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Gotenkrieg (535–554)

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Gotenkrieg ist im weiteren Sinn die Bezeichnung für einen Krieg, an dem die Goten beteiligt waren; im engeren Sinn versteht man darunter den Krieg zwischen den Ostgoten und dem Oströmischen Reich unter Justinian I. in den Jahren 535552, der mit dem Sieg der Oströmer und der Vernichtung des Ostgotischen Reiches endete.

Ausgangslage

Im Jahre 476 war das Weströmische Reich nach langen Abwehrkämpfen endgültig untergegangen; an seine Stelle traten germanische Reiche. In Italien hatte Odoaker eine eigene Herrschaft errichtet, die aber schon nach wenigen Jahren mit der Eroberung Italiens durch die Ostgoten unter Theoderich dem Großen gewaltsam beendet wurde. Das weiter fortbestehende Oströmische Reich hatte diese neuen Machtverhältnisse zunächst anerkannt; Kaiser Justinian I., der im Jahr 527 in Konstantinopel an die Macht kam, hatte sich jedoch zum Ziel gesetzt, das alte Römische Reich wiederherzustellen (Restauratio imperii) und die an die Germanen verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Diesem Ziel diente auch der Vandalenkrieg, der im Jahre 533 begonnen wurde und in dem der oströmische Feldherr Belisar binnen kurzer Zeit das Vandalenreich in Nordafrika vernichtend schlagen und dem oströmischen Reich einverleiben konnte. Das Ostgotenreich war nun sowohl von Osten als auch von Süden bedroht und Justinian wartete nur noch auf einen geeigneten Anlass, um auch in Italien eingreifen zu können.

Erster Feldzug

Theoderich war im Jahr 526 gestorben und sein Tod führte zu Nachfolgekämpfen, die sein Reich schwächten. Nachfolger wurde Theoderichs Enkel Athalarich, der allerdings noch minderjährig war und unter der Regentschaft seiner Mutter Amalasuntha stand. Diese war pro-byzantisch eingestellt (so standen den oströmischen Truppen ostgotische Häfen auf Sizilien als Basen für den Kampf gegen die Vandalen zur Verfügung), geriet aber in Gegensatz zu ihrem Vetter Theodahad, der nach dem Tod Athalarichs im Jahr 534 Mitherrscher des Ostgotenreiches wurde. Diese Rivalität eskalierte 535, als Theodahad Amalasuntha einsperren und am 30. April ermorden ließ. Justinian sah diese Ereignisse als willkommene Gelegenheit, in Italien einmarschieren und seinen offenbar geschwächten Gegner überwältigen zu können.

An der Landgrenze in Illyrien kam der oströmische Vormarsch nur sehr langsam voran; dem Feldherren Mundus gelang lediglich die Einnahme von Salona. Umso erfolgreicher agierte der bereits im Vandalenkrieg siegreiche Belisar in Italien selbst. Mit einer Elitetruppe von nur 7500 Mann konnte er rasch Sizilien in Besitz nehmen und landete schon wenig später bei Rhegium, das er ebenso erobern konnte wie bald darauf Neapel. Ehe die Ostgoten eine schlagkräftige Verteidigung organisieren konnten, stand Belisar bereits vor Rom, das er am 9. Dezember 536 einnahm. Für diese katastrophale Entwicklung machten die Ostgoten ihren König Theodahad verantwortlich, der gestürzt und von Witichis abgelöst wurde; dieser ließ seinen Vorgänger töten und setzte alles daran, das verlorengegangene Gebiet zurückzuerobern. Seine Legitimität sicherte sich der vormalige königliche Leibwächter durch die Heirat von Matasuentha, die als Tochter der Amalasuntha dem amalischen Königshaus entstammte.

Zunächst suchte Witichis das Frankenreich, das im Konflikt neutral geblieben war, für sich zu gewinnen. Angesichts der verzweifelten Lage der Ostgoten sah er sich dabei genötigt, den Merowingern die Provence und Gebiete am Bodensee abzutreten, ohne dass deshalb die Franken bereits übermäßig großes Engagement für ihn zeigten. Vor Rom gelang es Witichis aber nunmehr, die Initiative zurückzugewinnen und es entbrannten in der Folgezeit heftige Kämpfe, die dazu führten, dass die Stadt, die die Angriffe der Westgoten und Vandalen im 5. Jahrhundert noch einigermaßen unbeschadet überstanden hatte und immer noch knapp 100.000 Einwohner zählte, nunmehr weitgehend entvölkert und in ein Ruinenfeld verwandelt wurde. Rom wurde von Januar 537 bis März 538 von den Ostgoten belagert und konnte erst dann durch oströmische Verstärkungen wieder entsetzt werden. Mailand war unterdessen ebenfalls heftig umkämpft; hier war dem oströmischen Feldherren Mundilas die Einnahme der Stadt gelungen, die dann von den Ostgoten wieder zurückerobert werden konnte. Justinian entschied sich unterdessen dafür, in Italien den Feldherren Narses einzusetzen, der allerdings bald in Rivalität zu Belisar geriet. An der Adriaküste gelang den Oströmern im Jahr 538 der Vormarsch bis Rimini. Im Mai 540 wurde die ostgotische Residenz Ravenna eingenommen und Witichis von Ostrom gefangengesetzt und nach Konstantinopel verbracht. Den Widerstand setzte Hildebad fort, zugleich intervenierten nun die Franken in der westlichen Poebene, wo sie Mailand eroberten und sowohl gegen ostgotische als auch gegen oströmische Verbände vorgingen. Die oströmisch-ostgotischen Kämpfe ebbten dagegen etwas ab, da Justinian einen Teil seiner Verbände für den erneut ausgebrochenen Krieg mit den Persern im Osten abziehen musste. Belisar wurde zugleich von seinem Kommando enthoben, da Justinian in seinem Vorgehen allzu große Eigenmächtigkeiten erkannte. So hatte Belisar mit ostgotischen Adligen verhandelt, welche ihm die Kaiserwürde anboten und auch die Gefangennahme Witichis' ging über sein Mandat hinaus, da Justinian eher ein abhängiges Ostgotenreich im Norden als Föderaten zur Grenzsicherung gegen Langobarden und Franken wünschte als die vollständige Zerschlagung des Gegners.

