Zweite Intifada
Al-Aqsa-Intifada oder Zweite Intifada, von der israelischen Armee als " אירועי גיאות ושפל " ("Ebbe und Flut Ereignisse") bezeichnet, ist die Eskalation eines Konfliktes zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften, der im September 2000 begann und weiterhin andauert.
Der Begriff setzt sich aus Al-Aqsa und Intifada zusammen. "Intifada" bedeutet "abschütteln" (gemeint ist die israelische Herrschaft), nach der Al-Aqsa-Moschee wurde die Erhebung benannt, weil sie auf dem Jerusalemer Tempelberg, also bei der Moschee, ihren Ausgangspunkt hatte.
Der Beginn der Al-Aqsa-Intifada
Nach Darstellung der Palästinenser löste der Besuch Ariel Scharons auf dem Tempelberg am 28. September in Begleitung von über 1000 Polizisten die Protestaktionen spontan aus. Dabei wurden durch massiven Waffeneinsatz der Polizei vier Personen getötet und etwa zweihundert verletzt. Auch vierzehn Polizisten wurden verletzt. Dieses Ereignis bildete mit den Demonstrationen der folgenden Tage den Anfangspunkt der Al-Aqsa-Intifada.
Nach israelischer Darstellung habe der palästinensische Sicherheitschef Jabril Rajoub sein Einverständnis für Sharons Besuch gegeben, sofern dieser keine Moschee betrete. Der Polizeieinsatz sei nötig gewesen, weil das palästinensische Radio dazu aufgerufen habe, die Moschee zu verteidigen und die palästinensische Polizei in letzter Minute erklärt habe, nichts gegen gewaltsame Demonstrationen zu unternehmen. Der palästinensische Kommunikationsminister Imad Faluji hätte erklärt, der Einsatz von Gewalt sei bereits im Juli geplant worden, nachdem Arafat von Camp David zurückgekehrt sei. Zahlreiche Führungsmitglieder palästinensischer Fraktionen und Parteien sowie Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde erklärten vor dem Beginn der Al-Aqsa-Intifada, daß der Staat Israel nur durch Gewalt zu Konzessionen zu bewegen sei. Der israelische Rückzug aus dem Südlibanon aufgrund der anhaltenden Anschläge der Hisbollah wurde als Beispiel gesehen, das sich auf die palästinensischen Gebiete übertragen ließe.
Der Mitchell-Report 2001 fasst zusammen: In ihren Eingaben haben beide Seiten Behauptungen über Motivation und Kontrolle des anderen aufgestellt. Uns wurden keine überzeugenden Beweise dafür vorgelegt, dass der Besuch Scharons mehr war als ein innenpolitischer Akt; auch haben wir keine überzeugenden Beweise dafür erhalten, dass die Autonomiebehörde den Aufstand geplant hat ... Der Besuch Scharons hat nicht zur Al-Aqsa-Intifada geführt ... Bedeutsamer waren die folgenden Ereignisse: die Entscheidung der israelischen Polizei am 21. September, tödliche Mittel gegen palästinensische Demonstranten einzusetzen, und das Versäumnis beider Seiten, Zurückhaltung zu üben..
Entwicklungen in den letzten Jahren
Die Al-Aqsa-Intifada dauert seit ihrem Ausbruch bis heute an. Seit Ende September 2000 gab es eine Vielzahl von palästinensischen Selbstmordattentaten und Militäraktionen der israelischen Armee, dazwischen auch Phasen relativer Ruhe. Gravierende Ereignisse, die auch in der Weltöffentlichkeit verstärkt wahrgenommen wurden, waren z.B.
- der Tod eines zwölfjährigen palästinensischen Jungen in einer Schießerei bei Netzarim vor laufenden Kameras Anfang Oktober 2000,
- der Lynchmord an zwei israelischen Soldaten in Ramallah zehn Tage später, ebenfalls vor laufenden Kameras,
- ein Selbstmordattentat in einer Warteschlange vor einer Disko in Tel Aviv im Juni 2001 mit 20 Toten,
- die gezielte Tötung des PFLP-Führers Abu Ali Mustafa im August 2001,
- die fast vollständige Zerstörung von Arafats Hauptquartier im Sommer 2002,
- das wiederholte Einrücken der israelischen Armee in palästinensische Autonomiestädte,
- diverse gezielte Tötungen von Führern der Hamas durch die israelische Armee, oft mit unbeteiligten Opfern und
- diverse Anschläge auf jüdische Linienbusse mit jeweils bis zu 20 Toten,
- die beiden großen Militäraktionen "Operation Regenbogen" und "Tage der Buße" im Frühjahr bzw. Herbst 2004.
Derzeit ist eine erneute Eskalation möglich, nachdem sich die israelische Regierung vom Friedensplan (der "Roadmap") distanziert hat und weiter massiv gegen Terroristen vorgehen will. Auch der palästinensische Terror dauert an.
Ende März 2004 hatte die israelische Armee den spirituellen Führer der Hamas, Scheich Ahmed Jassin getötet; Mitte April starb auch sein Nachfolger, der Kinderarzt Abd al-Aziz Rantissi, durch einen gezielten Raketenangriff. Für Konfliktpotential sorgte in den letzten Monaten außerdem der Bau eines Sperrzauns (siehe Israelische Sperranlagen) an der Grenze zum Gazastreifen und zum Westjordanland, durch dessen Verlauf Teile des palästinensischen Gebietes faktisch annektiert werden. Allerdings ist der Verlauf des Zaunes, der nach israelischer Auffassung das Einsickern von Attentätern verhindern wird, auch Gegenstand intensiver innerisraelischer Debatten.
Opferzahlen
Nach offiziellen Angaben von Israel und der PLO verloren bei der Al-Aqsa-Intifada bis zum vierten Jahrestags des Aufstandes 1017 Israelis und 3549 Palästinenser das Leben (28. September 2004, Berliner Zeitung).
Auf israelischer Seite starben nach dem israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Beth 703 Zivilisten und 314 Soldaten oder Polizisten. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen haben die Palästinenser 13508 Angriffe durchgeführt, darunter 138 Selbstmordattentate. Unter den getöteten Palästinensern waren laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium 772 Kinder und Jugendliche. Durch gezielte Aktionen der israelischen Armee seien 159 Palästinenser getötet worden.
Siehe auch: Nahostkonflikt.
Weblink
- Auszüge aus dem Mitchell Report
- Video einer Rede des palästinensischen Kommunikationsministers, in der er Planung der Intifada zugibt [1]