Rudolf Heß
Rudolf Heß (* 26. April 1894 in Alexandria, Ägypten, † 17. August 1987 in Berlin) war ein nationalsozialistischer Politiker.
Während seines Studiums in München fand Leutnant a. D. Heß Kontakt zu nationalsozialistischen Kreisen und wurde bereits 1920 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer: 16). In München gründete er den Nationalsozialistischen Studentenbund. Nach dem mißglückten Sturm auf die Feldherrenhalle am 9. November 1923 in München wird er zusammen mit Adolf Hitler zu gemeinsamer Festungshaft in Landsberg am Lech verurteilt.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Heß 1933 Reichsminister ohne Geschäftsbereich und war mit Verfügung des Führers zum Tragen des Dienstanzuges eines SS-Obergruppenführers berechtigt. Das ist bemerkenswert, da Heß nie Mitglied der SS war und damit als "Vater aller SS-Ehrenführer" anzusehen ist.
Am 21. April 1933 ernannte Adolf Hitler ihn zu seinem Stellvertreter. Er war damit allerdings nicht "zweiter Mann" im NS-Staat, sondern lediglich Vertreter Adolf Hitlers als Parteivorsitzender der NSDAP.
Am 10. Mai 1941 flog Heß auf eigene Faust mit einer Messerschmitt Bf 110 nach Schottland, um mit dem Anführer – so glaubte er jedenfalls – der englischen Friedensbewegung, dem Herzog von Hamilton, über Frieden zu verhandeln. Dabei geriet Heß in britische Kriegsgefangenschaft. Der Flug wurde von der Nazi-Führung als Verrat gewertet und Heß für verrückt erklärt. Weil Heß, Walter Schellenberg zufolge, ein stiller Förderer und Anhänger des Anthroposophen Rudolf Steiner, sowie diverser Astrolgen und Hellseher gewesen sei, sind nach dem Flug Kollektivverhaftungen auf diese Gruppen ausgedehnt worden. Der Adjudant von Heß ist als Zielscheibe der Wut Hitlers auf Veranlassung Bormanns bis Kriegsende im Konzentrationslager inhaftiert gewesen.

In den Nürnberger Prozessen wurde Heß wegen Planung eines Angriffskriegs und Verschwörung gegen den Weltfrieden zu lebenslanger Haft verurteilt und in das alliierte Militärgefängnis Berlin-Spandau überführt.
Nach der Freilassung Baldur von Schirachs und Albert Speers war er dort von 1966 bis zu seinem Tod 1987 der einzige Insasse. In seinem Schlußwort zum Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß gab er zu erkennen, dass er immer noch ein überzeugter Nazi war und nichts bereue. Diese Haltung wurde von ihm nie widerrufen.
Am 17. August 1987 beging Heß mit einem Verlängerungskabel, das er an einem Fenstergriff befestigt hatte, Suizid. Der Leichnam wurde am gleichen Tag vom britischen Gerichtsmediziner James Cameron obduziert.
Eine auf Wunsch der Familie Heß vom deutschen Gerichtsmediziner Wolfgang Spann zwei Tage später vorgenommene Untersuchung des Leichnams ergab Widersprüche in Details der Beurteilung gegenüber Camerons erstem Obduktionsbericht. Diese Unterschiede im Detail waren und sind für Mitglieder der Familie Heß sowie für die deutsche und europäische Neonazi-Szene ein Grund, von einem Mord an Heß durch den englischen Geheimdienst SAS überzeugt zu sein; der SAS habe den Suizid lediglich vorgetäuscht.
In den 1980er Jahren setzten sich einige Politiker und Kirchenvertreter für eine Freilassung aus humanitären Gründen ein, auch um eine Verklärung als Märtyrer zu verhindern. Vor allem sein Sohn Wolf Rüdiger Heß versuchte zeitlebens die Freilassungs seines Vaters, bzw. bessere Haftbedingungen zu erreichen. Er gründete dazu 1967 die Hilfsgemeinschaft Freiheit für Rudolf Hess. Aus ihr ging 1989 die Rudolf-Heß-Gesellschaft hervor, deren Ziel es ist, das geschichtliche Bild Heß’ zu revidieren und angeblich vertuschte Umstände seiner Gefangenschaft und seines Todes aufzuklären. Bis zu seinem Tod am 24. Oktober 2001 war Wolf Rüdiger Heß Vorsitzender der Gesellschaft. Seitdem verwaltet seine Witwe die Position kommissarisch und die Gesellschaft nimmt keine Mitglieder mehr auf.
Heß gilt in der Neonazi-Szene aufgrund seines ungebrochenen Bekenntnisses zum Nationalsozialismus, seiner langen Haftzeit und seiner vermeintlichen Ermordung durch den britischen Geheimdienst als "Märtyrer". Sein Todestag wurde seit 1987 alljährlich zum Anlass für Aufmärsche in der oberfränkischen Stadt Wunsiedel, in der Rudolf Heß begraben liegt. Von 1991–2000 waren die Demonstrationen verboten und wurden trotz der Verbote in anderen Städten und auch in anderen Ländern (etwa die Niederlande und Dänemark) durchgeführt. 2001 wurden die Demonstrationen in Wunsiedel erstmals erlaubt und zählen seitdem mit ca. 2500 Teilnehmern zu den größten Neonazidemonstrationen in Deutschland.
Literatur
- Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker: Rudolf Heß - Der Mann an Hitlers Seite, Leipzig 1999.
- Peter Longerich: Hitlers Stellvertreter. Führung der Partei und Kontrolle des Staatsapparates durch den Stab Heß und die Partei-Kanzlei Bormann, München 1992.
- Rainer F. Schmidt, Rudolf Heß - »Botengang eines Toren«? Der Flug von Rudolf Heß nach Großbritannien vom 10. Mai 1941. Düsseldorf 1997.
Weblinks
- http://www.rudolf-hess.org/index.php3?fs=8 Seite der Rudolf-Heß-Gesellschaft, gibt sich um Neutralität bemüht, die jedoch in den Unterseiten schnell vergessen ist. Hier kommen dann zahlreiche Positionen und Werbematerialien der rechten Szene zu Wort.
- http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HessRudolf/ ist die Seite des Deutschen Historischen Museums.
- http://www.shoa.de/p_rudolf_hess.html beleuchtet Hess von der Seite der Opfer des Naziregimes her.
Archivalien
Die Sperrfrist der britischen Akten über Hess erlischt 2017, 30 Jahre nach seinem Tod.