Stendhal
Stendhal, bürgerlich Marie Henri Beyle (* 23. Januar 1783 in Grenoble; † 23. März 1842 in Paris) war ein französischer Schriftsteller.
Beyle wurde als Sohn des Anwalts Chérubin Beyle und seiner Ehefrau Henriette Gagnon geboren. 1786 bzw. 1788 wurden Beyles Schwestern Pauline-Eléonore und Marie-Zénaide-Caroline geboren. Am 23. November 1790 starb die Mutter an Kindbettfieber.
Im Rahmen der politischen Verhältnisse wurde 1794 der Vater, ein Anwalt im Parlament von Grenoble, verhaftet. Mit ihm hatte er nie eine gute Beziehung, aber seine widerspenstige Veranlagung erklärt hinreichend seine unglückliche Kindheit und Jugend. Bis er zwölf Jahre alt war, wurde er von einem Priester erzogen, der in ihm einen dauerhaften Hass gegen den Klerikalismus erweckte. Er wurde dann in die neueingerichtete école centrale in Grenoble, und 1799 mit einem Empfehlungsschreibung zur Familie Daru geschickt, mit der die Beyles in Verbindung stand. Pierre Daru bot ihm eine Stelle im Kriegsministerium an, und mit den Brüdern Daru folgte er Napoleon am 7. Mai 1800 auf seinen Italienfeldzug. Die meiste Zeit in Italien verbrachte er als Regimentsschreiber in Mailand, einer Stadt, für die er eine bleibende Zuneigung empfand. Eine großer Teil seiner Chartreuse de Parme scheint autobiographisch von diesem Teil seines Lebens geprägt zu sein.
Er war ein Zuschauer bei der Schlacht von Marengo und trat danach in das 6. Dragonerregiment ein, wo er am 23. Oktober zum Unterleutnant befördert wurde. In einer raschen Karriere wurde er Adjutant von General Michaud; aber nach dem Frieden von Amiens 1802 kehrte er nach Paris zurück und quittierte den Dienst bei der Armee, um zu studieren. Dort traf er die Schauspielerin Mélanie Guilbert, der er nach Marseilles folgte. Als sein Vater von dieser Eskapade hörte, stellte er seine Zahlungen ein, und Beyle war gezwungen, als Verkäufer für einen Gemüsehändler zu arbeiten. Mélanie Guilbert ließ ihn jedoch fallen, um einen Russen zu heiraten, so dass Beyle nach Paris zurückkehrte. Am 3. August 1806 wurde er in die Freimaurerloge Sainte-Caroline aufgenommen. Durch den Einfluss Darus erhielt er eine Stelle im Kommissariat, die er mit Erfolg zwischen 1806 und 1814 ausfüllte. Am 23. Juli 1812 brach Beyle nach Russland auf, erreichte am 14. September Moskau und floh dann über Königsberg nach Paris.
Beim Sturz Napoleons lehnte er eine Stelle unter dem neuen Regime ab und ließ sich in Mailand nieder, wo er Silvio Pellico, Alessandro Manzoni, Lord Byron und andere wichtige Männer traf. In Mailand ging er eine Liason mit einer gewissen Angelina P. ein, die er während seines früheren Besuchs in der Stadt vergeblich bewundert hatte. 1814 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Alexandre César Bomet seine Lettres crites de Vienne en Autriche sur le cilbre corn positeur, Joseph Haydn, suivies d'une vie de Mozart, ci de considerations sur Métastase et l'état present de la musique en Italie. Seine Briefe über Haydn waren den Haydini (1812 von Joseph Carpani entliehen, und der Abschnitt über Mozart war kaum origineller. Das Buch wurde 1817 als Vies de Haydn, Mozart et Métastase neu aufgelegt. Seine Histoire de la peinture en Italie (2 Bände, 1817) war ursprünglich Napoleon gewidmet.
Beyles Freundschaft mit einigen italienischen Patrioten machte ihn 1821 mit den österreichischen Behörden verdächtig, so dass er aus Mailand verbannt wurde. In Paris fühlte er sich als Fremder, da er die zeitgenössische französische Kunst in Literatur, Musik oder Malerei nie anerkannt hatte. Er besuchte freilich die literarischen Salons in Paris und fand Freunde unter den Ideologen, die sich um Destutt de Tracy sammelten. Zu dieser Zeit veröffentlichte er seine Essai sur l'Amour (1822), von denen in elf Jahren nur siebzehn Exemplare verkauft wurden, obwohl sie später berühmt wurden, Racine et Shakespeare (1823-1825), Vie de Rossini (1824), D'un nouveau corn plot contre les industriels (1825), Promenades dans Rome (1829), und seinen ersten Roman Arrnance, ou quelques scenes de Paris en 1827 (1827).
