Alphabetschrift
Eine Alphabetschrift beruht im Gegensatz zu einer Silbenschrift und zu einer logographischen Schrift auf einem Alphabet. Um etwa 1500 v. Chr. entwickelten die Phönizier dasjenige Alphabet, von dem die meisten späteren Aplhabetschriften herstammen.
Vorgeschichte
Die frühesten Zeugnisse einer Schrift werden allgemein den Sumerern (ca. 3500 v.u.Z.) zugeschrieben. Sie benutzten logographische Zeichen und eine Keilschrift für Verwaltungszwecke. Bei den älteren Funden der Vinca-Zeichen handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine Schrift. Etwas später, um 3200 v.u.Z. entstanden die ägyptischen Hieroglyphen, dann um 2300 bis 2000 v. u. Z. die akkadische Silbenschrift. Die Schwäche der bis um 1500 v.u.Z. bekannten Schriftsysteme war ihre Kompliziertheit. Sie waren auf Grund der großen Zahl verschiedener Symbole schwer zu erlernen. Die Keilschrift umfasste bis zu 600 Zeichen, wovon die Hälfte als Silbenzeichen diente. Obwohl die Ägypter ebenfalls schon mit Silbenzeichen operierten, lösten sie sich nicht von den traditionellen Hieroglyphen, von denen zeitweise mehrere Tausend benutzt wurden. Sie verwendeten beides in Kombination.
Die Erfinder der Alphabetschrift
Von wem die erste rein alphabetische Schrift erfunden wurde läßt sich nicht mehr mit absoluter Sicherheit feststellen. Fakt ist, dass die meisten späteren Alphabetschriften auf die phönizische Schrift (1500 v. u. Z.) zurückgehen. Es gilt auch als erwiesen, dass die Erfinder einer semitischen Sprache angehörten. Man spricht daher auch vom ‚nordsemitischen‘ Alphabet. Die Erfinder kannten die damals gängigen Schriftsysteme, die ihnen als Inspiration gedient haben mögen. So lassen sich Bezüge zur ägyptischen hieratischen Schrift, aber auch zu Keilschriften herstellen.
Das erste bekannte Alphabet
Das Neue an dieser Schrift war die Reduktion der Bedeutung der Schriftzeichen auf kleinste bedeutungsunterscheidende Einheiten. Dadurch kam man mit einem vergleichsweise kleinem Satz von nur 22 Zeichen aus. Es wurden zunächst nur Konsonanten geschrieben. (Siehe phönizisches Alphabet).
Die Formen der Zeichen stellten vereinfachte Abbildungen der mit den Buchstabennamen bezeichneten Gegenstände dar (nach dem Vorbild der Hieroglyphen). Einige Zeichen scheinen dieser These zu widersprechen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Formen möglicherweise Veränderungen erlitten haben und uns weder ihre anfängliche Gestalt noch ihre ursprünglichen Namen überliefert sind. Für einige Zeichen sind auch mehrere Namen belegt (z.B. Nun (Fisch) =Nachasch (Schlange)), was vermuten lässt, dass die Namen im Nachhinein, nach der Form der Zeichen vergeben wurden. Überhaupt darf man annehmen, dass bei der Entstehung eher Pragmatismus als Tradition bestimmend war..
Verwandtschaften
Spätere Alphabete lassen sich alle auf das nordsemitische zurückführen. Die Verwandtschaft offenbart sich dabei nicht so sehr durch die Formen der Zeichen – die können sogar sehr stark von einander abweichen. Denn man bedient sich aus praktischen Gründen der einfachsten Zeichen wie Strich, Kreis oder Punkt (oder man reduziert komplexere Zeichen auf diese). So sind zufällige Ähnlichkeiten zwischen Systemen verschiedener Kulturkreise und Epochen sehr wahrscheinlich. Besseren Aufschluss über die Verwandtschaft geben dagegen die Reihenfolge der Buchstaben in Aufzählungen und ihr Gebrauch in Schriftzeugnissen. Man geht allgemein davon aus, dass alle späteren Alphabete Modifikationen bzw. Nachahmungen des phönizischen Alphabetes sind. Vereinzelt anders lautende Meinungen konnten sich nicht durchsetzen (siehe z.B. Vinca-Schrift, Indus-Schrift).
