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Vaterunser

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Tafel mit dem deutschen Text in der Paternosterkirche

Das (regional auch: der) Vaterunser oder Unser Vater oder Gebet des Herrn (lateinisch Pater noster, Oratio Dominica) ist ein Gebet, das Jesus Christus laut den Berichten der Bibel seine Jünger gelehrt hat.

Das Vaterunser ist das am weitesten verbreitete Gebet im Christentum, das in nahezu allen christlichen Konfessionen im Gottesdienst und von vielen Christen auch privat gebetet wird. Es ist das einzige Gebet, von dem die Bibel unter Berufung auf Jesus überliefert, dass es die Christen beten sollen: "Darum sollt ihr so beten:" (Matthäus 6,9a, Lutherübersetzung 1984)

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

In der Reformierten Kirche beginnt man oft mit Unser Vater statt Vater unser, der übrige Text ist identisch. In der Neuapostolischen Kirche gibt es ebenfalls Abweichungen (im folgenden kursiv): "Unser Vater in dem Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. Unser täglich Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schulden, wie wir unseren Schuldigern vergeben. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Biblischer Text

Nach dem ursprünglichen Text von Lukas 11, 2-4 zerfällt es in fünf, nach Evangelium des Matthäus 6, 9-13 in sieben Bitten (um Zuwendung geistiger [1-3] und leiblicher [4] Güter sowie Abwendung von Übeln [5-7]). Der unter dem Namen Doxologie („Lobendes Wort“) bekannte Schluss („Denn dein ist das Reich …“) ist in den ältesten Handschriften nicht überliefert und wird in der orthodoxen Kirche während der Liturgie vom Priester allein gesprochen, im privaten Gebrauch ganz weggelassen. Die römisch-katholische Kirche hat sich heute der ökumenischen Form angeschlossen. Allerdings wird in der Messe zwischen den Bitten und der Doxologie des Vaterunsers vom Priester allein ein Gebetseinschub, der Embolismus, gesprochen, der inhaltlich eine Vertiefung der letzten Bitte ist. Er lautet:

Erlöse uns, Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen. Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.

Geschichte

Laut dem Lukasevangelium lehrte Jesus auf den Wunsch seiner Jünger nach einem Muster für ein Gebet sie das Vaterunser, so wie Johannes der Täufer auch seine Jünger belehrt hatte.

In der Tat basiert das Vaterunser auf jüdischen Traditionen.

Das Vaterunser galt schon in der alten Kirche als das heiligste Gebet; Katechumenen durften es noch nicht beten. Dagegen nahm es bald eine feste Stelle im Kultus, namentlich im Höhepunkt desselben, der Abendmahlsliturgie, ein. Nach alten Texten (zum Beispiel der Didache) sollten Christen es auch privat dreimal am Tag beten, ein Brauch, der vielleicht zum Vorbild für das fünfmal tägliche Gebet im Islam wurde.

Außerdem bildete es mit dem Credo zusammen die Stücke, die jeder getaufte Christ lernen und wissen sollte. Die Kapitularien Karls des Großen ordneten an, dass jeder Christ es auswendig hersagen könnte; wer dieses nicht vermochte, sollte als Taufzeuge nicht zugelassen werden.

In der katholischen Kirche ist das Vaterunser zentraler Bestandteil des Rosenkranzgebets, hier aber traditionell ohne die sekundäre Doxologie. Außerdem wird es in jeder Heiligen Messe gebetet. Direkt im Anschluss folgt der Friedensgruß und das Agnus Dei.

Im lutherischen Katechismus bildet es das dritte Hauptstück.