Zweiter Feldzug

In der Führung der Ostgoten kam es unterdessen zur Krise. Hildebad, der sich um eine Friedenslösung mit Justinian bemühte, wurde 541 bei einem Bankett von einem Gepiden ermordet; Nachfolger wurde zunächst der Rugier Erarich, der allerdings vom ostgotischen Adel nicht anerkannt wurde und 542 von Totila, dem Neffen Hildebads abgelöst wurde. Dieser ging daran, erneut den Widerstandswillen der Ostgoten anzufachen und eine Flotte zu bauen, während das Oströmische Reich durch die 542 ausgebrochene so genannte Justinianische Pest geschwächt war. Tatsächlich gelangen Totila Vorstöße nach Süden, bei denen er 543 Neapel zurückeroberte und 544 Otranto belagerte und bei denen im Dezember 546 auch Rom, wenn auch nur kurzzeitig, den Ostgoten wieder in die Hände fiel. Bei der vorangegangenen Belagerung wurden die in die Stadt führenden Aquädukte zerstört, sodass nicht nur der Betrieb der großen antiken Thermen endgültig zum Erliegen kam, sondern auch die Nahrungsmittelversorgung in Gefahr geriet, da die städtischen Mühlen auf dieses Wasser angewiesen waren; die Belagerten behalfen sich, indem sie ihre Mühlen kurzerhand auf Schiffe stellten und vom Tiber durch Wasserräder antreiben ließen; damit waren die Schiffsmühlen erfunden. 544 war allerdings auch Belisar wieder auf dem Kriegsschauplatz angetreten, der die Belagerung von Otranto durch die Ostgoten aufheben konnte und auf Rom marschierte. Die Kämpfe nahmen nun im ganzen Land an Härte und Grausamkeit zu und führten zu Hungersnöten, sodass hier die entscheidende Zäsur zu sehen ist, die für Italien den Übergang von der Antike zum Mittelalter bedeutet. Für die Ostgoten stellte sich der Krieg als Entscheidungskampf um Leben oder Tod dar, sodass auch radikale Maßnahmen gerechtfertigt erschienen. Totila verfügte etwa, dass auch Sklaven zum Einsatz kommen sollten; ein Schachzug, der insbesondere den senatorischen Stand treffen sollte, der eher mit Ostrom sympathisierte. Belisar war unterdessen 547 die Rückeroberung Roms gelungen, das aber weiterhin umkämpft blieb und 549 wieder von den Ostgoten zurückerobert werden konnte. Daraufhin sah sich Justinian genötigt, Belisar endgültig abzuberufen und durch Narses zu ersetzen; dabei spielte insbesondere die Beurteilung des Prokopios von Caesarea eine Rolle, der Belisar zahlreiche Versäumnisse vorwarf, während dieser sich von Justinian im Stich gelassen fühlte, der ihm die nötige militärische Verstärkung vorenthalten habe.

Dritter Feldzug

Narses, der durch sein Auftreten im Nika-Aufstand das volle Vertrauen Justinians besaß, suchte nun durch ein energisches Vorgehen die endgültige Entscheidung. Der Kaiser stellte ihm mit 30.000 Mann ein vergleichsweise großes Aufgebot zur Verfügung, mit dem er 551 über Illyrien nach Norditalien vorstieß. Dem hatten die Goten kaum noch Gleichwertiges entgegenzustellen, zudem wurden deren Stellungen in der Poebene geschickt umgangen und Narses stieß sofort von Venetien nach Mittelitalien vor. Um zu retten, was noch zu retten war, postierte sich Totila mit knapp 20.000 Mann in einem engen Tal bei Tadinae (unweit des heutigen Perugia), um den weiteren Vormarsch Narses' aufzuhalten.

