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Rudolf Steiner

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Rudolf Steiner um 1900

Rudolf Steiner (* 27. Februar 1861 in Donji Kraljevec nahe Čakovec, Kroatien (Medjimurje), damals Kaisertum Österreich; † 30. März 1925 in Dornach, Schweiz) war ein österreichischer Philosoph und Esoteriker. Er begründete die Anthroposophie, eine gnostische Weltanschauungslehre, die zu den vielen okkulten Schulen des 19. und 20. Jahrhunderts gezählt wird. Ausgehend von dieser Lehre übte Steiner Einfluss auf zahlreiche Lebensbereiche aus, etwa die Pädagogik (Waldorfpädagogik), die Kunst (Eurythmie), die Medizin (Anthroposophische Medizin) oder die Landwirtschaft (Biologisch-dynamische Landwirtschaft).

Leben und Werk

Der 21-jährige Student Rudolf Steiner, um 1882

Rudolf Steiner entstammte einfachen, ja ärmlichen Verhältnissen. Seine Eltern, der Bahnbeamte Johann Steiner (1829-1910) und Franziska Steiner, geborene Blie (1834-1918), kamen aus dem niederösterreichischen Waldviertel. Rudolf hatte zwei jüngere Geschwister: Leopoldine (1864-1927), die als Näherin bis zu deren Tod bei den Eltern wohnte, und Gustav (1866-1941), der taubstumm geboren wurde. Wegen der Berufstätigkeit des Vaters musste die Familie öfters innerhalb Niederösterreichs umziehen.

Schon als Kind hatte Steiner, autobiographischen Angaben zufolge, übersinnliche Erlebnisse. So sei ihm im Alter von sieben Jahren eine Tante erschienen, von der er später erfuhr, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt das Leben genommen hatte.[1] Hinter Naturerscheinungen erlebte der Junge eine Welt von „Naturgeistern“. Bereits im Grundschulalter begann Steiner, sich neben dem wenig fordernden Unterricht an einer Dorfschule mit Hilfe von Lehrbüchern selbst Wissen anzueignen. Besonders interessierte ihn die Geometrie: „Rein im Geiste etwas erfassen zu können, das brachte mir inneres Glück. Ich weiss, dass ich an der Geometrie das Glück zuerst kennen gelernt habe.“ („Mein Lebensgang“, 1925) Mit 16 Jahren las er nach eigenen Angaben bereits KantsKritik der reinen Vernunft“.

Nach dem Besuch der Realschule konnte Steiner dank eines Stipendiums von 1879 bis 1883 an der Technischen Hochschule in Wien studieren. Seine Studienfächer waren Mathematik und Naturwissenschaften mit dem Ziel des Lehramts an Realschulen. Daneben besuchte er aber auch Lehrveranstaltungen in Philosophie, Literatur und Geschichte, teils auch an der Wiener Universität, wo er ohne Matura (Abitur) allerdings nur einen Gaststatus hatte. Dieses Studium musste Steiner 1883 aus finanziellen Gründen ohne Abschlussexamen abbrechen. Erst 1891 wurde er an der Universität Rostock mit einer Arbeit über Die Grundfrage der Erkenntnistheorie (später erweitert als Buch unter dem Titel Wahrheit und Wissenschaft erschienen) bei Heinrich von Stein zum Dr. phil. promoviert.

Der frühe Rudolf Steiner

Von 1882 bis 1897 war Steiner, anfangs noch parallel zu seinem Studium, als Herausgeber der naturwissenschaftlichen Schriften Johann Wolfgang von Goethes tätig. Er besorgte in dieser Zeit zwei Ausgaben, erst im Rahmen der Deutschen Nationalliteratur Joseph Kürschners, dann (ab 1890) als Mitarbeiter des gerade gegründeten Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar im Rahmen der sogenannten Sophienausgabe - nach der Begründerin des Archivs, Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach -, heute bekannt als die Weimarer Ausgabe.

Die Eigenart dieser Herausgeberschaft war, dass der junge Naturwissenschaftler seine Anmerkungen mehr als philosophische Anregungen und Verständnishilfen für den Leser denn als Fußnoten zur Entstehung von Goethes Werken verstand. Seine Mitarbeit an diesen Goethe-Editionen war durch Vermittlung seines Wiener Germanistik-Professors Karl Julius Schröer zustande gekommen, der selbst ein ähnlich unkonventionelles Verhältnis zur Philologie pflegte. Trotz Kritik an Steiners unkonventionellen, teilweise sogar falschen Kommentierungen[2] erwarb er durch seine Herausgebertätigkeit eine gewisse Bekanntheit. In Joseph Kürschners "Deutscher Literatur Kalender aus dem Jahr 1895" sind ihm immerhin acht Zeilen gewidmet.

Rudolf Steiner im Alter von 28 Jahren (1889)

Neben den Werken Goethes gab Steiner auch die Werke des Philosophen Arthur Schopenhauer und des Dichters Jean Paul heraus. Für mehrere Lexika verfasste er Beiträge zu naturwissenschaftlichen Themen. Zeitweilig war er auch Redakteur der in Wien erscheinenden Deutschen Wochenschrift. Seinen Lebensunterhalt bestritt er jedoch bis 1890 überwiegend als Erzieher und Hauslehrer der vier Söhne eines jüdischen Kaufmanns. Erst mit der Berufung an das Weimarer Archiv fand er als „Goethe-Forscher“ ein - wenn auch bescheidenes - Auskommen.

Zu den zahlreichen Kontakten, die Steiner in seiner Wiener Zeit (1879-1890) pflegte, gehören der Esoteriker Friedrich Eckstein, der ihn mit der Theosophie Helena Petrovna Blavatskys bekannt machte, und die Frauenrechtlerin Rosa Mayreder, seine wichtigste Gesprächspartnerin bei der Ausgestaltung der Freiheitsphilosophie, die er in diesen Jahren entwickelte. In der Weimarer Zeit knüpfte er Kontakte u.a. zu Herman Grimm, Otto Erich Hartleben, Ernst Haeckel und Elisabeth Förster-Nietzsche. Ab 1892 wohnte er bei der frisch verwitweten Anna Eunike (1853-1911) mit ihren fünf Kindern, die 1899 seine erste Ehefrau wurde.

In dieser Zeit entstanden einige philosophische Werke, darunter die 1894 veröffentlichte „Philosophie der Freiheit“, die Steiner 1918 in überarbeiteter Fassung erneut publizierte[3] und auch im Alter noch als sein Hauptwerk bezeichnete. Darin entwickelte er zunächst eine Erkenntnistheorie, die in Anlehnung an den deutschen Idealismus und namentlich an Johann Gottlieb Fichte ihren Ausgangspunkt vom erkennenden Subjekt nahm. Entscheidend war dabei für Steiner die Erfahrung des eigenen Denkens: Die „Beobachtung“ des eigenen Denkens sei die „allerwichtigste“ Wahrnehmungsleistung des Menschen. Denn nur was er selbst denke, könne er vollkommen durchschauen. Damit sei „ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit begründeter Hoffnung nach der Erklärung der übrigen Welterscheinungen suchen kann“.

Im Unterschied zu Fichte, der letztlich alles aus dem „sich selbst setzenden“ Ich entwickeln wollte, beschrieb Steiner eine „Doppelnatur“ des Ichs, indem er dem Denken die Wahrnehmung des „Gegebenen“ gegenüberstellte. „Unsere totale Wesenheit funktioniert in der Weise, dass ihr bei jedem Dinge der Wirklichkeit von zwei Seiten her die Elemente zufließen, die für die Sache in Betracht kommen: von seiten des Wahrnehmens und des Denkens. (...) Das Erkennen überwindet diese Zweiheit, indem es aus den beiden Elementen der Wirklichkeit: der Wahrnehmung und dem durch das Denken erarbeiteten Begriff das ganze Ding zusammenfügt.

Rudolf Steiner um 1891/92, Radierung von Otto Fröhlich

Außer der Wahrnehmung und dem eigenen Denken ließ Steiner nichts als Fundament seiner Philosophie gelten. Jede Art des Seins, die uns weder durch Wahrnehmung noch durch Denken erfahrbar ist, wies er als „unberechtigte Hypothesen“ ab. Mit dieser Abweisung jeglicher transzendenten „Realität“, deren Existenz und zugleich prinzipielle Nicht-Erkennbarkeit andere Philosophen - allen voran Immanuel Kant - voraussetzten, setzte sich Steiner in Gegensatz zur von Kant geprägten Universitäts-Philosophie seiner Zeit. Für den jungen Goethe-Forscher gab es nur eine Welt und somit keine prinzipiellen Grenzen des Erkennens. In diesem Sinn bezeichnete Steiner seine Weltanschauung auch als „Monismus“. In einem Brief bekannte er: "Ich kämpfe, seitdem ich schriftstellerisch tätig bin, gegen allen Dualismus und sehe es als Aufgabe der Philosophie an, durch eine streng positivistische Analyse unseres Erkenntnisvermögens den Monismus wissenschaftlich zu rechtfertigen, also den Nachweis zu führen, daß die in der Naturwissenschaft gewonnenen Ergebnisse wirkliche Wahrheiten sind. Deshalb mußte ich mich ebenso gegen den Kantianismus mit seinen zweierlei Wahrheiten wie gegen das moderne 'Ignorabimus' wenden."[4] Steiners Monismus war jedoch nicht mit dem materialistischen Monismus identisch, den fünf Jahre später (1899) Ernst Haeckel in seinem Buch Die Welträtsel popularisierte. Allerdings bekannte sich Steiner auch nach dem Erscheinen der „Welträtsel“ zu Haeckel, obwohl dieser radikal - und sehr modern - die Konsequenzen aus seiner monistischen Weltsicht zog. So heißt es in den „Welträtseln“: „Der Monismus … lehrt uns die ausnahmslose Geltung der 'ewigen, ehernen, großen Gesetze' im ganzen Universum. Damit zertrümmert derselbe aber zugleich die drei großen Zentral-Dogmen der bisherigen dualistischen Philosophie, den persönlichen Gott, die Unsterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens.[5]

Seine monistische Erkenntnistheorie betrachtete Steiner aber nur als „Vorspiel“, als „philosophischen Unterbau“ einer radikal individualistischen Freiheitsphilosophie, mit welcher er eng an Friedrich Nietzsche und Max Stirner anschloss. In der Philosophie der Freiheit sind deren Namen zwar nicht erwähnt[6], doch schon im folgenden Jahr erschien Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit (1895), worin Steiner den „Einklang“ mit den Anschauungen Nietzsches betonte und diesem vorwarf, seine Lehren auf Schopenhauer statt auf Stirner gegründet zu haben.[7] Den Ausspruch Nietzsches: "'Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.' Wohlan, das war Freiheit des Geistes, damit war der Wahrheit selbst der Glaube gekündigt" kommentierte Steiner mit den Worten: "Daß diese Sätze die Empfindungen einer vornehmen, einer Herrennatur zum Ausdruck bringen, die sich die Erlaubnis, frei, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben, durch keine Rücksicht auf ewige Wahrheiten und Vorschriften der Moral verkümmern lassen will, fühlen diejenigen Menschen nicht, die, ihrer Art nach, zur Unterwürfigkeit geeignet sind. Eine Persönlichkeit, wie die Nietzsches ist, verträgt auch jene Tyrannen nicht, die in der Form abstrakter Sittengebote auftreten. Ich bestimme, wie ich denken, wie ich handeln will, sagt eine solche Natur."[8] Diejenigen Zeitgenossen, die Nietzsche wegen seiner Aufkündigung moralischer Bindungen als "gefährlichen Geist" bezeichnet hatten, bezeichnete Steiner abfällig als "kleinlich denkende Menschen". (Ebd.) Gegenüber den Kleingeistern pochte Steiner mit Nietzsche auf das solitäre Wesen des "Übermenschen": "Das souveräne Individuum, das weiß, daß es nur aus seiner Natur heraus leben kann, und das in einer seinem Wesen entsprechenden Lebensgestaltung sein persönliches Ziel sieht, ist für Nietzsche der Übermensch, im Gegensatz zu dem Menschen, der glaubt: ihm sei das Leben geschenkt, um einem außer ihm selbst liegenden Zwecke zu dienen."[9] An anderer Stelle heisst es: "Seiner [=Nietzsches] Meinung nach besteht die echte Kultur darinnen, den Einzelnen zu pflegen, damit er die Kraft habe, aus sich heraus alles das zu entwickeln, was in ihm gelegen ist. Bisher war es nur Zufall, wenn ein Einzelner sich voll aus sich heraus hat entwickeln können. 'Dieser höherwertige Typus ist oft genug schon dagewesen: aber als ein Glücksfall, als eine Ausnahme, niemals als gewollt. Vielmehr ist er gerade am besten gefürchtet worden, er war bisher beinahe das Furchtbare; - und aus der Furcht heraus wurde der umgekehrte Typus gewollt, gezüchtet, erreicht: das Haustier, das Herdentier, das kranke Tier Mensch, - der Christ ...'. Seinen Typus Mensch als Ideal hat Nietzsche, poetisch verklärt in seinem «Zarathustra». Er nennt ihn den Übermenschen. Dieser ist der von allen Normen befreite Mensch, der nicht mehr Ebenbild Gottes, Gott wohlgefälliges Wesen, guter Bürger u.s.w., sondern er selber und nichts weiter sein will – der reine und absolute Egoist."[10]

Datei:Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine zeit.jpg
Titelbild der zweiten Auflage 1985 von "Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit", die aufgrund des großen Erfolges noch im Erscheinungsjahr herauskam

Steiner bewunderte den autoritäts- und wahrheitskritischen Gestus dieser radikalen Denker. Bei Stirner, für den die Wahrheit, die Freiheit und die Menschheit nur „Gespenster“ waren,[11] gefiel ihm die Überhöhung des Individuums. Stirners Satz: „Alle Wahrheiten unter mir sind mir lieb; eine Wahrheit über mir, eine Wahrheit, nach der ich mich richten müßte, kenne ich nicht“, kommentierte er mit den Worten: „Ein Eroberer ohne gleichen ist Max Stirner, denn er steht nicht mehr im Solde der Wahrheit; sie steht in dem seinen.[12] Bei Nietzsche konnte Steiner an die Idee des „freien Geistes“ anknüpfen, der sich über Gott und Wahrheitsglauben emporschwingt: „Der Christ sucht die Wahrheit in Gott, weil er Gott für den Quell aller Wahrheit hält; der moderne Atheist lehnt den Glauben an Gott ab, weil ihm sein Gott, sein Ideal von Wahrheit diesen Glauben verbietet. Der moderne Geist sieht in Gott eine menschliche Schöpfung; in der «Wahrheit» sieht er etwas, was ohne alles menschliche Zutun durch sich selbst besteht. Der wirklich «freie Geist» geht noch weiter. Er fragt: «Was bedeutet aller Wille zur Wahrheit?» Wozu Wahrheit? Alle Wahrheit entsteht doch dadurch, dass der Mensch über die Erscheinungen der Welt nachdenkt, sich Gedanken über die Dinge bildet. Der Mensch selbst ist der Schöpfer der Wahrheit. Der «freie Geist» kommt zum Bewusstsein seines Schaffens der Wahrheit. Er betrachtet die Wahrheit nicht mehr als etwas, dem er sich unterordnet; er betrachtet sie als sein Geschöpf.[13]

Diese Kampfansage an jede vorgegebene Wahrheit und Autorität verband Steiner mit Stirner und Nietzsche. Im Sinne der „Egoität“ (Steiner) begrüßte er Nietzsches Wort vom „Tod Gottes“ und der Stellung des Menschen „Jenseits von Gut und Böse“. Er proklamierte „An Gottes Stelle den freien Menschen!!!“ und bewunderte Goethes Prometheus, den Spötter jedes göttlichen Machtanspruchs.[14] An anderer Stelle zitierte Steiner zustimmend ein Zitat des Stirner-Biographen John Henry Mackay, in dem es hieß: "Ich glaubte nie an einen Gott da droben, / Den Lügner oder Toren nur uns geben. / Ich sterbe - und ich wüßte nichts zu loben / Vielleicht nur Eins - daß wir nur einmal leben!".[15]

Solche Wendungen fixieren Steiners Ablehnung eines Glaubens an das Jenseits, an die Wiedergeburt und die Idee eines allmächtigen Gottes. Die Vorstellung eines Ausgeliefertseins des Menschen an eine ihm fremde Schicksalsmacht wies er zurück. "Es ist allein des Menschen würdig, daß er selbst die Wahrheit suche, daß ihn weder Erfahrung noch Offenbarung leite. Wenn das einmal durchgreifend erkannt sein wird, dann haben die Offenbarungsreligionen abgewirtschaftet. Der Mensch wird dann gar nicht mehr wollen, daß sich Gott ihm offenbare oder Segen spende. Er wird durch eigenes Denken erkennen, durch eigene Kraft sein Glück begründen wollen. Ob irgendeine höhere Macht unsere Geschicke zum Guten oder Bösen lenkt, das geht uns nichts an; wir haben uns selbst die Bahn vorzuzeichnen, die wir zu wandeln haben. Die erhabenste Gottesidee bleibt doch immer die, welche annimmt, daß Gott sich nach Schöpfung des Menschen ganz von der Welt zurückgezogen und den letzteren ganz sich selbst überlassen habe."[16] Der von Steiner verehrte Stirner hatte in seinem Hauptwerke geschrieben: „Das Jenseits ausser Uns ist [...] weggefegt, und das grosse Unternehmen der Aufklärer vollbracht; allein das Jenseits in Uns ist ein neuer Himmel geworden und ruft Uns zu neuen Himmelstürmen auf.“ (Der Einzige und sein Eigentum, S. 170) Auch für den dieser solipsistischen Grundposition nahestehenden Steiner hatte das Menschenleben nur den Zweck und die Bestimmung, die der Mensch ihm selbst verleihe: „Meine Sendung in der Welt ist keine vorherbestimmte, sondern sie ist jeweilig die, die ich mir erwähle.“ Damit ist die „Philosophie der Freiheit“ ein Bekenntnis zum Individualismus und Monismus. Der Monismus leugnet eine geistige Welt jenseits der dem menschlichen Erkennen zugänglichen Wirklichkeit. Reale und geistige Welt fallen nicht dualistisch auseinander, sondern sie sind eins. Im Sinne Stirners und Nietzsches proklamiert Steiner: „Der Mensch hat nicht den Willen eines außer ihm liegenden Wesens in der Welt, sondern seinen eigenen durchzusetzen; er verwirklicht nicht die Ratschlüsse und Intentionen eines andern Wesens, sondern seine eigenen.“ Hinter handelnden Menschen sieht dieser Monismus dabei nicht Zwecke einer ihm fremden Weltlenkung, sondern nur eigene, menschliche Zwecke. Gegenüber der Autoritäts- und Jenseitsgläubigkeit positioniert Steiner im Sinne des Idealismus das „lebendige Denken“ des „Ichs“ und den „freien Geist“.