Lautliche Geschichte anhand einzelner Schriftstücke

Auf Griechisch, wie es im Matthäusevangelium überliefert ist

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Transkription:
Páter hēmôn ho en toîs ouranoîs;
hagiasthētō to ónomá sou;
elthétō hē basileíā sou;
genethētō tò thélēmá sou,
hōs en ouranôi, kaì epì tês gês.
tòn árton hēmôn tòn epioúsion dòs hēmîn sēmeron;
kaì áphes hēmîn tà opheilēmata hēmôn,
hōs kaì hēmeîs aphíemen toîs opheilétais hemôn;
kai mē eisenéngeis hēmâs eis peirasmón,
allà rhVorlage:Polytonischsai hēmâs apò toû ponēroû.
(hóti soû estin hē basileía kaì hē dýnamis kaì he dóxa eis toùs aiônas;)
amēn.
Neugriechische Aussprache:
Páter imón o en tis ouranís;
ajiasθíto to ónomá sou;
elθéto i vassilía sou;
jenniθíto to θélimá sou;
os en ouranó ke epí tis jis;
ton árton imón ton epioússion dos imín símeron;
ke áfes imín ta ofilímata imón;
os ke imís afíemen tis ofilétes imón;
ke mi issenéngis imás is pirasmón,
allá rísse imás apó tou poniroú;
(óti soú estin i vassilía ke i dínamis ke i dóxa is tous eónas;)
amín.

Auf Latein in der Übersetzung des Hieronymus (Vulgata) nach Matthäus

Pater noster, qui es in caelis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in caelo et in terra.
Panem nostrum quotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
(Quia tuum est regnum et potestas et gloria in aeterna.)
Amen.

Rekonstruktion der aramäischen Fassung zur Zeit Christi

Abwoon d'bwashmaya,
Nethqadash shmakh,
Teytey malkuthakh.
Nehwey tzevyanach aykanna d'bwashmaya aph b'arha.
Hawvlan lachma d'sunqanan yaomana.
Washboqlan khaubayn (wakhtahayn)
aykana daph khnan shbwoqan l'khayyabayn.
Wela tahlan l'nesyuna.
Ela patzan min bisha.
Metol dilakhie malkutha wahayla wateshbukhta l'ahlam almin.
Amen.

(Dies ist eine Rekonstruktion auf der Grundlage des
altgriechischen Urtextes des Neuen Testaments. Es
existieren keine Zeugnisse darüber, welche Wörter
Jesus oder sein aramäisch sprechendes Umfeld tatsächlich
verwendet haben.)

Auf Gotisch, übersetzt von Bischof Wulfila aus dem Griechischen um 350

Atta unsar thu in himinam,
weihnai namo thein,
quimai thiudinassus theins,
wairthai wilja theins,
swe in himina jah ana airthai.
hlaif unsarana thana sinteinan gif uns himma daga,
jah aflet uns thatei skulans sijaima,
swaswe jah weis afletam thaim skulam unsaraim,
jah ni briggais uns in fraistubnjai,
ak lausei uns af thamma ubilin;
unte theina ist thiudangardi
jah mahts jah wulthus in aiwins.
Amen.

Entwicklung im Deutschen

8. Jahrhundert

Fater unsar, thû pist in himile, uuihi namun dînan.
qhueme rîhhi dîn.
uuerde uuillo diin, sô in himile sôsa in erdu.
prooth unsar emezîch kip uns hiutû.
oblâz uns sculdî unsarô, so uuir oblâzem uns sculdîkêm.
enti ni unsih firleiti in khorunka.
ûzzer lôsi unsih fona ubile.
Amen.

9. Jahrhundert

Fader unser, du in himile bist.
din name vuerde geheiliget.
Din riche chome, din wille gesckche in erdo, also in himile.
Unser tagoliche brot kib uns hiuto.
Unde unsere Schulde belass uns, also auch wir belazend unsern schuldigen.
Und in chorunga mit leitest du unsich, nu belose unsich fom uble.
Amen.

10. Jahrhundert

Fáter unser du in himele bist.
Dîn nâmo uuérde gehéiligôt.
Dîn rîche chome.
Dîn uuillo gescéhe in erdo álsô in hímele.
Unser tágelicha brôt kíb uns híuto.
Unde únsere scúlde belâz uns, álsô óuh uuir belâzen unserên scúldîgên.
Unde in chórunga ne léitêst dû únsih.
Núbe lôse unsih fóne úbele.
Amen.

14. Jahrhundert

Vater unsir. du in himile bist.
din namo werde giheiliget.
din riche chome.
din wille giskehe in erda von mennisgen. also in himile fon den engilen.
Unsir tagelich prot gib uns hiuto.
unde unsere sculde belazh uns.
also ouh uuir firlazhen unseren sculdenaren.
unde in dia chorunga neleitist du unsih.
suntir irlose unsih fona demo ubile.
Amen.