Die Erfindung setzt sich durch
Semitische Alphabete
Von dem gemeinsamen Vorbild aus entwickelten sich mehrere ‚altsemitsiche‘ Alphabete.
Zum einen die eigentlich phönizische Schrift (Inschriften von Cypern, Malta, Carpentras und auf phön. Münzen, nur Konsonanten, mit oder ohne Worttrennung), davon die samaritanische und die altgriechische Schrift. Dann die phönizisch-ägyptische Schrift (auf Mumienbandagen, mit drei Vokalzeichen) und die jüdische Münzschrift. Zum anderen der aramäische Zweig, die Quadratschrift, die palmyrenische Schrift (ohne Vokale und Worttrennung, mit Ligaturen) die altsyrische Schrift Estrangelo und Kufisch, eine altarabische Schrift.
Verbreitung im Nahen Osten
Im 1. Jahrtausend v. Chr. verbreitete sich das aramäische Alphabet durch das Eindringen der aramäischen Sprache in Assyrien. Aramäische Wörter wurden ins Assyrische übernommen. Es gibt Belege für zweisprachige Texte mit jeweils einer akkadischen und einer aramäischen Fassung. Die Einfachheit des Systems gegenüber dem Silben- und Ganzwortsystem der Keilschrift verhalf dem aramäischen Alphabet zum Durchbruch. Aufgrund der stark gerundeten Zeichen war die neue Schrift nicht für Medien wie Ton geeignet. Deshalb schrieb man auf vergängliche Materialien, weshalb auch die meisten dieser Schriften verloren gegangen sind. Den Anteil gefundener Keilschrift-Dokumente aus dieser Zeit darf man deshalb auch nicht als repräsentativ betrachten (Lit.:Eva Cancik-Kirchbaum: Die Assyrer)
Über Handelswege gelangte das aramäische Alphabet bis nach China, wo die Mongolen ihre Schrift aus der Aramäischen entwickelten. Weitere Ableger sind die hebräische, indische, syrische und die arabische Schrift.
Vokale kommen dazu
Schon die ersten Alphabetschriften wurden mit Vokalzeichen ergänzt. Zunächst wurden Alef, Waw und Jod neben ihrer konsonantischen Bedeutung auch als Zeichen für lange Vokale (a, u, i) gebraucht. Andere Vokale wurden den Konsonanten in Form von Punkten oder Strichen zugeordnet. Mit der Übernahme der semitischen Alphabete in andere Sprachen wurden diese durch Vokalbuchstaben ergänzt. Einige Systeme stellten die Vokale durch kleine Modifikationen an den Konsonanten dar, wodurch diese in gewissem Sinne wieder zu Silbenzeichen wurden (z.B. die äthiopische Schrift, die aber von einem griechischen Vorbild stammt). Siehe auch zum inhärenten Vokal in der indischen Schrift.
Alphabet der Griechen
Die Griechen übernahmen das nordsemitische Alphabet samt den semitischen Namen etwa 1100 v. Chr.. Sie erweiterten es um zwei Zeichen und deuteten einige Zeichen ihrer Sprache entsprechend um. Einige Zeichen wurden zu Vokalen. Während die Schreibrichtung zunächst nicht festgelegt war, setzte sich 500 v.u. von-links-nach-rechts durch.
Ursprung der indischen Alphabete
Zwischen 800 und 600 v.u.Z. entwickelte sich nach einem ostaramäischen Vorbild die Brahmi-Schrift, der Vorfahre der indischen Alphabetschriften.
Europa
Aus dem griechischen Alphabet entwickelte sich das etruskische, oskische, umbrische und römische Alphabet.
Durch die römischen Eroberungen und die Verbreitung der lateinischen Sprache setzte sich das römische Alphabet in Westeuropa durch, wozu es an die jeweiligen Sprachen angepasst wurde.
Die seit dem 3. Jahrhundert belegte Runenschrift wird entweder auf die von italischen Stämmen in den Ostalpen verwendetete nordetruskische Schrift und das lateinischen Alphabet zurückgeführt oder als Schöpfung eines germanischen Volkes angesehen, das im heutigen Böhmen lebte. Bei letzterem wird wohl das Prinzip der Alphabetschrift vom lateinischen Alphabet her bekannt gewesen sein.
Das kyrillische Alphabet stammt vom griechischen ab. Es wurde um 900 von griechischen Missionaren entworfen, die die Slawen zum Christentum bekehrten.