In der Fachphilosophie fand Steiner mit seinem philosophischen Werk keine Anerkennung. Ein Habilitationsversuch im Jahre 1894 scheiterte. Haeckel, der aus dem Umfeld Steiners um Vermittlung einer Stelle an der Universität Jena gebeten worden war, versagte jegliche Unterstützung. Kurze Zeit arbeitete Steiner unter Elisabeth Förster-Nietzsche am Nachlass Nietzsches und war als Herausgeber der Werke im Gespräch. Im Rahmen dieser Tätigkeit erstellte Steiner die erste Nietzsche-Bibliographie und das erste Verzeichnis von Nietzsches Bibliothek überhaupt. Letzteres wurde zur Grundlage aller später publizierten Kataloge. Dabei konnte Steiner auch die noch unveröffentlichte Autobiographie Nietzsches, "Ecce Homo", einsehen. Auch durfte Steiner dem geistig umnachteten Nietzsche bei seinem letzten Besuch am 22. Januar 1896 persönlich gegenübertreten. Ansonsten erteilte er Förster Nietzsche bei seinen regelmäßigen Besuchen in Naumburg "Privatstunden über die die Philosophie ihres Bruders". Nach einem Eklat um die Frage der Herausgeberschaft brach Steiner mit Förster-Nietzsche und machte 1900 als erster auf die zweifelhaften Machenschaften des Nietzsche-Archivs im Rahmen von dessen Nietzsche-Ausgabe aufmerksam.[17] Steiner hatte sich nicht nur ein einem Nietzsche-Buch, sondern auch in zahlreichen Zeitschriftenaufsätzen und Rezensionen als einer der ersten Vorkämpfer des damals noch nicht akzeptierten Nietzsche positioniert. In einem Aufsatz schrieb er: "Es wird heute nur einige Menschen geben, die im Lager Friedrich Nietzsches stehen: Leute, die zu ihm stehen und ihn verstehen können. Ihnen wird es obliegen, treue Wache zu halten gegen das Andringen aller derer, die ihn ausnützen wollen im Dienste irgendwelcher althergebrachter Anschauungen. Denn Friedrich Nietzsche ist der modernste Geist, den wir haben. Aber wir Wächter Nietzsches werden vielleicht scharfe Waffen brauchen. Wir werden sie haben und zu führen verstehen. Denn wir haben von Nietzsche das Fechten gelernt; und er ist ein guter Fechtmeister."[18]

Titelbild des Magazins für Litteratur aus dem Jahre 1898

Einen Teil seines Lebensunterhalts bestritt er weiterhin mit Herausgebertätigkeiten, indem er von 1897 bis 1900 zusammen mit Otto Erich Hartleben das Magazin für Litteratur in Berlin herausgab. In dieser Zeit erschienen zahlreiche Aufsätze von Steiner zu künstlerischen, philosophischen und politischen Themen. Seine seit etwa 1894 bestehende Bekanntschaft mit dem deutschen Dichter und Stirner-Biographen John Henry Mackay wurde zu einer engen Freundschaft. Mackay und dessen Lehrmeister Benjamin Tucker setzten sich für Steiners "Philosophie der Freiheit" ein[19] und dieser popularisierte im Gegenzug die anarchistischen Ideen der beiden Angelsachsen. In der von ihm redigierten Zeitschrift legte Steiner sogar ein riskantes öffentliches Bekenntnis zu dem von Mackay vertretenen individualistischen Anarchismus ab: "Ich habe es bisher immer vermieden, selbst das Wort 'individualistischer' oder 'theoretischer Anarchismus' auf meine Weltanschauung anzuwenden. Denn ich halte sehr wenig von solchen Bezeichnungen. [...] Wenn ich aber in dem Sinne, in dem solche Dinge entschieden werden können, sagen sollte, ob das Wort 'individualistischer Anarchist' auf mich anwendbar ist, so müßte ich mit einem bedingungslosen 'Ja' antworten."[20] Dies und eine Kampagne für Alfred Dreyfus[21] führte zu Leserprotesten und erwies sich als der Auflagenhöhe des „Magazins“ abträglich.[22] Hartleben legte im März 1900 seine Mitherausgabe des Magazins wegen "inferioren Klatsches" - gemeint war die Auseinandersetzung mit dem Nietzsche-Archiv, die Steiner in der Publikation führte - nieder.[23] Im September 1900 trat auch Steiner von seiner Redaktionsaufgabe zurück.

Steiner befand sich zu dieser Zeit in ernsthaften finanziellen Nöten. Aus seinem Umfeld wurde bereits für die Wiener Zeit berichtet, er habe in einer "elenden Wohnung" gelebt und sei "oft geradezu am Verhungern" gewesen. So schlecht sei es ihm auch bis in die Weimarer, ja auch Berliner Zeit gegangen. Zudem ist eine Zerrüttung des Lebenswandels überliefert. Steiner zechte nächtelang mit seinen Dichter-Freunden, teilweise sei er erst am nächsten Nachmittag nachhausegekommen. Rosa Mayreder, eine Freundin, meinte sogar, Steiner sei "Alkoholiker gewesen, wenn auch nicht in jenem Übermaß, wie man es bei Mystikern oft findet". Erst ab der Jahrhundertwende habe Steiner sich "ganz fest in die Hand genommen und sei der geworden, als den ihn die Welt heute kennt". Zwar ist dessen übermäßiger Alkoholkonsum in dieser Zeit verschiedentlich bezeugt, von einer regelrechten Alkoholsucht ist aber nur bei Mayreder die Rede, die allerdings - in Wien wohnend - überwiegend nur schriftlichen Kontakt mit Steiner hatte.[24] Auch 1903 hieß es noch aus seinem direkten Umfeld, man vermöge "gar nicht zu beurteilen, wie es in der Seele eines Menschen wie Steiner aussieht, wenn die täglich fressende Sorge ihm naht, wenn er Stunde um Stunde denken muss, wo soll ich mich jetzt demütigen, nur um mir ein paar Mark zu pumpen, zu verdienen".[25] Während sich Steiner in den Weimarer Jahren in gutbürgerlichen Kreisen bewegt hatte, wandte er sich in den ersten Berliner Jahren proletarisch geprägten Außenseiter-Kreisen zu. Seine Kontakte reflektierten das Motto, welches er 1899 für sein "Magazin" gewählt hatte: "Vielseitigkeit und Vorurteilslosigkeit". Der Schriftsteller Max Halbe beschreibt den damaligen Steiner als "zigeunernden Intellektuellen"[26]. Der Steiner-Biograph Wolfgang G. Vögele charakterisiert Steiners damaligen Umgang wie folgt: "Zu seinem Bekanntenkreis zählten die führenden Monisten des Giordano Bruno-Bundes (Wilhelm Bölsche, Bruno Wille), Vorkämpferinnen für freie Erotik und offene Ehe (Ellen Key, Margarete Beutler), bekennende Homosexuelle (Magnus Hirschfeld), Anarchisten (John Henry Mackay, Benjamin Tucker) oder als Terroristen steckbrieflich Verfolgte (Siegfried Nacht[27]). Biblisch gesprochen, saß er mit 'Sündern und Zöllnern' zu Tische".[28] Dazu gehörte auch der Kreis um den Dichter Otto Erich Hartleben, der sich mit antibürgerlicher Provokationsgeste "Der Verbrechertisch" nannte.

Der sozialistische Kunstkritiker John Schikowski schrieb am 31, März 1925 in einem Nachruf für den sozialdemokratischen Vorwärts, auf eine gemeinsame Zeit mit Steiner in Berlin zurückblickend: "Der Weltanschauung nach war er Haeckelianer, Materialist und Atheist, politisch nannte er sich Anarchist und wir Sozialdemokraten galten ihm als Bourgois. Was ihn übrigens nicht hinderte, im Rahmen sozialdemokratischer Bildungsorganisationen Vorträge über literarische Themen zu halten. In seiner Lebensführung war er durchaus Libertin, voller Lust am irdischen Dasein und recht hemmungslos im ausgiebigen Genuss dieses Daseins. Es liegt mir fern, mit den oft etwas bedenklichen Abenteuern, deren Held 'Rudi Steiner' war, sein Moralkonto zu belasten. So mancher Heilige hat durch die schmutzigsten Stationen des Erdenwegs hindurchpilgern müssen, ehe er zur Reinheit gelangte."[29]

Auf die Zeit als Bohemien blickte Steiner selbst nur ungern zurück. 1904 rechtfertigte er sich in einem Brief an seine Frau mit den Worten: "Ich erkenne über mich keinen Richter, denn ich weiss, was ich tue. Ich habe mich nie für etwas anderes interessiert, als was geistiger Art ist. Und wenn es in der Zeit, da ich zuerst in Berlin war, anders schien, so ist das doch auch ein Irrtum. Ich wollte damals die Literatur der jungen Leute ehrlich kennenlernen. Ich hätte deshalb mich allerdings nicht auf den Dreck dieser jungen Leute einlassen sollen. Aber das war ein ehrlicher Irrtum. Und ich habe es mit recht dreckigem Klatsch büßen müssen."[30] Später sprach er sogar von einer "Höllenfahrt". Hier hätte er, wie ein Biograph anmerkt, "zerschellen können, so dass er niemals seine Mission hätte antreten können".[31]

Die theosophische Phase

Nach der Beendigung seiner Redakteurstätigkeit im Jahr 1900 trat Steiner, der schon seit seiner Weimarer Zeit vielfach Vorträge zu diversen Themen gehalten hatte, verstärkt als Vortragsredner in Erscheinung. In den zweieinhalb Jahrzehnten bis zu seinem Tod wurden etwa 6.000 Vorträge anfangs von Anhängern mitgeschrieben, später regelmäßig professionell mitstenographiert und in Buchform herausgegeben. Diese (ungeprüften) Mitschriften machen einen Großteil von Steiners Werk aus.

Von 1899 bis 1904 hielt Steiner Kurse an der Berliner Arbeiter-Bildungsschule, einer sozialistisch geprägten Einrichtung. Steiner, der als Nietzsche-Kenner galt, war nach Nietzsches Tod im Jahre 1900 als Vortragsredner über den radikalen Denker gefragt. Im Herbst 1900 wurde er gebeten, auch in der Theosophischen Bibliothek des Grafen Cay von Brockdorff in Berlin einen Vortrag über Friedrich Nietzsche zu halten. So kam ein Kontakt zustande, der Steiners Leben verändern sollte. An den Vortrag über Nietzsche schlossen sich weitere Vorträge an, und bald waren die Theosophen, denen Steiner bis dahin ablehnend gegenüber gestanden hatte, sein wichtigstes Publikum. Als 1902 eine Deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft gegründet wurde, übernahm Steiner deren Vorsitz.

Rudolf Steiner mit Annie Besant, Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft

Die Theosophische Gesellschaft war eine esoterische, teils obskure Vereinigung, in der die Lehren der 1891 verstorbenen Mitbegründerin Helena Petrovna Blavatsky, einem selbsterklärten Medium, im Mittelpunkt standen. Blavatsky waren schon zu Lebzeiten im Zuge sensationsheischender Geisterbeschwörungen betrügerische Machenschaften vorgeworfen worden. Die Deutsch-Russin hatte einen stark durch östliche Philosophien beeinflussten Okkultismus vertreten. Auch die ihr nachfolgende Annie Besant war vor allem dem Hinduismus zugewandt und versuchte später, den Hindu-Knaben Jiddu Krishnamurti zu einer Art neuem Messias aufzubauen.

Steiner erhob gegenüber den Orientalismen der führenden Theosophen den Anspruch, „Theosophie“ eigenständig aus dem abendländischen Geistesleben heraus zu entwickeln. So entstanden zunächst - als schriftliche Fassungen seiner Vorträge in der Theosophischen Bibliothek - die Bücher Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens (1901) und Das Christentum als mystische Tatsache (1902). Schon 1903 jedoch bekannte Steiner sich zur orientalischen Lehre von Reinkarnation und Karma, die er allerdings als „vom Standpunkte der modernen Naturwissenschaft notwendige Vorstellungen“ bezeichnete und entsprechend abzuleiten versuchte.[32] Dies wurde von Kritikern schon zu Lebzeiten als widersprüchlich betrachtet und brachte Steiner den Vorwurf ein, Synkretiker und Eklektiker zu sein.[33] Und tatsächlich hatte sich Steiners Terminologie gegenüber seinen früheren Schriften stark verändert, etwa wenn er nun von höheren Welten und Mysterien sprach.

Das Eintreten für die theosophische Bewegung führte zum Bruch mit zahlreichen von Steiners früheren Freunden. Er selbst bemerkte: Seit der Zeit, "als ich anthroposophische Vorträge hielt, [wollten] viele Leute, die früher mit mir verkehrt haben, nicht mehr mit mir verkehren".[34] Schon 1902, als Steiner im Rahmen des monistischen Giordano-Bruno-Bundes erstmals öffentlich für die Theosophie eingetreten war (Vortragstitel: „Monismus und Theosophie“), schrieb ihm Bruno Wille, der Vorsitzende dieses Bundes: "Was ich daraus als Ihre Ansicht entnahm, ist mir insofern sehr sympathisch, als Sie die rein physische Weltbetrachtung verlassen und die geistige Seite, insbesondere die religiösen Werte des Welterlebnisses betonen. Indessen schaffen Sie sich Missverständnisse und fordern parteiische Vorurteile heraus, wenn Sie für die sogenannten Theosophen eintreten. Dieser Name hat sich arg diskreditiert durch buddhistische Scholastik, occultistischen Aberglauben und spiritistischen Schwindel. Wie sehr Sie missverstanden werden, sehe ich bereits jetzt an dem, was ich von Lesern [der Zeitschrift 'Der Freidenker'] über Ihre Haltung vernehme." [35]

1904 erschien Steiners Buch Theosophie, in dem er die jetzt von ihm vertretene Lehre erstmals ausführlich darlegte. Anknüpfend an Johann Gottlieb Fichte sprach er darin von einem „geistigen Auge“, das in jedem Menschen angelegt sei und nur „geöffnet“ werden müsse, damit der betreffende Mensch wie Steiner selbst neben der gewohnten physischen Welt noch eine seelische und eine geistige Welt wahrnehmen und erforschen könne. Im Unterschied zum Monismus der Frühphase traten hier also klassisch dualistische Vorstellungen hervor.[36] Steiner machte konkrete Angaben darüber, wie dieses „geistige Auge“ zu öffnen sei. Das unterschied ihn von traditionellen Esoterikern, die Erkenntnisse als nur über „Einweihung“ in einem strengen Lehrer-Schüler-Verhältnis vermittelbar ansahen, und knüpfte an den Individualismus seiner Frühschriften an. Diese Anleitungen vertiefte Steiner in der Aufsatz-Serie Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (1904/05), in der er seine Vorstellungen über eine selbstbestimmte „Einweihung“ darlegte.