1522

Unser Vater inn dem himel.
Deine name sey heylig.
Dein reich kome.
Deine wille geschehe auff erden wie im himel.
Unser teglich brod gib uns heut.
und vergib uns unsere schulde
wie wir unser schuldigern vergebe
und fure uns nicht in versuchung
sondern erlose uns vo dem ubel.
Denn dein ist das reich und die krafft und die herligkeit in ewigkeit.
Amen.

1869

Vater unser, der du bist im Himmel.
Geheiliget werde dein Name.
Zu uns komme dein Reich.
Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel.
Unser täglich Brod gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schulden,
wie wir unser Schuldigern vergeben.
Und führe uns nicht in Versuchung.
Sondern erlöse uns von dem Übel.
Denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Das Vaterunser in der Musik

Das Vaterunser hat auch viele Komponisten zu einer Vertonung angeregt. Folgende Komponisten nahmen sich des Textes an, verwendeten jedoch sehr unterschiedliche Fassungen (die Liste ist nicht abschließend):

Luigi Cherubini, E Nomine, Die Toten Hosen, Charles Gounod, Leoš Janáček, Franz Liszt, Giacomo Meyerbeer, Otto Nicolai, Bernardino Rizzi, Igor Strawinski, Pjotr Iljitsch Tschaikowski und Giuseppe Verdi.

Populär sind auch volkstümliche Vertonungen des Vaterunsers, darunter die Werke von Albert Hay Malotte und Gotthilf Fischer.

Mit einer englischen Version des Vaterunser konnte der englische Sänger Cliff Richard unter dem Titel Millennium Prayer die Nummer Eins der englischen Singlecharts erreichen. Er setzte sich damit gegen die Konkurrenz von Oasis oder Blur durch.

Die wohl modernste Vertonung entstammt der Feder der Söhne Mannheims aus dem Jahr 2004.


Literatur

  • Romano Guardini: Das Gebet des Herrn. 8. Aufl. Matthias-Grünewald-Verl., Mainz 2000. ISBN 3-7867-8366-7
  • Klaus Völkers: Das Vaterunser. Quelle der Kraft. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg 1999. ISBN 3-7600-0904-2
  • Reinhard Körner: Das Vaterunser. Spiritualität aus dem Gebet Jesu. Benno-Verl., Leipzig 2002. ISBN 3-7462-1566-8
  • Eugen Biser: Glaubensbekenntnis und Vaterunser. Eine Neuauslegung. Patmos, Düsseldorf 2003. ISBN 3-491-69401-9
  • Dietmar Rost, Joseph Machalke: Das Vaterunser den Kindern erzählt. Mit Bildern von Heide Mayr-Pletschen. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg u.a. 8. Aufl. 1994 ISBN 3-7666-9513-4
  • Kerstin Hack: Online with God. Trainingskurs Gebet. Basierend auf dem Vaterunser, Down to Earth Verlag, Berlin, 2000. ISBN 3-935992-05-X

Wissenschaftliche Untersuchungen

  • Ulrich Luz, Clemens Leonhard, Manfred Seitz: Art. Vaterunser I. Neues Testament II. Judentum III. Kirchengeschichtlich und praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 34 (2002), S. 504-529 (Überblick)
  • Holger Finze-Michaelsen: Vater unser – unser Vater. Entdeckungen im Gebet Jesu. Biblisch-theologische Schwerpunkte 24. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004. ISBN 3-525-61581-7
  • Marc Philonenko: Das Vaterunser. Vom Gebet Jesu zum Gebet der Jünger. UTB für Wissenschaft 2312. Mohr Siebeck, Tübingen 2002. (frz. 2001) ISBN 3-16-147694-8
  • Eva Harasta: Lob und Bitte. Eine systematisch-theologische Untersuchung über das Gebet. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 2005 ISBN 3-7887-2113-8
  • Bernd Willmes, Josef Zmijewski, Karlheinz Diez: Gott als Vater in Bibel und Liturgie. Fuldaer Hochschulschriften 34. Knecht, Frankfurt a.M. 2000. ISBN 3-7820-0842-1
  • Johann Christoph Adelung: Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde mit dem Vater Unser als Sprachprobe in beynahe fünfhundert Sprachen und Mundarten. Fünf Bände. Originalausgabe: Berlin (Voss) 1806-1817; Reprint der Erstausgabe: Olms Verlag 1970

Siehe auch

Wikisource: Pater noster – Quellen und Volltexte
Wikisource: Vaterunser – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Vaterunser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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