Datei:Monslactarius.jpg
Historiengemälde der „Schlacht am Vesuv“ aus dem 19. Jh.

Am 1. Juli 552 kam es dort zur entscheidenden Schlacht von Busta Gallorum (benannt nach einem alten Grabhügel gallischer Krieger), die die Oströmer für sich entscheiden konnten. Totila starb an den in der Schlacht erlittenen Verwundungen und Narses konnte ungehindert weiter südwärts ziehen und Rom wechselte ein letztes Mal seinen Besitzer, indem es nun endgültig in oströmische Hände fiel. Die überlebenden ostgotischen Krieger wählten sich unterdessen Teja zum neuen König, der einige Monate nach Totilas Niederlage bei Neapel am Fuß des Vesuvs in der Schlacht am Mons Lactarius die letzte große Schlacht des Krieges wagte. Auch hier suchten die Goten den Vorteil, der sich durch die Verschanzung in einem engen Tal bot, sodass die Oströmer zwei volle Tage brauchten, um die Oberhand zu gewinnen. Schließlich aber fiel auch Teja im Kampf, wodurch die Schlacht und der Krieg für die Oströmer entschieden war. Einzelne Verbände leisteten zwar noch einige Zeit Widerstand, das Land war aber nunmehr praktisch vollständig unter oströmischer Kontrolle und Justinian ordnete 554 mit der so genannten Pragmatischen Sanktion die Eingliederung Italiens unter einem Prätorianerpräfekten in das Oströmische Reich an, während zugleich eine Reihe alter weströmischer Ämter aufgelöst wurden. Im Jahre 555 kapitulierten dann die letzten ostgotischen Einheiten bei Salerno, einige Kämpfer gingen ins fränkische Exil.

Auswirkungen

Dem Oströmischen Reich war die Rückeroberung des Kernlandes des alten Römischen Reiches gelungen, dies erwies sich jedoch schnell als Pyrrhussieg. Italien war durch die Kriegswirren, Hungersnöte und Pest vollkommen ausgeblutet und damit eher eine zusätzliche Last als ein Gewinn. Der Krieg hatte zu einem erheblichen Aderlass in den oströmischen Reihen geführt, der die Widerstandskraft gegen künftige Feinde wie den Slawen und Awaren auf dem Balkan und den Sassaniden und später den Arabern im Osten erheblich geschwächt hat. Die Langobarden, die in Pannonien siedelten, nutzten denn auch bereits im Jahr 568, von den Awaren im Osten bedrängt, die Gunst der Stunde, um in Norditalien einzufallen, wo ihnen vergleichsweise wenig Widerstand geleistet wurde. Lediglich ein Landstreifen von Ravenna bis Rom und Küstengebiete im Süden konnten von den Oströmern gehalten werden, bis auch diese in den folgenden Jahrhunderten nach und nach verlorengingen. Hatte Justinians Reich mit der Eroberung Italiens, Nordafrikas und Teilen Spaniens seine größte Ausdehnung erreicht, markierte der Einfall der Langobarden den Beginn des Niedergangs, der sich mit dem Verlust des Balkans an die Slawen und der Levante und Afrikas an die Moslems fortsetzte, sodass das Byzantinische Reich auf das Gebiet der heutigen Staaten Griechenland und Türkei begrenzt blieb.

Literatur

Primärquellen

Bedeutendste Chronisten des Gotenkrieges sind Jordanes, dessen Getica bis 551 reicht, sowie Prokopios von Caesarea, der eine Kriegsgeschichte (Bella) verfasst hat, die sowohl die Perserkriege als auch den Gotenkrieg (bis 553) abdeckt. Beide Autoren verfolgen mit ihren Werken auch politische Absichten – bei Prokopios ist die Kritik an Belisar ein zentrales Element, bei Jordanes der Versuch, die Geschichte der Goten zu einem Teil der römischen Geschichte werden zu lassen -, ihre Werke stellen aber dennoch mit ihrer Darstellung der Kriegsereignisse und ihrer Hintergründe die bedeutendsten Quellen dieser Zeit dar.

Sekundärliteratur

  • Roy Boss: Justinian's Wars: Belisarius, Narses and the Reconquest of the West. Stockport 1993.
  • John B. Bury: History of the Later Roman Empire. 2 Bde. New York 1958 (Nachdruck von 1923). Bd. 1 ISBN 0-486-20398-0, Bd. 2 ISBN 0-486-20399-9
  • Peter J. Heather: Goths and Romans. Clarendon, Oxford 1991, ISBN 0-19-820535-X.
  • Michael Kulikowski: Rome’s Gothic Wars. Cambridge 2007. (Knappe Studie, welche die Gotenkriege vom 4. bis zum 5. Jahrhundert behandelt.)
  • Philip Rance: Narses and the Battle of Taginae (Busta Gallorum) 552: Procopius and sixth century warfare. In: Historia 54 (2005), S. 424–472.
  • H.N. Roisl: Totila und die Schlacht bei den Busta Gallorum, Ende Juni/Anfang Juli 552. In: Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik 30 (1981), S. 25–50.