Aus der Akascha-Chronik, Schlüsselwerk aus Steiners theosophischer Phase

In der parallel begonnenen Aufsatzserie Aus der Akasha-Chronik (1904-1908) griff Steiner nun zunehmend Themen aus der Lehre Blavatskys und anderer ihr nahestehender Okkultisten auf, darunter die Lehre von den „Wurzelrassen“. Während Blavatsky angegeben hatte, ihr „geheimes Wissen“ einem rätselhaften, in Tibet verborgen gehaltenen Buch entnommen zu haben, beschrieb Steiner diese „Akasha-Chronik“ als eine der „geistigen“ Wahrnehmung prinzipiell zugängliche „Schrift“. Ebenso wich Steiner auch inhaltlich teils erheblich von der bisherigen theosophischen Lehre ab, ohne dies jedoch hervorzuheben. Trotz Abweichungen und eigenständigen Schwerpunktsetzungen hatte sich Steiner aber alle wesentlichen Theoreme der Theosophie zu eigen gemacht. Eine ausführliche Zusammenfassung seiner esoterischen Lehre gab er 1910 unter dem Titel Die Geheimwissenschaft im Umriss heraus - ein Titel, der sich wieder an Blavatskys Hauptwerk Geheimlehre (Secret Doctrine, 1888) anlehnt.

Steiner unterschied in seiner mystischen Lehre mehrere Erkenntnisstufen. Neben der gewöhnlichen Erkenntnis gebe es demnach die „imaginative“, die „inspirative“ und die „intuitive“ Erkenntnis. Durch strenge Schulung lassen sich dieser Lehre zufolge immer höhere Erkenntnisstufen erreichen, die einen erkenntnismäßigen Zugang zur übersinnlichen Welt ermöglichen. Diese „Geisteswissenschaft“ soll laut Steiner Menschen dazu befähigen, die physische Welt in ihrem Zusammenhang mit der „geistigen“ Welt zu verstehen und aus diesem Verständnis heraus die Welt zu gestalten. Von diesem Standpunkt aus verknüpfte Steiner seine frühen Ansätze zu einer „Philosophie der Denk-Erfahrung“ mit so unterschiedlichen religiösen Vorstellungen wie Karma, Reinkarnation, Okkultismus und gnostischem Rosenkreuzertum.

Über die Jahre kam es zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen der Weltorganisation der Theosophischen Gesellschaft und den deutschen Sektionen und Logen. Steiner war ein wesentlicher Protagonist in dieser Auseinandersetzung. Zu einer ernsten Krise kam es, nachdem einige Vertreter der Theosophischen Gesellschaft, allen voran Charles W. Leadbeater, den noch jungen Jiddu Krishnamurti im Jahre 1911 als kommenden Weltenlehrer „Maitreya“ propagierten und das in manchen Kreisen als eine Reinkarnation Christi aufgefasst wurde. Weil Steiner den zunehmenden Kult um Krishnamurti ablehnte, löste Annie Besant, die Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft, 1913 die von Steiner geleitete deutsche Sektion formell auf. An ihre Stelle trat die schon 1912 gegründete Anthroposophische Gesellschaft, in der Steiner nicht mehr selbst die Leitung innehatte, aber der wichtigste Vortragsredner und Ehrenpräsident war. Der Anthroposophischen Gesellschaft schlossen sich auch theosophische Gruppierungen anderer Länder an.

Der späte Steiner

Nach dem Bruch mit der Theosophie veränderte Steiner auch den terminologischen Rahmen seiner Lehre. Dabei war „Anthroposophie“ jedoch im wesentlichen nur eine andere Bezeichnung für das, was er bis zum Ausschluss aus der Theosophischen Gesellschaft als „Theosophie“ vertreten hatte. Seine Bücher Theosophie (1904) und Geheimwissenschaft im Umriss (1910) blieben insofern auch die Standardwerke der Anthroposophie. In Neuauflagen von Steiners bisherigen Werken wurde die Bezeichnung „Theosophie“ weitgehend durch „Anthroposophie“ oder „Geisteswissenschaft“ ersetzt. Die Wahl dieser Bezeichnungen erläuterte Steiner folgendermaßen:

„Während nun dasjenige, was der Mensch durch seine Sinne und durch den an die Sinnesbeobachtung sich haltenden Verstand über die Welt wissen kann, 'Anthropologie' genannt werden kann, so soll dasjenige, was der 'innere Mensch, der Geistesmensch' wissen kann, 'Anthroposophie' genannt werden. Anthroposophie ist also Wissen des Geistesmenschen; und es erstreckt sich dieses Wissen nicht bloß über den Menschen, sondern es ist ein Wissen von allem, was in der geistigen Welt der Geistesmensch so wahrnehmen kann, wie der Sinnesmensch in der Welt das Sinnliche wahrnimmt. Weil dieser andere Mensch, dieser innere Mensch, der Geistesmensch ist, so kann man dasjenige, was er als Wissen erlangt, auch 'Geisteswissenschaft' nennen. Und der Name 'Geisteswissenschaft' ist noch weniger neu als der Name Anthroposophie.“[37]

Datei:Goetheanum1.jpg
Das erste Goetheanum in Dornach (1914-1922)
Das zweite Goetheanum in Dornach (1928 - heute)

Der späte Steiner wandte sich verstärkt Kunst und Architektur zu. In den Jahren 1910 bis 1913 wurden in München seine vier „Mysteriendramen“ uraufgeführt. Von 1913 bis 1922 entstand unter seiner künstlerischen Leitung in Dornach bei Basel das Goetheanum als Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft und Sitz der geplanten Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Nachdem der Holzbau in der Silvesternacht 1922/23 abgebrannt war (die zeitgenössische Presse vermutete Brandstiftung seitens militanter Steiner-Gegner), entwarf Steiner ein zweites, größeres Goetheanum aus Beton, das 1928, also erst nach seinem Tod, fertiggestellt wurde. Der expressive Baustil des aus Stahlbeton gefertigten neuen Goetheanums im Gegensatz zu seinem impressionistisch geprägten Vorgänger zeigt, dass Steiners Architekturstil binnen weniger Jahre einen radikalen Wandel erfuhr. Dieser Stil sollte unter dem Stichwort Organische Architektur eine enorme Wirkung auf die moderne Architektur entfalten (z.B. auf Le Corbusier, Henry van de Velde, Frank Lloyd Wright, Erich Mendelsohn und Hans Scharoun).

Steiner, der bereits vor und während des Ersten Weltkriegs gelegentlich im Austausch mit führenden Politikern gestanden hatte (u.a. mit dem Generalstabschef Helmuth von Moltke, dessen revisionistisches Pamphlet "Die 'Schuld' am Kriege" 1919 von Steiners "Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus" herausgegeben wurde[38]), versuchte auch nach dessen Ende politisch zu wirken. So publizierte er 1919 einen „Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt“, den u.a. Hermann Bahr, Hermann Hesse und Bruno Walter unterzeichnet hatten.

Die Zeit in der Anthroposophischen Gesellschaft erwies sich für Steiner als ausgesprochen produktiv. Er trat in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit eigenen Ideen hervor und wirkte in einer enormen thematischen Breite als Impulsgeber und Erneuerer: So betätigte er sich u. a. als Reformpädagoge (Waldorf-Pädagogik), Sozialreformer („Soziale Dreigliederung“) und Künstler (Architektur, Bildhauerei, Bewegungskunst). Er begründete mit der Ärztin Ita Wegman die Anthroposophische Medizin und lieferte die Weltanschauungsbasis für eine Religionsgemeinschaft (Die Christengemeinschaft). Zu den letzten Impulsen vor seinem Tod gehört die Anregung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Viele von Steiners Ideen sind bis heute wirkungsmächtig. So erleben etwa Waldorfschulen und -kindergärten, biologisch-dynamischer Landbau (Demeter) und Anthroposophische Medizin (Weleda) stetig wachsenden Zuspruch.

Rudolf Steiner und seine zweite Frau Marie von Sievers (Heirat 1914, dann Marie Steiner-von Sievers, keine Kinder) wohnten von 1903 bis 1923 in Berlin-Schöneberg, Motzstraße 30, wo eine Gedenktafel an sie erinnert. Allerdings war Steiner als Vortragsredner und als Vorsitzender der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft viel auf Reisen. Nach dem Ende des Krieges 1918 hielt er sich nur noch selten in Berlin auf.

Am 30. März 1925 starb Steiner nach mehrmonatiger schwerer Krankheit in Dornach. Über die Todesursache und über die Art der vorangegangenen Erkrankung gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Anthroposophie ausgegrenzt und bekämpft, weil sie mit ihrem individualistischen Ansatz im Widerspruch zur kollektivistischen Ideologie der Nazionalsozialisten stand. Auch brachte man sie mit "jüdischem Denken" und mit Freimaurerei in Verbindung. Bereits am 15. November 1933 hatte der nationalsozialistische Wirtschaftsminister in Thüringen ein Verbot der Verbreitung biologisch-dynamischer Produkte erlassen. Am 1. November 1935 wurde dann die gesamte Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland durch Dekret Reinhard Heydrichs verboten. Adolf Hitler hatte bereits in einem Aufsatz von 1921 (Staatsmänner oder Nationalverbrecher) die „Dreigliederung des sozialen Organismus“ als „jüdische Methode zur Zerstörung der normalen Geistesverfassung der Völker“ bezeichnet.[39] Dennoch gab es auch unter Anthroposophen Anhänger des Nationalsozialismus und unter Nazis Sympathisanten anthroposophischer Ideen. Die bekanntesten Fürsprecher waren wohl der Nazipädagoge Alfred Baeumler und der Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess.[40] Auch der an Okkultismus interessierte Heinrich Himmler soll Steiner rezipiert haben, vor allem in Form einer von Steiner finanzierten und eingeleiteten verschwörungstheoretischen Schrift, in der den Juden die Schuld am Ersten Weltkrieg angelastet wurde.[41] Anknüpfungspunkte gab es etwa in den Ideen der Ariosophie, die sowohl von Anthroposophen als auch von Nationalsozialisten aufgegriffen worden waren.[42]

Das Problem der Zäsur in Steiners Werk

Steiner selbst wollte das theosophisch und anthroposophisch geprägte Spätwerk als konsequente Weiterentwicklung seiner frühen philosophischen Ansätze verstanden wissen. Alle Widersprüche bezeichnete er an verschiedenen Stellen als "scheinbar" oder "vordergründig". In seinen unter dem Titel "Mein Lebensgang" veröffentlicht autobiographischen Notizen, die allerdings nicht immer zuverlässig sind[43], zeichnete Steiner das Bild einer folgerichtigen geistigen Entwicklung. Dennoch liegt eine tiefe geistige Zäsur vor, die sich unter anderem in seiner veränderten Haltung gegenüber dem Christentum zeigt. Ein Zeitgenosse sprach rückblickend von einer "halsbrecherischen Kurve seines Geisteslebens".[44] Der Biograph Gerhard Wehr spricht von "Krise und Wandlung" im Leben Steiners[45]. Steiner habe um die Jahrhundertwende eine "innere Wendung" vollzogen, "deren Interpretation dem Biographen manche Schwierigkeiten bereite"[46].

Ankündigung von vier Vorträgen über Anthroposophie, Zürich 1917

Der frühe Steiner war als Individualist und Freidenker hervorgetreten, der sich auf Skandaldenker wie Stirner, Nietzsche und Haeckel berief.[47] Sein Freidenkertum gipfelte in einer Verächtlichmachung von Religion und Glauben. Dem Christentum maß er geradezu pathologische Züge bei.[48] Der Glaube an Gott und Christus erschien Steiner als Zeichen krankhafter Schwäche, der er ein "gesundes menschliches Denken" gegenüberstellte: "Krank ist an der Scholastik die Vermischung dieser Empfindung mit den Vorstellungen, die in die mittelalterliche Entwicklung des Christentums eingezogen sind. Diese Entwicklung findet den Quell alles Geistigen, also auch der Begriffe und Ideen in dem unerkennbaren, weil außerweltlichen Gott. Es hat den Glauben an etwas nötig, das nicht von dieser Welt ist. Ein gesundes menschliches Denken hält sich aber an diese Welt. Es kümmert sich um keine andere."[49] An anderer Stelle hatte er geschrieben, der Mensch der Zukunft werde "nicht mehr glauben, daß Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, ihn von sündiger Schmach zu befreien, er wird aber einsehen, daß unzählige Himmel da sind, um ihn zuletzt hervorzubringen und sein Dasein genießen zu lassen".[50] Solche Sätze erscheinen wie ein Nachhall von Nietzsches Kritik des christlichen Glaubens, wie er sie in Der Antichrist - Fluch auf das Christenthum niedergeschrieben hatte. Dort hiess es etwa: "Das Christentum war bisher das größte Unglück der Menschheit" oder: "Das Christentum hat die Partei alles Schwachen, Niedrigen, Mißratenen genommen, es hat ein Ideal aus dem Widerspruch gegen die Erhaltungs-Instinkte des starken Lebens gemacht." Dieser kaltblütige Angriff Nietzsches auf das Fundament christlicher Glaubensinhalte hatte den jungen Steiner tief beeindruckt. Einer Briefpartnerin schrieb er: "Ist Ihnen Nietzsches Antichrist vor Augen gekommen? Eines der bedeutsamsten Bücher, die seit Jahrhunderten geschrieben worden sind? Ich habe meine eigenen Empfindungen in jedem Satze wiedergefunden. Ich kann vorläufig kein Wort für den Grad der Befriedigung finden, die dieses Werk in mir hervorgerufen hat [...]".[51] In dem "Magazin für Litteratur" veröffentlichte Steiner noch 1898 den bekenntnishaften Satz: "Wir wollen Kämpfer sein für unser Evangelium, auf daß im kommenden Jahrhundert ein neues Geschlecht entstehe, das zu leben weiß, befriedigt, heiter und stolz, ohne Christentum, ohne Ausblick auf das Jenseits."[52] Nur zwei Jahre später trat ein gewandelter Steiner vor Theosophen auf und sprach über die "mystische Tatsache des Christentums".

Die tiefe geistige Zäsur in seinem Leben, die um die Jahrhundertwende stattgefunden hatte, brachte Steiner rückblickend besonders mit Stirner und Mackay in Verbindung: „Das Schicksal hatte nun mein Erlebnis mit J. H. Mackay und mit Stirner so gewendet, daß ich auch da untertauchen mußte in eine Gedankenwelt, die mir zur geistigen Prüfung wurde. Mein ethischer Individualismus war als reines Innen-Erlebnis des Menschen empfunden. Mir lag ganz fern, als ich ihn ausbildete, ihn zur Grundlage einer politischen Anschauung zu machen. Damals nun, um 1898 herum, sollte meine Seele mit dem rein ethischen Individualismus in eine Art Abgrund gerissen werden.[53] Der Steiner-Biograph Vögele kommentiert: "Über diese Prüfung verrät er (=Steiner) nur, dass sein bisher vertretener 'ethischer Individualismus' in Gefahr geriet, zur Grundlage einer politischen Theorie im Sinne von Mackays individuellem Anarchismus zu werden."[54]

Steiners geistige Wende war radikal. Hatte er Stirner anfangs als „den freiesten Denker“ bezeichnet, „den die neuzeitliche Menschheit hervorgebracht hat“, war er nun für ihn „ein furchtbar deutlich sprechendes Symbolum der untergehenden [bürgerlichen] Weltanschauung“.[55] Auch Nietzsches "Antichrist" war für ihn später der Inbegriff des Satanischen. Seine Kapitel hätten einen "oftmals so teuflischen Inhalt": "Ahriman hat sie geschrieben, seine Herrschaft über das ausübend, was in Buchstaben auf Erden durch die Druckkunst seiner Herrschaft unterworfen werden kann."[56] Ahriman ist für Steiner jener Geist der Finsternis, der der Menschenseele den Zugang zur seelisch-geistigen Welt versperren möchte, um ihr Bewusstsein mit materialistischen Versuchungen an die physische Leiblichkeit zu ketten.

