Lichtensteinhöhle
Die Lichtensteinhöhle ist eine Höhle bei Osterode im Harz. Aufgrund der in ihr 1980 entdeckten Reste von 40 menschlichen Individuen aus der späten Bronzezeit gehört die Höhle zu den bedeutendsten archäologischen Fundstätten Niedersachsens. Die ursprüngliche Einordnung als menschliche Opferstätte wurde neuerdings zugunsten eines Kult- und Bestattungsortes aus der Urnenfelderkultur revidiert.
Lage
Die Höhle befindet sich am Nordwesthang des knapp 262 m hohen Höhenzuges Lichtensteins, auf dem sich die Burgruine Lichtenstein befindet. Die Höhle liegt in einer Formation von Gipskarst aus dem Zechstein, ist rund 115 m lang und hat ein Raumvolumen von etwa 150 m³. Sie ist vor etwa 50.000-100.000 Jahren als Quellhöhle durch einen unterirdischen Bach im Karstgestein entstanden.
Entdeckung
Die Höhle wurde im Frühjahr 1972 entdeckt als drei Heimatforscher aus Osterode nach einem möglichen Geheimgang oder Fluchtstollen unterhalb der früheren Burg Lichtenstein suchten. Wenige hundert Meter talwärts fanden sie einen engen, rund 50 m langen unterirdischen Gang, bei dem es sich aber um eine bisher nicht entdeckte Naturhöhle handelte. Sie erhielt zunächst den Namen Rotkamp-Höhle, wurde aber später in Lichtensteinhöhle umbenannt. Am 21. März 1973 wurde die Höhle mit einer Tür verschlossen, die Jugendliche am 10. Oktober 1974 aufbrachen. Die Tür wurde daraufhin erneuert.
Sensationelle Funde
Im März 1980 fanden Höhlenforscher der heutigen Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e. V. am Ende der bis dahin bekannten Höhle eine zugesetzte Gesteinsspalte, die als unpassierbare Engstelle (Schluf) galt. Sie erweiterten die Öffnung und drangen weiter in die Höhle vor. Dabei entdeckten sie in fünf folgenden Höhlenkammern, die durch enge und kaum passierbare Gänge verbunden sind, Skelette, menschliche Knochen, bronzene Ringe und einen Armreifen.
Alle Fundstücke waren infolge der Höhlenumgebung von einer dicken Schicht Gipssinter überdeckt, was eine ausgezeichnete Konservierung darstellte. Sensationell für die archäologische Forschung war die Entdeckung deswegen, weil der Fundort seit Jahrtausenden völlig ungestört war und es sich dem ersten Eindruck nach um eine Kult- oder Opferstätte gehandelt hatte. Darüber hinaus handelte es sich um einen Fundplatz aus der Zeit der Urnenfelderkultur mit unverbrannten Menschenresten. Üblicherweise gab es zu dieser Zeit den Ritus der Brandbestattung. Daraufhin wurde die Höhle 1981 zum Naturdenkmal erklärt.
Weitere Untersuchungen
Bei einer Raubgrabung 1992 wurde die eiserne Zugangstür zur Höhle aufgebrochen und Fundstücke gestohlen. Aufgrund einer Presseaktion wurden sie einige Monate später wieder zurückgegeben. Letztendlich zwang dies zu einer ausgiebigen wissenschaftlichen Untersuchung der gesamten Höhle im Jahre 1993. Zu diesem Zweck wurde ein mehrere Meter langer Zugangsstollen vom Hang her gegraben. Seither werden alle Fundstücke als interdisziplinäres Forschungsprojekt von Antropologen, Archäozoologen, Botanikern und Mellaturgen untersucht.
