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Insiderhandel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Insiderhandel bedeutet das Ausnutzen von Insiderinformationen für Börsengeschäfte und ist ein Begriff des Finanzmarkts, speziell des Aktienmarkts. Insiderhandel ist in Deutschland eine Straftat.

Verbot des Insiderhandels in Deutschland

Insiderhandel betreibt, wer eine Wertpapierorder erteilt oder auslöst, dabei eine Insiderinformation ausnutzt. Nach § 14(WpHG) ist es verboten,

  • unter Verwendung einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern,
  • einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen,
  • einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten.

Diese Handlungen sind gemäß § 38 Abs. 1 WpHG jeweils mit Freiheitsstrafen bis zu 5 Jahren oder Geldstrafen bedroht.


Insider ist jemand, der über eine kurserhebliche Information über ein Insiderpapier oder dessen Emittenten verfügt, bevor diese Information öffentlich bekannt geworden ist.

Insider im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) sind Personen, die

Zu diesen so genannten Primärinsidern, welche bestimmungsgemäß kurserhebliche, nicht öffentlich bekannte Informationen erhalten, kommt noch die Kategorie der Sekundärinsider. Dies sind alle anderen Personen, die über eine Insiderinformation verfügen.

Insiderinformationen

Insiderinformationen sind gemäß § 13 WpHG konkrete Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.

Beispiele für derartige Ereignisse sind Übernahmeangebote, ein Forschungserfolg des Unternehmens, unerwartete Gewinnsteigerungen oder Großaufträge (diese führen in der Regel zu Kurssteigerungen), ein unerwarteter Gewinneinbruch, Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (hierbei wird der Kurs regelmäßig fallen) sowie Unternehmensfusionen, Personalveränderungen und dergleichen mehr.

In der 2004 neu gefassten Bestimmung wird klargestellt, dass das Durchführen von Eigenaufträgen unter Ausnutzen der Kenntnis bereits erteilter Kundenaufträge (so genanntes Frontrunning) das Verwerten einer Insiderinformation ist und folglich zu den strafbewehrten Insidergeschäften rechnet.

Wie auch der bislang im deutschen Recht verwendete Begriff der Insidertatsache umfasst die Insiderinformation keine bloßen Meinungen und Werturteile. Unter den Begriff der Insiderinformation fallen auch präzise Informationen, die sich auf existierende oder mit einiger Gewissheit künftig eintretende Tatsachen beziehen.

Das so genannte „Scalping“ erfüllt nicht immer den Tatbestand des strafbaren Insiderhandels. Werden Handelsaufträge in Kenntnis einer späteren öffentlichen Empfehlung abgegeben, liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine verbotene Kursmanipulation nach § 20a WpHG vor (BGH NStZ 2004, 286). Ein solcher Verstoß ist in der Regel ordnungswidrig, kann bei tatsächlicher Einwirkung auf den den Marktpreis aber auch strafbar sein (§ 38 Abs. 2 WpHG). Der BGH begründet sein Ergebnis damit, dass "selbstgeschaffene Tatsachen" keine Insiderinformationen seien, da diese einen "Drittbezug" voraussetzten. Der BGH kann sich auch darauf stützten, dass seine Auffassung im Ergebnis den Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie entspricht, die das "Scalping" in der vorgenannten Art auch als Kursmanipulation einstuft. In der Literatur wird dagegen teilweise eine grundsätzliche Tauglichkeit innerer Umstände als Insiderinformation angenommen.

Insiderpapier

Insiderpapiere sind Wertpapiere, bei denen Insiderhandel verboten ist.

Nach § 12 des deutschen Wertpapierhandelsgesetzes handelt es sich bei Insiderpapieren um Finanzinstrumente,

  1. die an Börsen oder einem organisierten Markt im Inland oder
  2. einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zum Handel zugelassen sind oder
  3. deren Preis unmittelbar oder mittelbar von börsengehandelten Finanzinstrumenten abhängt.

In den Begriff integriert sind auch

  • Rechte auf Zeichnung, Erwerb oder Veräußerung von Wertpapieren (Optionsgeschäfte),
  • Rechte auf Zahlung eines Differenzbetrages, der sich an der Wertentwicklung von Wertpapieren bemisst (Differenzgeschäfte),
  • Terminkontrakte und Rechte auf Terminkontrakte auf Aktien- oder Rentenindizes oder Zinsterminkontrakte sowie sonstige Terminkontrakte, die zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren verpflichten (Termingeschäfte).

Nach der durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz im Jahr 2004 erweiterten Definition sind Insiderpapiere nunmehr auch solche Finanzinstrumente, deren Preis von börsengehandelten Finanzinstrumenten abhängt. Damit sind auch nicht an einer Börse gehandelte Werte, wenn deren Preis von börsengehandelten Finanzinstrumenten bestimmt wird, als Insiderpapiere erfasst.

Überwachung des Insiderhandels

Die Aufgabe der Insiderüberwachung ist es, Insiderhandel zu unterbinden. Hierzu sind in den westlichen Staaten nationale Börsen- und Wertpapieraufsichtsbehörden tätig. Ihr Ziel ist es auch, die Funktionsfähigkeit fairer Märkte für Wertpapiere und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu sichern. Ein Element ihrer Überwachungsaufgaben ist dabei das Aufspüren und Verfolgen verbotener Insidergeschäfte.