Rudolf Steiner um 1905

Der Biograph Gerhard Wehr kommentiert: "Es gibt mancherlei Hinweise auf ein Wandlungsgeschehen, das Steiner in den ersten Berliner Jahren zu bestehen hatte. Er selbst hat diesen als eine 'intensivste geistige Prüfung' empfundenen Lebensabschnitt mit einer 'Höllenfahrt' verglichen, der er nicht ausweichen durfte. Und so sehr Steiner großen Wert auf die Feststellung einer inneren Kontinuität legte, diese tiefgreifende Wandlung hat er nie geleugnet."[57] In dieser Zeit hatte Steiner, der frühere Kritiker von Offenbarungsreligionen, nach eigenen Angaben eine Art christliches Erweckungserlebnis, das er mit dem "geistigen Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha in innerster, ernstester Erkenntnis-Feier" umschrieb.[58] In seinen Erinnerungen schrieb Steiner: "Ich fand das Christentum, das ich suchen musste, nirgends in den Bekenntnissen vorhanden. Ich musste mich, nachdem die Prüfungszeit mich harten Seelenkämpfen ausgesetzt hatte, selber in das Christentum versenken, und zwar in der Welt, in der das Geistige darüber spricht."[59] Wehr urteilt, an diese Aussage anknüpfend: "So untraditionell, um nicht zu sagen, individualistisch diese Kennzeichnung des Steinerschen Wegs zu Christus auf den ersten Blick erscheinen mag, das Motiv als solches ist im Grunde doch urchristlicher Herkunft. Es verweist auf den Apostel Paulus, der eigenem Zeugnis zufolge sein Christsein nicht der apostolischen Überlieferung verdankt, sondern einer unmittelbaren Christus-Offenbarung. Und nimmt man andere Zeugnisse Steiners hinzu, zum Beispiel auch seine Deutung eigener philosophischer Arbeiten, dann liegt es nahe, bei ihm von einem neuzeitlichen Damaskus-Erlebnis[60] zu sprechen."[61]

Von Zeitgenossen wurde die Wandlung, auf Steiners persönliche Lebensumstände anspielend, zumeist unter Verweis auf rein weltliche Motive gedeutet. Das zeigt eine ganze Serie von Nachrufen, in denen - in ähnlichem Tenor - auf die materielle Verbesserung von Steiners Lage nach seiner Hinwendung zur Theosophie hingewiesen wurde. So schreibt John Schikowski in seinem Nachruf im "Vorwärts": "Steiners Wandlung erfolgte um die Wende des Jahrhunderts. Mit dem Studium des Parazelsus und der Schriften der 'Christlichen Wissenschaft' begann sie. Der frühere Haeckelianer wurde eine Art Gesundbeter und als solcher fand der Anarchist Eingang in höchste und allerhöchste Kreise."[62] Auch andere Kommentatoren verwiesen auf Steiners Aufstieg in eine neue Geltung, mit der die Hinwendung zur Theosophie einhergegangen war. Der Musik-Kritiker Richard Specht, in dessen Elternhaus Steiner als Hauslehrer gewirkt hatte, schrieb in dem Neuen Wiener Journal: "Eine Zeit der Not begann: Das 'Magazin für Litteratur', das er - nicht lange - mit Otto Erich Hartleben herausgab, konnte nicht einträglich gestaltet werden und er hat allzu lang arg gehungert. Ich bin heute noch davon überzeugt, dass diese Hungerzeit, verbunden mit seiner ohnehin eigenwilligen Art, zu Halluzinationen geführt hat, die ihm als 'geistige Erfahrungen' galten und die ihn zur Theosophie gebracht haben. [...] Als Steiner wieder nach Wien kam, waren wir freudig erstaunt: er fuhr im Auto in kostbarem Pelz vor [...] und war sorgenlos: die theosophische, später die anthroposophische Gesellschaft hatte ihn zu gewinnen gewusst und hatten wohl daran getan - in kürzester Zeit war er der Meister und Kopf der Bewegung geworden und seine Anhänger zählten und zählen in die Hunderttausende."[63] Der Schriftsteller Max Osborn schrieb in seinem Nachruf in der Vossischen Zeitung: "Der Anthroposophenmeister, der uns soeben verlassen hat, war nicht immer ein schwärmerischer Mystiker, der mit Behagen die Verehrung einer gläubigen Gemeinde entgegennahm. Als ich ihn in den neunziger Jahren in Weimar kennen lernte [...], war er uns Jüngeren besonders teuer durch die schöne Respektlosigkeit, mit der er sich über alles äußerte, was an der Ilm heilig war [...]. Als ich ihm nach längerer Zeit wieder auf der Straße begegnete, in schwarzem Paletot, mit schwarzem Schlapphut, in schwarzem Anzug, mit schwarzen Handschuhen [...] sah er aus wie ein verzückter Dorfschullehrer. Ich wunderte mich nicht, als ich hörte, dass er adligen Damen in Vortragskursen von übersinnlichen Dingen erzähle. Das war der Beginn seines Aufstiegs in die neue Geltung."[64]

Rudolf Steiner im Urteil der Zeitgenossen

Steiners Bekanntheit stieg seit seiner Hinwendung zur Theosophie kontinuierlich. Bei seinen Vorträgen füllte er zuletzt ganze Konzertsäle. Seine Vortragsreisen wurden zum Teil von einer Berliner Konzertagentur organisiert (z.B. die sog. "Wolf-Sachs"-Tourneen in den Jahren 1921 und 1922, auf dem Höhepunkt von Steiners Popularität)[65]. Die Besucherströme zu den Vortragssälen mussten teils polizeilich geregelt werden. Die Neue Freie Presse berichtete von "minutemlangen Beifallsklatschen und Trampeln" in restlos ausverkauften Sälen. Auf diese Weise übe Steiner eine "Massensuggestion" aus.[66] Der Vortragsredner Steiner traf auf vorbehaltlose Begeisterung und entschiedene, teilweise sogar militante Ablehnung. Die professionellen Beobachter traten Steiner überwiegend reserviert, meist distanziert, ironisch bis spöttisch oder gar hämisch gegenüber. Oft erschien Steiner in zeitgenössischen Zeitungsberichten als eine Art Scharlatan oder Blender.

So schrieb etwa die Prager Zeitschrift "Bohemia" 1912 über einen Vortrag Steiners: "Er (=Steiner) spricht anderthalb Stunden, mit zugedrückten Augen, mit dem masslosen Stimmaufwand und den falschen Tönen eines schlechten Schauspielers, religionsstifterisch, ekstatisch. Er beginnt bei dem grossen Gemeinplatz aller Metaphysik, bei der Frage nach den inneren Wesen der Dinge. Es gibt eine Popularisierung psychomechanischer Erörterungen über den geistig-seelischen Produktionsprozess, über Schlafen, Wachen und Traum, über die Zerstörung des Organismus durch das Bewusstsein, über seine Wiederherstellung im Schlaf. Dies alles, ohne sich von der Methodik der wissenschaftlichen Philosophie zu entfernen, der er angehört hat, bevor er die Hysterie der armen Blavatsky zum Import nach Deutschland übernahm und aus Gnosis, Buddhismus und Resten exakten Denkens sein Surrogat für erlebte Mystik zusammenflickte. Dann, als er seine Hörer genug überredet glaubt, der Saltomortale, mitten hinein in die prophetische Offenbarung. Und ein Schwall von Worten: 'Hellsehen durch strenge, schulmäßige Methode', 'geistig seelischer Kern ausserhalb des Leibes', 'Wahrheiten heruntergebracht aus höheren Welten' schläfert die an kritischem Vermögen schwachen Intellekte ein, bis der kataleptische Zustand der Widerstandslosigkeit erreicht ist."[67]

Aufruf zur Volksversammlung mit Vortrag von Rudolf Steiner aus dem Jahre 1919

Die Züricher Post schrieb im Jahre 1919: "Rudolf Steiner, der Allwissende von Dornach, wo in himmelstrebendem Tempelbau geheimnisvolle Mysterien zelebriert werden, weilte in der vorigen Woche als Sterblicher, also gewissermaßen in cognito, in Zürich und unterhielt erwachsene Kinder und solche, die es werden wollen, über die 'soziale Frage'. Der Saal des Hirschgrabenschulhauses, wo solches geschah, passte mit seiner phantastischen Pseudogotik, seinen bunten Drachen, Krokodilen und anderen Ungeheuern, die sich als Ornamente an der Decke, an den Wänden und in den Ecken herumtummeln, ganz ausgezeichnet zum Stile dieser Geistesakrobatik auf dem hohen Seile einer intuitiven Metaphysik. Schon lange vor Beginn der Vorstellung strömten Gläubige und Ungläubige in Scharen herbei. Am Eingang lagen die Offenbarungen Steiners, die Schriften der neuen Heilslehre, aus; wenn man in ihnen blättert, stößt man immer wieder auf preziös-populäre Äußerungen, in denen sich eine traktätchenhafte Mystik mit wissenschaftlichen Allüren vereint. [...] Und dann kam der Meister selber: mittelgroß, schmal, blass, mit welkem Mund, buckliger Stirn und flammenden Augen. Er beginnt langsam, ruhig, fast trocken; seine Bewegungen sind noch sparsam und beherrscht. Aber bald schwillt seine Stimme an, klingt immer singender, lauter, donnert dumpf, grollt, wird süß, beschwörend, beteuernd, fleht, droht, verheißt, segnet, - kurz: kein primo amoroso kann es besser machen. Und die Gedanken, die da mit solch einem Aufwand an Überzeugungskraft gepredigt werden? Der Meister begnügt sich mit Allgemeinheiten. [...] Aber es kommt ja auch gar nicht auf die Gedanken an, sondern auf den Ausdruck der Stimme des Meisters und auf seine Gebärden, sein Händefalten, sein in-den-Himmel-greifen, sein Kopf-Zurückwerfen, seine flammenden Augen. Je dünner und allgemeiner die Gedanken werden, desto ausdrucksvoller wird der Vortrag, desto andächtiger die Zuhörerschaft: sie ahnt - und sie soll es auch ahnen, sie soll hinter all dem scheinbar so nüchternen Wortkram mystische Tiefen fühlen, erneuernde Kräfte, reinigende Mächte; sie soll glauben, dass die soziale Frage im Geiste des Meisters schon gelöst sei und dass es nur auf den guten Willen der bösen Welt ankäme, um das Wirklichkeit werden zu lassen, was der Meister geoffenbart. 'Sursum bumbum'."[68]

Die Frauenrechtlerin Rosa Mayreder, früher eine enge Freundin Steiners, die vor allem dessen Philosophie der Freiheit bewunderte, berichtet in ihren Tagebüchern ebenfalls, wenn auch kritisch, von der großen Wirkung, die dessen anthroposophische Vorträge auf das Publikum ausübten: "Anthroposophenkongress. Stanzi ladet mich zu einem der Vorträge Dr. Steiners ein. Die Tatsache seiner Wirkung ist mir einfach unerklärlich. Er erscheint in pastoraler Kleidung, schwarz, hochgeschlossen; der dichtgefüllte Saal empfängt ihn mit frenetischem Applaus. Er redet mit klangvoller Stimme, eintönig pathetisch salbungsvoll nach Art der Kanzelreden. Was er sagt, lässt sich in drei Kategorien fassen: geistreiche Aphorismen aus vielseitigem Wissen, leeres Gerede in vorrätigen Phrasen und unverständliche Andeutungen übersinnlicher Fähigkeiten aus einem Gebiete, in dem die Kontrolle des wissenschaftlichen Denkens, auf das er sich beruft, völlig versagt."[69]

Einen besonders hämischen Kommentar über einen Vortrag Steiners veröffentlichte die Weltbühne am 3. Juli 1924. Er stammte aus der Feder keines Geringeren als Kurt Tucholsky: "Rudolf Steiner, der Jesus Christus des kleinen Mannes, ist in Paris gewesen und hat einen Vortrag gehalten. [...] Ich habe so etwas von einem unüberzeugten Menschen überhaupt noch nicht gesehen. Die ganze Dauer des Vortrages hindurch ging mir das nicht aus dem Kopf: Aber der glaubt sich ja kein Wort von dem, was er da spricht! (Und da tut er auch recht daran.) [...] Sein Gerede wimmelte von Fehlern. [...] Wenns mulmig wurde, rettete sich Steiner in diese unendlichen Kopula, über die schon Schopenhauer so wettern konnte: das Fühlen, das Denken, das Wollen - das 'Seelisch-Geistige', das Sein. Je größer der Begriff, desto kleiner bekanntlich sein Inhalt - und er hantierte mit Riesenbegriffen. Man sagt, Herr Steiner sei Autodidakt. Als man dem sehr witzigen Professor Bonhoeffer in Berlin das einmal von einem Kollegen berichtete, sagte er: 'Dann hat er einen sehr schlechten Lehrer gehabt -!' Und der Dreigegliederte redete und redete. Und [der bekannte Journalist Jules] Sauerwein übersetzte und übersetzte. Aber es half ihnen nichts. Dieses wolkige Zeug ist nun gar nichts für die raisonablen Franzosen. [...] Die Zuhörer schliefen reihenweise ein; dass sie nicht an Langeweile zugrunde gingen, lag wohl an den wohltätigen Folgen weißer Magie. Immer wenn übersetzt wurde, dachte ich über diesen Menschen nach. Was für eine Zeit -! Ein Kerl etwa wie ein armer Schauspieler [...], Alles aus zweiter Hand, ärmlich, schlecht stilisiert ... Und das hat Anhänger -! [...] Der Redner eilte zum Schluss und schwoll mächtig an. Wenns auf der Operettenbühne laut wird, weiß man: Das Finale naht. Auch hier nahte es mit gar mächtigem Getön und einer falsch psalmodierenden Predigerstimme, die keinen Komödianten lehren konnte. Man war versucht zu rufen: Danke - ich kaufe nichts. Der Redner hatte geendet. Mäßiger Beifall pritschelte. [...] Und nur eines kann ich nicht verstehen, wenn ich die Figur dieses Menschen betrachte, der mit Hartleben herumgesoffen hat, und von dem man sagt, er habe in diesen fröhlichen Kneipnächten die Figur des 'Serenissimus' erfunden-: Christian Morgenstern liebte ihn. [...] War das Weltfremdheit? Ist dennoch wirklich etwas hinter dem Gerede dieses unüberzeugten, unsereinen nicht überzeugenden, geschwollenen Predigers? Spricht das gegen Morgenstern? Für Steiner? Ich weiss es nicht."[70]

Einladung zu einem Sondervortrag Rudolf Steiners aufgrund der großen Nachfrage, Stuttgart 1919

Viele Kommentatoren erklärten sich Steiners Wirkung auf sein Publikum mit dessen rhetorischem Talent. Dies wurde fast unisono berichtet. So schrieb etwa der russische Dichter Andrei Bely, selbst ein Anhänger der Anthroposophie: "Steiner spricht zornig, trocken, im Bass, manchmal fängt er an zu schreien, manchmal samtig zu singen, doch spricht er so, dass sich jedes Wort wie ein unauslöschliches Zeichen in deiner Seele eingräbt. Alle, die ich je gehört habe, sind Säuglinge im Vergleich zu Steiner, was die rein äußerliche Fähigkeit, wirkungsvoll zu sprechen, betrifft; manchmal führt er die Handflächen heftig gegen die Zuhörer, und die Geste der Handflächen ist ein beinahe zynischer Schlag ins Gesicht. Auf seinem Gesicht zerreißt das Gesicht; von dort blickt ein anderes, um seinerseits zu zerreißen und ein drittes Gesicht freizusetzen. Im Verlauf des Vortrags passierten vor mir zehn Steiner, einer aus dem anderen hervorgehend, keiner dem anderen gleichend, aber von etwas einheitlichem durchdrungen: im Verlauf des Vortrags war er ein Spanier, Brand, katholischer Kardinal, Schullehrer, nordischer Recke. Die Kraft und Gewalt seines Blicks waren so, wie ich sie ebenfalls noch nie bei jemandem gesehen habe."[71] Der norwegische Sozialökonom und Historiker Wilhelm Keilhau urteilte: "Ich denke, wer sich eine unmittelbare Meinung über die Ursachen des Einflusses bilden will, den Rudolf Steiner ausübte, muss mit ihm in persönlichem Kontakt gewesen sein. Er wirkte nämlich am stärksten in seinen Vorträgen und Gesprächen, und sowohl am Rednerpult als auch im rein persönlichen Umgang konnte von ihm eine geistige Energie ausstrahlen, die einen ergriff und fesselte. Doch dies war nicht immer der Fall. Wenn er indisponiert und müde war, machte er keinen besonderen Eindruck. Er verfiel dann in Binsenweisheiten und Wiederholungen. Er verstand es auch nicht immer, seine Zuhörer einzuschätzen. Wenn er fühlte, dass er sie nicht sogleich in den Griff bekam, wurde er in seiner Ausdrucksform offenkundig nervös und gezwungen. Ich habe Vorträge von ihm gehört, die ihr Ziel gänzlich verfehlten, weil er keinen Zugang fand zu der Stimmung und Denkweise der Zuhörer und selber darunter litt. Anders, wenn er in Hochform war. Da war er ein großer Redner. Ich bezweifle, dass es in diesem Jahrhundert einen größeren gibt. Ich kenne keinen Redner, der es in Atemtechnik und Stimmführung mit ihm aufnehmen könnte."[72]

