheismus. Andererseits gibt es auch monotheistische Religionen mit polytheistischen Elementen.
Die These von einem Urmonotheismus, wie sie etwa der katholische Pater Wilhelm Schmidt in seiner Schrift "Ursprung und Werden der Religion" von 1930 vertritt, ist empirisch nicht unumstritten. Nicht alle Religionen enthalten den Glauben an ein Höchstes Wesen; in vielen afrikanischen Religionen, wo heute ein solches vorgefunden werden kann, deutet nicht nur das Fehlen eines Kultes darauf hin, dass der Hochgott quasi durch christliche Missionare "gestiftet" wurde, sondern auch der Vergleich historischer Zeugnisse kann dies im Einzelnen belegen. Ein Beispiel für eine monotheistische afrikanische Religion (gepaart mit Ahnenkult) finden wir bei den Kikuyu in Kenia. Andererseits gibt es auch monotheistische Religionen mit polytheistischen Elementen, wie zum Beispiel die Marien- und Heiligenverehrung in der Römisch-Katholischen Kirche und den Orthodoxen Kirchen.
Ähnliche Bezeichnungen
- Abrahamitische Religionen: Gemeint sind diejenigen monotheistischen Religionen, die auf Abraham als Stammvater aufbauen (Judentum, Christentum, Islam, Bahai).
- Eingottglaube: deutsch für Monotheismus
- Offenbarungsreligionen: Dieser Begriff leitet sich daraus ab, dass die Lehre der monotheistischen Religionen (nach der Überzeugung ihrer Anhänger) im Laufe der Geschichte durch Gesandte Gottes offenbart wurde.
- Buchreligionen: Im Judentum, Christentum, Zoroastrismus und Islam gibt es heilige Schriften, die als Gottes Wort gelten. Daher werden sie manchmal als Buch- oder Schriftreligionen bezeichnet.
Literatur
- Fritz Stolz, Einführung in den biblischen Monotheismus, Darmstadt 1996
- Reiner Albertz, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 2 Bände, Göttingen 1992.
- Othmar Keel/Christoph Uehlinger, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, Freiburg 1992.
- Oswald Loretz, Des Gottes Einzigkeit. Ein altorientalisches Argumentationsmodell zum >>Schma Jisrael<<, Darmstadt 1997 (siehe auch das reichhaltige Literaturverzeichnis im Anhang)
- Walter Simonis: Über Gott und die Welt. Gottes- und Schöpfungslehre, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-70375-1
- Walter Brugger: Philosophisches Wörterbuch, 21. Auflage, Freiburg 1992. ISBN ISBN 3-451-20410-X
- Jan Assmann: Die mosaische Unterscheidung oder: Der Preis des Monotheismus. Carl Hanser Verlag, 2003; ISBN 3-446-20367-2
Siehe auch
Weblinks
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Graduiertenkolleg "Götterbilder-Gottesbilder-Weltbilder. Polytheismus und Monotheismus in der Welt der Antike" (Eine an der Universität Göttingen beheimatete, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Gruppe interdisziplinär arbeitender Nachwuchsforscher(innen), die sich mit verschiedenen antiken Religionen und dabei insbesondere mit dem Verhältnis von Polytheismus und Monotheismus beschäftigt)
- Thomas Assheuer, Streit um Moses: Wie gefährlich ist der Monotheismus? ("Die Zeit" Nr. 51/2002 - Buchbesprechung)
- Le monothéisme selon Freud