Frühere Funktion der Höhle
Nach heutigem Kenntnisstand handelt es sich um eine fast 3.000 Jahre alte Grabstätte mit Spuren von Kulthandlungen. Es gibt eine Fülle von Funden wie Schmuck, Tierknochen, Keramik und die Reste von einigen Feuerstellen. Die Höhle wurde in der Zeit zwischen 1000 bis 700 v. Chr. über einen Zeitraum von etwa 100-200 Jahre genutzt. Bei der Entdeckung neigte man dazu die Höhle als Menschenopferstätte zu deuten. In den Höhlenräumen fanden sich Feuerstelle und sie waren mit Moos, Gras und Getreidestroh weich ausgepolstert. Gefäßreste mit Essensresten sprachen für eine kultisch-rituelle Nutzung. Neuerdings wird vermutet, dass es sich in der anfänglichen Nutzung der Höhle um eine Kult- und Menschenopferstätte gehandelt haben kann. Allerdings fehlen Tötungsspuren an den aufgefundenen Individuen. In der Endphase der Nutzung dürfte es sich um eine Grabstätte gehandelt haben, in der Personen mit herausragender Bedeutung bestattet wurden. Die aufgefundenen Personen, darunter auch Kinder, verfügten über einen robusten Körperbau, was auf eine gute Ernährungsituation aufgrund privilegierter Stellung schließen lässt. Infrage kommt eine urnenfeldzeitliche Siedlung in 3 km Entfernung.
Genetischer Fingerabdruck
Es wurden die Skelette von mindestens 40 Individuen gefunden und geborgen. Sie werden mit Ausnahme der Funde aus der Erstbegehung in einer Kühlkammer bei -20 °C gelagert. Die menschlichen Knochenreste sind Gegenstand zur Ermittlung des genetischen Fingerabdrucks der bronzezeitlichen Menschen mittels DNA-Analyse. Der Erhalt der DNA ist den Lagerungsumständen in der Höhle mit gleichmäßig kühler Temperatur um 9 Grad zu verdanken und auch die umgebende Gipschemie der Höhle.
Verwandschaftsbeziehungen
Die verwandtschaftliche Nähe der bestatteten Personen untereinander wurde durch Felix Schild untersucht, deren Ergebnisse er in seiner Doktorarbeit an der Universität Göttingen beschrieb. [1] Bisher sind von DNA-Typisierungen von 22 Personen gelungen. Damit konnten weltweit erstmals die verwandschaftlichen Beziehungen einer Menschengruppe rekonstruiert werden ohne eine Hypothese aufgrund eines archäologischen Befunds.
In drei Fällen handelt es sich bei den Personen um Eltern und Kinder, in zwei weiteren Fällen sind es ein Elternteil mit Kindern. Bei 15 der 22 DNA-typisierten Personen liegen Verwandschaftsbeziehungen vor. Demzufolge handelte es sich um mehrere Generationen eines Familienclans.
Nachfahrensuche
2007 wurden rund 300 DNA-Proben der heutigen alteingesessenen Bevölkerung in Osterode am Harz gesammelt und auf eine eventuelle Verwandtschaft hin untersucht. Federführend ist die Anthropologin Susanne Hummel. [2] Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Auch Ingrid Jeske erstellt zur Zeit über die Höhle eine Dissertation an der Universität Basel.
Quellen
- ↑ Felix Schild: Molekulargenetische Verwandtschaftsanalysen am prähistorischen Skelettkollektiv der Lichtensteinhöhle. Dissertation. Göttingen. 2006 PDF, 9 MB
- ↑ Tina Baier: Die Uralteingesessenen. Archäologen haben in einer Höhle im Südharz 3000 Jahre alte Gebeine entdeckt - nun wird nach lebenden Verwandten gefahndet. In: Süddeutsche Zeitung, 2. Februar 2007
Literatur
- Tina Baier: Anthropologie - Die Uralteingesessenen (zur Lichtensteinhöhle), in: Süddeutsche Zeitung vom 02.02.2007
Weblinks
- http://www.karstwanderweg.de/kww104.htm
- http://www.karstwanderweg.de/publika/vdhk/45/128-131/index.htm
- http://www.aid-magazin.de/artikel.php?id=31
- http://www.argekh.net/index.php?id=438&type=98