Zwar fiel das zeitgenössische Urteil vielfach negativ und hämisch aus, wer sich aber für das zeitgenössische Kulturleben interessierte, kam an Steiner nicht vorbei. Das zeigen zahlreiche Urteile bedeutender Zeitgenossen, die Steiner zwar als rätselhaft oder halbseiden apostrophierten, aber auch seine Wirkung zur Kenntnis nahmen. Selbst von Albert Einstein wird berichtet, dass er Vorträge Steiners besuchte, deren Inhalte er jedoch rundheraus ablehnte: "Der Mann (=Steiner) hat offenbar keine Ahnung von der Existenz einer nichteuklidischen Geometrie" soll Einstein gesagt haben sowie: "Bedenken Sie doch diesen Unsinn: Übersinnliche Erfahrung. Wenn schon nicht Augen und Ohren, aber irgendeinen Sinn muss ich doch gebrauchen, um irgend etwas zu erfahren".[73]

Auch der Schriftsteller Stefan Zweig rang um eine Einschätzung Steiners: "Ich maße mir kein Urteil über die Anthroposophie an, denn mir ist bis heute nicht deutlich klar, was sie will und bedeutet; ich glaube sogar, dass im Wesentlichen ihre verführende Wirkung nicht an eine Idee, sondern an Rudolf Steiners faszinierende Person gebunden war. [...] An seinem phantastischen und zugleich profunden Wissen erkannte ich, dass die wahre Universalität, derer wir uns mit gymnasiastischer Überhebung schon bemächtigt zu haben meinten, nicht durch flüchtiges Lesen und Diskutieren, sondern nur in jahrelanger brennenden Bemühung erarbeitet werden kann."[74]

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Franz Kafka suchte Rudolf Steiner persönlich auf, blieb aber ironisch-distanziert

Franz Kafka konnte sich ebenso kein abschließendes Bild von Steiner machen: "Ich bin mir über ihn (=Steiner) nicht im Klaren. Er ist ein ungemein wortgewandter Mann. Diese Eigenschaft gehört aber auch zu dem Rüstzeug der Bauernfänger. Damit will ich nicht sagen, dass Steiner ein Bauernfänger sei. Doch möglich wäre auch das. Betrüger versuchen immer, auf billige Art schwierige Probleme zu lösen. Das Problem, mit dem Steiner sich beschäftigt, ist dann das schwierigste, das es überhaupt gibt. Es ist der dunkle Riss zwischen Bewusstheit und Sein, die Spannung zwischen dem begrenzten Wassertropfen und dem unendlichen Meer. (...) Steiner ist mir zu fern. Ich kann ihm nicht näherkommen. Ich bin zu sehr in mich selbst eingesponnen."[75] Trotz dieser Skepsis besuchte Kafka einen Vortragszyklus Steiners. Danach erwog er, sich der Theosophie zuzuwenden, und suchte Steiner sogar einmal persönlich auf, um ihn um Lebenshilfe zu bitten. Das Gespräch hatte Kafkas Erwartungen allerdings nicht erfüllt und so wandte er sich ab.[76]

Kafkas Biograph Max Brod versuchte sich Steiners Wirkung wie folgt zu erklären: "Unsere ganze Erkenntnistheorie steht eben vor einem ungelösten Rätsel, und man kann einem, der Dinge sieht, die wir nicht sehen, nichts als statistische Wahrscheinlichkeitsgründe gegen seine Behauptung, keine Widerlegung vorhalten. [...] Auf dieser Lücke irdischer Philosophie ist das System neuer Theosophie wie es Dr. Rudolf Steiner in seinen zahlreichen Büchern bietet, nachdenklich und reizvoll aufgebaut. Seine Sprache ist bei weitem klarer und ruhiger als die der Blawatzky, etwas weitschweifig, aber logisch gegliedert, im Grunde unwiderleglich. Wie fein betont er, dass der 'Geheimschüler' vor allem nüchtern sein soll, dass Phantasterei mit dieser 'höheren Welt' nichts zu tun hat. Sehr einnehmend lehnt er auch jeden Fanatismus ab, betont den Wert der Einwände: kurz, er arbeitet in der Manier der Wissenschaft, nicht des Glaubens, er verschanzt sich nach allen Seiten, er fordert vor allem von dem Trainierenden Geduld und Hingabe."[77]

Verschiedene Dichter bemühten sich um einen Zugang oder jedenfalls um eine Einschätzung von Steiner oder wurden von Dritten um eine solche ersucht. So besuchte etwa Hugo Ball einen Vortrag Steiners, um seine Wirkung zu ergründen. Er schrieb in einem Brief: "Vorgestern sprach Rudolf Steiner in den 'Vier Jahreszeiten' über das Wesen der Anthroposophie, unter unglaublichem Andrang. Aber es war eine Enttäuschung. Ich glaubte an eine gewisse persönliche Magie und horchte sehr angestrengt seiner Seele nach. Seine sprachliche Energie ist aber gar nicht 'leibfrei' (um seinen eigenen Terminus zu gebrauchen). Es blieb mir rätselhaft, worin seine Erfolge bestehen mögen."[78] Hermann Hesse fühlte sich gemüßigt, die Verwendung anthroposophischer Quellen für seine Werke zurückzuweisen, da diese verschiedentlich bei ihm vermutet worden waren: "Anthroposophische, Steinersche Quellen habe ich nie benützt, sie sind für mich ungenießbar, die Welt und Literatur ist reich an echten, sauberen, guten und authentischen Quellen, es bedarf für den, der Mut und Geduld hat, selber zu suchen, der 'okkulten' und dabei meist elend getrübten Quellen nicht. Ich kenne sehr liebe Leute, die Steinerverehrer sind, aber für mich hat dieser krampfhafte Magier und überanstrengte Willensmensch nie einen Moment etwa vom Begnadeten gehabt, im Gegenteil."[79]

Bei aller Ablehnung, die Steiner erfuhr, hatte er auch unter bedeutenden Zeitgenossen Sympathisanten und Bewunderer. Albert Schweitzer etwa berichtete von einem besonderen Gefühl geistiger Zusammengehörigkeit, das ihn seit einer ersten persönlichen Begegnung mit Steiner verband: "Einer von uns beiden, ich weiß nicht mehr, welcher, kam darauf, vom geistigen Niedergang der Kultur als dem fundamentalen, unbeachteten Problem unserer Zeit zu sprechen. Da erfuhren wir, dass wir beide mit ihm beschäftigt waren. Keiner hatte es von dem anderen erwartet. Eine lebhafte Aussprache kam alsbald in Gang. Einer von dem anderen erfuhren wir, dass wir uns als Lebensaufgabe dasselbe vornahmen, sich um das Aufkommen der wahren, vom Humanitätsideal belebten und beherrschten Kultur zu bemühen, und die Menschen dazu anzuhalten, wahrhaft denkende Menschen zu werden. In diesem Bewusstsein der Zusammengehörigkeit verabschiedeten wir uns. (...) das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit blieb. Ein jeder verfolgte das Wirken des andern. Rudolf Steiners hohen Gedankenflug der Geisteswissenschaft mitzumachen, war mir nicht verliehen. Ich weiß aber, dass er in diesem so manchen Menschen mit emporriss und neue Menschen aus ihnen machte. In seiner Jüngerschaft sind hervorragende Leistungen auf so manchem Gebiete vollbracht worden."[80]

Der Dichter Christian Morgenstern – ein zeitgenössischer Bewunderer Rudolf Steiners

Christian Morgenstern wurde ein begeisterter Anhänger Steiners, als er 1909 einige seiner Vorträge hörte.[81] Er widmete ihm seinen letzten, posthum erschienen Gedichtsband „Wir fanden einen Pfad“ (1914) und erwog sogar, Steiner für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Es liegt ein Briefentwurf dieses Inhalts von ihm vor, der allerdings nie abgeschickt wurde. In dem Entwurf heisst es: "Für den, welcher die [theosophisch-anthroposophische] Bewegung seit Jahren aus eigenster Erfahrung kennt, entspricht Dr. Rudolf Steiner in dreifacher Beziehung den Bedingungen der Nobelpreisstiftung: als Wissenschaftler, als Dichter und als Förderer des Friedens. Denn abgesehen davon, dass sein philosophisches Hauptwerk 'Die Philosophie der Freiheit' als die wesentlichste Hervorbringung der neuen deutschen Philiosophie erkannt werden muss, abgesehen von den zahlreichen Schriften über Goethe [...], abgesehen endlich von seinem neuen, durchgreifend umgearbeiteten Werke 'Die Rätsel der Philosophie' ist Rudolf Steiner als Verfasser der Bücher 'Das Christentum als mystische Tatsache', 'Theosophie', 'Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten', 'Geheimwissenschaft im Umriss' - um nur die umfangreichsten zu nennen - der erste geisteswissenschaftliche Gelehrte und Schriftsteller Europas, ja, man muss weitergehen: der ganzen gegenwärtigen Kultur. [...] Es ist aber nicht die Absicht des Unterzeichneten, an dieser Stelle von Rudolf Steiner als von einem Phänomen der Wissenschaft oder der Dichtung zu sprechen, sondern nur: ihn in seiner dritten Eigenschaft als einen der größten Förderer des Weltfriedens zu kennzeichnen. In der Tat, wenn heute jemand für die brüderliche Annäherung der Menschen wirkt, so ist es dieser Mann, der allein durch seine Persönlichkeit Angehörige der verschiedensten Nationalitäten in edelstem geistigem Streben einigt. [...] Die eigentliche, im höchsten Menschheitssinne schöpferische Tätigkeit Rudolf Steiners jedoch wird erst der Historiker enthüllen, der die Geschichte dieses erhabenen Lebens zu schreiben berufen sein wird. Dann wird mit tiefem Erstaunen wahrgenommen werden, was da in der Stille für den Menschen als solchen überhaupt geschieht und geschehen ist, und welchen unersetzlichen Rückhalt und Stützpunkt ihm die Lebensarbeit dieses Geistes gegeben hat, wahrend das Jahrhundert immer weiter in die furchtbare Wüste des Materialismus hineineilt. [...] Ich weiß wohl, wieviel Geringschätzung, Verkennung dem Werke Rudolf Steiners ringsum begegnet. Aber auch die Friedensidee ist ja anfänglich verhöhnt und verachtet worden [...]."[82]

Selma Lagerlöf urteilte: "Der Mann ist ein ganz merkwürdiges Phänomen, das man versuchen sollte, ernst zu nehmen. Er verkündigt einige Lehren, an die ich lange geglaubt habe, unter anderem, dass es in unserer Zeit nicht angeht, eine Religion voll unbewiesener Wunder anzubieten: sondern die Religion muss eine Wissenschaft sein, die bewiesen werden kann, es gilt nicht mehr zu glauben, sondern zu wissen. Weiter, dass man sich selber durch ein festes, bewusstes, systematisches Denken Kenntnis von der Geisteswelt erwerben kann. Man soll nicht dasitzen wie ein träumender Mystiker, sondern durch Anstrengungen seines ganzen Denkvermögens dahin gelangen, die Welt, die uns sonst verborgen ist, zu sehen. Das ist wahr und richtig, und dazu ist alles bei ihm vertrauenswürdig und klug ohne Charlatanerie. In einigen Jahren wird seine Lehre von den Kanzeln verkündet werden."[83]

Alles in allem gab es wenig Zeitgenossen, die Steiner indifferent gegenüberstanden. Er hatte eine starke und ungemein polarisierende Wirkung. Seine Zuhörerschaft teilte sich zumeist in Anhänger und Gegner. Die vielfältigen Impulse für verschiedenste Lebensbereiche, die Steiner ausübte, wurden daher in der Regel außerhalb des anthroposophischen Kontextes wenig rezipiert.

Kritik

Das Werk Rudolf Steiners wurde schon zu seinen Lebzeiten sehr kontrovers diskutiert. Streitfragen dabei sind vor allem die proklamierte Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie, die von Vertretern des universitären Wissenschaftsbetriebes nicht akzeptiert wird, die gnostischen Ansätze seiner Christologie, die von den Amtskirchen scharf verurteilt werden, sowie die vor allem am Ende des 20. Jahrhunderts diskutierte Rassismusfrage, bei der die Übernahme problematischer theosophischer Konzepte in Steiners Werk, insbesondere die Aussagen Steiners über Wurzelrassen, thematisiert wird.

Die okkulten Wurzeln der Anthroposophie - Gegenstand von Kritik an Steiners Werk

Vor allem die esoterischen und okkulten Aspekte des Steinerschen Werkes sind Gegenstand von Kritik. So wird Steiner etwa als „moderner Esoteriker“ bezeichnet, der versuche, Glaubensfragen mit Wissenschaftlichkeit zu verbinden. Um dies zu erreichen, würden die Kriterien dessen, was als wissenschaftlich angesehen wird, eigenmächtig verschoben. Dies zeige sich etwa, wenn von „Geistes- oder Geheimwissenschaft“ und „hellseherischer Forschung“ die Rede sei. Alles, was mit den Erkenntnissen und Methoden der Wissenschaften nicht zu vereinbaren sei, werde deshalb als „höheres Wissen“ ausgegeben. „Damit werden die von R. Steiner angenommenen 'überweltlichen Welten' zu Glaubensaussagen, wie sie aus manchen (nicht allen) Religionen bekannt sind. Allerdings leugnet er den Glaubenscharakter dieser Aussagen und gibt sie als objektive, dem 'okkulten Sehvermögen', dem 'hellseherischen Bewußtsein', der 'Geistesschau' (Geh S.25) in 'Meditation' und 'Kontemplation' (Geh S. 18) und durch 'Imagination, Inspiration und Intuition' (Geh S. 24) zugängliche Tatsachen aus.“ Steiner unterliege hier einem der erkenntnistheoretischen Grundfehler des modernen Okkultismus, da nicht zwischen Wahrnehmung und Deutung unterschieden werde. Zwar räume Steiner ein, dass seine Ausführungen als „Ergüsse einer wild gewordenen Phantastik oder eines träumerischen Gedankenspiels“ (Geh S. 12) oder als Resultat einer Selbstsuggestion (Geh S. 24) angesehen werden könnten, anstatt dieser Kritik jedoch mit Argumenten zu begegnen, reagiere Steiner mit einer Immunisierungsstrategie, die auf „höheres Wissen“ verweist: „Wer diese Welten (die übersinnlichen) leugnet, der sagt nichts anders, als daß er seine höheren Organe noch nicht entwickelt hat.“ (Theo S. 94) [84]

Im Zusammenhang mit Steiners „Hellsichtigkeit“ wird auch seine Christosophie kritisiert. Steiner behauptet, in der sogenannten „Akasha-Chronik“ ein „Fünftes Evangelium“ gelesen zu haben. Erst mit Hilfe dieser „Geistesforschung“ Steiners sei die Menschheit in der Lage zu begreifen, was das Kommen des Christus für sie bedeute. Erst durch diese Phase der „geistigen Erfassung des Christentums durch anthroposophische Vertiefung“ sei die Voraussetzung für eine neue Zeitepoche gegeben: „Indem wir Anthroposophie auf das Christentum anwenden, folgen wir der welthistorischen Notwendigkeit, die dritte christliche Zeitepoche vorzubereiten.“ Steiner fügt hinzu: „So nimmt sich die anthroposophische Weltanschauung aus wie eine Testamentsvollstreckung des Christentums. Um zum wahren Christentum geführt zu werden, wird der Mensch in Zukunft jene spirituellen Lehren aufnehmen müssen, welche die anthroposophische Weltanschauung zu geben vermag“ (Das Johannes-Evangelium, GA 103, S. 213). Jan Badewien, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden, kommentiert diesen Anspruch Steiners mit den Worten: „Die Christosophie (...) zeigt, wie weit Spekulationen schweifen können, wenn sie sich nicht mehr auf einen verbindlichen und allgemein zugänglichen Grund stützen, sondern auf eine von aussen nicht überprüfbare behauptete 'Quelle in der geistigen Welt'. Mit seiner – aus christlicher Perspektive – zusätzlichen Offenbarung muss sich Steiner auf eine Stufe mit Mormonen, dem Universellen Leben der Gabriele Witteck (sic!) oder dem Orden „Fiat lux“ von Uriella und vielen anderen stellen lassen, die jeweils eigene Bibeln verfasst bzw. Christus-Offenbarungen niedergeschrieben haben.“ [85]

Eine andere Kritik an Steiner bezieht sich auf die Verwendung von rassen- und geschlechtsspezifischen Stereotypen, wie sie zu seiner Zeit nicht unüblich waren. So benutzt Steiner etwa eine Rassensystematik, die sich auf die Hautfarben bezieht und diesen bestimmte Eigenschaften zuschreibt. So wird etwa die „weiße Rasse“ explizit mit dem „Denkleben“, die „schwarze Rasse“ mit dem „Triebleben“ und die „gelbe Rasse“ mit dem „Gefühlsleben“ assoziiert. Weiterhin werden geschlechtsspezifische Muster bedient, etwa wenn Steiner den Außereurpoäern eine „weibliche Passivität“ zuschreibt. So resümiert Jana Husmann-Kastein: „Steiner entwickelt zwar keine geschlossene Rassentheorie für die gegenwärtige Menschheit, aber mehrere rassentheoretische Modelle. Die Differenzierungssystematiken an sich beinhalten Essentialisierungen und Diskriminierungen und verbinden sich mit einem 'kosmologischen Determinismus'. Dabei schreiben sich farb- und geschlechtssymbolischen Codierungen des Abendlandes deutlich ein.“ [86]

Werke

Rudolf Steiners Werk gliedert sich in 36 Bände mit Schriften, etwa 6000 Vorträge sowie die architektonischen und künstlerischen Arbeiten. Ein Großteil der Vorträge ist in Mitschriften von Berufsstenographen und Vortragszuhörern erhalten geblieben. Sie erschienen zunächst im Privatdruck und in Zeitschriften. Später begannen verschiedene Verlage die Vorträge, Schriften im engeren Sinne wie auch die dazu gehörigen Wandtafelbilder zu edieren. Am bedeutendsten ist der Rudolf Steiner Verlag in Dornach, der aus dem bis zu ihrem Tod 1948 von Marie Steiner als Alleinerbin der Autorenrechte geleiteten Nachlassverein hervorging und eine Gesamtausgabe (GA) mit über 300 Bänden vertreibt.