Nach der Julirevolution wurde er am 25. September 1830 zum Konsul von Triest ernannt, aber die österreichische Regierung lehnte ihn ab, und er wurde stattdessen nach Civitavecchia geschickt. Le Rouge et le noir, chronique du XIXe siècle (Schwarz und Rot, 2 Bände, 1830) erschien nach seiner Abreise, erregte aber wenig Interesse. 1833, anläßlich eines Urlaubs in Paris macht Beyle die Bekanntschaft von George Sand und Alfred Musset. Im Januar 1835 wurde Beyle zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. 1838 veröffentlichte er Minoires d'un touriste, und 1839 La Chartreuse de Parme (Die Kartause von Parma, 2 Bände), seine letzte Publikation und gleichzeitig die erste, die wirklich erfolgreich war, wenn auch seine früheren Schriften von einem kleinen Kreis als bedeutsam erachtet wurden. Der Roman wurde von Balzac begeistert in seiner Revue Parisienne besprochen (1840). Beyle blieb in Civita Vecchia und erledigte seine Pflichten als Konsul oberflächlich und mit wiederholtem Fehlen bis zu seinem Tod
Am 15. März 1841 erlitt Beyle einen Schlaganfall. Ein Jahr später, am 22. März 1842 schlug das Schicksal erneut zu. Bei einem Abendspaziergang traf ihn ein weiterer Anfall. Rein zufälig fand ihn Romain Colomb und brachte ihn ins Hotel. Dort starb Beyle noch in der selben Nacht, ohne das Bewußtsein zu erlangen, in Gegenwart von Romain Colomb und Abraham Contantin. Am 24. März 1842 wurde Beyle auf dem Friedhof Montmartre beigesetzt. Er selbst hatte immer von einem Grab in Italien geträumt, mit der Inschrift Hier ruht Arrigo Beyle, Mailänder - er lebte, schrieb, liebte.
In Verehrung von Johann Joachim Winckelmann wählte Beyle sein Pseudonym nach dessen Geburtsort Stendal im heutigen Sachsen-Anhalt in Deutschland.
Unter seinen posthumen Werke gibt es ein fragmentarisches Vie de Napoléon (1875); Mélanges d'art et de littérature (1867); Chroniques italiennes (1885), die L'Abesse de Castro, Les Cenci, 'Vittoria Accoramboni, Vanina Vanini und La Duchesse de Palliano enthalten, die teilweise auch separat erschienen sind; Romans et nouvelies, Nouvelles indites (1855); Correspondance (2 Bände, 1855); Lamiel, sein Tagebuch 1801 - 1814, von dem die Abschnitte über die russischen und deutschen Feldzüge leider verlorengegangen sind; Vie de Henri Brulard (1890), eine verschleierte Autobiographie, im wesentlichen die Geschichte seiner zahlreichen Liebesaffären; Lettres intimes (1892); Lucien Leuwen (1894); Souvenirs d'egotisme (1892); unveröffentlichte Briefe.
Stendhals Ruf beruht beruht praktisch auf den beiden Romanen "Rot und Schwarz" und "Die Kartause von Parma". Im ersteren basierte er die Handlung auf Ereignissen, die tatsächlich einige Jahre vorher stattgefunden hatten. Julien Sorel im Roman ist Privatlehrer in einer vornehmen Familie und verführt die Mutter seiner Schüler. Am Ende versucht er sie zu töten, um einen Brief an die Familie seiner Verlobten Mademoiselle de la Mole zu rächen. Julien ist ein Bildnis von Beyle, wie er es von sich selbst hatte. Die Kartause von Parma hat eine weniger einheitliche Absicht. Für ihren Rahmen schöpfte er wesentlich aus seinen eigenen Erfahrungen. Fabrices Erfahrungen in Waterloo sind seine eigenen vom Italienfeldzug, und die Comtesse Pietranera ist seine Angelina. Aber von seinen beiden Romanen ist dieser der bildhaftere und beliebtere.
Werke
- Histoire de la Peinture en Italie, Paris, 1817
- Rome, Naples et Florence, Angoulême, 1817
- De l'Amour, Paris, 1822
- Racine et Shakespeare, Paris, 1823
- Vie de Rossini, Paris, 1823
- Racine et Shakespeare, II, Paris, 1825
- D'un nouveau complot contre les industriels, Paris, 1825
- Armance. Quelques scènes d'un salon de Paris en 1827, Paris, 1827
- Promenades dans Rome, Paris, 1829
- Le Rouge et le Noir, Paris, 1831
- Mémoires d'un touriste, Paris, 1838
- La Chartreuse de Parme, Paris, 1839
- Les Chroniques Italiennes: L'Abbesse de Castro (plus Vittoria Accoramboni et Les Cenci), Paris, 1839
- Idées italiennes sur quelques tableaux célèbres, Paris, 1840
Postum erschienen
- Correspondance
- Journal (1801-1823)
- Filosofia nova
- Théâtre
- Molière, Shakespeare, la Comédie et le Rire
- Écoles italiennes de peinture
- Pages d'Italie
- Mélanges de politique et d'histoire
- Courrier anglais
- Mélanges d'art
- Romans et nouvelles
- Souvenirs d'égotisme
- Lucien Leuwen
- Vie de Henri Brulard
- Voyage dans le Midi de la France
- Lamiel
- Mélanges intimes et Marginalia
Werkausgabe
- Oeuvres complètes / ed. de V. Del Litto. Genève, 1.1966 - 50.1954
Literatur
- Alter, Robert: Stendhal. - Reinbek : Rowohlt, 1992
- Crouzet, Michel: Stendhal ou Monsieur Moi-même. - Paris, 1990
- Didier, Béatrice: Stendhal autobiographe. - Paris: PUF
- Hazard, Paul: La vie de Standhal. - Paris, 1928