Die Geschäfte in Insiderpapieren werden von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht täglich mit Hilfe von speziellen EDV-Programmen sowohl automatisiert als auch manuell auf auffällige Kursbewegungen oder verdächtige Umsätze hin untersucht. Diese filtern aus den täglichen Umsätzen an den Börsen sowie dem außerbörslichen Handel Auffälligkeiten heraus. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das sind beispielsweise Banken und Sparkassen, müssen Geschäfte, die den Verdacht begründen, dass damit gegen das Insiderhandelsverbot oder das Verbot der Kursmanipulation verstoßen wurde, dieser Behörde anzeigen.

Über eine sehr strenge Überwachung des Börsengeschehens in ihrem Lande verfügen auch die USA. Dort ist die bereits 1934 gegründete Securities und Exchange Commission (SEC), eine unabhängige Bundesbehörde in Washington (D.C.), neben der Börsenzulassung von Wertpapieren und dem Anlegerschutz auch für das Entdecken von widerrechtlichem Insiderhandel zuständig. Auf sanften Druck dieser Behörde sind auch in Europa in den 80er-Jahren die Vorschriften verschärft worden.

Präventive Maßnahmen gegen Insiderhandel

Börsennotierte Unternehmen sind verpflichtet, Insiderinformationen zeitnah zu veröffentlichen (sogenannte Ad-hoc-Publizität), um einer möglichen Weiterverbreitung der Insiderinformationen an Dritte zuvorzukommen und Insiderhandel damit zu unterbinden. Als weitere Maßnahme zur Prävention von Insidergeschäften wurde ab dem 01. Juli 2002 die gesetzliche Pflicht eingeführt, Geschäfte von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und ihren Familienangehörigen in Wertpapieren der eigenen Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen und diese Mitteilung (seitens der Gesellschaft) zu veröffentlichen (sog. Directors' Dealings).

Verbote des Insiderhandels im Ausland

(...)

Insiderhandel aus ökonomischer Sicht

Die gesamtwirtschaftlichen Folgen von Insiderhandel sind heftig umstritten, insbesondere ob sich im Ergebnis vorteilhaft oder nachteilig auf den Kapitalmarkt auswirkt: Sein Nutzen besteht nach starken Auffassung in der volkswirtschaftlichen Literatur in einer Steigerung der Informationseffizienz. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Informationen bei Insiderhandel schneller in den Kurs einfließen als Sonst. Der Marktpreis bilde damit den "wirklichen" Preis des Wertapiers besser ab. Dagegen wird indes angebracht, dass das Instrument der ad-hoc-Publizität eine ausreichende, wenn nicht sogar besserer Infomationseffizienz des Marktes bewirke. Als negativer Effekt von Insiderhandel wird eine Erhöhung der Geld-/Briefspanne (mit der Folge höherer Transaktionskosten), eine Verringerung der Liquidität des Marktes aufgrund eines Verlust des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt vermutet. Bei der Beurteilung dieses Zielkonflikts hat sich der Gesetzgeber für eine Verbot des Insiderhandels unter Strafandrohung entschieden. Gleichzeitig hat er seine Entscheidung auf Erwägungen des Anlegerschutzes gestützt. Der Zweck des Insiderhandelsverbotes wird aufgrund der Gesetzesbegründung - zuminest in Europa - in dem Schutz des Kapitalmarktes und der aller Anleger gesehen. Dieser Schutzzweck soll durch Gewährleistung des Vertrauens der Marktteilnehmer in dessen Integrität erreicht werden. Nach heute vorherrschender Meinung dient das Verbot dagegen nicht der Vermeidung eines konkreten Vermögensschadens einzelner Marktteilnehmer. Ob der einezelne Anleger durch Insiderhandel überhaupt einen Schaden erleidt, ist zudem umstritten und wird ganz überwiegend verneint.

Insiderhandel in der Praxis

In der Praxis sind auffällige Kursbewegungen vor der offiziellen Bekanntgabe von Insiderinformationen an den Aktienmärkten häufig zu beobachten. Nur selten führen die Ermittlungen der BaFin jedoch zu Verurteilungen vor Gerichten. Zudem sind die Grenzen zwischen kursbeeinflussenden und nicht kursbeeinflussenden Informationen fließend und werden von den Insidern oft falsch eingeschätzt.

Eines der wenigen und gleichzeitig bekanntesten Beispiele für aufgedeckten Insiderhandel war die Ausnutzung eines Informationsvorsprungs durch den damaligen IG Metall-Chef Franz Steinkühler im Jahre 1993. Als Aufsichtsratsmitglied der Daimler-Benz AG war ihm bekannt, dass ein Umtausch von Mercedes-Aktien in Daimler-Aktien bevorstand. Es war für ihn absehbar, dass mit Bekanntwerden dieser Information der Kurs der Mercedes-Aktie deutlich ansteigen werde. Er empfahl deswegen Verwandten den Kauf dieser Aktie. Gerichtliche Folgen hatte diese Aktion nicht, da erst 1995 die Ausnutzung von Informationsvorteilen im Aktienhandel unter Strafe gestellt wurde.

Literatur

  • Thomas Koch: Due Diligence und Beteiligungserwerb aus Sicht des Insiderrechts, Baden-Baden, 2006, NOMOS Verlagsgesellschaft, ISBN 3-8329-2427-2