Im Vortragswerk sind verschiedene Sparten zu unterscheiden, die sich an ganz unterschiedliche Hörer wendeten:

  • Die Vorträge für Mitglieder der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft (GA 93-270): Sie waren ursprünglich von Steiner nicht zur Veröffentlichung gedacht. Weil dennoch immer mehr teils fragwürdige Mitschriften kursierten, beauftragte er seine Gattin, diese Vorträge professionell stenographieren zu lassen und mit dem Vermerk zu veröffentlichen, dass diese Texte nur verstehen könne, wer mit den Grundlagen der Anthroposophie vertraut sei.
  • Öffentliche Vorträge (GA 51-84): Hier vertrat Steiner seine Anthroposophie voraussetzungslos. Diese Texte demonstrieren, wie er seine Anthroposophie an das „mitteleuropäische“ Geistesleben anknüpfen wollte.
  • Arbeitervorträge“ (GA 347-354): eigentlich keine Vorträge, sondern eher Plauderstunden mit den Leuten, die das erste Goetheanum bauten. Steiner griff auf, was die „Arbeiter“ ihn fragten, aber nur seine Antworten wurden mitgeschrieben. Das macht diese Texte sehr problematisch, weil kaum zu unterscheiden ist, was wirklich Steiners Meinung war und was er nur als Teil der gestellten Frage referierte.

Die wichtigsten Publikationen:

  • Rudolf Steiner Gesamtausgabe
  • Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, 1883 - 1897 (Internet)
  • Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, mit besonderer Rücksicht auf Schiller, 1886 (Internet)
  • Wahrheit und Wissenschaft. Vorspiel einer „Philosophie der Freiheit“, 1892 (Internet)
  • Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung - Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode, 1894 (Internet)
  • Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit, 1895
  • Goethes Weltanschauung, 1897
  • Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung, 1901
  • Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums , 1902 (Internet; sowie die 24 Vorträge, die diesem Werk zugrunde liegen PDF)
  • Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung, 1904
  • Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten, 1904
  • Aus der Akasha-Chronik, 1904 – 1908
  • Die Stufen der höheren Erkenntnis, 1905 – 1908
  • Die Theosophie des Rosenkreuzers (Vortragszyklus), 1907, ISBN 3-7274-0990-8
  • Die Geheimwissenschaft im Umriss, 1909
  • Vier Mysteriendramen, 1910-1913
  • Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, 1911
  • Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen, 1912
  • Die Schwelle der geistigen Welt, 1913
  • Die Rätsel der Philosophie, 1914
  • Vom Menschenrätsel, 1916
  • Von Seelenrätseln, 1917
  • Goethes Geistesart, 1918
  • Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft, 1919
  • Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus, 1919
  • Mein Lebensgang, 1925 (PDF)
  • Anthroposophische Leitsätze, 1924/1925
  • Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen (mit Ita Wegman), 1925

Literatur

  • Walter Abendroth: Rudolf Steiner und die heutige Welt. 179 S., Fischer Taschenbuch Verlag 1982, ISBN 3596255139
  • Karl Ballmer: Max Stirner und Rudolf Steiner: Vier Aufsätze. 54 S., Edition LGC 1995, ISBN 3930964244
  • Walter Beck: Rudolf Steiner. 396 S., Verlag am Goetheanum 2002, ISBN 3723509649
  • Guido Grandt, Michael Grandt: Rudolf Steiner und die Anthroposophen (1999), ISBN 3932710096
  • David M. Hoffmann: Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv. 294 S., Rudolf Steiner Verlag 1999, ISBN 3727453265
  • Wolfram Groddeck: Eine Wegleitung durch die Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Hinweise für das Studium der Schriften und Vorträge Rudolf Steiners. 78 S., Rudolf Steiner Verlag 1979, ISBN 3727451947
  • Jutta Hecker: Rudolf Steiner in Weimar. 200 S., 1988, ISBN 3723504574
  • Johannes Hemleben: Rudolf Steiner und Ernst Haeckel. 1969, ISBN 3772505139
  • Michael Kirn: Hegels Phänomenologie des Geistes und die Sinneslehre Rudolf Steiners. Urachhaus, ISBN 3-87838-595-1
  • Walter Kugler: Rudolf Steiner und die Anthroposophie. Wege zu einem neuen Menschen. Neuauflage. 241 S., DuMont Reise Verlag 1991, ISBN 3770127846
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 159 S., Rowohlt Verlag 1992, ISBN 3499505002
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Chronik. 653 S., Verlag Freies Geistesleben 1988, ISBN 3772509053 (vergriffen)
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Biographie, 1025 S. (2 Bd.), Verlag Freies Geistesleben 1997, ISBN 3772515517
  • Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925). 248 S., Dr. Michael Imhof 1999, ISBN 3932526376 (vergriffen)
  • Wilhelm Rath: Rudolf Steiner und Thomas von Aquino. 120 S., Perseus Verlag 1991, ISBN 390756409X
  • Günter Röschert: Die Todeskrankheit Rudolf Steiners. Jahrbuch für anthroposophische Kritik 1998, S. 204-208. ISBN 3-929606-08-9
  • Gerhard Wehr: C. G. Jung und Rudolf Steiner. 268 S., Diogenes Verlag Zürich 1990, ISBN 3257218109
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner zur Einführung. 176 S., Junius Verlag Hamburg 1994, ISBN 3885068990
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. 271 S., Diogenes Verlag 1993, ISBN 3257226152
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner als christlicher Esoteriker. 111 S., 1985, ISBN 3591080675
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. Wirklichkeit, Erkenntnis und Kulturimpuls. 429 S., 1985, ISBN 3591081779
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. 96 S., Diederichs Verlag 2005, ISBN 3720525805
  • Colin Wilson: Rudolf Steiner. Verkünder eines neuen Welt- und Menschenbildes. 205 S., Heyne Verlag München 1985, ISBN 3453551354
  • Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner. Augenzeugenberichte, Interviews, Karikaturen, 2005 ISBN 3856361588
Commons: Rudolf Steiner – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Essays
  • Felix Hau, Für eine Wiederentdeckung des frühen Rudolf Steiner - Ein Ketzerbrief, Info3, September 1998
  • Hartmut Zinser, Rudolf Steiners „Geheim- und Geisteswissenschaft“ als moderne Esoterik, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Veranstaltet vom Kulturwissenschaftlichen Seminar, in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“, Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006.
  • Jan Badewien, Faszination Akasha-Chronik - Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen, Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006.
  • Ralf Sonnenberg, Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners, haGalil 07-07-2004
  • Diskussion: „Diskriminierende Äußerungen von Rudolf Steiner und ihr Einfluss auf die Anthroposophie“, aus: TANGRAM Nr. 6, S. 50-56, dem Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR, Bern, abgedruckt bei Infosekta.ch

Quellen

  1. zitiert bei Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner - eine Chronik (1988), S.33
  2. Wolfgang G. Vögele schreibt: „Während die heutige Goethe-Forschung Steiners Herausgebertätigkeit den Rang einer Pioniertat zubilligt, lehnten die meisten Zeitgenossen Steiners Goethe-Interpretationen als "Vergewaltigung" Goethes ab.“ (Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 365). Max Semper etwa schrieb in der Kölnischen Zeitung vom 30.11.1921: "Wenn es nur irgendwie ginge, sollte man die von Herrn Steiner besorgten Bände der Weimarer Goetheausgabe einziehen, einstampfen und neu herausgeben, denn sie taugen nichts; sie sind nichtswürdig gearbeitet." Steiner selbst räumte rückblickend ein, „dass, was ich bei Bearbeitung der Weimarischen Ausgabe in manchem Einzelnen gemacht habe, als Fehler von "Fachleuten" bezeichnet werden kann“ (Mein Lebensgang, 1925, S. 314).
  3. Vgl. hierzu den 1994 erschienenen Sonderband 4a der Gesamtausgabe (Dokumente zur 'Philosophie der Freiheit' ), der u.a. in einem vollständigen Facsimile die Korrekturen und Zusätze von Steiners Hand zeigt.
  4. Briefe II (1881-1891), Hrsg. von E. Froböse und W. Teichert, 1955, S. 127. Zitiert nach Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 112
  5. Haeckel, Welträtsel, 1899, zitiert nach Fauth / Bubenheimer, Hochschullehr und Religion, 2000, S. 78 (PDF); Steiners Verhältnis zu Haeckel war bei aller ostentativen Parteinnahme durchaus zwiespältig. Als Haeckels Buch „Die Welträtsel“ erschien, begleitet von heftigen Angriffen auf den Autor vor allem von Seiten der Kirchen, stellte sich Steiner in einer Aufsatzserie („Haeckel und seine Gegner“, 1899) rückhaltlos auf Haeckels Seite. Auch später, in seiner theosophischen Phase, bezeichnete er Haeckels kämpferisches Eintreten für die Evolutionstheorie als „die bedeutendste Tat des deutschen Geisteslebens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ (Steiner, „Autobiographische Skizze“ von 1907). Doch fügte er hinzu: „es gibt keine bessere wissenschaftliche Grundlegung des Okkultismus als Haeckels Lehre. Haeckels Lehre ist groß, und Haeckel der schlechteste Kommentator dieser Lehre.“ Damit nahm Steiner Haeckels (und Darwins) Evolutionslehre als wesentliche Voraussetzung seines eigenen „evolutionären“ Okkultismus in Anspruch, distanzierte sich aber zugleich von Haeckels sonstigen „Kommentaren“. Die Problematik dieser Haltung war Steiner selbst durchaus bewusst. So formulierte er eine mögliche Kritik aus der Sicht eines Haeckel-Anhängers: „Wie kann man einmal so für Haeckel eintreten und dann wieder allem ins Gesicht schlagen, was als gesunder ‹Monismus› aus Haeckels Forschungen folgt? Man könnte begreifen, dass der Verfasser dieser ‹Geheimwissenschaft› mit ‹Feuer und Schwert› gegen Haeckel zu Felde ziehe; dass er ihn verteidigt hat, ja dass er ihm sogar ‹Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert› gewidmet hat, das ist wohl das Ungeheuerlichste, was sich denken läßt. Haeckel hätte sich für diese Widmung wohl ‹mit nicht misszuverstehender Ablehnung› bedankt, wenn er gewusst hätte, dass der Widmer einmal solches Zeug schreiben werde, wie es diese ‹Geheimwissenschaft› mit ihrem mehr als plumpen Dualismus enthält.“ Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss, Vorwort zur ersten Auflage, 1910 (Internet). Die Berufung Steiners auf Haeckel gilt als wichtiges Deutungsproblem für das Verständnis von Steiners intellektueller Entwicklung. So heißt es etwa in einer Rezension der Wiederauflage von Karl Ballmers Aufsatz „Ernst Haeckel und Rudolf Steiner“: „Derselbe Rudolf Steiner, der eine neue Christologie und damit auch ein neues Verhältnis zum Vatergrund alles Seins verkündete, die Lehre vom Leben des Menschen nach dem Tode so ausführlich zur Darstellung brachte und eine 'Philosophie der Freiheit' schrieb, stellt sich auf die Seite des Leugners von Gott, Unsterblichkeit und Freiheit! Wer kann das begreifen?“ (Internet). Übereinstimmend auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 120: "Wie reimt sich all das zusammen? - Keine Frage, seinen Schülern und wohlwollenden Interpreten hat es Steiner mit der Deutung der Haeckel-Episode nicht eben leicht gemacht."
  6. Steiner hatte allerdings bei Erscheinen der Erstauflage, am 5. Dezember 1893, an Mackay geschrieben, dass er bei einer evtl. Neuauflage „die Übereinstimmung meiner Ansichten mit den Stirnerschen ausführlich zeigen“ wollte. (GA 39, S. 139). Dies war aber bei Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung im Jahre 1918 nicht der Fall.
  7. „Welchen Weg hätte Nietzsche genommen, wenn nicht Schopenhauer, sondern Max Stirner sein Erzieher geworden wäre!“, Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, S. 30 (Internet). Die enge Anknüpfung an Nietsche hatte Steiner bereits in der Vorrede zu diesem Buch zum Ausdruck gebracht: "Als ich vor sechs Jahren die Werke Friedrich Nietzsches kennen lernte, waren in mir bereits Ideen ausgebildet, die den seinigen ähnlich sind. Unabhängig von ihm und auf anderen Wegen als er, bin ich zu Anschauungen gekommen, die im Einklang stehen mit dem, was Nietzsche in seinen Schriften: «Zarathustra», «Jenseits von Gut und Böse», «Genealogie der Moral» und« Götzen-Dämmerung» ausgesprochen hat. Schon in meinem 1886 erschienenen kleinen Buche «Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung» kommt dieselbe Gesinnung zum Ausdruck wie in den genannten Werken Nietzsches." (Internet)
  8. Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, S. 3 (Internet)
  9. Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, S. 41f. (Internet)
  10. Rudolf Steiner, Der Individualismus in der Philosophie, 1988, S. 99ff. (Internet); S. auch David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv, 1993, S. 25f., der dieses Zitat als den Höhepunkt von Steiners Würdigungen Nietzsches bezeichnet.
  11. Sabine Scholz, Stirners Ideen, Stirner Forum - Texte, Forschung, 2006 (Internet)
  12. Rudolf Steiner, Keine Kälte, sondern Seligkeit der Befreiung, Magazin für Literatur Jahrgang 6, Nr. 27, 9.7.1898, (GA 32, S.219-223, 2/1971) (Internet)
  13. Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, 1895, S. 28 (PDF)
  14. Felix Hau, Für eine Wiederentdeckung des frühen Rudolf Steiner, info3, September 1998 (Internet)
  15. Sylvain Coiplet, Anarchismus und soziale Dreigliederung - Ein Vergleich, Institut für Soziale Dreigliederung 4/2000 (Internet)
  16. Rudolf Steiner: Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, Band VI. Goethes Erkenntnis-Art, S. 124 (Internet)
  17. Die Art und Bedeutung der Mitarbeit Steiners konnte nicht vollständig geklärt werden. Steiner selbst betonte später, er habe nie in einem offiziellen Verhältnis zum Archiv gestanden. Adalbert Oehler, ein Vetter Förster-Nietzsches, schrieb dagegen in seinen Erinnerungen: "Am 20. April 1895 trat Dr. Rudolph Steiner - später als Führer der Anthroposophen berühmt geworden, damals im Goethe-Archiv zu Weimar beschäftigt und als außerordentlicher Nietzsche-Kenner bekannt - auf kurze Zeit in das Archiv ein. Er sollte, damit [der Nietzsche-Herausgeber Dr. Fritz] Kögel für die Bearbeitung der beiden genannten Bände der Gesamtausgabe freie Hand behielt, andere Arbeiten im Archiv erledigen. Dr. Kögel, der Dr. Steiner gut kannte, wollte sich mit ihm über verschiedene Nietzsche-Fragen aussprechen und war mit dem Eintritt einverstanden." Fest steht jedenfalls, dass Steiner im Frühjahr 1985 ein Verzeichnis der Literatur über Nietzsche zusammenstellte. Dieser Prospekt "Neue Nietzsche-Literatur" wurde gemeinsam mit dem ersten Band der Nietzsche-Biographie von Förster-Nietzsche ausgeliefert. Es enthielt, die Bemerkung, dass es bibliographische Notizen enthalte, "welche Herrn Rudolph Steiner in Weimar verdankt werden, der dieselben nach dem im Nietzsche-Archiv vorhandenen Material zusammengestellt hat." s. Marc David Hoffmann, Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv - Briefe und Dokumente 1984-1900, 1993, S. 20f. Bei diesem Literaturverzeichnis aus der Feder Steiners handelt es sich um die erste Nietzsche-Bibliographie überhaupt. Sie ordnete auf sieben Seiten 168 Publikationen den Werken Nietzsches zu. Bei einem weiteren Arbeitsaufenthalt in Naumburg im Januar 1896 erstellte Steiner zudem ein Verzeichnis von Nietzsches Bibliothek. Auf 227 Seiten gliederte er 1077 Bände und Broschüren alphabetisch in 19 Sachgruppen auf (Hoffmann, S. 29f.). Zum Anschluss des Aufenthaltes wurde Steiner, gleichsam als Dank für seine Mitarbeit, in das Zimmer des kranken Nietzsche geführt (Hoffmann, S. 32ff.) Bei seiner Arbeit im Nietzsche-Archiv konnte Steiner - ein außerordentlicher Vertrauensbeweis - Nietzsches damals noch unveröffentlichte Autobiographie "Ecce Homo" einsehen, die von Förster-Nietzsche als persönliches Geheimnis sorgsam gehütet wurde (Hoffmann, S. 20). Während Steiners Archivbesuchen ergaben sich angeregte philosophische Diskussionen mit Koegel und Förster-Nietzsche. Daraufhin äußerte Förster-Nietzsche den Wunsch, Steiner möge ihr seine "Anschauungen und Ergebnisse in Privatstunden entwickeln". Nach einer Rücksprache mit Koegel wurde dieser Plan verwirklicht (Hoffmann, S. 39f.) Steiner unterrichtete im Spätsommer und Herbst 1986 zweimal wöchentlich je zwei Stunden. Aufgrund dieses Unterrichts war Förster-Nietzsche der Auffassung, Steiner sei aufgrund seines philosophischen Hintergrundes besser geeignet als Koegel, die letzten Bände der Nietzsche-Ausgabe, darunter den geplanten Band über Nietzsches letztes Werk "Umwertung aller Werte", zu edieren (Hoffmann, S. 42f.). Förster-Nietzsche versuchte Kögel mit einer Intrige zugunsten Steiners aus dem Archiv zu drängen, was zu einem Eklat führte. In einem persönlichen Treffen wurde Förster-Nietzsche allerdings vor Zeugen der Lüge und Intrige überführt. Koegel versöhnte sich daraufhin mit Steiner, zu dem er ein gutes persönliches Verhältnis pflegte (Hoffmann, 45ff.). Steiner widersetzte sich daraufhin dem noch zwei weitere Jahre von Förster-Nietzsche verfolgten Ansinnen, er möge in das Archiv eintreten. An seiner Stelle kamen Arthur Seidl und später noch Heinrich Köselitz und die Brüder Ernst und August Horneffer als Herausgeber ans Archiv. Die zwölfbändige Koegelsche Gesamtausgabe wurden nun als unbrauchbar bezeichnet und mussten vom Verlag zurückgezogen werden (Hoffmann, S. 54f.). Steiner kritisierte die "Machenschaften" des Archivs in zahlreichen Artikeln und Leserbriefen. So entstand zwischen Februar und Juli 1900 ein literarischer Streit, der 19 Zeitschriftenbeiträge umfasste und in persönlichen Angriffen bis an die Grenze der Ehrverletzung ging. Im Archiv für Litteratur schrieb Steiner unter dem Titel: "Das Nietzsche-Archiv und seine Anklagen gegen den bisherigen Herausgeber - Ein Enthüllung": Ich kam damals in jeder Woche zweimal zu Frau Förster-Nietzsche. Sie hatte sich von mir Privatstunden über die Philosophie ihres Bruders geben lassen. [...] Die Privatstunden, die ich Frau Förster-Nietzsche zu geben hatte, belehrten mich vor allen Dingen über das Eine: Daß Frau Förster-Nietzsche in allem, was die Lehre ihres Bruders angeht, vollständig Laie ist. Sie hat nicht über das Einfachste dieser Lehre irgendein selbständiges Urteil. Die Privatstunden belehrten mich noch über ein anderes. Frau Elisabeth Förster-Nietzsche fehlt aller Sinn für feinere, ja selbst für gröbere logische Unterscheidungen; ihrem Denken wohnt auch nicht die geringste logische Folgerichtigkeit inne; es geht ihr jeder Sinn für Sachlichkeit und Objektivität ab. [...] Ich hätte gewiß nie über diese privaten Angelegenheiten gesprochen, wenn sie nicht geeignet wären, in der Öffentlichkeit ein richtigeres Bild über die Qualitäten der Leiterin des Nietzsche-Nachlasses zu geben [...]. Das was ich vorbringe ist geeignet, zu zeigen in welchen Händen Nietzsches Schriften sind." (Magazin für Litteratur 1900, Nr. 6 vom 10. Februar, Sp. 145ff.; zitiert nach Hoffmann, S. 56f.). Zwar stellter dieser Skandal das Archiv erstmals öffentlich ins Zwielicht, dennoch konnte sich das Nietzsche-Archiv bis ins Dritte Reich unbeschadet halte und seine "zweifelhaften Ausgaben und Machenschaften" (so das Urteil Hoffmanns, S. 57) fortsetzen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die kritische Nietzsche-Forschung auf die Sinnentstellungen von Nietzsches Werken in den Publikationen des Archivs aufmerksam. Erich F. Podach urteilte: "Die von Steiner in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift veröffentlichten Aufsätze über E. Förster-Nietzsche und ihr Archiv waren die ersten, die sich zum Ziele setzten, die Öffentlichkeit aufzuklären, 'in welchen Händen Nietzsches Nachlaß ist'." (Zitiert nach Hoffmann, S. 58). Zu Steiners Tätigkeit im Nietzsche Archiv s. auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 115ff.
  18. Zitiert nach David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv, 1993, S. 25
  19. "Ein Publikum, auf das vielleicht viele als auf ein bängliches zurückschauen, ein Publikum fand ja die «Philosophie der Freiheit». Sie war erst kurze Zeit erschienen, da fand sich gewissermaßen eine Art von bis zu einer gewissen Grenze gehender Zustimmung zur «Philosophie der Freiheit» innerhalb derjenigen Kreise, welche am besten vielleicht charakterisiert sind durch die beiden Namen des Amerikaners Benjamin Tucker und des schottischen Deutschen oder deutschen Schotten John Henry Mackay." Rudolf Steiner, Episodische Betrachtung zum Erscheinen der neuen Auflage der «Philosophie der Freiheit», Dornach, 27. Oktober 1918 (Internet)
  20. GA 39, S. 370f. Zitiert nach Walter Kugler, Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 1978, S. 170ff.
  21. Ralf Sonnenberg, "Fehler der Weltgeschichte": Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners, hagalil.com 07-07-2004
  22. Wolfgang g. Vögele (Hg.), Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 74.
  23. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 76
  24. Diese Mitteilung Mayreders gibt Friedrich Eckstein in einem Gespräch mit Edmund Schwab wieder. Das komplette Zitat Ecksteins lautet: "Steiner war in jenen Jahren in ziemlich bedrängten Verhältnissen, oft geradezu am Verhungern, so dass er meine Einladungen immer gern annahm. So schlecht ging es ihm bis in die Weimarer, ja auch Berliner Zeit. Rosa Mayreder, die [...] ihm ihre Arbeiten vor der Veröffentlichung einzuschicken pflegte, erzählte mir dass sie ihn in Weimar oder Berlin aufsuchte, da er ihr auf wiederholte Schreiben hin ein großes Manuskript, dass sie ihm wieder einmal gesendet hatte, nicht zu haben antwortete. Dabei habe sie das vermisste Manuskript gefunden. Er sei damals Alkoholiker gewesen, wenn auch nicht in jenem Übermaß, wie man es bei Mystikern oft findet. Erst ab der Jahrhundertwende habe Rudolf Steiner sich ganz fest in die Hand genommen und sei der geworden, als den ihn die Welt heute kennt." Zitiert nach Fred Poeppig: Rudolf Steiner - Der große Unbekannte. Leben und Werk, 1960, S. 85. S. auch Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 74f. Übereinstimmend berichtet auch Otto Hartleben von exzessivem Alkoholgenuß und einem unsteten Lebenswandel. In einem Brief an eine Freundin schreibt er: "S[teiner] hatte seine Schlüssel vergessen, ist mit W... noch ins Café gegangen, ist Sonntag betrunken 'heimgekommen', hat Dein Telegramm nicht mal liegen sehn (Sonntag Nachmittag 3 Uhr ist er 'heimgekommen'!)." Ein Augenzeuge berichtete ähnliches: Otto Erich Hartleben und Rudolf Steiner betreten tief in der Nacht ein Berliner Nachtcafé, in dem eine Zigeunerkapelle fiedelt. Beide hatten wacker gezecht und waren in eifriger Diskussion über ein literarisches Thema." Zitiert nach Vögele, S. 86 und 87. Auf diesen übermäßigen Spirituosenkonsum der jungen Jahre war, nach Steiners wachsender Popularität, auch in der zeitgenössischen Presse immer wieder angespielt worden. Kurt Tucholsky etwa hatte in einem Pressebericht geschrieben: "Und nur eines kann ich nicht verstehen, wenn ich die Figur dieses Menschen betrachte, der mit Hartleben herumgesoffen hat, und von dem man sagt, er habe in diesen fröhlichen Kneipnächten die Figur des 'Serenissimus' erfunden-: Christian Morgenstern liebte ihn." Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 293ff. (s. dazu auch unten).
  25. Moritz Zitter an Rosa Mayreder, 8. März 1903, Rudolf Steiner Archiv Dornach, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 75.
  26. "Der zukünftige Begründer der anthroposophischen Bewegung und vergötterte Prophet war zu jener Zeit noch ein wenig beachteter zigeunernder Intellektueller, dem wahrlich niemand seine kommende Erleuchtung und Erhöhung, mit einem Wort sein Damaskus vorausgesagt hatte. Er war vorher am neugegründeten Nietzsche-Archiv in Weimar tätig gewesen und hatte eine auf der Grenzscheide von Zarathustra und Haeckel sich bewegende, noch überwiegend naturwissenschaftlich gedachte 'Philosophie der Freiheit' geschrieben, die uns Damalige immerhin aufhorchen machte. Ihr verdankte er es wohl, dass Neumann-Hofer, der Herausgeber des 'Magazins für Litteratur', ihm dessen Redaktion übertragen hatte. Es war ein Glück für Steiner, dass dies so kam, und hat ihn vielleicht vor dem Untergang bewahrt. Denn seine unregelmäßige Lebensführungs hätte ihn wahrscheinlich sehr bald in jeder anderen ähnlichen Stellung unmöglich gemacht. Neumann-Hofer war ein nachsichtiger Chef, von großzügigem Wesen und nichts weniger als ein Philister. Er liess Steiner seine Schwächen und Entgleisungen hingehen, wohl auch aus einem ihm auch sonst eigenen Fingerspitzengefühl für das Wesentliche und Besondere dieses reichlich verbummelten aber hochbegabten Mannes." Max Halbe, Jahrhundertwende. Geschichte meines Lebens 1893-1914, 1935, S. 179-184, zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 91f.
  27. s. Werner Portmann, Die wilden Schafe, Max und Siegfried Nacht. Zwei radikale, jüdische Existenzen, 2007 (Internet).
  28. Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 75f.
  29. Zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 106ff.
  30. Brief an Anna Steiner, Berlin, 14. Februar 1904, in: GA 39, S. 435. Zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 76.
  31. Fred Poeppig: Rudolf Steiner - Der große Unbekannte. Leben und Werk, 1960, S. 116
  32. Rudolf Steiner, Reinkarnation und Karma, Aufsatz in der Zeitschrift Luzifer 1903, heute in GA 34
  33. Steiner sagte selbst: „Es gibt manche, welche in ihr (=Geheimwissenschaft) nur eine Erscheinung sehen, welche darauf aus ist, Surrogate zu setzen an die Stelle bewährter Kräfte, oder welche in ihr nur einen Hang zum Synkretismus und Eklektizismus finden“, Wie kann die seelische Not der Gegenwart überwunden werden? Zürich, 10. Oktober 1916, GA 168, Dornach 1984, S. 91-120 (Internet)
  34. GA 350, S. 115
  35. Bruno Wille an Steiner, Brief vom 8.11.1902, zitiert nach Lindenberg, Rudolf Steiner - eine Chronik, 1988, S. 204
  36. Im Vorwort zu der 1910 erschienen Schrift „Geheimwissenschaft“ schrieb Steiner selbst, dass einem Monisten diese Anschauungen als „plumper Dualismus“ erscheinen konnten (s.o.)
  37. Rudolf Steiner - Die Aufgabe der Geisteswissenschaft und deren Bau in Dornach, Autoreferat eines Vortrags 1916, in GA 35, S. 176f.
  38. Annika Mombauer, Helmuth von Moltke and the Origins of the First World War, 2001 ISBN: 0521791014 (Exzerpt als PDF), hier S. 8. S. auch Walter Kugler, Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 1978, S. 187ff., wo Steiners Einleitungstext abgedruckt ist. In diesem Text bezeichnete Steiner den Ersten Weltkrieg als eine "europäische Notwendigkeit".
  39. s. Arfst Wagner (Hg.): Dokumente und Briefe zur Geschichte der Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der zeit des Nationalsozialismus. Rendsburg 1992/93, Internet.
  40. siehe etwa einen Beitrag in der Wiener Zeitung vom 27. März 1997, Arfst Wagner: Aufarbeitung der anthroposophischen Aktivitäten zur Zeit des „Dritten Reiches“, Wege zur Erarbeitung der Anthroposophie, Heft 5/1993 (Internet); Ausführlich zum Thema „Anthroposophie und Nationalsozialismus“ die Artikelsammlung des Lohengrin-Verlages.
  41. Die Schrift, Erstausgabe 1918, stammte von Karl Heise. Der Titel lautete: "Entente-Freimaurerei und Weltkrieg". S. Franz Wegener, Heinrich Himmler. Deutscher Spiritismus, französischer Okkultismus und der Reichsführer SS, 2004. ISBN: 3931300153. Die Schrift war laut Mitteilung von Karl Heise selbst von Steiner angeregt, finanziert und eingeleitet worden, S. den Brief Heises von 1937, abgedruckt in: Dokumente und Briefe zur Geschichte der Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. Band I. Hg.: Arfst Wagner, 1991 (Internet). Zur Einleitung Steiners und weiteren Materialien s. Lohengrin Verlag Internet. Das Buch Heises entwickelte sich zu einem wichtigen Baustein esoterisch-antisemitischen Verschwörungsdenkens. Es wurde 1982 von dem rechtsextremistischen "Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur" nachgedruckt. Der Verlag, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, druckt unter anderem Bücher über die angebliche Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion. Zu den Thesen des Buches s. auch: Manfred Spalinger, Karl Heises "Entente-Freimaurerei und Weltkrieg" - Versuch einer Beurteilung, in: Beiträge zur Dreigliederung, Anthroposophie und Kunst. Heft 40/41, 1991 (Internet).
  42. Zur Rezeption der Ariosophie durch die Anthroposophie, s. etwa Rudolf Steiner über Jörg Lanz von Liebenfels, Lucifer-Gnosis, No. 32, Jan-Februar 1906 GA 34, Dornach 1987, S. 500-504 (Internet); Zur Rezeption der Ariosophie durch die Nationalsozialisten vgl. Nicholas Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Die Ariosophie in Österreich und Deutschland von 1890 - 1935, 1997, ISBN: 3702007954. Der Sektenexperte Friedrich-Wilhelm Haack zog etwa diese Paralle: "Ich finde es auch gar nicht so unverständlich, daß ein Mann wie [das Mitglied der NSDAP-Reichsleitung] Haverbeck bei der Christengemeinschaft als Priester ist. Man muß dazu sehen, daß Steiner seinerzeit sehr deutlich Gedanken geäußert hat, die in Richtung dieses Neugermanismus gegangen sind. Und es finden sich gerade in der Anthroposophie ja sehr viele, die der eher völkisch-deutschen Ökologie nahestehen. Aus: Briefe und Dokumente zur Geschichte der Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. Hrsg. Arfst Wagner, 1993 (Internet). Ein weiteres Beispiel für einen Anthroposophen mit Nazi-Vergangenheit ist der Pfarrers der Christengemeinschaft Friedrich Benesch. Vgl. Johann Böhm: Friedrich Benesch (1907-1991) in: Halbjahresschrift für südeuropäische Geschichte, Literatur und Politik. Heft Mai 2004. S. auch Friedrich Benesch: Anthroposoph und Nationalsozialist, Weblog "Egoisten" (PDF)
  43. Ein Beispiel sind Schilderungen Steiners zu seinem Verhältnis zu Nietzsche, die David Marc Hoffmann in "Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs", 1991 und "Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv", 1993 als falsch nachgewiesen hat (S. Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv, S. 32ff.). Lorenzo Ravagli kommentiert in einem Aufsatz für das Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 1997: "Hoffmann zeigt in seinem Buch nicht nur Steiners Wandlungen, wenn nicht gar 'Brüche', er weist auch seine Irrtümer und Erinnerungstäuschungen nach (S. 181-187). Von Hoffmann wird detailliert chronologisch und dokumentarisch rekonstruiert, daß die Behauptung in Steiners Mein Lebensgang, er sei durch den Besuch beim kranken Nietzsche in Naumburg zu seinem Buch Friedrich Nietzsche - ein Kämpfer gegen seine Zeit inspiriert worden, nicht stimmen kann, weil Steiners einzige Nietzschebegegnung am 22. Januar 1896 stattffand, sein Nietzschebuch aber im Frühjahr 1895 erschienen ist." (Internet). Rosa Mayreder bezeichnete die Erinnerungen bereits im Jahre 1925 als "schönfärberisch": "Nach dem Erscheinen des von mir handelnden Abschnittes seiner Autobiographie wurde mir das 'Goetheanum' allwöchentlich mit den Fortsetzungen dieser Autobiographie zugesendet; der Eindruck des Unaufrichtigen, Schönfärberischen, Zurechtgemachten ließ mich daran so kühl wie seine ganze Persönlichkeit." Rosa Mayreder, Tagebücher 1873-1937, 1988, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 50. Auch Gerhard Wehr weist am Beispiel von Steiners Beziehung zu Haeckel auf Widersprüche zwischen den Erinnerungen und den historischen Begebenheiten hin: "Diese aus der Retrospektive geübte Verteidigung steht - wie so manches in Mein Lebensgang Gesagte - in einem bemerkenswerten Gegensatz zu dem zwei Jahrzehnte früher Ausgesprochenen. Wehr, S. 119
  44. So schrieb der jüdische Literaturkritiker und Schrifsteller Willy Haas, der auch unter dem Pseudonym "Caliban" publizierte, 1963 in einer Erinnerung an Begegnungen mit Steiner: "Bald begann er [=Steiner] zu deklamieren, und zwar ohne Unterbrechung und ohne Korrektur. Er sprach von einer empfangenen Offenbarung, an der auch andere teilhaben könnten -, es sei freilich schwer, und höchste Konzentration sei nötig. Er lüftete ein wenig den Vorhang seines Geheimnisses und redete hochpathetisch von so etwas wie Seelenwanderung. [...] Und wie nun dieser theatralische Mensch pathetisch darüber sprach, indem er allerhand neue augenscheinlich selbsterfundene Arabesken hinzufügte und das Ganze als seine höchsteigene Geheimlehre ausgab: das war zuviel. Rudolf Steiner begann mich erst zu interessieren, als ich von der halsbrecherischen Kurve seines Geisteslebens erfuhr, die er sich geleistet hatte. [...]. Er, der den Kampf gegen den Materialismus der Zeit als seine Hauptaufgabe ansah, zitierte mit Bewunderung Ernst Haeckel. [...] Schon um 1900 begann seine Missionarstätigkeit aufgrund angeblicher oder echter übersinnlicher Erfahrungen. [...] Caliban [Pseudonym des Autors Willy Haas] wird es nie verstehen, wie ein Mann, der gestern noch mittelmäßige Theaterkritiken schrieb, heute als erleuchteter Übermensch mit einer esoterisch-gnostischen Geheimlehre auftreten kann." Willy Haas, Er scharte Anhänger um sich und seine Schule, in: Die Welt, 8. Juli 1963, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 176ff.
  45. Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 128
  46. Gerhard Wehr, Der innere Weg, 1994 (2. Aufl.), S. 33.
  47. So erinnert sich etwa die Schriftstellerin Gabriele Reuter an Steiner als "Freidenker": "Individualisten von reinstem Wasser waren wir sämtlich. [...] Wir glaubten gewiss ehrlich an einer allerpersönlichsten Entwicklung in uns zu arbeiten, während wir doch nur das typische Entwicklungsleben unserer Zeit teilten. [...] Nun war Friedrich Nietzsche unser Gott geworden, um den sich, wie Planeten um die Sonne, unsere Geister drehten. [...] Jeder von uns war Herr der Welt und der Mittelpunkt ihres Seins, und die Souveränität des Einzigen wurde mit den groteskesten Gründen und den gewagtesten Schlussfolgerungen bestätigt. Vorzüglich Rudolf Steiner, der die naturwissenschaftlichen Schriften Goethes für die Sophienausgabe redigierte - nachmals priesterlicher Anthroposophenführer - war groß darin, barocke, unerhörte Prämissen aufzustellen [...]. Was konnte er amüsant sein, wenn er so in Eifer geriet, der damalige Freidenker mit dem geistdurchgrabenen schmalen Mönchskopf [...]. Wir genossen alle das Gefühl das Bürgerliche hinter uns gelassen zu haben und in dem Lande 'Jenseits von Gut und Böse' gelandet zu sein. Aber das Einrichtgen dort war gar nicht so leicht, als es aussah, wir Frauen kamen doch zuweilen in arge Konflikte. Steiner kämpfte mit Hunger und Not." Gabriele Reuter, Begegnungen mit Friedrich Nietzsche, Feuilleton aus einer ungenannten Zeitung, undatiertes Typoskript des Rudolf Steiner Archivs. Zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 71f.
  48. So Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 132.
  49. Rudolf Steiner, Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, 1. Aufl 1926 (Internet), hier: Band XVII. Goethe gegen den Atomismus, S. 326 (Internet)
  50. Rudolf Steiner, Methodische Grundlagen der Anthroposophie, Gesammelte Aufsätze zur Philosophie, Naturwissenschaft, Ästhetik und Seelenkunde 1887-1901, 1961, S. 559. Zitiert nach Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 133
  51. Brief Rudolf Steiners an Pauline Specht, Weihnachten 1894, in: Rudolf Steiner, Briefe II, S. 181. Zitiert nach David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv - Briefe und Dokumente 1894-1900, 1993, S. 16; s. auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 131
  52. Rudolf Steiner, Veröffentlichungen aus dem literarischen Frühwerk, Bd. 5, 1958, S. 44. Zitiert nach Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 134.
  53. Rudolf Steiner, Stirner reicht im 20. Jahrhundert nicht aus, GA 28, S.273-278 (Internet)
  54. Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 78.
  55. Rudolf Steiner, Bürgerliche Egoistik Stirners als Untergang, GA 192, S.61-80, 1919 (Internet)
  56. Vortrag vom 20.7.1924, in: Esoterische Vetrachtungen karmischer Zusammenhänge, Band VI, S 73. Zum Sachverhalt siehe auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 131.
  57. Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 136f.
  58. "Vor dieser Jahrhundertwende stand die geschilderte Prüfung der Seele. Auf das geistige Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha in innerster, ernstester Erkenntnis-Feier kam es bei meiner Seelen-Entwicklung an." Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, S. 184 (PDF)
  59. Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, S. 270f. (Internet)
  60. Steiner selbst hatte in Verbindung mit der mythischen Schau des Christus von einem Damaskus-Erlebnis gesprochen. Dieses werde aufgrund der seelischen Entwicklung noch im 20. Jahrhundert für zahlreiche Menschen möglich sein: “In unserem 20. Jahrhundert werden sich allmählich in einem Teil der Menschheit neue menschliche Seelenfähigkeiten entwickeln. Zum Beispiel wird es möglich sein, bevor das 20. Jahrhundert abgelaufen sein wird, den menschlichen Ätherleib wahrzunehmen. Eine andere Fähigkeit wird die sein, dass man, wenn man in sein Inneres schaut, wie im Traum das Bild, das Gegenbild einer Handlung wahrnimmt, die man vollziehen wird. Gewisse besonders dazu veranlagte Menschen werden noch eine andere Erfahrung machen. Was Paulus vor Damaskus erlebte und was für ihn eine persönliche Erfahrung war, das wird für eine gewisse Anzahl von Menschen allgemeine Erfahrung werden. Die Bedeutung, welche dieses Ereignis im 20. Jahrhundert haben wird, kann man aus dem folgenden erkennen. Paulus konnte von allem, was sich in Palästina ereignet hat, wissen, ohne dass dies aus einem Saulus einen Paulus machen konnte. Sein Seelenzustand war ein solcher, dass er nicht überzeugt werden konnte, dass in dem Nazarener der Christus lebe. Erst das Ereignis von Damaskus sagte seinem hellseherischen Bewußtsein: Der Christus ist vorhanden. Die Menschen, welche im 20. Jahrhundert das Ereignis von Damaskus erlebt haben werden, werden das direkte Wissen vom Christus bekommen, sie werden nicht notwendig haben, sich auf Dokumente zu stützen, um den Christus zu erkennen, sondern sie werden das direkte Wissen haben, wie es heute nur der Initiierte besitzt. Alle Fähigkeiten, die heute mittels der Initiation erworben werden, werden in Zukunft allgemeine Fähigkeiten der Menschheit sein. Dieser Zustand der Seele, dieses Seelenerleben, wird im Okkultismus die ‚Wiederkunft Christi‘ genannt. Der Christus wird nicht wieder in einem physischen Leib verkörpert sein, sondern er wird in einem ätherischen Leib erscheinen, wie auf der Straße nach Damaskus.”Rudolf Steiner: Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt. GA 118, 18.04.1910, S.156 f. (Internet)
  61. Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 137f. Zur Diskussion um Steiners "Einweihung" und den Zusammenhang zum Christentum s. auch Felix Hau, Rudolf Steiner integral, Info3 Mai 2005 (Internet). Hau bestreitet in einem inneranthroposophischen Diskurs jeden Zusammenhang einer "Einweihung" mit dem Christentum, was jedoch eine Einzelmeinung ist. Biograph Vögele fasst das Erweckungserlebnis Steiners wie folgt: "Zur Prüfung gehörte weiter eine Auseinandersetzung mit dem Christentum. Das konfessionelle Christentum mit seiner Jenseitslehre und seinen sittlichen Geboten empfand Steiner als ebenso 'philiströs' und unzeitgemäß wie die Institution der bürgerlichen Ehe. Andrerseits empfand er hinter dem Materialismus 'dämonische Mächte', gegen die er zu kämpfen hatte. Die Lösung aller Zweifel ergab ergab sich ihm in der Jahrhundertwende durch ein entscheidendes inneres Erlebnis, das er in seinen Memoiren nur mit sparsamen Worten andeutet: sein vielzitiertes 'Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golghata'".
  62. Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 108
  63. Richard Specht, Aus Rudolf Steiners Jugendzeit, in: Neues Wiener Journal, 26. April 1925. zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 108.
  64. Vossische Zeitung, Berlin, 1. April 1925; Zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 63f.
  65. Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 303.
  66. Alfred Winterstein, Der Rattenfänger - Anlässlich der Tagung des Anthroposophenkongresses, Neue Freie Presse, Wien, Feuilleton, 20. Juni 1922, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 271f.
  67. Bericht der Zeitschrift Bohemia über einen Vortrag Steiners in Prag, Bohemia, 1. Mai 1912, Zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 201f.
  68. Züricher Post, 41. Jg., Nr. 92, 25.2.1919 (Morgenausgabe), zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 235f.
  69. Rosa Mayreder, Tagebücher 1873-1973, 1988. zitiert nach Vögele, S. 49f.
  70. Ignaz Wrobel (Pseudonym von Kurt Tucholsky), Rudolf Steiner in Paris, in: Die Weltbühne, Jg. 20, Nr. 27, 3. Juli 1924, II, S. 26-28, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 293ff.
  71. Andrei Bely, Brief an Alexander A. Bok, 14. Mai 1912, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 204f.
  72. Wilhelm Keilhau , in: Samtiden, 37. Jg., Oslo 1926, zitiert nach: Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 257
  73. Augenzeugenberichte von Franz Halla, in: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Nr. 32, Juni 1955, S. 74-75 und von Rudolf Toepell in Brief an Herbert Hennig, 20.5.1955; Rudolf Steiner Archiv; zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 199f.
  74. Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, 1944, S. 119-122. Zitiert nach Vögele, S. 132
  75. Franz Kafka, aus: Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka. Erweiterte Ausgabe, 1968, S. 191-193, Zitiert nach Vögele, Der andere Steiner, 2005, S. 186.
  76. Kafka hatte den Anfang des Gesprächs sehr ironisch beschrieben. Für den weiteren Verlauf existiert nur ein "Gedächtnisprotokoll" Max Brods, in dem dieser den Fortgang in ebenfalls ironischem Tone schildert: "Steiner nun missverstand Kafka, als ob Kafka gemeint hätte, dass er bei religiösen Riten den Kult der Schönheit vermisse. Eine Einstellung weit unter Kafkas Niveau. Vielleicht war Steiner durch den Schnupfen gehindert [...], das Anliegen Kafkas genau zu fassen. Aber da Steiner nach Ansicht seiner Anhänger göttliche Kräfte und Einsichten besaß, hätte eigentlich ein solcher Lapsus nicht passieren dürfen. Übrigens zeigt sich bei diesem Anlass (ähnlich wie bei Kafkas Einstellungen gegen Wunderrabis der Chassidim), dass er sehr vorsichtig war und [...] sehr genau prüfte, ehe er jemandem Attribute eines Zusammenhangs mit dem Absoluten zusprach. Kurz und gut, Steiner suchte Kafka zu beruhigen und erklärte ihm ausführlich, dass auch bei den Zusammenkünften und Riten der Anthroposophen die Belange der Schönheit gut gewahrt werden. Eine so flache Antwort musste Kafka enttäuschen. Und so ging er weg, ohne dass sein Suchen eine Antwort gefunden hätte. Er hat sich nach diesem Gespräch, über das er mir mit dem ihm eigenen schmerzlich-nervösen Lachen berichtete, das manchmal geradezu zerstörend hervorbrach, meines Wissens nie mehr ernsthaft mit Anthroposophie befasst." S. dazu Franz Kafka: Tagebücher in der Fassung der Handschrift, 1990, S. 30-35, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 186-91, hier S. 191f..
  77. Max Brod, Höhere Welten, in: PAN, Wochenschrift, 1. Jg., Nr. 6, 16. juni 1911, S. 538-545, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 181.
  78. Hugo Ball, Briefe 1911-1927, 1957, S. 143. Zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 261.
  79. Hermann Hesse, Brief an Otto Hartmann, 22.3.1935. Zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 243.
  80. Albert Schweitzer, Werke aus dem Nachlaß, Vorträge, Vorlesungen, Aufsätze, 2003, S. 229-231. Zitiert nach Vögele, S. 157.
  81. Michael Bauer: Christian Morgensterns Leben und Werk, 1933
  82. Zitiert nach Walter Kugler, Feindbild Steiner, 2001, S. 59f.
  83. Zitiert nach Walter Kugler, Feindbild Steiner, 2001, S. 61.
  84. Hartmut Zinser, Rudolf Steiners „Geheim- und Geisteswissenschaft“ als moderne Esoterik, Vortragsmanuskript, 2006, S. 7
  85. Jan Badewien, Faszination Akasha-Chronik - Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie, Vortragstext, 2006, S. 11f.
  86. Jana Husmann-Kastein: Schwarz-Weiß-Konstruktionen im Rassebild Rudolf Steiners, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006, S. 17f.